Entscheidungsdatum
30.03.2020Norm
BAO §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der Frau A und des Herrn C, beide vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, vom 4. November 2019 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. Oktober 2019, Zahl: ***, mit welchem eine Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 2. März 2018, betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe, als unbegründet abgewiesen wurde, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:
A und C (in der Folge: Beschwerdeführer) sind grundbücherliche Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***, entsprechend dem geltenden Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde *** gewidmet als Bauland-Agrargebiet.
Mit Bauansuchen vom 11. Oktober 2017 beantragten die Beschwerdeführer die nachträgliche Bewilligung einer Stützmauer und eines überdachten Lagerplatzes auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 8. November 2017, Zahl: ***, wurde das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, zum Bauplatz erklärt und die beantragte Baubewilligung erteilt.
Je eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde an die beiden Beschwerdeführer jeweils am 16. November 2017 nachweislich zugestellt. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 2. März 2018, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 aus Anlass der mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 8. November 2017 erfolgten Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von € 16.309,10 vorgeschrieben.
Es bestehe gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 2014 die gesetzliche Verpflichtung, aus Anlass der Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Die Abgabe werde aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet. Die Berechnungslänge sei die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates, der Bauklassenkoeffizient sei von der bewilligten Höhe des Bauwerkes abzuleiten, der Einheitssatz sei gemäß der Verordnung des Gemeinderates € 490,00 festgesetzt. Die Berechnung der Aufschließungsabgabe stelle sich demnach wie folgt dar:
Grundstück Fläche Ber.Länge x BKK x Einheitssatz = Aufschließungsabgabe
*** 709 m² 26,6271 1,25 € 490,00 € 16.309,10
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. In dem am 30. März 2018 eingelangten Berufungsschreiben führten sie aus, dass das Grundstück *** keinen eigenständigen Bauplatz bilde. Die Trennung in die Grundstücke ***‚ *** und *** sei früher aus grundsteuerlichen Anlass (Trennung Gebäudefläche und Garten) erfolgt. Die Grundstücke hätten aber immer zusammen einen Bauplatz gebildet (wirtschaftliche Einheit). Außerdem weise das bestehende Gebäude Öffnungen (Tor) an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken *** und *** auf. Schon aus diesem Grund sei eine Vereinigung im Sinne des § 39 Abs. 1 NÖ Bauordnung notwendig. Außerdem ragten Teile des Grundstückes *** in den Straßenraum. Eine Grundabtretung in das öffentliche Gut wäre durchzuführen. Die Vereinigung bewirke keine Ergänzungsabgabe im Sinne des § 39 Abs. 1 NÖ Bauordnung, da die amtswegige Vereinigung nach § 12 Vermessungsgesetz keinen Anlass für die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe sein solle, wenn Außenwände der an der Grenze solcher Grundstücke stehenden Gebäude nicht als Brandwände ausgebildet seien. Zusammenfassend sei eine Vereinigung der Grundstücke ***, *** und *** und eine Grundabtretung in das öffentliche Gut durchzuführen. Das Grundstück *** als eigenständigen Bauplatz zu erklären, sei daher weder erwünscht noch der gängigen Bauordnung und Bautechnikverordnung entsprechend.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 15. Oktober 2018 wurde eine von den Beschwerdeführern beantragte Änderung von Grundstücksgrenzen (Vereinigung der Grundstücke ***, *** und *** zum neuen Grundstück ***) bewilligt bzw. nicht untersagt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 12. November 2018 wurde die Änderung der Grundstücksgrenzen entsprechend dem bewilligte Teilungsplan grundbücherlich durchgeführt.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. April 2019, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführer vom 30. März 2018 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 2. März 2018 teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass nun – anstelle der im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen Aufschließungsabgabe – gemäß § 39 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von € 6.374,66 für die erfolgte Vereinigung der Grundstücke ***, *** und *** zum Grundstück *** neu vorgeschrieben wurde.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. April 2019. Die Trennung in die Grundstücke ***, *** und *** sei früher aus grundsteuerlichem Anlass (Gst. *** = Gebäudefläche und Gst. *** = Vorgarten‚ *** =Garten) erfolgt. Alle Grundstücke zusammen hätten aber immer zusammen einen Bauplatz – eine wirtschaftliche Einheit - gebildet. Die einzelnen Grundstücke seien seit Auflage der ersten Katastralmappen Teil des Bauplatzes der Einlagezahl *** zugeschrieben gewesen. Außerdem wiesen die bestehenden Gebäude Öffnungen an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken *** und *** auf. Deshalb seien nach § 12 Vermessungsgesetz die Grundstücke ***, *** und *** zu einem Grundstück *** vereinigt worden. Die Vereinigung und Teilung bewirke keine Ergänzungsabgabe im Sinne des § 39 (1) NÖ Bauordnung, da die amtswegige Vereinigung nach § 12 Vermessungsgesetz keinen Anlass für die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe sein solle, wenn Außenwände der an der Grenze solcher Grundstücke stehenden Gebäude nicht als Brandwände ausgebildet seien bzw. keine Vergrößerung des Bauplatzes erfolge. Die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe sei daher unberechtigt.
