TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/23 LVwG-S-1063/001-2019

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Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

GewO 1994 §366 Abs1 Z1
GewO 1994 §366 Abs1 Z3
VStG 1991 §44a Z1
VStG 1991 §32 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt bzw. fasst durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwältin in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 02. April 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) nach mündlicher Verhandlung

I.  zu Recht:

1.   Die Spruchpunkte 1. bis 4. des angefochtenen Straferkenntnisses werden aufgehoben und die zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

II.  den Beschluss:

1.   Das Beschwerdeverfahren betreffend Spruchpunkt 5. (Verwendung einwandiger Kunststoffbehälter statt genehmigter doppelwandiger Lagerbehälter) wird eingestellt.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Feststellungen:

1.1.  Die C GmbH (in der Folge: C GmbH) betreibt am selben, auch im angefochtenen Straferkenntnis genannten Standort das Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent (Reifenhandel mit Straßen und Motorsportreifen).

1.2.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt (Anonymisierung in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Zeit:   07.05.2018

Ort:    […]

Tatbeschreibung:

1.   Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [C GmbH]. zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 07.05.2018 auf dem Standort […] eine KFZ-Werstätte betrieben und dadurch das Gewerbe der Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker; Kraftfahrzeugtechnik (verbundenes Handwerk) selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt hat, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl die genannte Gesellschaft dafür keine Gewerbeberechtigung besitzt.

2.   Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [C GmbH] nachstehende Verwaltungsübertretung der Gewerbeordnung zu verantworten:

Die genannte Gesellschaft betreibt auf dem Standort […] eine mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 17.05.2016, *** genehmigte Betriebsanlage für „die Errichtung und den Betrieb einer Kfz-Werkstätte“ im Standort […] und wurde parallel zur östlichen Grundstücksgrenze direkt an die dort befindliche Sickermulde angestellt und oberhalb eines Teiles der dort bewilligten PKW-Stellplätze eine Garage (ca. 90 m³ bebaute Fläche) errichtet.

Dies stellt eine genehmigungspflichtige Änderung gemäß § 81 Abs.1 GewO dar, da dadurch erhöhte Lärmemissionen gegeben sein könnten, was nach § 74 Abs. 2 Z 2 iVm § 81 Abs. 1 GewO die Genehmigungspflicht der Änderung auslöst. Sie haben es als Verantwortlicher der genannten Firma zu verantworten, dass die angeführte geänderte Betriebsanlage zumindest am 07.05.2018 ohne Genehmigung betrieben wurde.

3.   Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [C GmbH] nachstehende Verwaltungsübertretung der Gewerbeordnung zu verantworten:

Die genannte Gesellschaft betreibt auf dem Standort […] eine mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 17.05.2016,
*** genehmigte Betriebsanlage für „die Errichtung und den Betrieb einer Kfz-Werkstätte“ im Standort […] und wurde der Freibereich im Süden der Lagerhalle zwischen der Hallenaußenwand zu der Sickermulde mit einem Flugdach überdeckt wurde

Dies stellt eine genehmigungspflichtige Änderung gemäß § 81 Abs.1 GewO dar, da dadurch eine Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens gegeben sein könnten, was nach § 74 Abs. 2 Z 1 iVm § 81 Abs. 1 GewO die Genehmigungspflicht der Änderung auslöst. Sie haben es als Verantwortlicher der genannten Firma zu verantworten, dass die angeführte geänderte Betriebsanlage zumindest am 07.05.2018 ohne Genehmigung betrieben wurde.

4.   Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [C GmbH] nachstehende Verwaltungsübertretung der Gewerbeordnung zu verantworten:

Die genannte Gesellschaft betreibt auf dem Standort […] eine mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 17.05.2016,
*** genehmigte Betriebsanlage für „die Errichtung und den Betrieb einer Kfz-Werkstätte“ im Standort […] und wurde ein Reifenwaschgerät in der Lagerhalle aufgestellt.

Dies stellt eine genehmigungspflichtige Änderung gemäß § 81 Abs.1 GewO dar, da dadurch eine Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens gegeben sein könnten, was nach § 74 Abs. 2 Z 1 iVm § 81 Abs. 1 GewO die Genehmigungspflicht der Änderung auslöst. Sie haben es als Verantwortlicher der genannten Firma zu verantworten, dass die angeführte geänderte Betriebsanlage zumindest am 07.05.2018 ohne Genehmigung betrieben wurde.

5.   Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [C GmbH] nachstehende Verwaltungsübertretung der Gewerbeordnung zu verantworten:

Die genannte Gesellschaft betreibt auf dem Standort […] eine mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 17.05.2016, *** genehmigte Betriebsanlage für „die Errichtung und den Betrieb einer Kfz-Werkstätte“ im Standort […] und wird für die Altöllagerung zur Zeit ein einwandiger Kunststoffbehälter verwendet wird, welcher im Bereich der Achse
3-D aufgestellt ist, der vorgesehene doppelwandige Lagerbehälter gelangte nicht zur Ausführung.

