TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/30 LVwG-AV-927/001-2019

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

KJHG NÖ 2013 §64
PflegekindergeldV NÖ 2014 §1
ABGB §184
AVG 1991 §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Eichberger, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von A und B, in ***, vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 18. Juli 2019, Zl. ***, betreffend die Einstellung des Bezuges von Pflegegeld mit Ablauf des Monats Juli 2019,

I.       zu Recht:

1.   Die Beschwerde von Frau A wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

und fasst den

II.      Beschluss

3.   Die Beschwerde des Herrn B wird als unzulässig zurückgewiesen.

4.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 18. Juli 2019, Zl. ***, wurde das mit Bescheid vom 31. Mai 2017 zur Erleichterung des mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwandes gewährte Pflegegeld des Landes Niederösterreich mit Ablauf des Monats Juni 2019 eingestellt.

Begründet wurde diese Entscheidung dahingehend, dass das Pflegeverhältnis zu D durch Kündigung der Vollmacht über die Pflege und Erziehung durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha mit 06. Juni 2019 beendet wurde. Das Pflegekindergeld war daher mit Ende des Monats einzustellen, in dem das Pflegeverhältnis geendet hat.

In einer schriftlichen Stellungnahme verwiesen die Beschwerdeführer darauf, dass sie gegen die Vollmachtskündigung Berufung eingebracht hätten, der aufschiebende Wirkung zukäme.

Von der belangten Behörde wurde hierzu ausgeführt, dass diese Berufung mit Beschluss des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 08. Juli 2019, Zl. LVwG-AV-701/001-2019, als unzulässig zurückgewiesen und die ordentliche Revision nicht zugelassen wurde.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der rechtzeitigen Beschwerde vom 12. August 2019 führte der Beschwerdeführervertreter in Vertretung der Beschwerdeführer aus, dass der Widerruf der Vollmacht der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha das Pflegeverhältnis aus zwei Gründen nicht beendet:

1.   Die Bf. sind nach wie vor Pflegeeltern nach § 186 (jetzt 184) ABGB (21.12.2017, 5 Ob 143/17s = JBl April 2018,243), weil die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale immer noch vorliegen, sodass es auf die Art des Begründungsaktes (hier Vollmacht der BH Bruck an der Leitha zur Pflege und Erziehung, also zur gesamten Obsorge, weil das Pflegekind kein Vermögen hat und die Pflegeeltern in allen Fällen vertreten, auch gegenüber Ärzten, Kindergarten, Behörden usw.) oder auf die Rechtsgrundlage dafür nicht ankommt; der bedingungslose, willkürliche Widerruf der Vollmacht beendet die Pflegeelternschaft nicht (14.12.2011, 3 Ob 165/11b = EvBl 2012/51, 359).

Da die Bezirkshauptmannschaften Mödling und Bruck an der Leitha auf Privatwirtschaftsverwaltung bestehen, hätte der Kinder- und Jugendhilfeträger die „Interimskompetenz“ vom Gericht prüfen lassen müssen, haben aber die Frist des § 211 Abs. 1 ABGB versäumt, weshalb die Kindesabnahme schon deshalb rechtswidrig sei (9.11.2016, 7 Ob 179/16y = EvBl 2017/102, 729).

Dennoch muss sich das Pflegekind im Heim aufhalten, weil die Kinder- und Jugendhilfeträger sich weigern, den gesetzmäßigen Zustand durch sofortige Rückgabe des Pflegekindes wieder herzustellen und verweigern sogar Besuche.

Am 12.07.2019 um 11:08 Uhr habe die Telefonistin die Pflegemutter in die „Gruppe von D“ verbunden, doch sei ihr jede Auskunft über sein Befinden verweigert und an den „pädagogischen Leiter“, vermutlich E verwiesen worden, der jedoch einen Termin außer Haus gehabt habe. Ein Rückruf sei ausgeblieben.

Am Montag, 15.07.2019 um 15:29 Uhr habe die Pflegemutter darauf bestanden, wenigstens mit dem Bereichsleiter F sprechen zu können, der sich auf die Antwort beschränkt habe, der pädagogische Leiter sei bei einem Termin außer Haus. Wiederholt habe die Pflegemutter keine „Auskunft“, wie es D gehe, „wegen der anhängigen Verfahren“. Er habe wenigstens einen Psychotherapeuten und werde sich um die Angelegenheit kümmern – bis heute nicht.

