TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W175 2223582-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W175 2223580-1/5E

W175 2223583-1/5E

W175 2223582-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerden 1.) des XXXX , geboren am XXXX , 2.) der XXXX , geboren am XXXX , und 3.) der XXXX , geboren am XXXX , syrische Staatsangehörige, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2019, Zahlen: 1.) 1237941402-190711332, 2.) 1237941609-190711324, und 3.) 1237941108-190711308, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG

2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet, die Drittbeschwerdeführerin (BF3) ist die minderjährige Tochter des BF1 und der BF2. Am 12.07.2019 stellten die BF die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Laut den vorliegenden Eurodac-Treffern suchten der BF1 und die BF2 bereits im April 2018 in Griechenland um Asyl an (GR1 ... vom 23.04.2018).

Im Zuge der Erstbefragung vom 12.07.2019 gaben die BF an, die Familie hätte Syrien im Frühjahr verlassen, da ihr Haus im Zuge von Kampfhandlungen zerstört worden sei. Sie hätten nach Österreich zu der hier lebenden Schwester des BF1 gewollt und seien schlepper-unterstützt über die Türkei nach Griechenland gelangt, wo sie sich von 02.04.2018 bis 10.07.2019 aufgehalten hätten, danach seien sie nach Österreich weitergereist. Sie wären gezwungen gewesen, Anträge auf internationalen Schutz zu stellen, da sie ansonsten nicht untergebracht worden wären. Die Verfahrensausgänge seien nicht bekannt.

Der BF1 und die BF2 legten syrische Personalausweise vor. Die BF bemängelten die Unterbringung und die medizinische Versorgung in Griechenland.

Mit Schreiben vom 23.08.2019 teilte Griechenland auf Anfrage mit, dass den BF am 19.11.2018 der Flüchtlingsstatus (refugee status) zuerkannt worden sei, sie hätten Aufenthaltstitel bis zum Jahr 2021.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 14.01.2019 gab der BF1 im Beisein eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung an, dass er in Österreich eine Schwester und weitere Verwandte habe. Finanzielle Unterstützung erhalte er nicht, gelegentlich würde er Lebensmittel und sonstige Dinge bekommen.

Er wolle nicht nach Griechenland, da die Versorgung schlecht sei. Sie seien anfangs einige Tage inhaftiert gewesen. Die Tochter sei einmal krank gewesen, die Rettung sei erst nach sechs Stunden gekommen. Sie sei mehrere Male einige Tage im Krankenhaus gewesen. Schriftliche Unterlagen habe er darüber keine. Seine Frau sei im Camp zweimal von algerischen Asylwerbern sexuell belästigt worden, die Polizei habe diese mitgenommen und nach einem Tag wieder freigelassen. Unterlagen habe er keine, alles sei in Griechenland geblieben.

Die BF2 gab an, dass sie zwei Tage kein Essen bekommen habe und keine passende Milch für ihre Tochter, während sie in Haft gewesen sei. Nach einer Überschwemmung seien sie in ein anderes Camp verlegt worden, es sei dort sehr schlecht gewesen. Die Tochter habe sich an einer Herdplatte verbrannt und eine Infektion bekommen, die Rettung sei erst nach sechs Stunden gekommen. Sie habe auch Probleme mit den Augen gehabt, ein Arzt habe gemeint, das komme von den Bakterien.

Derzeit seien alle gesund.

Mit Bescheiden des BFA vom 03.09.2019 wurden unter Spruchpunkt I. die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die BF nach Griechenland zurückzubegeben haben. In Spruchpunkt II. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die Feststellungen zur Lage in Griechenland wurden - soweit für Schutzberechtigte entscheidungswesentlich - folgendermaßen zusammengefasst:

Gesamtaktualisierung am 20.10.2017

Allgemeines zum Asylverfahren

Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei wird bei Personen, die nach dem 20.3.2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. Vulnerable Antragsteller sind davon nicht betroffen. Syrische Antragsteller werden beim Fast-Track-Verfahren auf den Inseln bevorzugt behandelt, was bei Angehörigen anderer Nationen zu monatelangen Wartezeiten führen kann. Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2017).

Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren; der hohen Zahl an Asylwerbern; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Unterbringungsbedingungen und Überbelegung in den Hotspots (USDOS 3.3.2017).

Der Zugang zum Asylverfahren ist NGOs zufolge weiterhin erschwert, mit Verzögerungen ist zu rechnen (HRW 12.1.2017; vgl. AIDA 3.2017). UNHCR sieht Fortschritte, aber auch weiterhin Herausforderungen auf den Gebieten Unterbringung, Registrierung, Asylverfahren und bei der Sicherheit der Antragsteller (UNHCR 2.2017). Dem stehen Angaben gegenüber, die dem Asylverfahren in Griechenland eine gute Qualität mit wirksamen Rechtsmitteln bescheinigen (DW 17.3.2017).

Die Neufassung der EU-Aufnahme-RL (2013/33/EU) ist immer noch nicht in griechisches Recht umgesetzt worden, was die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Griechenland nach sich zog (EP 5.2017).

2017 sind bis Ende August 15.300 Migranten über das Mittelmeer nach Griechenland gekommen, meist Syrer und Iraker. 2.200 weitere kamen auf dem Landweg (Evros). 1.307 wurden im selben Zeitraum im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens rückgeführt. Ca. 6.000 ASt. wurde im selben Zeitraum in erster Instanz ein Schutzstatus verliehen. UNHCR betont daher den dringenden Bedarf an Integrationsmaßnahmen (UNHCR 8.2017).

Dublin-Rückkehrer

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Rücküberstellung ist grundsätzlich vom Stand des Verfahrens in Griechenland abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Griechenland im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren automatisch wieder aufgenommen. Aber in Bezug auf Griechenland machen die meisten Staaten wegen Bedenken bezüglich der dortigen Lage vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch (EASO 12.2015).

Im Jahr 2016 waren die meisten Dublin-Out-Verfahren in Griechenland Fälle von Familienzusammenführung. 4.886 Requests wurden von Griechenland getätigt, 946 Überstellungen fanden statt. Dublin-Überstellungen nach Griechenland wurden nach dem Urteil des EGMR im Fall "M.S.S. vs. Greece & Belgium" in der Praxis weitgehend eingestellt. Trotzdem erhielt Griechenland 2016 4.415 Dublin-Requests, hauptsächlich aus Ungarn. Tatsächlich wurden 2016 drei Personen nach Griechenland überstellt. Die Europäische Kommission empfahl 2016 mehrere Male die Wiederaufnahme von Dublin-Überstellungen nach Griechenland ab dem 15. März 2017. Das führte zu heftiger Kritik humanitärer Organisationen (AIDA 3.2017).

