TE Vfgh Erkenntnis 1996/6/21 G116/96, G117/96, G118/96

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Veröffentlicht am 21.06.1996
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Index

L3 Finanzrecht
L3705 Anzeigenabgabe

Norm

B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
Vlbg AnzeigenabgabeG §1 Abs3
FAG 1993 §14 Abs1 Z13
FAG 1993 §14 Abs2
FAG 1993 §15 Abs3 Z4

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Anzeigenabgabepflicht für bestimmte entgeltliche Rundfunksendungen aufgrund Festlegung dieser Abgaben als zwischen Land und Gemeinde geteilte in Widerspruch zu ihrer Bestimmung als ausschließliche Gemeindeabgaben im Finanzausgleich

Spruch

§1 Abs3 des Anzeigenabgabegesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 30/1990, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 46/1994, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1996 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Die aufgehobene Gesetzesbestimmung ist auch in jenen Fällen nicht mehr anzuwenden, die bei der Vorarlberger Landesregierung aufgrund einer Berufung oder eines Antrags auf Übergang der Entscheidungszuständigkeit anhängig sind.

Der Landeshauptmann von Vorarlberg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Absatz 1 des unter der Rubrik "Gegenstand der Abgabe" stehenden §1 im AnzeigenabgabeG, Vorarlberger LGBl. 30/1990, hatte vor der Novelle LGBl. 46/1994 folgenden Wortlaut:

"(1) Anzeigen, die in die in Vorarlberg erscheinenden Druckwerke gegen Entgelt aufgenommen werden, unterliegen einer Abgabe. Dasselbe gilt für Anzeigen, die durch den Rundfunk (Hörfunk oder Fernsehen) von einem in Vorarlberg gelegenen Studio aus verbreitet werden."

Durch die mit 1. August 1994 in Kraft getretene Novelle wurde §1 teilweise geändert. Während sich der neugefaßte Abs1 nunmehr ausschließlich auf Anzeigen in Druckwerken bezieht, bestimmt der ebenfalls neugefaßte Abs3 bezüglich der durch den Rundfunk verbreiteten "Anzeigen" folgendes:

"(3) Anzeigen, die gegen Entgelt durch den Rundfunk (Hörfunk oder Fernsehen) verbreitet werden, unterliegen einer Abgabe, wenn mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) das Rundfunkprogramm ist auch für Zuhörer oder Zuseher in Vorarlberg bestimmt;

b) das Rundfunkunternehmen benützt für die Ausstrahlung technische Einrichtungen in Vorarlberg;

c) derjenige, der die Anzeige selbst oder über Dritte in Auftrag gegeben hat, hat seinen Sitz oder eine Betriebsstätte in Vorarlberg."

Der die Abgabenverwendung regelnde §8 des AnzeigenabgabeG wurde von der Novelle nicht berührt; er lautet (weiterhin) wie folgt:

"§8

Verwendung der Abgabe

(1) Das Erträgnis der nach diesem Gesetz erhobenen Anzeigenabgabe fällt je zur Hälfte dem Lande und den Gemeinden zu mit der Maßgabe, daß von dem auf die Gemeinden entfallenden Hälfteanteil dem Lande 3 v.H. für die Vorschreibung, Einhebung und Kontrolle der Abgabe verbleiben.

(2) Der den Gemeinden verbleibende Gesamtbetrag ist den einzelnen Gemeinden im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen halbjährlich zu überweisen. Dieser Aufteilung ist das Ergebnis der letzten Volkszählung zugrundezulegen."

2. Auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofs sprach der Verfassungsgerichtshof mit dem am 30. September 1995 gefällten Erkenntnis G293/94 aus, daß der (die Verbreitung von "Anzeigen" durch den Rundfunk betreffende) zweite Satz des §1 Abs1 im AnzeigenabgabeG in der Fassung vor der zitierten Novelle verfassungswidrig war, und begründete dies im wesentlichen damit, daß der Gesetzgeber eine zwischen Land und Gemeinden geteilte Abgabe geschaffen habe, obwohl finanzausgleichsrechtlich nur eine ausschließliche Gemeindeabgabe zulässig gewesen wäre. Im einzelnen verweist der Gerichtshof auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses.

