TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 G304 2216476-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2216476-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 25.01.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 19.10.2018 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt:

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 13.12.2018 wird aufgrund der am 10.12.2018 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Senk/Spreizfuß beidseits, mit Operation links, Kniegelenksschädigung rechts, Schulterschädigung beidseits Oberer Richtsatzwert entsprechend der Fußfehlstellung beidseits, links>rechts sowie den geringen radiologischen Veränderungen mit insgesamt geringen Funktionseinschränkungen

02.02.02

40

2

Wirbelsäulenschädigung Unterer Richtsatzwert entsprechend den geringen Funktionseinschränkungen ohne neurologisches Defizit und ohne dauerhaft notwendige Schmerztherapie

02.01.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

40 v.H.

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

"Der GesGdB durch GS1 gebildet. GS2 hebt mangels relevanter Funktionseinschränkung und fehlender negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht weiter an."

3. In dem aufgrund der Aktenlage eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.01.2019 wird im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Senk/Spreizfuß beidseits, mit Operation links, Kniegelenksschädigung rechts, Schulterschädigung beidseits Oberer Richtsatzwert entsprechend der Fußfehlstellung beidseits, links>rechts sowie den geringen radiologischen Veränderungen mit insgesamt geringen Funktionseinschränkungen

02.02.02

40

2

Wirbelsäulenschädigung Unterer Richtsatzwert entsprechend den geringen radiologischen Veränderungen und Funktionseinschränkungen ohne neurologisches Defizit bei bedarfsweiser Schmerzmedikation

02.01.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 v.H.

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

"Der GesGdB durch GS1 gebildet. GS2 hebt mangels relevanter Funktionseinschränkung und fehlender negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht weiter an."

Folgende "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wurde abgegeben:

"Der AS begründet in seiner Einwendung, dass seine Wirbelsäulenschädigung (GS2) zu gering eingestuft wurde. Der vorgelegte radiologische Befund vom 10.1.2019 zeigt zusammenfassend geringe degenerativ bedingte radiologische Veränderungen, die durchaus als altersentsprechend einzustufen sind. Die Einstufung ist aber niemals von einem Röntgenbefund abhängig, sondern rein von sich aus einer Organschädigung ergebenden Funktionseinschränkungen, welche sowohl hinsichtlich der GS1 als auch der GS2 ausreichend gewürdigt wurden. Eine bedarfsweise Einnahme von Schmerzmedikamenten ist ebenfalls als absolut üblich anzusehen. Diesbezüglich sei auch auf das Vorgutachten von Dr. XXXX vom 18.5.2017 zu verweisen, wo keine orthopädischen Beschwerden seitens der Wirbelsäule angegeben wurden und eine altersentsprechende Beweglichkeit konstatiert wird. Zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Medikation. Die GesGdB sowie die GS1 und GS2 sind somit gemäß Begutachtung vom 10.12.2018 ausreichend bewertet und eingestuft!"

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.01.2019 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Begründend wurde auf die eingeholten Sachverständigengutachten vom 13.12.2018 und 23.01.2019 verwiesen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe, sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.) der Antrag des BF abzuweisen gewesen.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde nach Verweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen beantragt, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie einzuholen, und der Beschwerde stattzugeben.

6. Am 26.03.2019 langte der gegenständliche Verwaltungsakt samt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 07.05.2019, Zahl: G304 2216476-1/2Z, wurde

Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.

Mit weiterem Schreiben vom 07.05.2019, Zahl: G304 2216476-1/2Z, wurde

der BF ersucht, sich am 12.06.2019 um 15:30 Uhr bei Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 18.09.2019 wird nach am 12.06.2019 durchgeführter Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

GS 1

Senk-, Spreizfuß beidseits, mit Operation links und Belastungsschmerzen Unterer RSW entsprechend der Belastungsproblematik bei weitgehend ungehinderter Gangfunktion.

02.05.36

30

GS2

Klinische Zeichen eines Schulter-Impingement beidseits mit schmerzhafter Armhebung über 90 Grad Fixer RSW entsprechend der Schmerzsymptomatik bei normalem Bewegungsumfang

02.06.02

20

GS3

Beginnende Wirbelsäulenabnützung mit Rundrückenbildung thorakal Unterer RSW entsprechend der vorwiegend radiologischen Veränderungen ohne wesentliche Funktionsminderung und ganz ohne neuromotorische Ausfälle der Extremitäten

02.01.01

10

GS4

Kniegelenksschädigungen rechts nach anamnestischem Kreuzband und Innenbandriss

02.05.18

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

 

 

Begründend

für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

"Die führende GS1 wird durch die GS2, 3 und 4 im Zusammenwirken geringer orthopädischer Leiden jedoch mit negativer gegenseitiger Wechselwirkung um gesamt eine Stufe gehoben."

Folgende "Stellungnahme" wurde abgegeben:

"Im Gegensatz zum Amtsgutachten erscheint eine gesonderte Einschätzung der orthopädischen Leiden sinnvoll und wird meinerseits durchgeführt. Bezüglich der Wirbelsäulenproblematik wird im Rahmen der Begutachtung diese nicht angegeben, sodass offenbar keine relevante Funktionsstörung gegeben ist, dies wird auch im Rahmen der Untersuchung objektiviert. Die weiteren Leiden sind entsprechend gewürdigt, sodass gesamt ein Grad der Behinderung von 40% gegeben ist."

9. Mit Verfügung des BVwG vom 25.10.2019, Zahl: G304 2216476-1/7Z, dem Rechtsvertreter des BF zugestellt am 30.10.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 18.09.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

10. Darauf folgte keine Stellungnahme des BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF hat seinen Wohnsitz im Bundesgebiet.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die oben unter II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter

Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 18.09.2019 schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Der Sachverständige führte im Wesentlichen aus, dass die mit 30 v.H. führende Gesundheitsschädigung des BF "Senk-, Spreizfuß beidseits, mit Operation links und Belastungsschmerzen" durch die weiteren minder eingestuften Gesundheitsschädigungen der beidseitigen schmerzhaften Schulterbeeinträchtigung, beginnenden Wirbelsäulenabnützung und rechtsseitigen Kniegelenksschädigungen wegen negativer gegenseitiger Wechselwirkung um eine Stufe angehoben wird.

Diese sachverständige Ausführung wird für schlüssig und nachvollziehbar gehalten.

Da der BF keine Einwendung dagegen erhoben hat, wird das Sachverständigengutachten vom 18.09.2019 in freier Beweiswürdigung gegenständlicher Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A)

3.2.1. Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)

3.2.2. Wie unter Punkt 2.3. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom BF unbestritten gebliebene Sachverständigengutachten vom 18.09.2019, in welchem der Gesamtgrad der Behinderung des BF mit 40 v. H. eingeschätzt und welches vom BVwG als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird, zugrunde gelegt.

Da für die Ausstellung eines Behindertenpasses ein Gesamtbehinderungsgrad von mindestens 50 v.H. gefordert wird und dem Sachverständigengutachten vom 18.09.2019 folgend im gegenständlichen Fall der BF nur einen Gesamtbehinderungsgrad von 40 v.H. aufweist, war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war vor dem Hintergrund des vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachtens vom 18.09.2019, welches als schlüssig und nachvollziehbar erachtet wird, geklärt, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2216476.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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