Index
AVGNorm
ABGB §5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Leukauf, Dr. Hnatek, Dr. Domittner, Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des UF in L, vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. August 1982, Zl. VerkR 2111/2 1982 I/La, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. Juli 1980 wurde dem Beschwerdeführernachdem er gegen einen im wesentlichen gleichlautenden Mandatsbescheid derselben Behörde vom 21. Jänner 1980 rechtzeitig Vorstellung erhoben hatte und innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 57 Abs. 3 AVG ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wargemäß § 74 Abs. 1 KFG die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Linz Land am 29. November 1960 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, F und G vorübergehend entzogen. Gleichzeitig wurde gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß auf die Dauer von 12 Monaten ab 28. Dezember 1979, somit bis einschließlich 28. Dezember 1980, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, und einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung versagt werde.
Der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 26. August 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge, wobei der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert wurde, „als die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, F und G gemäß § 73 Abs. 1 KFG endgültig entzogen wird, da gemäß § 73 Abs. 2 KFG die Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf mit 24 Monaten festgesetzt wird“. Weiters wurde ausgesprochen, daß in die Entzugsdauer die Zeit vom 28. Dezember 1979 bis 28. Dezember 1980 sowie die Zeit ab dem 24. April 1981 einzurechnen sei. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, dem Beschwerdeführer sei die Lenkerberechtigung entzogen worden, da er am 28. Dezember 1979 einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Linz auf der Wienerstraße nächst den Häusern Nr. 314 bis 316 gelenkt und einen Verkehrsunfall verschuldet habe, bei dem eine Person tödlich und eine andere Person erheblich verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer beantragte, der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die festgesetzte Entzugsdauer auf sechs Monate herabzusetzen. Er führe im wesentlichen aus, daß die Erstbehörde auf die persönlichen Verhältnisse, auf das bisherige Verhalten im Straßenverkehr und auf die besonderen Umstände beim Unfallsgeschehen in keiner Form eingegangen sei. Er sei unbescholten und genieße einen guten Leumund. Auf Grund seines bisherigen Verhaltens sei vollkommen klargestellt, daß er keinesfalls zu strafbaren Handlungen neige und der gegenständliche Vorfall eine einmalige, nicht wiederkehrende außergewöhnliche Verfehlung sei. Er lenke seit 20 Jahren unfallfrei und straffrei ein Kraftfahrzeug und lege „ca. 6070.000 Kilometer“ im Jahr zurück. Es sei nicht vorgesehen gewesen, daß er am Tag der Tat mit einem Fahrzeug unterwegs sein werde; durch eine Terminverlegung habe sich dies jedoch geändert. Es sei nicht auszuschließen, daß der Verkehrsunfall auch auf ein Fehlverhalten der Unfallsgegnerin zurückzuführen sei. Es sei unbestritten, daß eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG vorliege. Der Entzug der Lenkerberechtigung auf die Dauer von 12 Monaten sei jedoch nicht gerechtfertigt. Die belangte Behörde habe (dazu) erwogen: Gemäß § 66 Abs. 4 AVG habe die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden. Sie sei berechtigt, sowohl im Spruche als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Bei der Entscheidung durch die Berufungsbehörde sei von der Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer sei anläßlich einer Vorsprache am 5. März 1982 auf die durch die 5. KFG Novelle, BGBl. Nr. 345/1981, geschaffene Rechtslage, auf die Bedacht zu nehmen sei, hingewiesen worden. Der Vorfall vom 24. April 1981 (Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Juli 1981) werde daher bei der Entscheidung berücksichtigt. Der Beschwerdeführer habe am 28. Dezember 1979 um 19.45 Uhr in Linz auf der Wienerstraße seinen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,83 %o! zum Zeitpunkt der Blutabnahme) gelenkt. Durch Außerachtlassen der nötigen Vorsicht und Aufmerksamkeit im Straßenverkehr, insbesondere dadurch, daß er mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug über die