II. Der Österreichische Rundfunk brachte beim Verfassungsgerichtshof drei unter B2002/95, B2959/95 und B3101/95 eingetragene Beschwerden ein, die sich jeweils gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung richten, mit welchem der beschwerdeführenden Partei (für ausgestrahlte Werbesendungen) Anzeigenabgabe für den Monat August 1994, für die Monate September und Oktober 1994 sowie für die Monate November und Dezember 1994 in bestimmter Höhe vorgeschrieben und der Antrag auf Rückzahlung der (bereits entrichteten) Abgabe abgewiesen (im Fall B2002/95: zurückgewiesen) wurde.

III. 1. Aus Anlaß dieser Beschwerden beschloß der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs3 im AnzeigenabgabeG idF der Novelle LGBl. 46/1994 einzuleiten.

Im Prüfungsbeschluß nahm der Gerichtshof zunächst an, daß der meritorischen Erledigung der Beschwerden Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er im Rahmen seiner Sachentscheidungen die bezogene Gesetzesstelle anzuwenden hätte.

In der Sache brachte der Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses G293/94 zum Ausdruck, er neige zur Auffassung, daß die im AnzeigenabgabeG geregelte Anzeigenabgabe insoweit, als sie bestimmte entgeltliche Rundfunksendungen zum Gegenstand hat, finanzausgleichsrechtlich als eine "Abgabe von Ankündigungen" im Sinne des §14 Abs1 Z13 des (in den vorliegenden Fällen maßgebenden) Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. 30, zu werten sei und daher im Hinblick auf §14 Abs2 FAG 1993 nur als ausschließliche Gemeindeabgabe (unter Beachtung des freien Beschlußrechtes der Gemeinden) hätte bestimmt werden dürfen.

2. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete im Prüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie von der Annahme ausgeht, daß der Verfassungsgerichtshof an seiner im Erk. G293/94 dargelegten Rechtsauffassung festhalten werde. Dennoch weist sie (unter bloß auszugsweiser Zitierung) auf zwei Äußerungen der Rechtsliteratur über die Besteuerung der Rundfunkwerbung hin und verfolgt damit anscheinend die Absicht, die bezogene Judikatur des Gerichtshofs in Frage zu stellen.

Während die Landesregierung in ihrem Schriftsatz von einer ausdrücklichen Antragstellung in der Sache absieht, begehrt sie mit näherer Begründung, im Fall der Aufhebung der in Prüfung genommenen Gesetzesstelle für deren Außerkrafttreten eine Frist von mindestens einem Jahr zu bestimmen.

3. Der Österreichische Rundfunk erstattete als Beteiligter ebenfalls eine Äußerung, in welcher er für die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Vorschrift eintritt.

IV. 1. Das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren erweist sich, da ihm Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, als zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von seinem im Erkenntnis vom 30. September 1995, G293/94, eingenommenen Standpunkt abzugehen, auf dem der Einleitungsbeschluß mit der Maßgabe beruht, daß das (dem FAG 1989 inhaltlich insoweit entsprechende) FAG 1993 in Betracht zu ziehen ist.

Die mit §1 Abs3 AnzeigenabgabeG idF der Novelle

LGBl. 46/1994 geschaffene Abgabe, welche bestimmte entgeltliche Rundfunksendungen zum Gegenstand hat, ist - finanzausgleichsrechtlich - als "Abgabe von Ankündigungen" im Sinne des §14 Abs1 Z13 FAG 1993 zu werten. Eine solche darf gemäß §14 Abs2 FAG 1993 nur als ausschließliche Gemeindeabgabe - unter Beachtung des freien Beschlußrechts der Gemeinden gemäß §15 Abs3 Z4 FAG 1993 - bestimmt werden. Da die nach dem AnzeigenabgabeG erhobenen Abgaben jedoch als zwischen Land und Gemeinde geteilte festgelegt sind, steht §1 Abs3 des AnzeigenabgabeG idF der Novelle LGBl. 46/1994 (wie auch schon seine mit dem Erk. G293/94 als verfassungswidrig erkannte Vorgängerbestimmung) in Widerspruch zum Recht der Gemeinden auf Ausschreibung einer Gemeindeabgabe für die davon erfaßte Ankündigung gemäß §14 Abs2 und §15 Abs3 Z4 FAG 1993.

