TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 G304 2220862-1

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs2 Z2
BFA-VG §18 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

G304 2220862-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf (5) Jahre herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist, gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.), und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1, 2 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.)

2. Gegen Spruchpunkte V. und VI. des im Spruch angeführten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Spruchpunkt V. des im Spruch angeführten Bescheides ersatzlos zu beheben, in eventu das Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 04.07.2019 vorgelegt.

Mit Beschwerdevorlage wurde ausdrücklich beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, das Einreiseverbot in der erlassenen Dauer von zehn Jahren zu bestätigen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

4. Mit Teilerkennntnis de BVwG vom 02.09.2019 wurde der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen, und die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien und im Bundesgebiet unter verschiedenen Alias-Identitäten in Erscheinung getreten.

1.2. Wann genau der BF in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, kann nicht festgestellt werden, führt er doch keinen serbischen Reisepass mit sich.

1.3. Fest steht, dass bereits mit Bescheid der zuständigen Bundespolizeidirektion vom 20.01.2010 gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Dieses gegen den BF im Jahr 2010 auf die Dauer von zehn Jahren erlassene Aufenthaltsverbot wurde mit Bescheid des BFA vom 04.12.2018 von Amts wegen aufgehoben, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung:

"Die Entscheidung des EuGH vom 19.09.2013, C-297/12 bedeutet, dass alle vor dem 01.07.2011 in Rechtskraft erwachsenen Aufenthaltsverbote (und Einreiseverbote), die für eine Dauer von mehr als fünf Jahre oder unbefristet ausgesprochen wurden, nur für die Dauer von 5 Jahren ab Durchsetzbarkeit gelten (infolge verspäteter Umsetzung der Rückführungsrichtlinie) und daher war gegenständliches Aufenthaltsverbot auf 5 Jahre zu befristen und ist deshalb nicht mehr gültig."

Gegen den BF wurde am 09.02.2004 von Italien und am 20.09.2016 von Deutschland jeweils ein "Einreise- und Aufenthaltsverbot" für das Gebiet der Mitgliedstaaten erlassen.

Fest steht, dass der BF laut "Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister" als "Person mit strafrechtlicher Auffälligkeit" bezeichnet wird.

1.4. Festgestellt werden kann zudem, dass der BF in Serbien kriminalpolizeilich wegen Mordes, schweren Diebstahls, Raubüberfall, Plünderung und Suchtgiftdelikten registriert ist.

1.5. Der BF wurde im Bundesgebiet am 03.09.2018 von der Polizei wegen Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen, woraufhin gegen ihn tags darauf - am 04.09.2018 - die Untersuchungshaft verhängt wurde und zu diesem Zeitpunkt auch eine Festnahmeanordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft vom 06.03.2018 wegen Einbruchsdiebstahls bestand.

1.6. Der BF wurde im Bundesgebiet zweimal strafrechtlich verurteilt, und zwar mit Urteil

* von November 2018, rechtskräftig mit November 2018, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, Vorbereitung von Suchtgifthandel und Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten und einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten, und mit

* Urteil von Dezember 2018, rechtskräftig mit Dezember 2018, wegen (versuchten) schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, welche unter Bedachtnahme auf das Vorurteil als Zusatzstrafe verhängt wurde.

1.6.1. Der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2018 lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

Der BF hat im Bundesgebiet

I. vorschriftswidrig Suchtgift

1. in der Zeit von Mai 2018 bis zu seiner Festnahme am 3. September 2018 in einer Vielzahl an Übergaben, sohin gewerbsmäßig, insgesamt zumindest 48,6 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain drei im Strafrechtsurteil namentlich genannten Personen zum Gesamtverkaufspreis in Höhe von EUR 2.300,00 gewinnbringend überlassen;

2. am 3. September 2018 in einer die Grenzmenge (§28b) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 42,2 Gramm brutto Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain und 95,4 Gramm brutto Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20%, sohin insgesamt eine die Grenzmenge zumindest 6-fach übersteigenden Menge, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

II. innerhalb eines unbekannten Zeitraums bis 3. September 2018 eine mit seinem Lichtbild versehene und auf einen fremden Namen und ein anderes Geburtsdatum lautende kroatisch ID-Card, sohin eine verfälschte ausländische öffentliche Urkunde, die durch das Gesetz einer inländischen öffentlichen Urkunde gleichgestellt ist, zum Beweis seiner Identität im Bundesgebiet gebraucht.