Fahrbahnmitte geraten sei, habe er einen Verkehrsunfall mit dem entgegenkommenden Pkw der KA verschuldet. Die Lenkerin des gegnerischen Kraftfahrzeuges sei bei dem Unfall getötet, ihre Mitfahrerin verletzt worden. Das Gericht habe besonders gefährliche Verhältnisse darin gesehen, daß sich der Beschwerdeführer vor der Tat durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt habe, obwohl er vorhergesehen habe, daß ihm eine Tätigkeit, nämlich das Lenken eines Kraftfahrzeuges und die Teilnahme mit diesem am Straßenverkehr bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer Personen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei. Nach den Feststellungen des Gerichtes sei der Beschwerdeführer erheblich alkoholisiert mit einem VW Bus auf der Wienerstraße in Richtung stadteinwärts mit einer Geschwindigkeit von 65 km/h gefahren. Er habe dabei die Fahrbahnmitte um 1,16 m überschritten und dadurch die Kollision mit dem entgegenkommenden Kraftfahrzeug herbeigeführt. Der Beschwerdeführer sei wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 1 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, 3 StGB für schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt worden. In dieser Angelegenheit sei am 10. Dezember 1980 das Urteil durch das Landesgericht Linz zu 27 EVr 381/80, Hv 345/80, ergangen. Das Oberlandesgericht habe sodann mit Urteil vom 9. April 1981, 8 Bs 71/81, „über erhobene Rechtsmittel“ entschieden. Die Hauptverhandlung beim Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht sei am 9. April 1981 in Anwesenheit des Beschwerdeführers erfolgt. Am 24. April 1981 um 21.35 Uhr habe dieser in Wien V, Margaretengürtel, den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und die Durchführung des Alkotestes verweigert. Er sei durch die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, mit Straferkenntnis vom 16. Juli 1981, Pst 2872/81, wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft worden. Der Führerschein, der dem Beschwerdeführer am 31. Dezember 1980 ausgefolgt worden sei, sei ihm am 24. April 1981 vorläufig abgenommen worden. Dieser Führerschein, ein Duplikat, befinde sich seither bei der Bundespolizeidirektion Linz.
Der Beschwerdeführer habe bislang keinen Antrag auf Ausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines gestellt. Nach Zitierung der Bestimmungen der §§ 74 Abs. 1, 73 Abs. 1, 66 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. e sublit. aa und bb, 73 Abs. 2 KFG in der Fassung der 5. KFG Novelle, BGBl. Nr. 345/1981, begründete die belangte Behörde ihren Bescheid weiters damit, daß der Beschwerdeführer außer Streit stelle, eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG „in der damaligen Fassung“ gesetzt zu haben, und er lediglich die Dauer der Entziehung der Lenkerberechtigung bekämpfe. Sein wesentliches Argument, es sei aus seinem bisherigen Verhalten vollkommen klar, daß er keineswegs zu strafbaren Handlungen neige und der Vorfall vom 28. Dezember 1979 ein einmaliges Ereignis sei, werde durch das weitere Verhalten des Beschwerdeführers selbst widerlegt. Es „zeige“ von einer Unverfrorenheit, der Hauptverhandlung beim Oberlandesgericht am 9. April 1981 wegen des in einem alkoholisierten Zustand verschuldeten Verkehrsunfalles vom 28. Dezember 1979 beizuwohnen und dennoch am 24. April 1981 in Wien einen Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu lenken und anschließend den Alkotest zu verweigern. Weiters sei dem Beschwerdeführer bewußt gewesen, daß das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung auf Grund des Verkehrsunfalles vom 28. Dezember 1979 noch anhängig sei. Die zu gewärtigende Entzugsdauer von 12 Monaten habe ihn nicht dazu veranlassen können, einen Pkw nicht erneut in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu lenken, obwohl ihm auf Grund des Verkehrsunfalles vom 28. Dezember 1979 zu Bewußtsein hätte kommen müssen, daß alkoholisierte Kraftfahrzeuglenker eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Die Entzugsdauer von 12 Monaten sei auf Grund der Persönlichkeit des Beschwerdeführers in bezug auf den Straßenverkehr offenbar von vornherein nicht geeignet gewesen, eine Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erwarten zu lassen. Zum Vorfall vom 28. Dezember 1979 sei folgendes festzuhalten: Der Beschwerdeführer sei erheblich alkoholisiert gewesen. Sein Einwand, es sei nicht vorhersehbar gewesen, daß