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22. Juli 2019, LVwG-AV-613/001-2019, wurde der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. April 2019 ersatzlos behoben. Gegenstand des erstinstanzlichen Abgabenbescheides sei die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe. Der Berufungsbehörde sei es verwehrt unter Verkürzung des Instanzenzuges erstmals eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, weshalb der angefochtene Bescheid wegen funktioneller Unzuständigkeit zu beheben gewesen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. Oktober 2019, Zl. ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer vom 30. März 2018 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 2. März 2018 als unbegründet abgewiesen. Damit wurde die im erstinstanzlichen Bescheid erfolgte Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 aus Anlass der mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 8. November 2017 erfolgten Bauplatzerklärung in der Höhe von € 16.309,10 bestätigt.
Mit Schriftsatz vom 4. November 2019 brachten die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 10. Oktober 2019 wegen „Aufschließungs- Ergänzungsabgaben“ ein.
Die Vereinigung der Grundstücke ***, *** und *** zum Grundstück *** stelle keinen Anlass für die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe dar.
Die Erklärung des Grundstückes *** zum Bauplatz sei weder beantragt worden, noch von amtswegen vorzunehmen gewesen. Der Bescheid es Bürgermeisters vom 8. November 2017 stelle diesbezüglich auch keinen Bescheid dar, sondern lediglich hinsichtlich der beantragten Bauplatzerklärung. Es fehle sohin an einem Bauplatzerklärungsbescheid, welchem Tatbestandswirkung zukomme. Es fehle sohin die Rechtsgrundlage für eine entsprechende Abgabe.
Der Bescheid sei jedenfalls nichtig, da damit ein unzulässiger Verwaltungsakt gesetzt worden sei und der Bescheid jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehre. Allenfalls sei die Bauplatzerklärung gemäß § 68 AVG aufzuheben. Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wurde beantragt.
Mit Schreiben vom 7. November 2019 legte der Bürgermeister der Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) zur Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten, unbedenklichen Akt der Gemeindebehörden.
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
2.2. NÖ Bauordnung 2014:
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
…
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF
BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
- bis zu 0,8 1,5
- bis zu 1,1 1,75
- bis zu 1,5 2,0
- bis zu 2,0 2,5 und
- über 2,0 3,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
(…)
2.3. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** über die Festlegung des Einheitssatzes zur Errechnung der Aufschließungsabgabe vom 16. Dezember 2015 (Wirksamkeit ab 1. Jänner 20156):
Der Einheitssatz wird für das gesamte Gemeindegebiet der Marktgemeinde *** einheitlich mit € 490,- festgelegt.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
…
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 2. März 2018, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 aus Anlass der mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 8. November 2017 erfolgten Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von € 16.309,10 vorgeschrieben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Abgabenbescheid vollinhaltlich bestätigt.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich auf die Frage reduzieren, ob diese Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe dem Grunde nach zu Recht erfolgen durfte. Die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung bestimmt auch den Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens.
Nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind z.B. Fragen der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Bauplatzerklärung oder einer Ergänzungsabgabe aus Anlass einer erst später erfolgten Grundstücksvereinigung.
Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes voraus.
Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).
Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 4 Bundesabgabenordnung das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier in der NÖ Bauordnung 2014) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen.
Der Abgabenbescheid ist dann lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419).
§ 38 NÖ Bauordnung 2014 regelt den Tatbestand einer Aufschließungsabgabe.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 ist dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt wurde (vgl. auch Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht, Praxiskommentar, S.188).
Für die Verwirklichung des Abgabentatbestandes kommt im gegenständlichen Fall nur die Baubewilligung mit der darin enthaltenen Bauplatzerklärung vom 8. November 2017, Zahl: ***, in Betracht.
Die Erklärung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes *** (alt - vor der Grundstückszusammenlegung) zum Bauplatz erfolgte mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 8. November 2017, beiden Beschwerdeführern nachweislich zugestellt am 16. November 2017.
Der Zeitpunkt, zu dem sich der Abgabentatbestand des § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 verwirklicht hat, ist der Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides, mit dem ein Grundstück zum Bauplatz erklärt wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist für die Frage der Verpflichtung zur Entrichtung einer Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2016 wegen rechtskräftiger Bauplatzerklärung ohne Bedeutung, ob das Grundstück überhaupt zum Bauplatz zu erklären gewesen wäre.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 ausgeführt hat, kommt dem Bauplatzerklärungsbescheid Tatbestandswirkung zu (vgl. VwGH 2013/17/0881).
Diese Frage (nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Bauplatzerklärung) wäre in dem Verfahren zur Bauplatzerklärung zu klären gewesen, nicht jedoch nach Eintritt der Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides in dem Verfahren betreffend die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 (vgl. VwGH 2002/17/0067 und VwGH 2000/17/0259).