2.   Gegen die Zurückweisung der Beschwerde wegen der zwangsweisen Kindesabnahme 25.06.2019, LVwG-M-14/001-2019 erhoben die Pflegeeltern Beschwerde an den VfGH zu ***.

Da auch das Bezirksgericht *** den Rechtsschutz mit der Begründung „Hoheitsverwaltung“ verweigerte und den Antrag der Pflegeltern, die zwangsweise Abnahme des Pflegekindes und seine Unterbringung im Heim G (***) im *** für rechtswidrig zu erklären, mit Beschluss 05.07.2019, *** zurückwies, stellten die Pflegeeltern an den Verfassungsgerichtshof zu *** den Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes gem. Art. 138 Abs. 1 Z 2 B-VG, § 46 Abs. 1 Z 2 VerfGG.

Gegen die Beschlüsse 08.07.2019, LVwG-AV-701/001-2019 wegen Widerrufs der Vollmacht und LVwG-AV-645/001-2019 haben die Pflegeeltern ebenfalls Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu *** erhoben, weil die Bezirkshauptmannschaften und das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Verfahren nicht zweckmäßigerweise unterbrochen hätten. Nichts spreche gegen eine Unterbrechung, aber alles dafür:

In allen diesen Verfahren werde der Verfassungsgerichtshof klären, ob über Rechtschutzbegehren Verwaltungsbehörden oder Gerichte zu entscheiden haben.

Entscheide der Verfassungsgerichtshof für Hoheitsverwaltung, wären alle Bescheide und Erkenntnisse wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aufzuheben.

Entscheide der Verfassungsgerichtshof für Privatwirtschaftsverwaltung, werde das Verfahren vor dem BG *** (das Rekursverfahren sei anhängig) fortgesetzt.

Die Judikaturdivergenz zwischen VfGH und OGH (vgl. VfSlg 18154, jedoch zum früheren Jugendwohlfahrtsgesetz, das bis 30.04.2014 galt) scheine nunmehr das Bundes-Kinder-und Jugendhilfegesetz 2013 – B-KJHG BGBl I Nr. 69/2013 aufzulösen, dessen § 21 Abs. 4 den Auftrag zur Behebung von Mängeln und den Widerruf der Bewilligung für die Erziehung von Pflegekindern mit Bescheid, also Hoheitsverwaltung vorschreibe – darin liege der wesentliche Unterschied: für eigene Kinder sei eine Bewilligung nicht nötig, für Pflegekinder nach § 21 Abs. 1 B_KJHG 2013 schon – also Hoheitsverwaltung.

Die Beschwerdeführer stellten die Anträge, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren bis zu den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes zu unterbrechen.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Über telefonische Anfrage durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich teilte die belangte Behörde mit, dass eine Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ergeben hat, dass das Pflegekind D seit 06. Juni 2019 durchgehend ohne Unterbrechung bei G (***) in *** wohnhaft ist und alle 14 Tage ein Besuchskontakt zur leiblichen Mutter besteht. Ein persönlicher Kontakt zwischen den Beschwerdeführern und D habe seit der Verbringung des D nicht stattgefunden.

4.   Feststellungen:

Mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 10. April 2017 wurde den Beschwerdeführern die Vollmacht zur Ausübung der Pflege und Erziehung für D, geboren am ***, erteilt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 31. Mai 2017, Zl. ***, wurde der Erstbeschwerdeführerin A, zur Erleichterung des mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwandes ab 10. April 2017 ein monatliches Pflegegeld des Landes Niederösterreich in der jeweils mit Verordnung der NÖ Landesregierung festgelegten und verlautbarten Höhe gewährt.

Dem Zweitbeschwerdeführer B wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 31. Mai 2017, Zl. ***, eine Gewährung des monatlichen Pflegegeldes zur Erleichterung des mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwandes ab 10. April 2017 nicht erteilt.

Eine Gewährung von Pflegegeld zur Unterstützung der Pflege und Erziehung des D wurde dem Zweitbeschwerdeführer auch nicht mit gesonderten Bescheid erteilt.

Mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 04. Juni 2019, Zl. ***, wurden die Beschwerdeführer beauftragt, das Pflegekind D am 06. Juni 2019 bis 10:00 Uhr, zu G (***) nach ***, ***, zu bringen.

Mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 06. Juni 2019, Zl. ***, wurde das Pflegeverhältnis zu D durch Kündigung der Vollmacht über die Pflege und Erziehung durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha beendet.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 08. Juli 2019, Zl. LVwG-AV-701/001-2019, wurde eine Beschwerde gegen die Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 06. Juni 2019, Zl. ***, betreffend die Kündigung der Vollmacht für die Pflege und Erziehung des D als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 08. Juli 2019, Zl. LVwG-AV-645/001-2019, wurde die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 04. Juni 2019, betreffend die Verbringung des mj. D zu G (***) am 06. Juni 2019 als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 18. Juli 2019, Zl. ***, wurde der zur Erleichterung des mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwandes gewährte Bezug von Pflegegeld mit Ablauf des Monats Juni 2020 eingestellt.

Der mj. D befindet sich seit 06. Juni 2019 nicht mehr in der pflegerischen Obhut der Beschwerdeführer und ist seit 06. Juni 2019 bei G (***) in ***, ***, untergebracht.

Es ist somit festzustellen, dass der mj. D, geboren am ***, seit 06. Juni 2019 nicht mehr in der Obhut der Beschwerdeführer steht, und die Beschwerdeführer seit diesem Tag keinen mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwand zu tragen haben.

Die Entscheidungen des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 08. Juli 2019, Zl. LVwG-AV-645/001-2019 und LVwG-AV-701/001-2019, behandeln keine Rechtsfragen, welche im gegenständlichen Beschwerdeverfahren als Hauptfragen zu beantworten wären, weshalb dieses Beschwerdeverfahren nicht auszusetzen ist.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde. Überdies gründen sich die Feststellungen auf die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 08. Juli 2019, Zl. LVwG-AV-701/001-2019 und LVwG-AV-645/001-2019.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer, sie seien immer noch Pflegeltern des mj. D, weil die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nach wie vor vorliegen und der bedingungslose, willkürliche Widerruf der Vollmacht beende nicht die Pflegeelternschaft, geht ins Leere.

Richtig ist, dass das Pflegeverhältnis zu D durch Kündigung der Vollmacht über die Pflege und Erziehung durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha beendet wurde. Mit dieser Kündigung wurde das Pflegekind D der Obhut der Beschwerdeführer entzogen und mit 06. Juni 2019 bei G (***) in ***, ***, untergebracht.

Daraus ergibt sich, dass das Pflegegeld, welches zur Pflege und Unterstützung eines Pflegekindes vom Land Niederösterreich gewährt wird, ab dem 06. Juni 2019 nicht mehr von den Beschwerdeführern zu diesem Zweck verwendet werden konnte, da das Pflegekind D nicht mehr in der Obhut der Beschwerdeführer war.

Überdies stützt sich die Feststellung, dass D nicht mehr in der Obhut der Beschwerdeführer steht, auf die Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, in der ausgeführt wurde, dass D seit dem 06. Juni 2019 durchgehend ohne Unterbrechung bei G (***) in *** untergebracht ist und kein Kontakt zu den Beschwerdeführern besteht.

Zur Feststellung zum Antrag der Beschwerdeführer, es möge das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes betreffend den Widerruf der Vollmachtserteilung bzw. den Auftrag zur Verbringung des Pflegekindes zu G (***) auszusetzen, ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer in diesen beiden Verfahren monieren, die Behörde dürfe nicht in Form der Privatwirtschaftsverwaltung handeln, sondern es sei ein Handeln nach der Hoheitsverwaltung geboten.

Für das gegenständliche Beschwerdeverfahren ist es nicht von Bedeutung, ob die Behörde in den nun beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren hoheitlich oder privatwirtschaftlich gehandelt hat, da es sich bei der gegenständlichen Rechtssache eindeutig um Hoheitsverwaltung handelt, da die belangte Behörde einerseits die Gewährung des Pflegegeldes als auch die Einstellung dieses Bezuges mit Bescheid, also hoheitlich, erledigte.

Dass dem Zweitbeschwerdeführer kein Pflegegeld zur Unterstützung der Pflege und Erziehung des D gewährt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 2017, Zl. ***, da nur seine Ehefrau, A (Erstbeschwerdeführerin) als Bescheidadressatin genannt ist.

Aus dem Akteninhalt ist auch nicht ersichtlich, dass dem Zweitbeschwerdeführer mittels gesonderten Bescheid Pflegegeld gewährt wurde.

Diese Feststellung stützt sich auf das E-Mail des Zweitbeschwerdeführers vom 18. April 2017, in dem der Zweitbeschwerdeführer der belangten Behörde mitteilt, dass er das ausdrückliche und unwiderrufliche Einverständnis erteilt, dass die Auszahlung des Pflege(eltern)geldes im Rahmen der gemeinsamen Pflegelternschaft für das Kind D alleinig an seine Frau erfolgt.