er noch mit einem Fahrzeug unterwegs sein werde, gehe ins Leere. Es bestünden keine Bedenken, sich der Beweiswürdigung des Gerichtes anzuschließen, daß dem Beschwerdeführer bekannt gewesen sei, daß er abends das Firmenauto mit nach Hause nehmen müsse, weil dieses am nächsten Morgen gebraucht werde bzw. er schon tagsüber den Auftrag gehabt habe, Arbeiter „der Firma“ nach Hause zu fahren. Das Abkommen auf die Gegenfahrbahn stelle einen gravierenden Fahrfehler dar. In solchen Fällen sei das Ausmaß eines Schadenseintrittes schwerwiegend und unabsehbar. Zu dem komme, daß der Lenker eines entgegenkommenden Pkw's machtlos dem Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers ausgesetzt sei und nichts mehr zur Verhinderung eines Schadenseintrittes tun könne. Das grob rechtswidrige Verhalten des Beschwerdeführers lasse einen erheblichen Mangel in der charakterlichen Einstellung zu den Verkehrsvorschriften erkennen. Es müsse angenommen werden, daß der Beschwerdeführer zur Konsolidierung seiner Persönlichkeit in bezug auf das Verkehrsrecht eines längeren Zeitraumes bedürfe. Auf Grund der Handlungsweise des Beschwerdeführers und ihrer Wertung bedürfe es eines „Entzugsraumes“ von zumindest 24 Monaten, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, seine verlorengegangene Verkehrszuverlässigkeit wieder zu erlangen. In die Entzugszeit sei der Zeitraum vom 28. Dezember 1979 bis 28. Dezember 1980 sowie die Zeit seit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 24. April 1981 einzurechnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:
1.1. Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. Juli 1980 nicht die mit diesem Bescheid ausgesprochene vorübergehende Entziehung seiner Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, F und G (im folgenden kurz Lenkerberechtigung genannt) gemäß § 74 Abs. 1 KFG, sondern lediglich die auf § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 leg. cit. gestützte Entzugsdauer von zwölf Monaten bekämpft und deren Herabsetzung auf sechs Monate begehrt hat, war zunächst zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil die belangte Behörde trotz des eingeschränkten Berufungsantrages die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers nach § 73 Abs. 1 leg. cit. endgültig entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. die Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, mit 24 Monaten festgesetzt hat.
1.2. Bei der Beurteilung dieser Frage ist vom § 66 Abs. 4 AVG auszugehen. Darnach hat die Berufungsbehörde (sofern nicht die Berufung als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist oder ein Fall des § 66 Abs. 2 leg. cit. vorliegt) immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
1.3. Die Verpflichtung der Berufungsbehörde, außer in den genannten Fällen immer in der Sache selbst zu entscheiden, bedeutet zwar nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (verstärkter Senat) vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A, hinsichtlich der Befugnis der Berufungsbehörde, den Spruch des bei ihr angefochtenen Bescheides abzuändern, vornehmlich eine Absage an die Möglichkeit einer bloßen Kassation eines rechtswidrigen unterinstanzlichen Bescheides statt einer Reformation und eine Absage an das Verbot einer „reformatio in peius“ im administrativen Verwaltungsverfahren, anders als im Verwaltungsstrafverfahren; daneben hat aber die Wendung „in der Sache“ in § 66 Abs. 4 erster Satz AVG die Bedeutung einer Einschränkung der der Berufungsbehörde nach dem zweiten Satz des § 66 Abs. 4 leg. cit. eingeräumten weiten Entscheidungsbefugnis. „Sache“ in diesem zuletzt genannten Sinn ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (sofern dem Berufungswerber nicht nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zukommt: vgl. dazu das eben zitierte Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A) die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfaßte Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1976, Slg. N. F. Nr. 9.041/A, und vom 29. November 1971, Slg. N. F. Nr. 8.123/A).
1.4.1. Gemäß § 73 Abs. 2 erster Satz KFG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Bestimmung ist gemäß § 74 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. auch auf die vorübergehende Entziehung sinngemäß anzuwenden. Demnach ist in jedem Entziehungsbescheid die nach § 73 Abs. 2 KFG festzusetzende Zeit anzuführen.