Vor diesem Hintergrund ist im Ergebnis die erfolgte Vorschreibung der Aufschließungsabgabe für das Grundstück Nr. *** (alt), KG ***, nicht zu beanstanden.
Ein Abgabenanspruch der Gemeinde konnte auch nur nach der zum Zeitpunkt der Erlassung der Bauplatzerklärung geltenden Sach- und Rechtslage entstehen.
Anders als in nach dem AVG (bzw. VwGVG) zu führenden Verfahren, bei welchen nach der ständigen Rechtsprechung – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnungen – auch für die materiell-rechtliche Beurteilung die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, führt im Abgabenverfahren der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenregelungen dazu, dass die Anwendung einer neuen Rechtslage in Fällen, in denen der Abgabentatbestand bereits verwirklicht wurde, ausdrücklich anzuordnen wäre (vgl. VwGH 898/75, Slg. 9315 A/1977; 86/17/0178, uva).
Zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben (VwGH 174/75; 3706/80, uva.) sind für die Vorschreibung einer Abgabe die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches vorliegenden Verhältnisse maßgebend, das heißt die Sach- und Rechtslage (Berechnungslängen, Bauklassenkoeffizienten, Einheitssatz, Eigentumsverhältnisse, etc.) in diesem Zeitpunkt.
Es liegt einer jener Fälle vor, deren der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75, Slg 9315 A/1977, gedacht hat, wenn er ausführte, eine "andere Betrachtungsweise" (nämlich eine andere als das Abstellen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) werde "auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war". Der sogenannte Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben stellt eine solche aus der Systematik der Abgabengesetze gewonnene rechtliche Regel dar. Es ist jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde bzw. der Abgabenanspruch entstanden ist.
Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben ist auch im gegenständlichen Fall die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches im November 2017 geltende Rechtslage, hier also jene nach der NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 52/2017 heranzuziehen. Alle Zitate der NÖ Bauordnung 2014 in dieser Entscheidung beziehen sich auf diese Fassung.
Ebenso ist die im November 2017 geltende Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** vom 16. Dezember 2015 über die Festsetzung des Einheitssatzes maßgeblich.
Nachträgliche Sachverhaltsänderungen, wie im gegenständlichen Fall die erst später erfolgte Änderung der Grundstücksgrenzen, sind ebenso wenig zu berücksichtigen.
Die Richtigkeit der der Vorschreibung zu Grunde gelegten Bemessungsgrundlagen ist nicht weiter zweifelhaft.
Zur Berechnung der Aufschließungsabgabe ist gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 anzuwenden. Dieser ist mit der Berechnungslänge des Grundstückes und dem nunmehrigen Einheitssatz zu multiplizieren.
Die Berechnungslänge ergibt sich aus der Wurzel der (im November 2017 gegebenen) Bauplatzfläche von 709 m² mit 26,6271. Der Einheitssatz wurde vom Gemeinderat mit € 490,- festgesetzt.
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
EA= 1,25 x 26,6271 x 490 = € 16.309,10
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Verfahrensparteien nicht beantragt und ist auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall ausschließlich Rechtsfragen zu erörtern waren (vgl. EGMR vom 5. September 2002, Zl. 42057/98, Speil/Austria).
3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
4. Ergänzendes:
Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Nichtigerklärung der Bauplatzerklärung ist nicht verfahrensgegenständlich, weshalb sich ein näheres Eingehen darauf im konkreten, lediglich die Abgabenvorschreibung betreffenden Beschwerdeverfahren, erübrigt. Mit ihrer Forderung nach Aufhebung der Bauplatzerklärung gemäß § 68 AVG sind die Beschwerdeführer daher an die nach dieser Bestimmung zuständige Behörde zu verweisen.
Ergänzend wird noch auf § 295a BAO verwiesen. Daraus ergibt sich für den Fall, dass nachträglich ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkungen für die Vergangenheit auf Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat, die Verpflichtung zur (auch amtswegigen) Abänderung (bei Wegfall des Anspruches auch Aufhebung) des Abgabenbescheides durch die zuständige Abgabenbehörde.
Hinsichtlich der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe könnte ein solches Ereignis z.B. die rückwirkende Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Bauplatzerklärung sein.
Gemäß § 212a BAO kann ein Beschwerdeführer einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abgabe stellen, soweit deren Höhe von der Erledigung der Bescheidbeschwerde abhängt. Über diesen Antrag hätte auch im Beschwerdeverfahren die Abgabenbehörde zu entscheiden und sind die Beschwerdeführer mit ihrem Antrag „der Beschwerde möge aufschiebende Wirkung zuerkannt werden“ an die zuständige Abgabenbehörde, der die Einhebung der den Gegenstand des Antrages bildenden Abgabe obliegt, zu verweisen.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Vorschreibung; Entstehung; Zeitbezogenheit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1249.002.2019Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020