6.   Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten wie folgt:

§ 17

Anzuwendendes Recht

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren anzuwenden hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28

Erkenntnisse

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]

Beschlüsse
§ 31.

(1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

[…]

Die maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) lautet wie folgt:

Revision

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die maßgebliche Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lauten wie folgt:

Beteiligte; Parteien
§ 8.

Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Die maßgebende Bestimmung des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuches lautet:

Pflegeeltern
§ 184.

Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

Die maßgebende Bestimmung des NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG) lautet wie folgt:

§ 64Pflegekindergeld und sozialversicherungsrechtliche Absicherung

(1) Pflegepersonen, die mit der Ausübung der Pflege und Erziehung von Pflegekindern durch den Kinder- und Jugendhilfeträger betraut sind, erhalten vom Land auf schriftlichen Antrag ein pauschaliertes Pflegekindergeld, das zur Abgeltung des mit der Pflege und Erziehung eines Pflegekindes verbundenen Aufwandes dient.

(2) Über den Antrag nach Abs. 1 entscheidet der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Bescheid.

(3) Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann Pflegekindergeld bis zur Höhe gemäß Abs. 1 unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen persönlichen und wirtschaftlichen Situation auch jenen Personen gewähren, die

1.

vom Gericht mit Erziehungsberechtigung über das Pflegekind betraut wurden, wenn sie davor Pflegepersonen im Sinne des § 58 Abs. 2 waren oder

2.

mit dem Pflegekind bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind, wenn volle Erziehung gemäß § 50 Abs. 1 Z1 gewährt wird.

(4) Die Gewährung von Pflegekindergeld an die Eltern ist ausgeschlossen.

(5) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat Pflegepersonen bei der Erlangung einer sozialversicherungs- oder pensionsrechtlichen Absicherung zu unterstützen.

Die maßgebende Bestimmung der NÖ Pflegekindergeld-Verordnung 2014 lautet wie folgt:

§ 1Pflegekindergeld

(1) Das monatliche Pflegekindergeld an Pflegepersonen im Sinne des § 64 Abs. 1 NÖ KJHG, LGBl. 9270, zur Abgeltung des mit der Pflege und Erziehung eines Pflegekindes verbundenen Aufwandes beträgt

a)

für Kinder bis zum Monat vor Vollendung des 10. Lebensjahres:

€ 608,- und

b)

ab Beginn des Monats, in dem das Kind das 10. Lebensjahr vollendet hat:

€ 644,-.

(2) Das Pflegekindergeld gebührt ab Beginn des Monats der Übernahme des Pflegekindes, sofern der schriftliche Antrag innerhalb eines Monats gestellt wird, ansonsten ab dem Tag der schriftlichen Antragstellung.

(3) Das Pflegekindergeld ist mit Ende des Monats einzustellen, in dem das Pflegeverhältnis endet. Zu Unrecht bezogenes Pflegekindergeld ist zurückzuerstatten.

7.   Erwägungen:

Die Beschwerdeführer begründen ihre Beschwerde dahingehend, dass die behördlichen Erledigungen betreffend den Widerruf der Vollmacht zur Pflegschaft des D und betreffend die Verbringung des D zu G (***) hoheitlich und nicht privatwirtschaftlich erledigt wurden, dass sie nach wie vor Pflegeeltern des D sind und begehren diesbezüglich den beschwerdegegenständlichen Bescheid zu beheben und das Verfahren bis zu den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes auszusetzen.

Dieses Vorbringen führt sie jedoch nicht zum Erfolg.

7.1.     Zum Erkenntnis und der unbegründeten Abweisung der Beschwerde

In der Beschwerde wird durchgehend ausgeführt, dass die belangte Behörde in den Verfahren zum Widerruf der Vollmacht zur Erziehung und Pflege des D und zur Verbringung des Pflegekindes zu G hoheitlich gehandelt habe.

Des Weiteren wurde angedeutet, dass die Tatbestandsmerkmale betreffend die Eigenschaft als Pflegeltern nach wie vor vorhanden sind und die Beschwerdeführer daher immer noch Pflegeeltern sind.

Die Beschwerdeführer übersehen hierbei, dass Pflegegeld gemäß dem NÖ KJHG und der NÖ Pflegekindergeld-Verordnung 2014 zur Erleichterung des mit der Pflege eines Pflegekindes verbundenen Aufwandes gewährt wird.