Das gilt auch für Mandatsbescheide. Gemäß § 73 Abs. 2 zweiter Satz KFG ist zwar die Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Im Mandatsverfahrengemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde (bei Zutreffen der in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen) berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassenkann aber diese Bestimmung nur bedeuten, daß der Festsetzung der Zeit gemäß § 73 Abs. 2 zweiter Satz KFG die vorliegenden Verfahrensergebnisse, soweit sie für diese Beurteilung ausreichen, zugrunde zu legen sind, ohne daß dem Grundsatz des Parteiengehörs (§§ 37 und 45 Abs. 3 AVG) entsprochen werden muß. Der Verwaltungsgerichtshof hält insoweit an der in seinem Beschluß vom 27. Juni 1980, Slg. N. F. Nr. 10.179/A, vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr fest.
Aus der Unzulässigkeit eines gesonderten Abspruches im Sinne des § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG über die Entziehung an sich und über die nach § 73 Abs. 2 KFG festzusetzende Zeit folgt aber nicht, daß schon deswegen eine solche Untrennbarkeit der beiden Absprüche anzunehmen wäre, die bei eingeschränkter Berufung eine Teilrechtskraft des nicht angefochtenen Abspruches verhindern würde.
1.4.2. Eine Untrennbarkeit im zuletzt genannten Sinn setzt vielmehr einen solchen inneren Zusammenhang zwischen dem angefochtenen und dem nicht angefochtenen Abspruch des unterinstanzlichen Bescheides voraus, kraft dessen die Absprüche in Wahrheit nur einen Abspruch mit unselbständigen Teilen darstellen, von denen der Sache nach keiner für sich allein bestehen und daher auch nicht in Teilrechtskraft erwachsen kann. Das trifft für Entziehungsbescheide zu, weil eine Entziehung der Lenkerberechtigung ohne Festsetzung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG ein Widerspruch in sich wäre.
Denn die vorübergehende Entziehung einer erteilten Lenkerberechtigung nach § 74 Abs. 1 KFG setzt neben dem Wegfall einer der Tatbestandsvoraussetzungen des § 64 Abs. 2 leg. cit. die Annahme voraus, „daß nach Ablauf von nicht mehr als 18 Monaten die Gründe für die Entziehung nicht mehr gegeben sind“, und hat zur Folge, daß die entzogene Lenkerberechtigung nach Ablauf der ausgesprochenen Entziehungsdauer ipso iure wieder auflebt (vgl. den bereits erwähnten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1980, Slg. N. F. Nr. 10.179/A, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1980, Zl. 985/80). Eine vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung ohne Festsetzung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG bewirkte somit, daß mit Erlassung des Entziehungsbescheides die Lenkerberechtigung entzogen und zugleich wieder aufleben würde (siehe dazu auch die Bestimmungen der §§ 75 Abs. 4 und 74 Abs. 2 KFG). Auch bei einer endgültigen Entziehung nach § 73 Abs. 1 KFG würde der Ausspruch über die Entziehung an sich ohne gleichzeitigen Ausspruch gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. nach sich ziehen, daß mit Erlassung des Entziehungsbescheides die Lenkerberechtigung entzogen würde und zugleich eine neue Lenkerberechtigung wieder erworben werden könnte (siehe dazu auch die Bestimmung des § 67 Abs. 4 KFG). Denn da die Behörde nach § 73 Abs. 2 KFG auf Grund des Ermittlungsverfahrens eine Prognose über den Zeitpunkt des voraussichtlichen Wiedereintrittes jener Eignungsvoraussetzung im Sinne des § 64 Abs. 2 KFG, deren Fehlen zur Entziehung der Lenkerberechtigung führte, zu erstellen hat, würde sie durch einen Ausspruch über die Entziehung an sich ohne gleichzeitigen Ausspruch gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. einerseits zum Ausdruck bringen, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides diese Eignungsvoraussetzung fehlt, andererseits aber, daß sie im selben Zeitpunkt aus ihrer Sicht gegeben ist.
1.4.3. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die in den Erkenntnissen vom 9. Oktober 1981, Zl. 81/02/0065, und vom 6. Juli 1982, Zl. 82/11/0004, zum Ausdruck kommende Auffassung, es bestehe eine Trennbarkeit zwischen dem Ausspruch über die Entziehung und jenem über die Festsetzung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG, nicht mehr aufrecht zu erhalten.
