TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/10 I415 1257286-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 1257286-3/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Algerien, vertreten durch RA Mag. Nikolaus Rast, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste erstmals am 29.12.2004 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.01.2005 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 wegen einer Dublin-Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Bescheid erwuchs nach erhobener Berufung am 21.06.2005 in zweiter Instanz in Rechtskraft und der Beschwerdeführer wurde nach Ungarn überstellt.

2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 13.07.2005 wurde gegen den Beschwerdeführer aufgrund unrichtiger Angaben ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot erlassen, dessen Gültigkeitsdauer mittlerweile abgelaufen ist.

3. Am 04.11.2005 reiste der Beschwerdeführer neuerlich in das Bundesgebiet ein und stellte einen weiteren Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2008 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde eine Ausweisung gegen den Beschwerdeführer erlassen. Seine daraufhin erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.03.2009 rechtskräftig abgewiesen. Der Beschwerdeführer kam seiner daraus erwachsenen Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

4. Am 24.11.2009 wurde der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei seinem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegriffen. Mit Bescheid vom selben Tag wurde gegen ihn die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angeordnet. Im Zuge einer am 26.11.2009 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme durch das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er das Ausfüllen des Formblattes für die Algerische Botschaft verweigere, weil er mit der Botschaft nichts zu tun haben möchte und außerdem nicht nach Hause wolle. Am 11.12.2009 wurde der Beschwerdeführer wegen Haftunfähigkeit aufgrund eines Hungerstreiks aus der Anhaltung in Schubhaft entlassen.

5. Der Beschwerdeführer tauchte in weiterer Folge unter. Er war von 12.12.2009 bis 01.05.2013 im Bundesgebiet behördlich nicht gemeldet.

6. Am 04.05.2010 wurde er in XXXX durch die Exekutive festgenommen und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom selben Tag seine Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am 14.05.2010 wurde er aufgrund seiner Haftunfähigkeit infolge eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.

7. Er leistete einem Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) vom 19.11.2014 für den 11.12.2014 zwecks Sicherung seiner Ausreise aufgrund einer durchsetzbaren Ausreiseentscheidung unentschuldigt keine Folge, was die Erlassung eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nach sich zog. Der Beschwerdeführer wurde am 22.01.2015 an seiner Meldeadresse aufgegriffen, festgenommen und an das PAZ Rossauer Lände überstellt.

8. Am 22.01.2015 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Der Beschwerdeführer erklärte, in Kenntnis des gegen ihn erlassenen, bis 13.07.2015 befristeten Aufenthaltsverbots sowie seines negativ abgeschlossenen Asylverfahrens zu sein. Seine richtige Identität laute XXXX. Die früheren Aliasnahmen seien eine reine Erfindung von ihm gewesen. Er wurde auf seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise aus Österreich hingewiesen. Der Beschwerdeführer erklärte, dass er zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates eigenständig bei der Botschaft vorsprechen und unaufgefordert eine Bestätigung über die erfolgte Vorsprache beim BFA abgeben werde, kam diesem Versprechen jedoch nicht nach.

9. Am 08.02.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Dem Antrag legte er eine Einstellungszusage vom 27.01.2015, eine algerische Geburtsurkunde, ein Deutsch Zeugnis A2 vom 09.10.2014, eine Bestätigung über die Meldung an der Adresse des E.B., eine Kranken- und Unfallversicherungsbestätigung für den Zeitraum 03.02.2015 bis 03.02.2016 und die Kopie eines Meldezettels bei. Eine am 01.03.2016 eingebrachte Säumnisbeschwerde betreffend seinen Antrag zog der Beschwerdeführer mit Schreiben seines damaligen Rechtsvertreters vom 14.04.2016 zurück.

10. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 08.02.2017 forderte das BFA den Beschwerdeführer auf, eine schriftliche Begründung seines Antrages, sowie ein gültiges Reisedokument samt Kopie und eine Geburtsurkunde vorzulegen. Am 22.02.2017 stellte seine damalige Rechtsvertretung einen Antrag auf Fristerstreckung, brachte jedoch in weiterer Folge keine Stellungnahme ein und legte auch keine weiteren Dokumente vor.

11. Mit Schriftsatz seiner damaligen Rechtsvertretung vom 08.03.2017 gab der Beschwerdeführer den Widerruf des Vertretungsverhältnisses zu seinem bisherigen Vertreter bekannt und übermittelte eine Stellungnahme zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Er legte eine Identitätsbestätigung der Algerischen Botschaft in Wien vom 08.08.2016 vor.

12. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 28.06.2017, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I., erster Spruchteil) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I., zweiter Spruchteil). Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt II.). Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

13. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 28.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

14. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung am 12.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

15. Bezug habender Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2017 vorgelegt und der Gerichtsabteilung I410 zugewiesen.