1.6.2. Der zweiten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Dezember 2018 lag Folgendes zugrunde:

Der BF hat gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen EUR 300.000,00 übersteigenden Werts durch Einbruch auch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich

1. in der Nacht zum 23.10.2017 im Bundesgebiet der (...) Brillenfassungen, diverse Brillen, Bargeld und eine Brillenpoliermaschine im Gesamtwert von EUR 340.127,49 durch Aufzwängen einer Terrassentüre zum Geschäftslokal,

2. in der Nacht zum 29.12.2017 im Bundesgebiet Gegenstände von Wert durch Aufzwängen eines Schutzgitters von einem Gangfenster und einer Balkontüre zur Wohnung, wobei es beim Versuch geblieben ist,

3. am 04.01.2018 im Bundesgebiet zwei im Strafrechtsurteil namentlich genannten Personen Schmuck, Goldmünzen, Elektrogeräte und Bargeld im Gesamtwert von EUR 10.180,00, indem er zunächst einen Schlüsselkasten aufzwängte und so widerrechtlich an einen Schlüssel gelangte, mit welchem er die Aufzugtriebwerksklappe öffnen konnte, durch die er in den Triebwerksraum und dann über eine Brandschutztür auf den Balkon gelangte, wo er die Terrassentür der Wohnung aufzwängte;

4. am 05.01.2018 im Bundesgebiet einer bestimmten im Strafrechtsurteil namentlich genannten Person Gegenstände von Wert durch Überklettern eines rund 1m hohen Maschendrahtzauns und Einschlagen der Glasscheibe der Terrassentüre zu deren Wohnung, wobei es beim Versuch geblieben ist,

5. am 06.01.2018 im Bundesgebiet einer weiteren im Strafrechtsurteil namentlich genannten Person Schmuck im Wert von EUR 460,80 durch Aufzwängen der Balkontüre zu deren Wohnung und

6. in der Nacht zum 23.03.2018 im Bundesgebiet einer weiteren im Strafrechtsurteil namentlich genannten Person Schlüssel, Bargeld, Uhren und Werkzeug im Gesamtwert von EUR 11.610,00 durch Aufzwängen des Zugangstores zur Werkstatt und einer Bürotüre, wobei die Tat hinsichtlich eines Pkw (...) beim Versuch geblieben ist.

1.7. Der BF, der nach einem Haftaufenthalt in Österreich 2009, 2010 am 24.02.2010 freiwillig unterstützt nach Serbien zurückgekehrt ist, weist nach neuerlicher Einreise in das österreichische Bundesgebiet seit 04.09.2018, an welchem Tag er in Untersuchungshaft gekommen ist, eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung in (Untersuchungs- bzw. Straf-) Haft auf.

Fest steht demnach, dass der BF in Österreich nie einen ordentlichen Wohnsitz hatte und stets nur für die Dauer seiner Haft gemeldet war.

1.8. Mit Schreiben des BFA vom 15.10.2018 wurde dem BF in Haft die behördliche Beabsichtigung, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen, vorgehalten.

Eine Stellungnahme dazu wurde daraufhin beim BFA nicht eingebracht.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien zulässig sei, dem BF keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt, gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben. Über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist mit Erlassung des Teilerkenntnisses des BVwG vom 02.09.2019 bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen.

1.9. Berücksichtigungswürdige familiäre, soziale, berufliche oder sonstige Bindungen des BF im Bundesgebiet sind nicht feststellbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter I. angeführte Verfahrensgang ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2. Zur Person des BF und den individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Die Identität des BF war mangels vorliegenden, echten, gültigen Identitätsnachweises nicht feststellbar.

Die festgestellte Staatsangehörigkeit des BF beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Dass gegen den BF mit Bescheid vom 20.01.2010 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen wurde und dieses Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 04.12.2018 von Amts wegen aufgehoben wurde, beruht auf dem diesbezüglichen Behebungsbescheid im Akt.

2.2.3. Dass der BF in Österreich keine berücksichtigungswürdigen Bindungen hat, beruht darauf, dass weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Beschwerdevorbringen solche hervorgegangen sind.

2.2.4. Die Feststellungen zu den beiden rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF im Bundesgebiet beruhen auf einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu den strafbaren Handlungen, die den beiden strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegen, beruhen auf den diesbezüglichen gekürzten Urteilsausfertigungen der beiden Strafrechtsurteile von November (AS 96ff) und Dezember (AS 167ff) im Akt.

Die Feststellung, dass der BF in Serbien kriminalpolizeilich bezüglich der Straftaten Mord, schwerer Diebstahl, Raubüberfall, Plünderung und Straftaten in Bezug auf Suchtgift registriert ist, beruht auf der diesbezüglichen Bekanntgabe mit dem an die Staatsanwaltschaft gerichteten polizeilichen "Anlass-Bericht II."

vom 13.02.2018 (AS 3).