1.5. Aus der Untrennbarkeit der mit erstinstanzlichem Bescheid ausgesprochenen vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung und der festgesetzten Entziehungsdauer folgt aber zunächst nur, daß die belangte Behörde nicht von der Teilrechtskraft des Ausspruches der vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers ausgehen durfte, nicht zwangsläufig aber auch ihre Berechtigung, statt der mit erstinstanzlichem Bescheid verfügten vorübergehenden Entziehung eine endgültige Entziehung der Lenkerberechtigung auszusprechen. Wäre nämlich „Sache“ des erstinstanzlichen Bescheides nur die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung gewesen, so hätte die belangte Behörde nicht, und zwar auch nicht gestützt auf die ihr nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG eingeräumte reformatorische Funktion, eine endgültige Entziehung der Lenkerberechtigung aussprechen und die in § 74 Abs. 1 KFG vorgesehene Höchstfrist von 18 Monaten überschreiten dürfen, da sie ihre Entscheidungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG nur im Rahmen der „Sache“ im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz leg. cit. ausüben darf (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1980, Slg. N. F. Nr. 10.305/A, vom 1. Februar 1971, Slg. N. F. Nr. 7.959/A, und vom 16. April 1969, Slg., N. F. Nr. 7.548/A).
1.6. „Sache“ im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG, auf die die Berufungsbehörde ganz allgemein (und daher auch im Falle eines eingeschränkten Berufungsantrages einer Partei des Verwaltungsverfahrens, der ein volles Mitspracherecht zukommt, gegen einen Abspruch des angefochtenen Bescheides, der von den anderen Absprüchen dieses Bescheides nicht trennbar ist) in ihrer Entscheidung nach den Grundsätzen des § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG beschränkt ist, ist nach der in Punkt 1.3. zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Der Akzent liegt hiebei auf der „Angelegenheit“ im Sinne der „in Verhandlung stehenden Angelegenheit“, die der Spruch zu erledigen hat (§ 59 Abs. 1 AVG), und nicht auf dem verbalen „Inhalt des Spruches“. Auch unter diesem Bezug kann somit die „Sache“ nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, eruiert werden.
1.7. Gemäß § 75 Abs. 1 KFG ist dann, wenn Bedenken bestehen, ob u.a. die Verkehrszuverlässigkeit als eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung noch gegeben ist (§ 64 Abs. 2), unverzüglich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Erweist dieses Verfahren die Berechtigung dieser Bedenken, so hat die Behörde eine der Verwaltungsmaßnahmen der §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 oder 74 Abs. 3 KFG anzuordnen. Der Grund dafür, daß hinsichtlich einer nach Erteilung der Lenkerberechtigung verkehrsunzuverlässig gewordenen Person eine der genannten Verwaltungsmaßnahmen gesetzt werden muß, liegt, wie sich aus § 66 Abs. 1 lit. a und b KFG klar ergibt, darin, andere Personen (die Allgemeinheit) vor einem Lenker zu schützen, von dem angenommen werden muß, er werde auf Grund seiner in bestimmtennach den Grundsätzen des § 66 Abs. 3 leg. cit. gewertetenTatsachen zum Ausdruck kommenden Sinnesart in Hinkunft entweder die Verkehrssicherheit (also die Sicherheit von Personen oder/und Sachen) insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden oder sich wegen der erleichterten Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen (die also nicht unter Gefährdung der Verkehrssicherheit begangen werden) schuldig machen. Die auf diesen Entziehungsgrund gestützte Entziehung der Lenkerberechtigung nach den §§ 73 Abs. 1 und 74 Abs. 1 leg. cit. sowie ihre Androhung nach § 74 Abs. 3 leg. cit. sind somit Schutzmaßnahmen im (primären) Interesse anderer Personen und, mögen diese Maßnahmen auch vom jeweiligen Lenker als Strafe empfunden werden, keine Verwaltungsstrafen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1983, Zl. 82/11/0042, und vom 28. Juni 1983, Zl. 82/11/0125). Entzieht daher die Behörde erster Instanz die Lenkerberechtigung einer Person gemäß § 74 Abs. 1 leg. cit. wegen Verkehrsunzuverlässigkeit, so ist als die „in Verhandlung stehende Angelegenheit“ dieser Behörde und damit der Berufungsbehörde nicht die angeordnete Verwaltungsmaßnahme als Reaktion auf den angenommenen Wegfall der Verkehrszuverlässigkeit, sondern zumindest dieser von der ersten Instanz angenommene Wegfall, der die Behörde kraft Gesetzes zu einer der genannten Verwaltungsmaßnahmen, die denselben Verwaltungszweck haben, verpflichtet. Ob darüber hinaus als „Sache“ schlechthin der Fortbestand aller Voraussetzungen der erteilten Lenkerberechtigung mit der Konsequenz zu qualifizieren ist, daß die Berufungsbehörde auch den Entziehungsgrund auswechseln dürfte, brauchte im Beschwerdefall nicht geprüft zu werden. Der Umstand, daß die Behörde erster Instanz die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nur vorübergehend entzogen hat, hinderte jedenfalls die Berufungsbehörde nicht, eine endgültige Entziehung der Lenkerberechtigung auszusprechen.