16. Am 26.07.2017 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers einen weiteren mit "Beschwerde" bezeichneten Schriftsatz. Gleichzeitig wurde eine Teilbesuchsbestätigung der XXXX über den Besuch des Kurses Deutsch B1 (Teil 1+2 von 4) in der Zeit von 18.04.2017 bis 04.07.2017 übermittelt.

17. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.09.2017 wurde das Verfahren der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugeteilt.

18. Am 12.02.2018 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht eine Einstellungszusage vom 19.12.2017. Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 18.06.2018 wurden weitere seine Integration belegende Unterlagen nachgereicht, darunter fünf Bestätigungen von XXXX, sowie Zeitbestätigungen des XXXX. Am 19.02.2019 reichte er weitere Unterlagen nach, und zwar Bestätigungen des XXXX und ein privates Empfehlungsschreiben. Mit Schriftsatz vom 21.08.2019 legte er eine weitere Bestätigung des XXXX vor. Am 22.01.2020 übermittelte er eine weitere Stellungnahme samt Urkundenvorlage.

19. Am 24.01.2020 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung und in Abwesenheit der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Seine Identität steht fest.

Er ist volljährig, ledig und kinderlos.

Am 29.12.2004 stellte der Beschwerdeführer seinen ersten Asylantrag in Österreich, der am 21.06.2005 in zweiter Instanz wegen einer Dublin-Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen wurde. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer nach Ungarn überstellt. Er reiste im November 2005 neuerlich illegal in das Bundesgebiet ein und befindet sich seither in Österreich. Ein weiterer von ihm gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.03.2009 rechtskräftig in zweiter Instanz abgewiesen und gegen ihn eine Ausweisung erlassen.

Der Beschwerdeführer weigerte sich beharrlich, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Ab 13.07.2005 bestand gegen den Beschwerdeführer ein mit der Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, welches die Bezirkshauptmannschaft XXXX erlassen hatte.

Der Beschwerdeführer war immer wieder über längere Zeiträume behördlich nicht gemeldet und verletzte seine Mitwirkungspflichten.

Über ihn wurde während seines jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet wiederholt die Schubhaft verhängt, wobei er sich zwei Mal mittels Hungerstreiks freipresste.

Der Beschwerdeführer bediente sich während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet über mehrere Jahre einer Alias-Identität und eines gefälschten Ausweises. Aufgrund seiner falschen Identitätsangaben und seiner mangelnden Mitwirkungspflicht konnte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht erwirkt werden. Erst im März 2017 legte der Beschwerdeführer eine Identitätsbestätigung der Algerischen Botschaft in Wien vom 08.08.2016 vor.

Die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht durch die belangte Behörde verschuldet, sondern eine Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers selbst.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in Algerien zehn Jahre die Schule besucht, eine Ausbildung als XXXX gemacht und anschließend auf einer Baustelle gearbeitet.

Die Mutter und drei Brüder des Beschwerdeführers leben in Algerien und hat der Beschwerdeführer sporadischen Kontakt zu einem seiner Brüder.

In Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgebliche private Beziehungen, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, jedenfalls keine, die man allein aufgrund der Dauer seines Aufenthaltes von nunmehr rund 15 Jahren im Bundesgebiet erwarten kann.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom 03.01.2018, Zl. XXXX, wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

1.2 Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Algerien ist ein sicherer Herkunftsstaat und sowohl fähig als auch willig, seinen Bürgern Schutz zu gewähren. Algerien weist eine funktionierende, unabhängige Justiz sowie einen funktionierenden Sicherheitsapparat auf. Behördliche Korruption steht unter Strafe, mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Dieses Gesetz wird nicht effektiv durchgesetzt, wenn es auch ein eigenes Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption gibt. Daneben sorgt die Nationale Organisation zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption für eine beratende Funktion. Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Folter ist gesetzlich verboten. Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung. Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen. Die Todesstrafe ist für zahlreiche Delikte vorgesehen und wird auch verhängt, doch gibt es in der Praxis ein Moratorium und seit 1993 werden offiziell keine Exekutionen mehr durchgeführt. Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist angespannt. Demonstrationen finden seit Mitte Februar 2019 fast täglich in allen größeren Städten statt, die größten Protestmärsche nach den Freitagsgebeten. Auch wenn diese bisher weitgehend friedlich verlaufen sind, können gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert. Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab. Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer (Nord-Westen von Algier und Wilaya de Batna) wird gewarnt. Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran. Algerien ist allen wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Die Menschenrechtssituation in Algerien hat sich seit den 1990-er Jahren sukzessive verbessert. Die Verfassung gewährleistet Glaubensfreiheit. Gesetzliche Bestimmungen gestatten allen Individuen die Freiheit, ihre Religion auszuüben, solange die öffentliche Ordnung und gesetzliche Bestimmungen gewahrt bleiben. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, verbietet aber Diskriminierung aus religiösen Gründen. Auch in der Praxis ist die Religionsfreiheit gut etabliert. Christen können ihren Glauben an designierten Örtlichkeiten frei ausüben. Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt. Die Regierung hält aus Gründen der Sicherheit Reiserestriktionen in die südlichen Bezirke El-Oued und Illizi, in der Nähe von Einrichtungen der Kohlenwasserstoffindustrie sowie der libyschen Grenze, aufrecht. Überlandreisen sind aufgrund von Terrorgefahr zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi eingeschränkt.