Damit Griechenland nicht übermäßig belastet werde, sollen diese Überstellungen nicht rückwirkend wiederaufgenommen werden, sondern sich auf Asylbewerber beschränken, die ab dem 15. März 2017 irregulär über eine Außengrenze nach Griechenland gelangten, oder für die Griechenland aufgrund anderer als der Dublin-Kriterien ab diesem Zeitpunkt zuständig ist. Um die griechischen Bemühungen zu unterstützen, fordert die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihren Umverteilungspflichten vollumfänglich nachzukommen und in ausreichendem Umfang Asylexperten nach Griechenland abzustellen (EK 8.12.2016).

Es gab seither wenige Anfragen von anderen Dublin-Staaten an Griechenland, meist wegen Visa-Fällen. Daraus resultierten aber bislang keine Überstellungen (EP 5.2017).

UNHCR stellt sich der Empfehlung der Europäischen Kommission, dass Überstellungen nach Griechenland auf Basis individueller Zusicherungen der griechischen Behörden (Unterbringungsplätze, Zugang zum Asylverfahren) und unter Ausschluss vulnerabler Gruppen, wiederaufgenommen werden könnten, nicht entgegen (UNHCR 4.2017).

Es wird erwartet, dass Ende Oktober 2017 die ersten Dublin-Rückkehrer aus Deutschland in Griechenland eintreffen (EKA 18.10.2017).

Vulnerable

Vulnerable Gruppen werden von den griechischen Gesetzen sehr großzügig definiert. Sie umfassen unbegleitete Minderjährige, Behinderte oder unheilbar Kranke, Alte, Schwangere, Wöchnerinnen, alleinstehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt sowie Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Opfer von Menschenhandel. Für sie sind bestimmte Verfahrensgarantien festgelegt. Vulnerable fallen nicht unter das Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln - ihre Anträge gelten als zulässig. Auch ist auf ihre Bedürfnisse bei der Unterbringung Rücksicht zu nehmen. Wenn im Verfahren der Verdacht auf eine Vulnerabilität aufkommt, ist eine medizinische/psychologische Prüfung zu veranlassen. Allerdings gibt es derzeit keine öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die auf die Identifizierung oder Unterstützung von Folteropfern in ihrem Rehabilitationsprozess spezialisiert sind. Daher müssen NGOs das übernehmen. Dies ist angesichts der nicht immer gesicherten Finanzierung der NGOs problematisch. Die NGO Metadrasi arbeitet seit Dezember 2016 wieder auf dem Gebiet der Identifizierung Vulnerabler. Die NGOs Greek Council for Refugees und das Tageszentrum Babel ("Prometheus" project - Rehabilitation Unit for Victims of Torture) bieten in Kooperation mit Médecins Sans Frontières Rehabilitationsmaßnahmen an - ebenso mit unsicherer Finanzierunglage. In Athen werden Vulnerable an das Center for Reception and Solidarity der Stadt Athen in Fourarchion überwiesen (1.864 Fälle im Jahr 2016). Der griechische Reception and Identification Service (RIS), der für die Unterbringung von Asylwerbern zuständig ist, hat die medizinische Betreuung Vulnerabler an NGOs ausgelagert, namentlich an Médecins du Monde, PRAKSIS und Medical Intervention (MedIn). Griechenland führt keine Statistiken zu vulnerablen Gruppen (AIDA 3.2017; vgl. HHC 5.2017).

Die mangelnde Identifizierung von Vulnerablen - sowohl auf den Inseln als auch auf dem Festland - ist Gegenstand von Kritik von Hilfsorganisationen. Vulnerable dürfen laut Gesetz nicht in die Türkei zurückgeschickt und ihre Anträge müssen prioritär behandelt werden. Die Registrierung ist hastig und das Personal schlecht geschult. Noch schwieriger ist die Identifizierung psychischer Erkrankungen, da die Zentren meist nicht über Psychiater verfügen und nicht alle lokalen Spitäler über eine entsprechende Abteilung verfügen. Vulnerable werden demzufolge oft übersehen und haben Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegender Betreuung, wie Unterkunft oder medizinischer und psychologischer Versorgung. Die Lager selbst sind meist nicht behindertengerecht (Rampen, Duschen, etc.), sodass die Betroffenen auf die Hilfe ihrer Familienangehörigen angewiesen sind (HRW 18.1.2017; vgl. AIDA 3.2017). Aufgrund des Mangels an öffentlichen Einrichtungen für mentale Gesundheit, versucht UNHCR alternative Wege für die Überweisung von Betroffenen in öffentliche Einrichtungen zu finden (UNHCR 10.2017).

Auch UNHCR ist weiterhin besorgt über die unzureichende Behandlung von psychisch beeinträchtigten Personen, speziell auf den Ägäisinseln. Diese ist nicht ausreichend. Es gibt erhebliche Lücken in den Bereichen der medizinischen und psychosozialen Nachbehandlung, der Unterbringung oder der Spitalsbehandlung sowie bei der Verbringung auf das Festland zur weiteren Behandlung. Ernste Fälle leiden unter dem grundsätzlichen Problem, dass keiner der medizinischen Akteure (weder auf den Inseln noch auf dem Festland) die Verantwortung für die nachhaltige Berücksichtigung ihrer Schutzbedürfnisse übernehmen will (UNHCR 31.3.2017).

UNHCR hat die griechischen staatlichen Stellen bei der Erarbeitung des "Vulnerability Assessment Tools" zur Identifizierung Vulnerabler in den RIC und ihrer weiterführenden Betreuung, unterstützt (UNHCR 10.2017).

Non-Refoulement

Generell bietet Griechenland einen gewissen Schutz gegen Ausweisung oder Rückkehr von Personen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre. Bei Rückschiebungen im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens soll gelegentlich Personen die Asylantragstellung verweigert worden sein. Außerdem gibt es Berichte über informelle Push-backs an See- und Landgrenzen (USDOS 3.3.2017; vgl. AIDA 3.2017).

Versorgung

Nach der Schließung der Balkanroute saßen tausende Migranten auf dem griechischen Festland fest, was Griechenland betreffend Unterbringung vor erhebliche Probleme stellte. Am 18. März 2016 einigten sich die EU und die Türkei auf ein weitreichendes Abkommen zur Kontrolle der Migration. Im Zuge dessen ging die Zahl der in Griechenland ankommenden Migranten stark zurück. Im ganzen Land wurden Flüchtlingslager errichtet, jedoch meist unter ungenügenden Bedingungen, bestehend aus Zelten oder in verlassenen Lagerhäusern (AI 22.2.2017).

