TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 96/11/0134

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
86/02 Tierärzte;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
TierärzteG 1975 §14b Abs1 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §14b Abs1 Z3 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §14b Abs1 Z4 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §14b Abs1 Z5 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §14b Abs1 Z6 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §14c Abs2 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §72 Abs4 idF 1993/099;
TierärzteG 1975 §72 Abs4 Z2 idF 1993/099;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/11/0135 E 21. April 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. F in W, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Rechtsanwalt in St. Florian/Linz, Marktplatz 10, gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 16. März 1996, ohne Zahl, betreffend Befreiung von den Voraussetzungen für die Erlangung eines Fachtierarzttitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeskammer der Tierärzte Österreichs hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte mit Eingabe vom 15. Dezember 1994 den Antrag gemäß § 72 Abs. 4 Tierärztegesetz (idF BGBl. Nr. 99/1993) auf Befreiung von den Voraussetzungen gemäß § 14b Abs. 1 Z. 3 bis 6 leg. cit. für den Erwerb eines Facharzttitels (sogenannte de facto-Anerkennung) für Kleintiere. Er betreibe seit nunmehr 19 Jahren seine tierärztliche Praxis regelmäßig, überwiegend ganztägig und in hauptberuflicher Stellung. Schon wenige Jahre nach Eröffnung der Praxis habe sich diese so entwickelt, daß sich 75 % der Arbeitskapazität im Bereich der Kleintierpraxis bewegt hätten. Seit einem Jahr betreibe er gemeinsam mit einem Partner die "Tierklinik S". Vom Vorsitzenden der Fachtierarzt-Prüfungskommission zu ergänzendem Vorbringen aufgefordert, führte er in der Eingabe vom 10. August 1995 aus, seit ca. 10 Jahren betrage der Kleintieranteil in seiner Praxis ca. 90 %. Er wies auf von ihm gehaltene einschlägige Vorträge hin und legte Bestätigungen über fachspezifische Weiterbildungen vor. In der neu erbauten Tierklinik betrage der Kleintieranteil ca. 90 %. Der restliche Anteil (Pferde und Rinder) werde zur Gänze von einem Assistenten abgedeckt.

Mit Bescheid der Fachtierarzt-Prüfungskommission für Kleintiere vom 3. Februar 1996 wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer habe nach Meinung der Kommission den vom Gesetz verlangten Nachweis einer überwiegenden einschlägigen Tätigkeit gemäß § 72 Abs. 4 Z. 2 Tierärztegesetz nicht erbracht. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14a Abs. 1 Tierärztegesetz dürfen Tierärzte, die sich auf ein von der Hauptversammlung der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs (Bundeskammer) anerkanntes Fachgebiet oder auf mehrere dieser Fachgebiete spezialisiert haben, nach erfolgreich abgelegter Prüfung vor einem Senat der jeweiligen für das betreffende Fachgebiet bei der Bundeskammer gemäß § 14c Abs. 1 eingerichteten Kommission den Titel "Fachtierarzt" unter gleichzeitiger Anführung des jeweiligen Fachgebietes führen.

§ 14b Tierärztegesetz legt die Voraussetzungen für den Erwerb eines Facharzttitels fest und weist die Beurteilung ihres Vorliegens dem für die Prüfung gemäß § 14c Abs. 2 zuständigen Senat zu. Dieser Senat entscheidet gemäß § 14d Abs. 2 Tierärztegesetz auch über die Zulassung zur Prüfung.

Nach der Übergangsbestimmung des § 72 Abs. 4 Tierärztegesetz hat der gemäß § 14d Abs. 2 zuständige Senat Tierärzte auf deren Antrag von den Voraussetzungen gemäß § 14b Abs. 1 Z. 3 bis 6 zu befreien, wenn

1.

..

2.

der Antragsteller nachweist, daß er auf dem Fachgebiet, für das er den Fachtierarzttitel anstrebt, mindestens sechs Jahre lang regelmäßig und überwiegend ganztägig und in hauptberuflicher Stellung tätig war und

              3.              die Hauptversammlung der Bundeskammer durch Beschluß bestätigt hat, daß der Antragsteller bereits in einschlägigen Expertenkreisen als fachkundiger Spezialist auf jenem Fachgebiet anerkannt ist, für das er den Fachtierarzttitel anstrebt.

Nach § 72 Abs. 6 Tierärztegesetz steht gegen die Entscheidung eines Senates gemäß Abs. 4 dem Antragsteller das Recht der Berufung an den Vorstand der Bundeskammer zu. Eine weitere Berufung ist nicht zulässig.

              1.              Der Beschwerdeführer erblickt die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde zum einen darin, daß in erster Instanz der Vorsitzende der Fachtierarzt-Prüfungskommission für Kleintiere allein und nicht der dafür zuständige Prüfungssenat entschieden habe, und zum anderen im Fehlen einer Entscheidung der Hauptversammlung der Bundeskammer gemäß § 72 Abs. 4 Z. 3 Tierärztegesetz.

Der erste Einwand (auf ihn wird im folgenden noch näher einzugehen sein) betrifft den erstinstanzlichen Bescheid und ist schon deshalb nicht geeignet, die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Berufungsbescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde darzutun. Der zweite Einwand verkennt, daß das Fehlen eines Beschlusses der Hauptversammlung der Bundeskammer für die Zuständigkeit des Vorstandes der Bundeskammer zur Entscheidung über Berufungen ohne Belang ist. Ein solcher Beschluß ist zwar notwendige Voraussetzung für eine stattgebende Entscheidung (und zwar auch schon in erster Instanz). Seiner bedarf es aber nicht, wenn (wie hier) ein Antrag bereits wegen Fehlens einer sonstigen Voraussetzung abgewiesen wird.