1.8. Rechtswidrig ist der angefochtene Bescheid auch nicht deshalb, weil die belangte Behörde durch den Ausspruch der endgültigen Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG unter Festsetzung einer Zeit gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. von 24 Monaten die Rechtsstellung des Beschwerdeführers gegenüber jener des erstinstanzlichen Bescheides in zweifacher Hinsicht verschlechtert hat, nämlich einerseits durch die endgültige Entziehung der Lenkerberechtigung mit der Konsequenz, daß ihm eine neue Lenkerberechtigung für die entzogenen Gruppen nur nach Durchführung eines neuerlichen Verfahrens nach den §§ 67 ff leg. cit. erteilt werden darf, und andererseits durch die Festsetzung der genannten Frist. Denn die Berufungsbehörde ist im Administrativverfahren, zudem auch das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung gehört, im Rahmen der „Sache“ im dargestellten Sinn nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt und verpflichtet (vgl. Mannlicher Quell, Verwaltungsverfahren, erster Halbband8, Seite 364; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1979, Z1. 151/78), den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid „nach jeder Richtung“ und daher mangels einer dem § 51 Abs. 4 VStG analogen Bestimmung im Administrativverfahren auch zuungunsten des Berufungswerbers abzuändern (vgl. das oben zitierte Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A).
2.1. Der Beschwerdeführer meint nun aber in seiner Beschwerde, die belangte Behörde hätte „zunächst über das im Zusammenhang mit dem Geschehen vom 28.12.1979 anhängige Verfahren entscheiden“ müssen, „dieses Verfahren müßte an sich Grundlage der Entscheidung sein. Über das Geschehen vom April 1981 hätte jedenfalls ein gesondertes Verfahren eingeleitet werden müssen und dann in diesem Verfahren unter Berücksichtigung des Erstverfahrens eine entsprechende Entscheidung ergehen“ müssen. Durch das Zusammenziehen beider Verfahren sei dem Beschwerdeführer „die Möglichkeit eines zusätzlichen Rechtsmittels in Bezug auf das Geschehen vom April 1981 genommen worden“. „Im Falle der sonst üblichen getrennten Entscheidung zweier Vorfälle“ wäre „jedenfalls eine andere Entscheidung ergangen“. Schließlich sei für die Beurteilung des „Geschehens vom April 1981“ „der Zeitpunkt des Vorfallsgeschehens zu berücksichtigen und hat zu diesem Zeitpunkt eine Alkotestverweigerung selber keinen Grund für einen Führerscheinentzug dargestellt. Die zwischenzeitig eingetretene Änderung kann jedenfalls nicht zu meinen Lasten herangezogen werden, da sonst eine zweifache Beurteilung gleicher Geschehen eintreten würde. Bei einer zufälligen Entscheidung vor dem Termin der Gesetzesänderung würde es zu einer Einstellung des Verfahrens kommen, während bei einer Entscheidung nach dieser Gesetzesänderung nunmehr ein Entzug ausgesprochen würde“.