In Griechenland haben laut Gesetz alle bedürftigen Antragsteller das Recht auf angemessene materielle Versorgung. Lediglich im Fast-Track-Grenzverfahren auf den ägäischen Inseln gelten reduzierte Ansprüche (AIDA 3.2017). Die staatlichen Unterbringungsstrukturen in Griechenland umfassen grundsätzlich Reception and Identification Centers (RIC, das sind geschlossene Zentren in denen Neuankömmlinge für max. 25 Tage bleiben und ersterfasst werden (vgl. HR o.D.b)), offene temporäre Unterbringungen für Asylwerber und offene temporäre Strukturen für Personen im Rückkehrprozess. Die Kompetenzen hierfür sind, trotz Versuchen diese zu zentralisieren, immer noch zwischen mehreren Behörden aufgeteilt: Directorate for Reception im General Secretariat for Reception (Innenministerium), Reception and Identification Service (RIS) (Migrationsministerium), Polizei und Verteidigungsministerium. Des Weiteren haben noch verschiedene EU-Agenturen, UNHCR und verschiedene NGOs Kompetenzen bei der Organisation und dem Betrieb von Unterbringungseinrichtungen (EP 5.2017).

Griechenland verfügt auf dem Festland über ca. 40 temporäre Unterbringungseinrichtungen, die von der Armee errichtet wurden. Zu Anfang waren das meist noch Zeltlager, Lagerhallen usw. mit mangelnder Infrastruktur. Die Bedingungen in den Unterbringungen sind unterschiedlich, einige bleiben weiterhin erheblich hinter europäischen und nationalen Standards zurück, die meisten funktionieren immer noch im Notbetrieb wie zum Zeitpunkt ihrer Gründung. Durch Verbesserungsmaßnahmen ist aber ein Wandel zu bemerken und es gibt sehr wohl Unterbringungseinrichtungen, die gut funktionieren und würdige Lebensbedingungen bieten. Zelte werden sukzessive durch Container ersetzt, Einrichtungen werden geschlossen oder renoviert, etc. Probleme stellen die geografische Abgeschiedenheit der Lager, Sicherheitsmängel und mangelnde Strukturen für Vulnerable und Minderjährige dar. Generell wird der griechischen Seite aber ein Mangel an Planung und Koordination, laxe Umsetzung bestehender Bestimmungen, unzureichende Nutzung nationaler und europäischer Mittel, usw. attestiert, weswegen das Problem der mangelhaften Unterbringung bislang nicht gelöst werden konnte (GO 4.2017; vgl. EP 5.2017; UNHCR 4.2017).

Ende September befanden sich etwa 45.614 Migranten in Griechenland, davon 32.158 auf dem Festland (UNHCR 10.2017). Auf dem griechischen Festland gibt es (Stand 25.7.2017) 53.914 Unterbringungsplätze (offizielle Strukturen des Staates, von NGOs und UNHCR) (UNHCR 25.7.2017a). UNHCR und seine operational partners (verschiedene NGOs) stellen (Stand Ende September 2017) 17.661 Unterbringungsplätze für vulnerable Antragsteller in Mietwohnungen (UNHCR 10.2017).

Die griechischen Behörden berichten, dass die Aufnahme und Versorgung der Migranten in Übereinstimmung mit den Gesetzen und europäischen Verpflichtungen des Landes erfolgt. Sie werden informiert, durchlaufen eine medizinische Erstuntersuchung und ein psychosoziales Screening zur Identifizierung Vulnerabler. Die Unterbringung erfolgt in angemessen ausgestatteten Einrichtungen, Männer, Frauen, Familien und UM werden getrennt untergebracht. Nach der Aufnahme erfolgt die Behandlung etwaiger Asylanträge durch die zuständige Behörde, UM und andere Vulnerable werden offen untergebracht. Nicht-Antragsteller werden durch die Polizei übernommen. Der RIS kooperiert mit internationalen und europäischen Organisationen (UN, UNHCR, EASO, IOM) und NGOs. Vulnerable werden nach Identifizierung ihrer speziellen Bedürfnisse entsprechend untergebracht und erhalten medizinische und psychologische Hilfe. Unbegleitete Minderjährige werden innerhalb der RIC ebenfalls getrennt untergebracht und erhalten Vormunde, sowie medizinische und psychologische Hilfe (CoE 26.9.2017b).

Trotz aller Bemühungen, die Unterbringungskapazitäten in Griechenland zu erhöhen, waren zu Jahresanfang 2017 etwa 7.950 Personen in keiner Form untergebracht (AIDA 3.2017). In Athen etwa leben etwa 2.000 Personen, mehrheitlich AW, in elf besetzten Häusern, die von Solidaritätsgruppen geleitet werden (UNHCR 4.2017). Die drei immer wieder kritisierten Flüchtlingslager im Athener Stadtteil Elliniko wurden hingegen am 2. Juni geräumt und die dort noch aufhältigen Migranten mit Bussen in andere Lager gebracht. Vor der Räumung hatten Behörden und IOM die Bewohner registriert um die individuellen Unterbringungsbedürfnisse zu ermitteln (AI 17.6.2017).

Auf dem Festland verbessern sich die Lebensbedingungen für Asylsuchende durch die Schließung von Standorten allmählich. Stattdessen werden mit Unterstützung von UNHCR, Gemeinden und NGOs mehr Menschen in Wohnungen untergebracht (UNHCR 8.2017).