              2.              Was den Einwand anlangt, die erstinstanzliche Entscheidung sei vom Vorsitzenden der Fachtierarzt-Prüfungskommission für Kleintiere und nicht vom zuständigen Prüfungssenat getroffen worden, ist davon auszugehen, daß nach der Aktenlage die Kommission in der Sitzung vom 21. Juli 1995 den Beschluß gefaßt hat, aus Gründen der Einheitlichkeit der Entscheidungen zunächst die Kommission als Prüfungssenat einzusetzen und eine Unterscheidung in kleinere Senate für den Fall der Vornahme von Prüfungen vorzubehalten. Dagegen bestehen im Hinblick darauf keine Bedenken, daß nach § 14c Abs. 2 Tierärztegesetz jeder Prüfungssenat aus Mitgliedern der Kommission zu bestehen hat und diese Bestimmung für die Anzahl der Mitglieder des Prüfungssenates lediglich eine Untergrenze (mindestens drei) vorsieht, aber keine bestimmte Anzahl von Mitgliedern festlegt.

Daß die Entscheidung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers von der als Prüfungssenat fungierenden Kommission und nicht von deren Vorsitzendem allein getroffen wurde, ergibt sich aus dem Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides, in dessen Begründung (Seite 2 unten) ausgeführt wird, daß sich die Kommission mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen befaßt habe und zum Ergebnis gekommen sei, daß damit eine einschlägige Tätigkeit in dem vom Gesetz geforderten Ausmaß nicht nachgewiesen sei. Im Hinblick auf diese ausdrückliche Bezugnahme auf die zugrundeliegende Willensbildung ist der erstinstanzliche Bescheid vom 3. Februar 1996 der als Prüfungssenat fungierenden Kommission zuzurechnen. Es handelt sich bei diesem Bescheid um einen sogenannten Intimationsbescheid des Vorsitzenden der Kommission, wie die Bezeichnung "Der Vorsitzende der Fachtierarztprüfungskommission für Kleintiere" im Kopf des Bescheides und die Fertigungsklausel "Der Kommissionsvorsitzende" zeigen (vgl. zur Zulässigkeit von Intimationsbescheiden überhaupt und zur Notwendigkeit ausdrücklicher Bezugnahme im Bescheid auf den Beschluß der betreffenden Kollegialbehörde als Voraussetzung für seine Zurechenbarkeit zu dieser die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018, vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0075, und vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/06/0111, jeweils mwN).

              3.              Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages (so wie die Erstbehörde) ausschließlich mit dem Fehlen eines Nachweises gemäß § 72 Abs. 4 Z. 2 Tierärztegesetz. Der Beschwerdeführer habe den gesetzlich vorgeschriebenen Nachweis einer überwiegenden einschlägigen Tätigkeit nicht erbracht. Die Erstbehörde berief sich hiebei auf die einigen Kommissionsmitgliedern bekannten Tätigkeiten im Bereich der Nutztier- und Pferdepraxis in der Tierklinik des Beschwerdeführers, auf die nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbrachte Abgrenzung der kleintier- bzw. großtierrelevanten Tätigkeiten im Rahmen dieser Klinik und die insgesamt wenig überzeugenden Antworten der vom Beschwerdeführer als Referenzen für die Tätigkeit seiner Tierklinik als Überweisungsklinik genannten Tierärzte. Die belangte Behörde schloß sich dieser Beurteilung an und hielt überdies fest, daß von den vom Beschwerdeführer genannten, von der Kommission befragten Tierärzten lediglich die Hälfte die Inanspruchnahme der Tierklinik des Beschwerdeführers bestätigt habe, daß auch diese Bestätigungen zum Teil nur eine sehr geringe Inanspruchnahme ergeben hätten, daß auch nach Kenntnis einiger Kommissions- und auch Vorstandsmitglieder in der Tierklinik Pferdeboxen vorhanden seien und der Beschwerdeführer selbst das Bestehen eines "Pferdeanteiles" in seiner Tierklinik bestätigt habe.

Diese Begründung ist mit wesentlichen Mängeln behaftet. Es ist mangels entsprechender Feststellungen nicht erkennbar, ob die belangte Behörde nur einzelne oder alle in § 72 Abs. 4 Z. 2 Tierärztegesetz genannten Elemente einer einschlägigen Tätigkeit ("mindestens sechs Jahre lang", "regelmäßig", "überwiegend ganztägig", "in hauptberuflicher Stellung") als nicht hinreichend nachgewiesen erachtet hat. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine mindestens zehnjährige regelmäßige, überwiegend ganztägig und in hauptberuflicher Stellung erfolgte Tätigkeit in seiner Praxis mit einem Kleintieranteil von rund 90 %. Dieser Mangel ist wesentlich, weil im Falle der Richtigkeit dieser Behauptung ein Sachverhalt gegeben wäre, der für das Vorliegen der vom Gesetz verlangten einschlägigen Mindestpraxis spräche. Statt einer Auseinandersetzung mit dem besagten Vorbringen konzentriert sich die Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers in seiner erst rund ein Jahr vor Antragstellung eröffneten Tierklinik. Diese Praxis kann aber schon wegen ihrer Kürze nicht ausschlaggebend sein. In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein vom Beschwerdeführer mit rund 10 % bezifferter Großtieranteil nachteilig sein soll. Das Gesetz verlangt nicht, daß der Tierarzt ausschließlich auf dem betreffenden Fachgebiet tätig war. Es genügt daher, wenn die einschlägige Tätigkeit überwogen hat. Diese Voraussetzung ist aber bei einem Kleintieranteil von rund 90 % jedenfalls gegeben.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Behördenbezeichnung Fertigungsklausel Intimation Zurechnung von Bescheiden Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996110134.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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