2.2.5. Eine Einsicht in das AJ-WEB - Auskunftsverfahren ergab keine jemals vom BF im Bundesgebiet nachgegangene legale Erwerbstätigkeit.

2.2.6. Der BF brachte in seiner Beschwerde vor, "enge Familienmitglieder" in Kroatien, Rumänien und Bulgarien zu haben, darunter in Kroatien enge Verwandte mütterlicherseits und in Bulgarien enge Verwandte seiner Frau. "Bei Umsetzung der angefochtenen Entscheidung könnte der BF 10 Jahre lang mit engen Verwandten keinen persönlichen Kontakt haben und würde somit eines großen Teils seines Privat- und Familienlebens, auch mit seiner Frau und seinen Kindern (bei Reisen in diese Länder), beraubt werden. Dies verletzt den BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben.

Abgesehen, dass aus diesem Vorbringen glaubhaft hervorging, dass der BF in Kroatien, Bulgarien und Rumänien familiäre Anknüpfungspunkte hat, geht daraus auch hervor, dass sich die Ehegattin mitsamt den Kindern des BF in Serbien, dem Herkunftsstaat des BF, aufhält.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zum Einreiseverbot:

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

(...)."

3.1.1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergab sich Folgendes:

Mit Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen - gemäß §§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG.

Bei der Bemessung der Einreiseverbotsdauer ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Der BF wurde im Bundesgebiet zweimal strafrechtlich verurteilt, und zwar mit Urteil

* von November 2018, rechtskräftig mit November 2018, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, Vorbereitung von Suchtgifthandel und Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben und einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten, und mit

* Urteil von Dezember 2018, rechtskräftig mit Dezember 2018, wegen (versuchten) schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, welche unter Bedachtnahme auf das Vorurteil als Zusatzstrafe verhängt wurde.

Der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2018 lag zugrunde, dass

? der BF vorschriftswidrig Suchtgift im Zeitraum von Mai 2018 bis zu seiner Festnahme am 02.09.2018 in einer Vielzahl an Übergaben, sohin gewerbsmäßig, eine bestimmte Menge Kokain drei Personen zum Gesamtverkaufspreis in Höhe von EUR 2.300,00 gewinnbringend überlassen hat, und am Festnahmetag am 03.09.2018 in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG übersteigenden Menge eine bestimmte Menge Kokain und Heroin, sohin insgesamt eine die Grenzmenge zumindest 6-fach übersteigenden Menge, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Des Weiteren lag der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2018 zugrunde, dass

? der BF innerhalb eines bis zum Festnahmetag am 03.09.2018 unbestimmten Zeitraum eine verfälschte kroatische Identitätskarte zum Beweis seiner Identität im Bundesgebiet gebraucht hat.

Der zweiten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Dezember 2018 lag zugrunde, dass

? der BF im Zeitraum von 23.10.2017 bis 23.03.2018 in mehreren Angriffen - am 23.10.2017, 29.12.2017, 04.01.2018, 05.01.2018 und 06.01.2018 - gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen EUR 300.000,00 übersteigenden Werts durch Einbruch auch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Aus den im jeweils langen Zeitraum von 23.10.2017 bis 06.01.2018 und von Mai 2018 bis 03.09.2018 vom BF im Bundesgebiet begangenen strafbaren Handlungen geht hervor, dass

* der BF zu jeder Zeit und an jedem Ort bereit ist, verschiedenartige Straftaten zu begehen, und zwar,

? sowohl, wie aus seinen Suchtmitteldelikten erkennbar, in Gefährdung der Gesundheit fremder Personen, denen er mehrmals gewinnbringend Kokain übergeben hat bzw. indem er Kokain und Heroin in einer die Grenzmenge zumindest sechsfach übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen hat, dass es in Verkehr gesetzt werde,

? als auch, wie aus seinem gewerbsmäßigen schweren Einbruchsdiebstahl, weswegen er sich nunmehr in Strafhaft befindet, erkennbar, in Bereicherung an fremden Sachen, und

? sogar in Täuschungsabsicht gegenüber den Behörden, hatte der BF im Bundesgebiet doch über einen unbestimmten Zeitraum bis zum Festnahmetag am 03.09.2018 eine verfälschte kroatische Identitätskarte gebraucht.

Der BF, der im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ist demnach somit jederzeit bereit, sich über illegale Machenschaften - auch in Zusammenhang mit dem für Menschen besonders gefährlichen Suchtgift - Einkünfte für seinen Lebensunterhalt bzw. die Finanzierung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zu verschaffen.

Mit dem Besitz der verfälschten kroatischen ID-Card bestand zudem die Gefahr, dass er über diese auf illegale Weise zu einem Beschäftigungsverhältnis und folglich zu regelmäßigen illegalen Einkünften gelangt.