Asylwerber und Flüchtlinge, die in organisierten Unterkünften leben (das bedeutet auch private Unterbringung), erhalten über die humanitären Organisationen, welche diese Unterkünfte betreiben, eine finanzielle Unterstützung, und zwar bis auf weiteres bis Ende 2017. Nicht infrage für eine derartige Beihilfe kommen Personen, die in behelfsmäßigen Unterkünften leben, unbegleitete Minderjährige und Personen, die ein Einkommen haben. Die verschiedenen humanitären Organisationen haben ein System entwickelt, um Mehrfachauszahlungen an ein und dieselbe Person zu verhindern. Dazu ist ein offizielles Identifikationsdokument der griechischen Behörden nötig - als solche anerkannt werden: Police note (was genau gemeint ist, ist unklar, Anm.), die Pre-registration Card, die International Protection Applicant's Card, die Aufenthaltsgenehmigung, sowie die Restriction of Movement Notice (wenn man die Beihilfe auf den Inseln beantragt). Die Auszahlung erfolgt jeden Monat auf eine Geldkarte ("cash card assistance"). Werden in der Unterbringung Mahlzeiten ausgegeben, erhält man EUR 90 bis EUR 330 monatlich (je nach Familiengröße); werden in der Unterkunft keine Mahlzeiten ausgegeben, erhält man EUR 150 bis EUR 550 monatlich (je nach Familiengröße). Die Höhe der Beihilfe darf den Betrag der griechischen Sozialhilfe (social solidarity income) nicht übersteigen. Wechselt man die Unterkunft, muss man das sowohl der humanitären Organisation, welche momentan die Beihilfe ausbezahlt, als auch der auszahlenden Organisation in der neuen Unterkunft melden. Dort erhält man eine neue Karte. Die alte Karte funktioniert weiter, wird aber nicht mehr aufgeladen. Das gilt auch wenn man von einem Zentrum in eine private Unterkunft zieht. Die Geldkarte kann bei Geldautomaten und Bankomatkassen verwendet werden. Ungenütztes Geld verfällt nicht, sondern wird in den nächsten Monat mitgenommen. Wer auf den Inseln die Beihilfe bezogen hat und unerlaubt auf das Festland gereist ist, kann dort keine Beihilfe beantragen, da er/sie als einziges Dokument nur die Restriction of Movement Notice besitzt. Außerhalb Griechenlands funktioniert die Karte nicht (RI 10.2.2017; vgl. UNHCR 3.2017; EP 5.2017). Im August 2017 erhielten 33.400 Asylwerber und Schutzberechtigte von UNHCR die cash assisstance zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse. Die Umstellung auf die cash assisstance Karten von UNHCR ist abgeschlossen (UNHCR 8.2017). Im September 2017 erhielten 32.416 Personen die Cash assisstance von UNHCR (UNHCR 10.2017).

Antragsteller dürfen in Griechenland arbeiten, sobald sie über ihre Ausweispapiere verfügen (USDOS 3.3.2017). Aber hohe Arbeitslosigkeit (23,1% bei Griechen, 30,2% bei Fremden) schränken die Möglichkeiten legale Beschäftigung zu finden, ein (UNHCR 4.2017).

Ägäische Inseln (Hotspots)

- (...)

Medizinische Versorgung

Alle Einwohner des Landes haben Anspruch auf medizinische Notfallversorgung, unabhängig vom rechtlichen Status. In den Unterbringungszentren wird medizinische Betreuung durch Freiwillige, Vertragsärzte der NGOs und Militärärzte gewährleistet. Notfälle oder komplexere Fälle werden in lokale Krankenhäuser überwiesen (USDOS 3.3.2017, vgl. AIDA 3.2017).

In Griechenland ist die Rechtslage betreffend Zugang zu Gesundheitsfürsorge für Asylwerber sehr günstig, in der Praxis ist dieser aber eingeschränkt. Auch wenn sie nicht versichert und mittellos sind, haben AW prinzipiell kostenlosen Zugang zu Spitälern und medizinischer Versorgung und Medikamenten wie griechische Bürger, da sie zu den "sozial schwachen Gruppen" gehören. Darüber hinaus müssen Krankenhäuser Patienten akzeptieren, wenn sie von Ärzten aus Unterbringungseinrichtungen überwiesen werden. Vulnerable AW haben darüber hinaus das Recht auf psychologische Versorgung wie griechische Bürger. Die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen ist aber oft ein Problem, da die überwiegende Mehrheit der Unterbringungseinrichtungen geografisch isoliert liegt. Ambulanzfahrten in diese Zentren werden daher überstrapaziert, was zu Beschwerden aus dem öffentlichen Gesundheitssystem führt. In der Praxis werden Probleme beim Zugang zum Gesundheitssystem berichtet. Oft ist das Personal in medizinischen Einrichtungen mit den Rechten von Asylwerbern nicht vertraut. Auch der Mangel an Kulturmediatoren und Übersetzern ist ein Problem. Oft wird etwa in Spitälern auch eine Steuernummer und eine Sozialversicherungsnummer () von den AW verlangt, welche ohne spezifische Kenntnisse nicht einfach zu erlangen sind und außerdem die formelle Einbringung des Asylantrags voraussetzen - was angesichts von möglichen Verzögerungen im Verfahren von Wochen oder gar Monaten, ein zusätzliches Problem darstellen kann. Darüber hinaus ist das öffentliche Gesundheitssystem in Griechenland stark von der Finanzkrise betroffen, was Auswirkungen auf die Dienstleistungen und das Funktionieren von Krankenhäusern hat. Die Spitäler haben angesichts der Ressourcenknappheit oft Probleme, die Versorgung der einheimischen Bevölkerung und der Migranten zu gewährleisten (HHC 5.2017; vgl. UNHCR 4. 2017; AIDA 3.2017; SN 3.2017).

Der rechtzeitige Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung wird von einigen NGOs als eines der größten Probleme für Asylwerber, Migranten und Flüchtlinge in Griechenland betrachtet und stark in Zweifel gezogen. Dies betrifft besonders Personen, die eine orthopädische Operation, Rehabilitation oder Behandlung chronischer physischer oder psychischer Krankheiten benötigen (HRW 18.1.2017; vgl. AIDA 3.2017).

Asylwerber und Asylberechtigte erhalten dieselbe Versorgung mit Medikamenten wie arbeitslose und nicht versicherte griechische Staatsangehörige. Die Ausstellung des Rezeptes erfolgt durch das Krankenhaus oder Ärzte. Anteilsmäßige Gebühren werden je nach Einkommen (20%, 10% oder 0%) verrechnet. Seit einigen Jahren gibt es in Griechenland zusätzlich zu den öffentlichen Apotheken sogenannte "Sozial-Apotheken", die hauptsächlich von Freiwilligen, pensionierten Apothekern oder Ärzten, NGOs usw. betrieben werden. Finanziert und ausgestattet werden diese durch Spenden von Firmen, Apotheken, Pharmafirmen und durch Rückgabe von nicht verbrauchten Medikamenten aus privatem Bestand (dies wird sogar im griechischen TV beworben). Bei diesen Sozial-Apotheken kann jegliche einkommenslose Person (Statement und Nachweis erforderlich) kostenfrei Medikamente erhalten. Die Ausgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten wird von einem Arzt überprüft (VB 20.7.2017).

Auf dem Festland Griechenlands begann Médecins du Monde ein Programm für die medizinische, psychiatrische und psychosoziale Unterstützung und Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen im Großraum von Attika (FRA 9.2017).

UNHCR arbeitet daran den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen (UNHCR 10.2017).