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Die medizinische Versorgung ist allgemein zugänglich und kostenfrei. In jeder größeren Stadt existieren Krankenhäuser. Die Versorgung mit Standard-Medikamenten (Schmerzmittel, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Mittel) zumindest in den Städten ist durch die Apotheken gewährleistet. Grundnahrungsmittel, Energie und Wasser werden stark subventioniert. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speise-Öl gelten im Januar 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach offiziellen Angaben wird mittlerweile zum ersten Mal von einer Arbeitslosenquote von unter 10% ausgegangen, davon sind 70% jünger als 30 Jahre alt. Diese jungen Leute machen wiederum rund 70% der Bevölkerung aus. Die Arbeitslosigkeit ist die Folge des Niedergangs des verarbeitenden Gewerbes und der Landwirtschaft, die in der Ära Boumedienne viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Allerdings beträgt die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe von 16-24 Jahren über 20%. Gegenwärtig werden die betroffenen Jugendlichen ermuntert, eine freiberufliche Perspektive aufzubauen, dazu werden Kredite und steuerliche Anreize geboten. Das staatliche Arbeitsamt Agence national d'emploi / ANEM bietet Dienste an, es existieren auch 10 private Jobvermittlungsagenturen. Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert.

Illegal Ausreisenden droht im Falle der Rückkehr eine Geld- und/oder Freiheitsstrafe, wobei in der Praxis lediglich Bewährungsstrafen verhängt werden. Eine behördliche Rückkehrhilfe existiert nicht.

Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Dem Beschwerdeführer droht somit im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat. Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr nach Algerien wegen illegaler Ausreise.

Zusammengefasst konnte somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien einer realen Gefahr der Todesstrafe, der Folter unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre oder sein Leben oder seine Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ernsthaft bedroht wäre.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der volljährige, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Algerien in eine aussichtslose oder existenzbedrohende Situation geraten könnte. Er hat dort den Großteil seines Lebens verbracht, verfügt über eine zehnjährige Schulbildung und eine Ausbildung als XXXX und könnte seinen Lebensunterhalt in Algerien aus eigener Kraft - wenn auch anfangs allenfalls mit Gelegenheitsjobs - bestreiten.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Algerien unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.1. Zum Sachverhalt und zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der vorgelegten Identitätsbestätigung der algerischen Botschaft in Wien vom 08.08.2016 (AS 228), welche mit einer ebenfalls vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie der Geburtsurkunde (AS 180f) übereinstimmt, fest.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers und einer am 30.01.2020 eingeholten zmr-Auskunft. Ebenso aus dem Verwaltungsakt und einer eingeholten IZR-Auskunft ergibt sich die Feststellung zu seinem am 21.06.2005 zurückgewiesenen ersten Asylantrag sowie seinem mit 31.03.2009 rechtskräftig negativ entschiedenen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und seinem anschließenden unrechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet.

Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot ergibt sich aus dem dem Akt inneliegenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX.

Die Verletzung seiner Meldungs- und Mitwirkungspflichten ergibt sich aus einer eingeholten zmr-Auskunft, sowie dem Akteninhalt. So hatte der Beschwerdeführer beispielsweise im Zuge einer am 26.11.2009 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme durch das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien ausdrücklich erklärt, das Ausfüllen eines Formblattes für die Algerische Botschaft zu verweigern, weil er mit der Botschaft nichts zu tun haben möchte und nicht nach Hause wolle (AS 61). Auch leistete er einem Ladungsbescheid des BFA vom 19.11.2014 zwecks Sicherung seiner Ausreise aufgrund einer durchsetzbaren Ausreiseentscheidung unentschuldigt keine Folge.

Dass der Beschwerdeführer wiederholt wegen Haftunfähigkeit infolge Hungerstreikes aus der Schubhaft entlassen wurde, ergibt sich ebenfalls aus dem Verwaltungsakt.

Dass der Beschwerdeführer seine Identität in der Vergangenheit den österreichischen Behörden nicht offengelegt hat und sich über Jahre einer Alias-Identität bediente, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. So hatte er einen total gefälschten französischen Personalausweis, lautend auf XXXX, benutzt und wurde deshalb strafgerichtlich verurteilt.