Dies stellt eine genehmigungspflichtige Änderung gemäß § 81 Abs.1 GewO dar, da dadurch eine Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens gegeben sein könnten, was nach § 74 Abs. 2 Z 1 iVm § 81 Abs. 1 GewO die Genehmigungspflicht der Änderung auslöst. Sie haben es als Verantwortlicher der genannten Firma zu verantworten, dass die angeführte geänderte Betriebsanlage zumindest am 07.05.2018 ohne Genehmigung betrieben wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. § 366 Abs.1 Zif. 1 GewO 1994

zu 2. § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 3. § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 4. § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 5. § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von       falls diese uneinbringlich ist,   Gemäß

                        Ersatzfreiheitsstrafen von

zu 1. € 360,00               34 Stunden                             § 366 Abs.1 Zif. 1 GewO 1994

zu 2. € 360,00               34 Stunden                             § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 3. € 360,00               34 Stunden                             § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 4. € 360,00               34 Stunden                             § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

zu 5. € 360,00               34 Stunden                             § 366 Abs. 1 Zif. 3 GewO 1994

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                               180,00

                                               Gesamtbetrag:                        1.980,00

1.3.  Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. In der mündlichen Verhandlung am 11. März 2020 wurde die Beschwerde betreffend Spruchpunkt 5. (Verwendung eines einwandigen Kunststoffbehälters anstatt des genehmigten Lagerbehälters für die Altöllagerung) zurückgezogen.

1.4.  Die im angefochtenen Straferkenntnis zu den Spruchpunkten 2. bis 5. vorgeworfenen Tathandlungen erfolgten aufgrund eines Gesamtkonzeptes des Beschwerdeführers, die genehmigte Betriebsanlage in geänderter Form zu betreiben.

2.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2020, in welcher der Beweis erhoben wurde, durch (Verzicht auf) Verlesung des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes sowie des Betriebsanlagenaktes und Einvernahme des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen sind unstrittig. Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Betriebsanlagenakt ergibt sich, dass alle vorgeworfenen Änderungen der Betriebsanlage mit Bescheid vom 31. Oktober 2018 aufgrund des dahingehenden Antrages der C GmbH genehmigt wurden, weshalb diesbezüglich von einem Gesamtvorsatz auszugehen ist.

3.   Rechtliche Erwägungen:

3.1.1.  Zur Aufhebung des 1. Spruchpunktes (unbefugte Gewerbeausübung):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein.

Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhaltes mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (zum Ganzen zB VwGH vom 20. November 2019, Ra 2019/15/0101, mwN). Ebenso ist das Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten (vgl. VwGH vom 05. September 2013, 2013/09/0065).

Es bedarf beim Vorwurf der unbefugten Gewerbeausübung der Feststellung, durch welche Tätigkeiten das Gewerbe unbefugt ausgeübt wurde und der Beschreibung jener Tätigkeiten, wodurch das erwähnte Gewerbe (unbefugt) ausgeübt worden sein soll (vgl. VwGH vom 17. März 1987, 85/04/0210).

Im Straferkenntnis (und auch allen anderen Verfolgungshandlungen) wurde lediglich vorgeworfen, dass „eine KFZ-Werkstätte“ betrieben und dadurch das verbundene Handwerk Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker; Kraftfahrzeugtechnik selbständig regelmäßig und in der Absicht ausgeübt wurde, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl die juristische Person dafür keine Gewerbeberechtigung besitze.

Dieser Tatvorwurf ist insbesondere auch vor dem Hintergrund nicht als hinreichend anzusehen, als die GmbH, deren gewerberechtlicher und handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, am selben Standort das Handelsgewerbe mit einem Reifen- und Felgenhandel ausübt.

Der Tatvorwurf ist somit nicht hinreichend konkretisiert, weshalb dieser Spruchpunkt (sowie der damit untrennbar zusammenhängende Kostenbeitrag) aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen ist.

3.1.2.  Zur Aufhebung der Spruchpunkte 2. bis 4.:

Die dem Beschwerdeführer in den Spruchpunkten 2. bis 5. des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 stellen ein sogenanntes fortgesetztes Delikt dar, wodurch die Anwendung des in § 22 VStG normierten Kumulationsprinzips ausgeschlossen wird. Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetztes Delikt folgt, dass die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen – wenn auch allenfalls erst später bekannt gewordenen – Einzeltathandlungen umfasst. Das bedeutet, dass ungeachtet einem Spruch der Strafbehörde der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Erlassung des Strafbescheides erster Instanz erfasst sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen den Täter eine Strafe verhängt werden darf („Abgeltungswirkung“; vgl. zB VwGH vom 27. Februar 1996, 95/04/0183).

In Folge der Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt 5. ist der zu diesem Spruchpunkt getroffene Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen. Der rechtskräftige Tatvorwurf des Betriebs der Betriebsanlage ohne erforderliche Änderungsgenehmigung umfasst aufgrund des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes auch die zu den Spruchpunkten 2. bis 4. vorgeworfenen Einzeltathandlungen.

Vor diesem Hintergrund würde eine Bestätigung der Spruchpunkte 2. bis 4. des angefochtenen Straferkenntnisses dem Doppelbestrafungsverbot widersprechen, weshalb diese Spruchpunkte (samt der damit zusammenhängenden Kostenaussprüche) aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen ist.

3.1.3.  Zu Spruchpunkt 5. (Verwendung einwandiger Kunststoffbehälter statt genehmigter doppelwandiger Lagerbehälter):

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Zurückziehung der Beschwerde ist das Beschwerdeverfahren betreffend diesen Spruchpunkt einzustellen (vgl. VwGH vom 29. April 2015, Fr 2014/20/0047).

3.2.  Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt. Ob einzelne Tathandlungen ein fortgesetztes Delikt darstellen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. VwGH vom 3. Mai 2017, Ra 2016/03/0108), weshalb eine Revision auch insofern unzulässig ist.

Schlagworte

Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Tatvorwurf; Konkretisierung; Verfolgungshandlung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1063.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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