Schutzberechtigte

2017 erhielten in Griechenland bis Ende August 2017 5.461 Personen in erster Instanz internationalen Schutz, weitere 478 erhielten in erster Instanz subsidiären Schutz (HR 31.8.2017).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Humanitär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel ein bis zwei Monate nach der Entscheidung ausgestellt. In der Zwischenzeit gilt die Asylwerberkarte mit dem Stempel "Pending Residence Permit". Nach fünf Jahren Aufenthalt kommt ein Flüchtling für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung infrage, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Gemäß Gesetz haben Flüchtlinge in Griechenland dieselben sozialen Rechte wie griechische Staatsbürger, aber bürokratische Hürden, staatliche Handlungsdefizite, mangelnde Umsetzung des Gesetzes und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise können den Genuss dieser Rechte schmälern. Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose, die jedoch nur begrenzt vorhanden sind. Eigene Unterbringungsplätze für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte existieren nicht. Es gibt auch keine Unterstützung für die Lebenshaltungskosten. In Athen etwa gibt es vier Asyle für Obdachlose (zugänglich für griechische Staatsbürger und legal aufhältige Drittstaatsangehörige). Aber es ist äußerst schwierig, dort zugelassen zu werden, da sie chronisch überfüllt sind. Personen, die keine Unterkunft haben und nicht das Geld besitzen eine zu mieten, leben oft in überfüllten Wohnungen, verlassenen Häusern oder werden obdachlos. Die Gesetze sehen einen vollständigen und automatischen Zugang zum Arbeitsmarkt für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte vor, ohne Verpflichtung zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis. Aber die Krise, hohe Arbeitslosenquoten und weitere Hindernisse stehen der Integration der Schutzberechtigten in den Arbeitsmarkt entgegen. Es gibt keine staatlich organisierten kostenlosen Sprachkurse für Schutzberechtigte. Nur ein paar NGOs unterhalten entsprechende Programme für Flüchtlinge und Immigranten. Kostenloser Zugang zu Krankenversorgung für Schutzberechtigte ist gesetzlich vorgesehen, allerdings erschweren die Auswirkungen der Finanzkrise auf das Gesundheitssystem und strukturelle Mängel (etwa an Kulturmediatoren und Übersetzern) auch für Schutzberechtigte den Zugang zu medizinischer Versorgung (AIDA 3.2017).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine erneuerbare Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Sie haben Zugang zum Arbeitsmarkt, zu medizinischer Behandlung und ihre Kinder können zur Schule gehen. Jedoch stellt der griechische Staat keine Unterbringung zur Verfügung und gewährt auch keine Beihilfen, außer für Behinderte jeglicher Art (HR o.D.a).

Der rechtzeitige Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung wird von einigen NGOs als eines der größten Probleme für Asylwerber, Migranten und Flüchtlinge in Griechenland betrachtet und stark in Zweifel gezogen. Dies betrifft besonders Personen, die eine orthopädische Operation, Rehabilitation oder Behandlung chronischer physischer oder psychischer Krankheiten benötigen (HRW 18.1.2017; vgl. AIDA 3.2017).

Asylwerber und Asylberechtigte erhalten dieselbe Versorgung mit Medikamenten wie arbeitslose und nicht versicherte griechische Staatsangehörige. Die Ausstellung des Rezeptes erfolgt durch das Krankenhaus oder Ärzte. Anteilsmäßige Gebühren werden je nach Einkommen (20%, 10% oder 0%) verrechnet. Seit einigen Jahren gibt es in Griechenland zusätzlich zu den öffentlichen Apotheken sogenannte "Sozial-Apotheken", die hauptsächlich von Freiwilligen, pensionierten Apothekern oder Ärzten, NGOs usw. betrieben werden. Finanziert und ausgestattet werden diese durch Spenden von Firmen, Apotheken, Pharmafirmen und durch Rückgabe von nicht verbrauchten Medikamenten aus privatem Bestand (dies wird sogar im griechischen TV beworben). Bei diesen Sozial-Apotheken kann jegliche einkommenslose Person (Statement und Nachweis erforderlich) kostenfrei Medikamente erhalten. Die Ausgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten wird von einem Arzt überprüft (VB 20.7.2017).

UNHCR arbeitet daran den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen (UNHCR 10.2017).

Die derzeitigen Lebensbedingungen von Schutzberechtigten in Griechenland werden von NGOs sehr negativ gesehen, da nicht nur ein Mangel an Integrationsaussichten in die griechische Gesellschaft besteht, sondern oftmals unzureichende Lebensbedingungen, eine prekäre sozioökonomische Situation oder gar Probleme bei der grundlegenden Existenzsicherung bestehen. Finanzielle oder soziale Unterstützung oder gezielte Integrationsmaßnahmen fehlen. Es gibt keine speziell für sie gewidmeten Wohnprojekte. Viele Schutzberechtigte leben in verlassenen Häusern, in überfüllten Mietwohnungen, in Abbruchhäusern, leeren Fabrikhallen, bei Freunden oder auf der Straße. Andere bleiben für mehrere Monate nach ihrer Anerkennung in den Unterbringungslagern oder der UNHCR-Unterbringung oder gar in den Hotspots. Die meisten Schutzberechtigten in Griechenland sind arbeitslos, andere arbeiten für wenig Geld in der Schattenwirtschaft. Der gleichberechtigte Zugang zu sozialen Rechten wie für griechische Staatsangehörige ist in der Praxis durch verschiedene Faktoren erschwert (z.B. mangelnde Sprachkenntnisse, mangelndes Wissen über Rechte von Schutzberechtigten, Mangel an Dokumenten bzw. Probleme beim Zugang zu diesen Dokumenten, Bürokratie, etc.). Viele sind über ihre Rechte und Pflichten nicht informiert. Beim Zugang zu Sozialleistungen und zum Gesundheits- und Bildungssystem bestehen ebenso faktische Einschränkungen (z.B. Sprachbarriere, Unwissenheit beim medizinischen Personal betreffend die Rechte von AW und ein generell unterfinanziertes Gesundheitssystem). Der allgemeine Mangel im System als Folge von erheblichen Einschnitten infolge der Wirtschaftskrise, tut ein Übriges. Im Jänner 2017 lag die Arbeitslosenquote in Griechenland bei 23,5%, bei den Personen unter 24 Jahren sogar bei 48%. Die genaue Zahl der momentan in Griechenland aufhältigen Schutzberechtigten Personen ist unbekannt. Es gibt Berichte über Schutzberechtigte, die aus anderen EU-Ländern nach Griechenland zurückgeschickt wurden und ohne jegliche Versorgung auf sich gestellt und obdachlos waren (PA/RSA 23.6.2017).