2.2. Der Sache nach erhebt der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen zwei Einwände gegen den angefochtenen Bescheid: Erstens soll danach offensichtlich die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend sein, weshalb es der belangten Behörde verwehrt gewesen sein soll, die strafbare Handlung des Beschwerdeführers vom 24. April 1981 bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen: Zweitens hätte die belangte Behörde im Falle der Zulässigkeit der Bedachtnahme auf diese weitere strafbare Handlung beachten müssen, daß sie nach der Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Begehung keine „bestimmte Tatsache“ nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG darstellte.
2.3. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. N. F. Nr. 9315/A, hielt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Relativität der Unterscheidung zwischen konstitutiven und deklarativen Bescheiden die bis dahin vertretene Rechtsanschauung, im Zusammenhang mit der Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Rechtsnormen sei bei konstitutiven Bescheiden die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides und bei deklarativen Bescheiden die Rechtslage im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend, in dieser allgemeinen Form nicht mehr aufrecht. Der Gerichtshof kam vielmehr zur Anschauung, daß im allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß „auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist“. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war.
Damit verwarf der Gerichtshof die Auffassung, die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften durch die Berufungsbehörde sei von der Zuordnung eines Bescheides zu einem der von der Verwaltungsrechtslehre entwickelten Typen des konstitutiven oder deklarativen Verwaltungsaktes abhängig, und stellte primär auf die Auslegung der im konkreten Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften ab. Nur dann, wenn die Auslegung der Verwaltungsvorschriften ergibt, daß eine vor der Erlassung des Berufungsbescheides bestandene Rechtslage von Bedeutung ist, kommt es nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides an.
2.4. Der Erlassung eines Bescheides hat die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes voranzugehen (§ 56 AVG). Dies gilt auch für Bescheide der Berufungsbehörde (§ 67 AVG). Die Frage, welcher Sachverhalt für die Entscheidung der Behörde maßgebend ist, kann nur auf Grund der im konkreten Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften beantwortet werden. Dies muß auch für den für die Sachverhaltsfeststellung maßgebenden Zeitpunkt angenommen werden.
2.5.1. Bei der Beantwortung der im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfrage, welche Sachund Rechtslage die belangte Behörde ihrer Entscheidung nach den hiebei anzuwendenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes zugrunde zu legen hatte, ist davon auszugehen, daß diesen Bestimmungen nicht entnommen werden kann, es komme bei Beurteilung der Frage, ob eine Maßnahme nach den §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 oder 74 Abs. 3 KFG zu ergreifen ist, nicht auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung an. Hinsichtlich der Befugnis der Berufungsbehörde, die Rechtmäßigkeit des unterinstanzlichen Bescheides auf Grund der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen, wird auf Punkt 3.3.6. hingewiesen.
2.5.2. In seinem Erkenntnis vom 28. September 1982, Zl. 82/11/0078, hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausführlich dargelegt, daß mangels einer Übergangsbestimmung in der 5. KFG Novelle, BGB1. Nr. 345/1981, die zum Zwecke einer Erhöhung der Verkehrssicherheit neugefaßte Bestimmung des § 66 Abs. 2 lit. e KFG auch bei der Beurteilung von Sachverhalten anzuwenden ist, die bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle abgeschlossen waren. Diese Rechtsansicht wurde in einer Reihe weiterer Erkenntnisse (so z.B. in jenen vom 9. November 1982, Zl. 82/11/0257, vom 16. November 1982, Zl. 82/11/0138, und vom 23. November 1982, Z1. 82/11/0034) aufrecht erhalten.
2.5.3. Aus diesen Darlegungen folgt aber, daß die belangte Behördeentgegen der Auffassung des Beschwerdeführersbei ihrer den erstinstanzlichen Bescheid abändernden Berufungsentscheidungunabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Abänderungdie Änderung der Sach- und Rechtslage während des Berufungsverfahrens berücksichtigen durfte und sogar mußte, d.h. einerseits die während des Berufungsverfahrens „verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit“ (§ 66 Abs. 3 KFG) zu beachten hatte (vgl. zum allerdings nur eingeschränkten Gewicht dieser Kriterien während des Entziehungsverfahrens: Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1983, Z1. 82/11/0125) und andererseits auf die strafbare Handlung des Beschwerdeführers vom 24. April 1981 in ihrer Wertung nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG in der Fassung der 5. KFG Novelle Bedacht nehmen mußte.