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 06. Juni 2019 die Vollmacht zur Erziehung und Pflege des mj. D durch die Beschwerdeführer widerrufen.

Auch wurde das Pflegekind mj D mit 06. Juni 2019 bei G (***) in *** untergebracht und war seit diesem Zeitpunkt nicht mehr unter der Obhut der Beschwerdeführer.

Es ist daher für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, inwieweit vor diesem Hintergrund ein aufrechtes Pflegeverhältnis noch existent ist.

Die Beschwerdeführer verweisen hierbei auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Zl. 3 Ob 165/11b vom 14. Dezember 2011. Richtig ist, dass es herrschende Ansicht ist, dass die Pflegeelternschaft nach § 186 ABGB (jetzt § 184 ABGB) kraft Gesetzes gegeben ist, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorliegen, sodass es auf die Art des Begründungsaktes oder auf die Rechtsgrundlage nicht ankommt.

Die Beschwerdeführer übersehen hierbei, dass die Umschreibung des Begriffs „Pflegeeltern“ an zwei Merkmale anknüpft: Die – tatsächliche – ganze oder teilweise Besorgung der Pflege und Erziehung sowie das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung oder die Absicht, eine solche herzustellen (OGH vom 14. Dezember 2011, Zl. 3 Ob 165/11b).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass gerade diese zwei wesentlichen Merkmale von „Pflegeeltern“ seit 06. Juni 2019 nicht mehr bestehen, da die Besorgung der Pflege und Erziehung seit diesem Datum nicht mehr durch die Beschwerdeführer erfolgt und auch keine einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung besteht, da die Beschwerdeführer seit dem 06. Juni 2019 keinen persönlichen Kontakt mehr zu D haben.

Auch das Vorbringen, die Behörde habe nicht privatwirtschaftlich, sondern hoheitlich gehandelt, als die Vollmacht zur Pflege widerrufen und das Pflegekind D zu G verbracht wurde, bringt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde sowohl die Erteilung des Pflegegeldes als auch die Einstellung der Gewährung mit Bescheid erledigt. Es handelte sich hierbei um hoheitliche Akte der belangten Behörde, weshalb ein Zusammenhang mit dem Vorbringen in der Beschwerde zum beschwerdegegenständlichen Bescheid nicht erblickt werden kann.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde betreffend die Judikaturdivergenz zwischen VfGH und OGH und zum Verweis auf den nicht mehr in Geltung stehenden § 21 Abs. 4 B-KJHG ist auszuführen, dass sich diese Bestimmung lediglich auf private Pflegeverhältnisse bezieht. Im gegenständlichen Fall wurden die Pflegeeltern jedoch im Rahmen der vollen Erziehung (§§ 49, 50 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ KJHG, § 18f B-KJHG) mit einer Vollmacht gemäß § 139 Abs. 1 ABGB mit der Pflege und Erziehung des D beauftragt, welche von der Obsorge berechtigten Behörde (Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha) am 06.06.2019 widerrufen wurde. Dabei handelte es sich nicht um ein privates Pflegeverhältnis, weshalb die von den Beschwerdeführern zitierte Bestimmung nicht zur Anwendung gelangt.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist auszuführen, dass mit der Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt wird und war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

7.2.     Zum Beschluss und der Zurückweisung der Beschwerde

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 2017, Zl. ***, wurde der Erstbeschwerdeführerin Frau A zur Erleichterung des mit der Pflege und Erziehung des Kindes D verbundenen Aufwandes ab 10. April 2017 ein monatliches Pflegekindergeld des Landes Niederösterreich in der jeweils mit Verordnung der NÖ Landesregierung festgelegten und verlautbarten Höhe zuerkannt.

Dem Zweitbeschwerdeführer, Herrn B, wurde diese Gewährung von Pflegegeld für die Pflege und Erziehung des D nicht gewährt.

Partei im gegenständlichen Beschwerdeverfahren kann daher im Sinne des § 8 AVG nur Frau A sein, da nur sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder rechtlichen Interesses beteiligt ist.

Dem Zweitbeschwerdeführer fehlt somit die Eigenschaft als Partei im konkreten Verfahren und fehlt ihm dadurch auch die Berechtigung gegen die Entscheidung der belangten Behörde Beschwerde zu erheben (vgl. VwGH vom 20. Dezember 2019, Zl. Ro 2018/10/0010).