Im August haben NGOs gegenüber griechischen Behörden Fragen bezüglich Integrationsmaßnahmen aufgeworfen. Sie äußerten die Besorgnis über das Fehlen eines Unterbringungsprogramms für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland. Es wurde auch dazu aufgerufen den Zugang von Antragstellern zu Sozialversicherungsnummer, Steuernummer und Arbeitslosenkarten zu verbessern. Es wurde offiziell verlautbart, dass eine umfassende soziale Integrationspolitik für Flüchtlinge und Migranten zu den Prioritäten der Regierung für Ende 2017 gehört (UNHCR 8.2017; vgl. UNHCR 10.2017).

Die Behörde führte begründend aus, dass aus den Angaben der BF keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass die BF tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Nachdem bei allen Fremden, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz (Asyl oder subsidiären Schutz) genießen und in Österreich einen Asylantrag stellen würden, § 4a AsylG anwendbar sei, treffe dies auch auf die BF zu. Diese hätten in Griechenland einen Flüchtlingsstatus erhalten, was sich aus dem Schreiben Griechenlands vom 23.08.2019 ergebe. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen sei den BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen. Es liege ein Familienverfahren nach § 34 AsylG vor und würden alle BF dieselbe Entscheidung erhalten. Auch wenn Verwandte der BF im österreichischen Bundesgebiet lebten und hier bereits anerkannte Flüchtlinge seien, sei eine Trennung von diesen - in Hinblick auf die Interessen an der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes - gerechtfertigt. Die BF hätten es unterlassen, eine Einreise auf legalem Weg vorzunehmen. Sie hätten auch nicht versucht, einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz würden in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige darstellen, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, etwa auch zum Zweck der Familienzusammenführung. Die Möglichkeit der Aufrechterhaltung von Kontakten bestehe für die BF auch von Griechenland. Da den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG sowie gemäß § 9 BFA-VG keine Verletzung von Art. 8 EMRK ersichtlich sei, sei diese Entscheidung mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden.

Am 17.09.2019 wurde fristgerecht eine für die BF gleichlautende Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass es nicht richtig sei, dass die BF einen Status als Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte erhalten hätten. Es sei ihnen nur der Aufenthalt für einen befristeten Zeitraum erlaubt worden. Aus der Beschreibung des griechischen Asylsystems gehe hervor, das Begriffe wie "anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte" nicht den Bedeutungsinhalt hätten, der in § 4a AsylG gemeint sei (verwiesen wurde auf "Seite 20", woraus sich selbiges ergebe). Das griechische Asylsystem biete Personen wie den BF keine medizinische, schulische usw. Unterstützung, was eine schwere Beeinträchtigung der Menschenrechte bedeute.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF reisten über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein, wo sie im April 2018 Anträge auf internationalen Schutz stellten. Den BF wurde in Griechenland am 19.11.2018 der Flüchtlingsstatus (refugee status) zuerkannt, sie sind im Besitz von Aufenthaltstitel bis 2021.

In der Folge reisten die BF nach Österreich weiter und stellten hier am 12.07.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Situation von Schutzberechtigten im Mitgliedstaat Griechenland an. Die aktuellen Länderfeststellungen zu Griechenland (Stand 04.10.2019) zeigen keine fallrelevanten grundlegenden Änderungen auf und werden neben den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden den gegenständlichen Erkenntnissen zugrunde gelegt:

Allgemeines zum Asylverfahren

Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros, Rhodos und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei wird bei Personen, die nach dem 20. März 2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. (Für zusätzliche Informationen siehe Abschnitt 6.2 Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)). Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2019; für ausführliche Informationen zum Asylverfahren siehe folgende Quellen:

AIDA 3.2019; vgl. MCP o.D.a; MCP o.D.b; USDOS 13.3.2019).

2019 gab es in Griechenland bis 30. Juni 30.443 Asylanträge (VB 21.8.2019).

Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren und Personal; der unhygienischen Zustände; der Überbelegung; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Inhaftierung in überfüllten Reception and Identification Centres (RIC) (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; UNHCR 4.2019).

Berichten zufolge wendet Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks an, besonders beim Fluss Evros, der die natürliche Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet, um Migranten vom griechischen Territorium fernzuhalten. Berichte verweisen auf die systematische Gewaltanwendung durch Strafverfolgungsbehörden im Grenzgebiet Evros, gefolgt von illegaler Abschiebung von Personen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können (GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019; AIDA 3.2019; DZ 24.3.2019). In diesem Zusammenhang wurde keine ordnungsgemäße offizielle Untersuchung eingeleitet. Eine vom Ombudsmann eingeleitete Untersuchung von Amts wegen vom Jahr 2017 ist immer noch nicht abgeschlossen (AIDA 3.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es gibt auch Berichte über Push-Backs, Gewalt, Diebstähle und Misshandlung durch uniformierte und maskierte Truppen ohne erkennbare Insignien (CoE-PACE 8.6.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es kommt zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge, Migranten und deren Verteidiger. Auf den Inseln nimmt die fremdenfeindliche Rhetorik in den lokalen Gemeinschaften zu. Eine Polizeistatistik vom März 2018 zeigt einen deutlichen Anstieg an Hassverbrechen im Vergleich zum Vorjahr (UNHCR 21.3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; EK 7.9.2018; BPB 30.3.2019).

Seit Mai 2019 verzeichnet Griechenland einen unerwarteten Anstieg von Geflüchteten, die aus der Türkei eingereist sind (DZ 9.8.2019). Einem Bericht vom Juli 2019 zufolge waren die Kapazitäten in den Hotspots erneut auf Rekordniveau, die Ankünfte überstiegen die Transfers auf das Festland mehrere Wochen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem ausgelastete Kapazitäten am Festland und mangelnde Rückführungen in die Türkei (VB 23.7.2019). Mit 29. August 2019 betrug die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten auf den Inseln 24.672, der höchste Stand seit drei Jahren. Schließlich wurde am 31. August 2019 die Entlastung der Inseln durch Transfers der Betroffenen in bereits bestehende Unterkünfte auf dem Festland entschieden. Am 2. September 2019 begann der Transfer von 1.500 Migranten aus Lesbos zum Lager Nea Kavala im Norden Griechenlands (ÖB 2.9.2019; vgl. NCCBCIA 30.8.2019; EK 30.8.2019; UNHCR 26.8.2019). Die Rückführung in die Türkei auf der Basis des Sicherer-Drittstaat-Prinzips kann nur von den Inseln aus stattfinden. Die Rücknahmeverpflichtung der Türkei endet, wenn Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt werden (DS 4.9.2019; vgl. DW 2.9.2019).