Aufgrund dieses Verhaltens des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem Umstand, dass sein erstes Asylverfahren binnen weniger Monate und sein zweites Asylverfahren innerhalb von 3 1/2 Jahren rechtskräftig abgeschlossen war, war die Feststellung zu treffen, dass die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von ihm selbst zu verantworten ist und auf keinem behördlichen Verschulden beruht.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand, zur Arbeitsfähigkeit, zur Ausbildung und zur Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften Aussagen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergeben sich die Feststellungen zu seiner in Algerien lebenden Familie. Dass der Beschwerdeführer über kein soziales Umfeld im Bundesgebiet verfügt, keine familiären Anknüpfungspunkte oder relevante private Beziehungen hat, ergibt sich aus seinen Angaben und dem Akt.

Der Beschwerdeführer brachte weder vor der belangten Behörde, noch in der gegenständlichen Beschwerde oder im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konkrete Angaben vor, die die Annahme einer umfassenden Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden.

Der Beschwerdeführer ist während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Von 2007 bis 2009 hat er für insgesamt neun Monate ohne Arbeitserlaubnis und unter Verwendung einer Alias-Identität bei vier verschiedenen Dienstgebern gearbeitet. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig, wie sich aus einem am 30.01.2020 eingeholten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes ergibt. Seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen, liegen bereits längere Zeit zurück. Er hat im Oktober 2014 eine Deutschprüfung Niveau A2 positiv absolviert und zuletzt von April bis Juli 2017 einen Deutschkurs B1 besucht, ohne jedoch eine Prüfung darüber abzulegen. Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung war er durchgehend auf den anwesenden Dolmetscher angewiesen. Im Jahr 2018 hat er im Rahmen von XXXX und des XXXX an insgesamt 26 Integrationsmodulen teilgenommen. Seit dem Jahr 2018 hat er sich im Ausmaß von bisher 54 Stunden ehrenamtlich für ein Nachbarschaftszentrum des XXXX betätigt. Der Beschwerdeführer kann eine Einstellungszusage eines XXXX-Unternehmens vom 22.01.2020 für ein Dienstverhältnis als Arbeiter vorweisen. Demgegenüber gehört der Beschwerdeführer in Österreich weder einem Verein oder einer sonstigen Organisation an, noch steht er in einem Abhängigkeitsverhältnis zu irgendwelchen Personen oder hat er enge Bezüge zu ÖsterreicherInnen. Er erklärte im Zuge der Beschwerdeverhandlung, auf dem Fußballplatz und auf dem Flohmarkt Kontakte zu knüpfen und die in der Verhandlung anwesende Vertrauensperson, einen Freund aus Algerien, einmal wöchentlich zu treffen. Die von ihm vorgebrachten privaten Kontakte entsprechen jedoch, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK.

Für den erkennenden Richter ergibt sich in einer Gesamtschau und aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindruckes, dass auch unter Berücksichtigung der langen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Privatleben in Österreich besteht, wie in der rechtlichen Beurteilung näher auszuführen sein wird.

Aus einem Strafregisterauszug vom 30.01.2020 und dem eingeholten Urteil des Landesgerichtes für XXXX ergibt sich die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers.

2.2 Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Algerien ist gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019 ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-- AA - Auswärtiges Amt (17.4.2019): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 27.5.2019 - AA - Auswärtiges Amt (17.4.2019): Algerien - Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 31.5.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (29.5.2019): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/algeriensicherheit/ 219044#content_0, Zugriff 29.5.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-bericht-asylund-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-stand-februar2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Briefing Notes 3 Juni 2019, Zugriff 4.6.2019

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (29.5.2019): Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/algerien/, Zugriff 29.5.2019

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 29.5.2019

-

CIA - Central Intelligence Agency (29.5.2019): The World Factbook

-

Algeria - Peoples and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 3.6.2019

-

FD - France Diplomatie (29.5.2019): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 29.5.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016b): Algerien - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/algerien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.5.2019

-

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002203.html, Zugriff 31.5.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018):

Asylländerbericht Algerien,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019

-

TI - Transparency International (2018): Table of Results:

Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/DZA, Zugriff 29.5.2019

-

USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on international Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436878.html, Zugriff 3.6.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer wurden die aktuellen Länderberichte zu Algerien im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und trat er diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nicht entgegen. Seitens seiner Rechtsvertretung erfolgte keine Stellungnahme und es wurde auch keine Frist für die Erstattung einer solchen beantragt, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Algerien für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt wird eine nach Algerien abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 10 Abs. 2, sowie §§ 55, 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lauten:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50, § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9, und § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, lauten:

"Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. (...)

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

Die maßgebliche Bestimmung des § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019 lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55, 57 AsylG 2005 und zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

In Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - gemeint war wohl eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" - gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Weder ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet geduldet, noch ist er Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen oder Opfer von Gewalt geworden.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., erster Spruchteil des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Da das Asylverfahren des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde und sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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