Überdies setzt die Legitimation zur Beschwerde voraus, dass der vermeintliche Beschwerdeführer auch beschwert sein muss. Im gegenständlichen Fall wurde dem Zweitbeschwerdeführer nie Pflegekindergeld zur Pflege und Erziehung des D zuerkannt. Mit der Einstellung des Bezuges des Pflegegeldes war der Zweitbeschwerdeführer somit auch nicht beschwert. Da ihm nie Pflegegeld zuerkannt wurde, kann seine Rechtsposition mit dem Bescheid zur Einstellung der Gewährung von Pflegegeld auch nicht verletzt worden sein.

Es war daher seine Beschwerde mangels Parteistellung und mangels Beschwerde zurückzuweisen.

7.3.     Zum Antrag auf Aussetzung des Verfahrens:

In ihrer Beschwerde stellen die Beschwerdeführer neben dem Antrag auf Aufhebung des beschwerdegegenständlichen Bescheides auch eine Aussetzung desselben Verfahrens und zwar bis zum Zeitpunkt bis der Verfassungsgerichtshof über ihre Beschwerden betreffend die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu Zl. LVwG-AV-645/001-2019 und LVwG-AV-701/001-2019 entschieden hat.

Die Beschwerdeführer sprechen somit die Aussetzung eines Verwaltungsverfahrens wegen des Auftauchens einer Vorfrage gemäß § 38 AVG an.

Eine Vorfrage ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden ist (vgl. VwGH 23.3.2010, 2008/18/0305).

Präjudiziell ist nur eine Entscheidung, die eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar, d.h. eine „notwendige

Grundlage“ ist, und die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise

regelt (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz 306).

Voraussetzung für eine Bindung ist, dass die Hauptfrage von der zuständigen

Verwaltungsbehörde bzw. dem zuständigen Gericht entschieden worden ist.

Außerdem besteht eine Bindungswirkung jedenfalls, wenn die Entscheidung der

Vorfrage Verbindlichkeit gegenüber den am Verwaltungsverfahren beteiligten Parteien entfaltet (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38, Rz 23). Dabei besteht eine

Bindung selbst dann, wenn es sich um eine rechtswidrige Vorfrageentscheidung

handelt, solange diese rechtskräftig ist (vgl. VwGH 13.12.1988, 88/11/0242;

17.11.2004, 2002/08/0261).

In der gegenständlichen Rechtssache verweisen die Beschwerdeführer auf zwei anhängige Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof, welchen zwei rechtskräftige Entscheidungen des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu Grunde liegen.

Selbst wenn davon auszugehen ist, dass die Hauptfrage, über die der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hat, eine Vorfrage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren bildet, ist eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht zulässig (vgl. VwGH vom 19. Dezember 2019, Zl. Ra 2018/11/0239).

Eine bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung hat – soweit die Rechtskraft reicht – für die Behörde, für die Frage, auf die sich die Entscheidung bezieht, eine Vorfrage bildet, entsprechend dem Grundsatz der gegenseitigen Bindung der Behörden an ihre Entscheidungen unter allen Umständen bindende Wirkung (VwGH vom 25. Juni 2019, Zl. Ra 2019/10/0012). Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist in diesen Fällen nicht mehr zulässig, die Behörde ist vielmehr verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen (vgl. VwGH 28.1.2016, 2013/07/0288; 12.10.2007, 2007/02/0137). Dies gilt gleichermaßen für die VwG (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2015/08/0177).

Wie festgestellt, handelte im gegenstälichen Verwaltungsverfahren die Behörde sowohl bei der Gewährung als auch bei der Einstellung des Bezuges von Pflegegeld zur Pflege und Erziehung des D rein hoheitlich, da Gewährung und Einstellung mit Bescheid erledigt wurden, weshalb die aufgeworfenen Fragen der Beschwerdeführer in den beim VfGH anhängigen Beschwerden keinesfalls Vorfragen für das gegenständliche Beschwerdeverfahren sein können.

Vor diesem Hintergrund war daher das gegenständliche Verfahren nicht gemäß § 38 AVG auszusetzen.

8.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen öffentlichen Verhandlung, welche von den Parteien auch nicht beantragt wurde, konnte unterbleiben, da keine Sachverhaltselemente erhoben wurden, welche den Parteien nicht ohnehin bekannt waren und es sich bei der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nur um die Beantwortung von Rechtsfragen gehandelt hat, weshalb ein Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegensteht.

9.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung, wie in den Erwägungen ersichtlich, nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Sozialrecht; Kinder- und Jugendhilfe; Pflegekindergeld; Verfahrensrecht; Vorfrage;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.927.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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