Quellen:

-AIDA - Asylum Information Database (3.2019): Country Report:

Greece,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (20.3.2019): Current Developments in Greece's Refugee and Asylum Policy, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/287927/current-developments-in-greece-s-refugee-and-asylum-policy, Zugriff 26.9.2019

-CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovic following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-CoE-PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019):

Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-DS - Der Standard (4.9.2019): Ausschreitungen in überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos,

https://www.derstandard.at/story/2000108241874/ausschreitungen-in-ueberfuelltem-fluechtlingslager-auf-lesbos, Zugriff 26.9.2019

-DW - Deutsche Welle (2.9.2019): Griechenland verlegt über tausend Flüchtlinge,

https://www.dw.com/de/griechenland-verlegt-%C3%Bcber-tausend-fl%C3%Bcchtlinge/a-50261110, Zugriff 26.9.2019

-DZ - Die Zeit (9.8.2019): Griechenland will Migranten schneller in die Türkei abschieben,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration, Zugriff 26.9.2019

-DZ - Die Zeit (24.3.2019): Im Freien gefangen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-tuerkei-abkommen-griechenland-gefluechtete-fluechtlingslager, Zugriff 26.9.2019

-EK - Ekathimerini (30.8.2019): Greece sees first mass arrival of migrant boats in three years,

http://www.ekathimerini.com/244080/article/ekathimerini/news/greece-sees-first-mass-arrival-of-migrant-boats-in-three-years, Zugriff 26.9.2019

-EK - Ekathimerini (7.9.2018): Two migrant teens attacked in northern Greece, NGO reports,

http://www.ekathimerini.com/232394/article/ekathimerini/news/two-migrant-teens-attacked-in-northern-greece-ngo-reports, Zugriff 26.9.2019

-GHM/MRG/OMCT/SOKADRE - GHM - Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG - Minority Rights Group International (Autor), OMCT - World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor) (6.2019): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of

Greece,https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019

-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html, Zugriff 26.9.2019

-MCP - Ministry of Citizen Protection (o.D.a): Applying for asylum, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=62, Zugriff 26.9.2019

-MCP - Ministry of Citizen Protection (o.D.b): Asylum in Greece, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=103, Zugriff 26.9.2019

-NCCBCIA - National Coordination Center for Border Control, Immigration and Asylum (30.8.2019): National Situational Picture Regarding the Islands at Eastern Aegean Sea (29/8/2019), https://infocrisis.gov.gr/5593/national-situational-picture-regarding-the-islands-at-eastern-aegean-sea-29-8-2019/?lang=en, Zugriff 26.9.2019

-ÖB - Österreichische Botschaft in Athen (2.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.8.2019): Aegean Islands - Weekly Snapshot 19-25 August 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71021, Zugriff 26.9.2019

-UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019

-UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (21.3.2019): Refugees in Greece still exposed to racist violence, https://www.unhcr.org/gr/en/11282-refugees-in-greece-still-exposed-to-racist-violence.html, Zugriff 26.9.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

-VB des BM.I Griechenland (21.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail

-VB des BM.I Griechenland (23.7.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Rücküberstellung ist grundsätzlich vom Stand des Verfahrens in Griechenland abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa, weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Griechenland im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren automatisch wieder aufgenommen. Andernfalls muss der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen. Aber in Bezug auf Griechenland machen die meisten Staaten wegen Bedenken bezüglich der dortigen Lage vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch (EASO 12.2015; vgl. AIDA 3.2019).

Dublin-Überstellungen nach Griechenland wurden nach dem Urteil des EGMR im Fall "M.S.S. vs. Greece & Belgium" in der Praxis weitgehend eingestellt (AIDA 3.2019). Die Europäische Kommission (EK) empfahl mehrere Male die Wiederaufnahme von Dublin-Überstellungen nach Griechenland ab dem 15. März 2017. Damit Griechenland nicht übermäßig belastet werde, sollen die Überstellungen nicht rückwirkend wiederaufgenommen werden, sondern sich auf Asylwerber beschränken, die ab dem 15. März 2017 irregulär über eine Außengrenze nach Griechenland gelangten, oder für die Griechenland aufgrund anderer als der Dublin-Kriterien ab diesem Zeitpunkt zuständig ist (AIDA 3.2019; vgl. EK 8.12.2016; CoE-CommDH 6.11.2018). Weiters forderte die EK die Mitgliedstaaten auf, ihren Umverteilungspflichten vollumfänglich nachzukommen und in ausreichendem Umfang Asylexperten nach Griechenland abzustellen (EK 8.12.2016). Vulnerable Personen, wie z.B. unbegleitete Minderjährige, sollen gemäß der Empfehlung von den Dublin-Transfers vorerst ausgeschlossen werden (AIDA 3.2019). Die Wiederaufnahme der Überstellungen führte zu heftiger Kritik seitens der griechischen Nationalen Menschenrechtskommission (GNHCR) und bei anderen humanitären Organisationen (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018).

Griechenland erhielt 2018 9.142 Dublin-Requests, hauptsächlich aus Deutschland. Tatsächlich wurden 2018 18 Personen nach Griechenland überstellt (AIDA 3.2019).

Deutschland hat sich im August 2018 mit Griechenland auf eine Vereinbarung zur Rücknahme bereits registrierter Asylwerber geeinigt. Demnach gilt die Zurückweisung binnen 48 Stunden bei an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffenen Asylwerbern, die nach dem 1. Juli 2017 Asyl in Griechenland beantragt haben Deutschland akzeptiert dafür seinerseits Familienzusammenführungen (AIDA 3.2019; vgl. SZ 17.8.2018; TS 13.9.2018). Das Abkommen ist auf starke Kritik gestoßen (AIDA 3.2013; vgl. PP 6.11.2018; RSA 11.2018; VFB 2.11.2018).

Quellen:

-AIDA - Asylum Information Database (3.2019): Country Report:

Greece,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovic following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail

-EK - Europäische Kommission (8.12.2016): Empfehlung der Kommission vom 8.12.2016 an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013,

https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation-package/docs/20161208/recommendation_on_the_resumption_of_transfers_to_greece_de.pdf, Zugriff 26.9.2019

-PP - Presseportal (6.11.2018): Betroffene Flüchtlinge klagen gegen Seehofer-Deal mit Griechenland "Report Mainz" berichtet heute (6.11.) im Ersten, https://www.presseportal.de/pm/75892/4108091, Zugriff 26.9.2019

-RSA - Refugee Support Aegean (11.2018): The Administrative Arrangement between Greece and Germany, https://rsaegean.org/en/the-administrative-arrangement-between-greece-and-germany/, Zugriff 26.9.2019

-SZ - Salzburger Nachrichten (17.8.2019): Berlin und Athen bei Flüchtlingsabkommen einig,

https://www.sn.at/politik/weltpolitik/berlin-und-athen-bei-fluechtlingsabkommen-einig-38903398, Zugriff 26.9.2019

-TS - Tagesschau (13.9.2018): Es ist vor allem Symbolpolitik, https://www.tagesschau.de/ausland/ruecknahmeabkommen-103.html, Zugriff

-VFB - Verfassungsblog (2.11.2018): Gewolltes Recht, https://verfassungsblog.de/gewolltes-recht/, Zugriff 26.9.2019

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Vulnerable

Vulnerable Gruppen werden von den griechischen Gesetzen sehr großzügig definiert. Sie umfassen unbegleitete Minderjährige (UM), Behinderte oder unheilbar Kranke, Alte, Schwangere, Wöchnerinnen, alleinstehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt sowie Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Opfer von Menschenhandel (AIDA 3.2019).