Die von der Vorarlberger Landesregierung gegebenen (bereits erwähnten) Hinweise auf Ausführungen in der Rechtsliteratur vermögen an diesem Ergebnis keine Zweifel hervorzurufen:

a) Die Landesregierung bezieht sich einerseits auf Taucher, Ankündigungsabgabe auf Prospektwerbung, GdZ 1995, S. 4ff, nach dessen Auffassung der Finanzausgleichsgesetzgeber den in den Finanzausgleichsgesetzen immer wieder verwendeten Begriff "Ankündigung" jeweils im Verständnis des rechtlichen, sozialen und technischen Umfeldes der jeweiligen Ingeltungsetzung verstanden wissen wollte.

Zu dieser (im grundsätzlichen zur Begründungslinie des Erk. G293/94 in Widerspruch stehenden) Ansicht ist festzuhalten, daß damit für die Landesregierung selbst dann nichts gewonnen wäre, wenn man ihr folgte. Denn der zitierte Verfasser gelangt (auch) auf dem Boden seines Standpunktes zur Rechtsmeinung, daß aus der Sicht der Ermächtigungsnorm des §15 Abs3 Z4 bzw. §14 Abs1 Z13 FAG 1993 die Besteuerung der Rundfunkwerbung als Ankündigungsabgabe gestaltet werden kann.

b) Wenn sich die Vorarlberger Landesregierung andererseits auf Matzinger, Die Besteuerung von Rundfunkwerbung nach dem Vorarlberger Anzeigenabgabegesetz und die Finanzverfassung, RdW 1994, S. 289f., bezieht, wonach die Definition von Rundfunkwerbung als "Anzeige" grundsätzlich unproblematisch sei, läßt sie außer Betracht, daß (auch) nach der dort vertretenen Rechtsauffassung das AnzeigenabgabeG hinsichtlich der Besteuerung von Rundfunkwerbung als verfassungswidrig erscheint und diese Art der Werbung verfassungskonform nur als Ankündigungsabgabe gestaltet werden könnte.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art140 Abs5, 6 und 7 B-VG.

a) Die Vorarlberger Landesregierung begründete ihr Begehren, für das Außerkrafttreten der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesvorschrift eine Frist von mindestens einem Jahr zu bestimmen, mit ihrer Absicht, die Besteuerung der Rundfunkwerbung als Gemeindeabgabe zu gestalten, was zeitintensive gesetzliche Maßnahmen erfordere.

Diesem Verlangen vermochte der Verfassungsgerichtshof bloß in einem eingeschränkten Ausmaß zu entsprechen, nämlich durch die (unter Bedachtnahme auf den Zeitpunkt der Zustellung des Erk. G293/94 vorgenommene) Festlegung einer Frist von ungefähr einem halben Jahr. Dies deshalb, weil der Landesregierung die verfassungsrechtliche Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage seit dem Erk. G293/94 bekannt war und ihr daher bereits mehr als ein halbes Jahr für legistische Arbeiten zur Verfügung stand (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 8657/1979 S. 185).

b) Im Hinblick auf den von der beteiligten Partei ins Treffen geführten Umstand, daß gleichgelagerte Verwaltungssachen bei der Vorarlberger Landesregierung trotz Entscheidungsreife noch anhängig sind, sah sich der Gerichtshof veranlaßt, insoweit von der Ermächtigung des Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung entsprechend auszudehnen.

V. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Anzeigenabgaben, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Rundfunk, Werbung, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G116.1996

Dokumentnummer

JFT_10039379_96G00116_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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