Fest steht, dass der BF nicht nur in Österreich, sondern auch bereits anderswo ein Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, wofür seine "Einreise- und Aufenthaltsverbote" seitens Italien ab 09.02.2004 und seitens Deutschland ab 20.09.2016 sprechen.

In Gesamtbetrachtung des bereits aus dem Akteninhalt ersichtlichen relevanten Fehl- und Gesamtverhaltens des BF war vom derzeit noch in Strafhaft befindlichen BF jedenfalls eine für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet ausgehende schwerwiegende Gefahr iSv § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erkennbar.

Das vom BFA gegen den BF erlassene Einreiseverbot besteht dem Grunde nach somit zu Recht.

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 07.11.2012, Zl. 2012/18/0057).

Der BF hat - seinem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen folgend - in Kroatien, Rumänien und Bulgarien Verwandte, darunter Verwandte mütterlicherseits in Kroatien und Verwandte seiner Frau in Bulgarien. Der BF brachte in seiner Beschwerde vor, er möchte sich bessern und die Möglichkeit haben, eine Arbeit auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat anzunehmen.

Fest steht, dass der BF bis zu seinem Festnahmezeitpunkt im Bundesgebiet am 03.09.2018 im Besitz einer verfälschten kroatischen Identitätskarte war und jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt von ihm auch die Gefahr ausging, mithilfe dieser gefälschten Identitätsurkunde zu einem illegalen Beschäftigungsverhältnis und in weiterer Folge auf illegale Weise zu regelmäßigen Erwerbseinkünften zu gelangen.

Um beim BF eine tatsächliche Besserung bzw. einen positiven Gesinnungswandel bewirken zu können, wird im gegenständlichen Fall zumindest eine Einreiseverbotsdauer von fünf Jahren für notwendig gehalten, innerhalb welcher Zeit sich der BF in seinem Herkunftsstaat - auch mithilfe dort verbliebener Familienangehöriger - um einen positiven Gesinnungswandel bemühen kann.

Eine weitere Herabsetzung des Einreiseverbotes wird im gegenständlichen Fall nicht für möglich gehalten, auch unter Berücksichtigung seiner in Kroatien, Bulgarien und Rumänien verteilten Verwandten, die er innerhalb dieses Zeitraums, wie er in der Beschwerde anführt, zwar nicht mehr zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern besuchen kann, mit denen er jedoch über moderne Kommunikationsmittel den Kontakt aufrecht halten kann.

Es war der Beschwerde daher spruchgemäß teilweise stattzugeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.3.1. Soweit der BF in seiner Beschwerde darauf verwies, der BF habe mangels Deutschkenntnisse nicht zum ihm vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich Stellung nehmen können und sei außerdem von der belangten Behörde auch nicht persönlich gehört bzw. einvernommen worden, wird darauf hingewiesen, dass eine Verletzung des Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren dann saniert werden kann, wenn im angefochtenen Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt sind oder wenn die Partei im Rechtsmittelverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hatte VwGH 18.10.2001, 2000/07/0003; 28.10.09, 2008/15/0302; 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) geht zudem davon aus, dass die Nichtzuziehung einer Partei zu einer mündlichen Verhandlung dadurch "saniert" wird, dass diese Partei in einem Rechtsmittel alle Einwendungen erheben kann, die sie bei der mündlichen Verhandlung hätte erheben müssen. (VwGH 19.9.1985, 82/06/0142; 27.5.2009, 2007/05/0278; diese Rsp ist auf die Rechtslage seit 1.1.2014 übertragbar)

Aus § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 ergibt sich jedenfalls, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Beschwerde darzutun (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052, mwN).

Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Nur in "eindeutigen Fällen", in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (siehe aus der ständigen Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen des Näheren VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, Rn. 7, unter Bezugnahme v.a. auf VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rn. 15 iVm Rn. 12, mwN; vgl. aus der letzten Zeit auch VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0101, Rn. 9, und VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0180, Rn. 12, jeweils mwN).

3.3.2. Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen des BF "eindeutig" geklärt erscheint bzw. kein entscheidungsrelevanter Sachverhalt klärungsbedürftig ist, bereits aus der Aktenlage bzw. den vom BF in Österreich gesetzten strafbaren Handlungen in Zusammenschau mit dem übrigen aus dem Akteninhalt hervorgehenden Verhalten des BF im Bundesgebiet ersichtlich ist, inwieweit vom BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet eine Gefahr ausgeht, und bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, wenn sich das BVwG von ihm bei einer mündlichen Verhandlung einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft hätte, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2220862.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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