Für Vulnerable sind bestimmte Verfahrensgarantien festgelegt, die Berichten zufolge aber nicht immer eingehalten werden (AIDA 3.2019).

In Athen werden Vulnerable an das Center for Reception and Solidarity der Gemeinde Athen in Frourarchion verwiesen. 2018 wurden dort 2.318 Asylanträge registriert. Die Weiterleitung von schutzbedürftigen Personen nach Frourarchion zwecks Registrierung erfolgt über NGOs oder andere Stellen. Bei der Registrierung in Frourarchion kann es jedoch aus Kapazitätsgründen zu Verzögerungen kommen. Wenn im Verfahren der Verdacht auf Vulnerabilität aufkommt, ist eine medizinische/psychologische Prüfung zu veranlassen. Derzeit gibt es keine öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die auf die Identifizierung oder Unterstützung von Folteropfern in ihrem Rehabilitationsprozess spezialisiert sind. Daher müssen NGOs das übernehmen. In Athen können Opfer von Folter zur Identifikation an die NGO Metadrasi verwiesen werden. Dies ist angesichts der nicht immer gesicherten Finanzierung der NGOs problematisch. Die NGOs Greek Council for Refugees und das Tageszentrum Babel ("Prometheus" project - Rehabilitation Unit for Victims of Torture) bieten in Kooperation mit Ärzte ohne Grenze (MSF) Rehabilitationsmaßnahmen an - ebenso mit unsicherer Finanzierungslage (AIDA 3.2019).

Die eingeschränkte Verfügbarkeit und der Zustand der öffentlichen Einrichtungen für psychisch Kranke sind laut UNHCR ein besonderes Problem. Öffentliche Einrichtungen und Kliniken, die psychisch erkrankte Flüchtlinge und Migranten in Athen versorgen, haben ebenso wie NGOs (z.B. Babel und ESTIA) Wartelisten von mehreren Monaten. Sogar für dringende Fälle wie Überlebende von Schiffbrüchen oder Folteropfer, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, beträgt die Wartezeit für den ersten Termin bei der NGO Babel vier Monate (Pro Asyl/RSA 8.2018).

Vulnerable fallen nicht unter das Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln - ihre Anträge gelten als zulässig. Die Identifikation von gefährdeten Personen im Zusammenhang mit dem Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln erfolgt entweder vom griechischen Reception and Identification Service (RIS) vor der Registrierung des Asylantrags oder während des Asylverfahrens (AIDA 3.2019).

Seit Mitte 2017 werden medizinische und psychosoziale Untersuchungen im Rahmen des Aufnahme- und Identifikationsverfahrens durch das Centre of Disease Control and Prevention (KEELPNO), eine öffentliche Einrichtung des Gesundheitsministeriums, durchgeführt. Das medizinische Team von KEELPNO stellt ein Gutachten über den Grad der Vulnerabilität ("high" oder "medium") aus, das zum Teil des Asylantrags wird. Wenn Personen als besonders ("high) gefährdet eingestuft werden, werden sie von KEELPNO an ein öffentliches Krankenhaus oder einen Facharzt verweisen oder wenn es möglich ist, auf das Festland gebracht. Im Falle einer mittleren ("medium") Vulnerabilität können die Betroffenen außerhalb des Aufnahme- und Identifikationszentrums untergebracht werden, wo die Bedingungen möglicherweise besser sind. 2018 kam es aufgrund der Unterbesetzung der KEELPNO-Einheiten zu erheblichen Verzögerungen bei der Identifikation von Vulnerabilität bei Neuankömmlingen auf den Inseln. Laut GCR führten diese Verzögerungen und die zeitweise dysfunktionalen Identifikationsverfahren dazu, dass eine bedeutende Anzahl von Asylverfahren eingeleitet wurde, ohne die Betroffenen auf Vulnerabilität zu prüfen. Somit wurde ein systematisches Versagen bei der Identifikation und beim Schutz gefährdeter Personen, insbesondere auf den Inseln, festgestellt (AIDA 3.2019; vgl. Oxfam 9.1.2019; RI o.D.a; RI o.D.b).

Das Gesetz sieht vor, dass Personen während des Fast-Track-Grenzverfahrens bei Verdacht auf Vulnerabilität zu jedem Zeitpunkt an die medizinische und psychosoziale Einheit des RIC verwiesen werden können. Trotz dieser Bestimmungen kann es aufgrund des Mangels an medizinischer und psychosozialer Versorgung äußerst kompliziert und manchmal unmöglich sein, dass Asylwerber während des Verfahrens erneut auf Vulnerabilität geprüft werden. Infolgedessen kommen Hinweise auf Verwundbarkeit oft während den von EASO-Mitarbeitern geführten Interviews zur Zulässigkeit zum Vorschein, die de facto eine entscheidende Rolle bei der Identifikation und Bestimmung von Vulnerabilität und damit bei der Sicherstellung von Verfahrensgarantien spielen. Die Identifikationsmechanismen für Vulnerabilität durch EASO sind jedoch in keiner Weise im griechischen Gesetz klar geregelt, sondern durch interne Standard Operating Procedures von EASO, von denen unklar ist, ob sie sich nach den einschlägigen nationalen gesetzlichen Bestimmungen richten. Darüber hinaus wurden Bedenken hinsichtlich der Identifikationsmechanismen durch EASO geäußert. Eine im Jahr 2018 veröffentlichte Analyse stellte fest, dass von 40 untersuchten Fällen 33 zu Unrecht nicht als vulnerabel eingestuft wurden, obwohl sie einer Überprüfung auf Vulnerabilität durch einen EASO-Experten unterzogen wurden. Schließlich haben EASO-Experten keinen direkten Zugang zum Antragsteller. Die Identifikation auf Verwundbarkeit erfolgt auf der Grundlage der Dokumente im Akt des Antragstellers (AIDA 3.2019).

V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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