3.1 Die belangte Behörde war somit als Berufungsbehörde trotz des eingeschränkten Berufungsantrages des Beschwerdeführers und des Inhaltes des Abspruches der Behörde erster Instanz nach ihrer Funktion als Berufungsbehörde im Verfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz und den bezüglichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes berechtigt undbei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungenauch verpflichtet, auf Grund der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides statt einer vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers auf zwölf Monate eine endgültige Entziehung mit einer auf § 73 Abs. 2 KFG gestützten Frist von 24 Monaten auszusprechen. Aus nachstehenden Gründen ist aber dieser Ausspruch dennoch rechtswidrig:
3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, „als die Lenkerberechtigung ... gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 endgültig entzogen wird, da gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf mit 24 Monaten festgesetzt wird. In die Entzugsdauer ist die Zeit vom 28.12.1979 bis 28.12.1980, sowie die Zeit ab dem 24.4.1981 einzurechnen“. Diese Einrechnungsverfügung des Spruches des angefochtenen Bescheides verbietet jedenfalls eine Auslegung, daß die Frist des § 73 Abs. 2 leg. cit. erst ab Erlassung des angefochtenen Bescheides zu laufen beginnen sollte. Sie war vielmehr in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides läßt daher eine zweifache Deutung zu: Entweder sollte damit die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers ab 28. Dezember 1979 endgültig entzogen und eineunterbrocheneFrist von 24 Monaten in der Zeit vom 28. Dezember 1979 bis 28. Dezember 1980 und vom 24. April 1981 bis 24. April 1982 festgelegt werden; oder es sollte die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers ab der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach § 73 Abs. 1 KFG mit einerzu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenenFrist in der genannten Dauer und in den genannten Zeiträumen entzogen werden.
3.3.1. Ist der Spruch des angefochtenen Bescheides im erstgenannten Sinn zu verstehen, so stehen seiner Rechtmäßigkeit folgende Umstände entgegen.
3.3.2. Die Wirkung (die Verbindlichkeit des Inhaltes) eines existent gewordenen (erlassenen) Bescheides (vgl. dazu Walter Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsrechtes2, Seiten 127, 129, 137 f, 143 ff; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1980, Slg. N. F. Nr. 10.253/A) darf nur dann zu einem vor der Erlassung dieses Bescheides liegenden Zeitpunkt eintreten, wenn die konkret anzuwendende Verwaltungsvorschrift (in Verbindung mit den anzuwendenden Verfahrensnormen) derartiges vorsieht. Das gilt auch für die Berufungsbehörde. Denn die ihr nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG eingeräumte Befugnis, den erstinstanzlichen Bescheid „nach jeder Richtung abzuändern“, gestattet ihr lediglich, im Rahmen der „Sache“ den der konkreten Verwaltungsvorschrift entsprechenden Zustand herzustellen.
3.3.3. Nach dem Kraftfahrgesetz ist eine Person, der die Lenkerberechtigung für die im Beschwerdefall in Betracht kommenden Gruppen erteilt wurde, solange zum Lenken von Kraftfahrzeugen dieser Gruppen berechtigt, bis ihr diese Berechtigung rechtsverbindlich entzogen wird. Anhaltspunkte dafür, daßzunächst bezogen auf einen erstinstanzlichen Bescheidein solcher Rechtsverlust mit einem vor Erlassung des Entziehungsbescheides liegenden Zeitpunktetwa ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines nach § 76 Abs. 1 KFG - ausgesprochen werden dürfte, finden sich im Kraftfahrgesetz nicht.
3.3.4. Wie sich aus dem schon dargelegten Verwaltungszweck (vgl. 1.7.) ergibt, ist für eine (endgültige oder vorübergehende) Entziehung der Lenkerberechtigung mit Verbindlichkeit ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides erforderlich, daß zumindest eine Eignungsvoraussetzung im Sinne des § 64 Abs. 2 KFG noch in diesem Zeitpunkt fehlt und aus der Sicht der Entziehungsbehörde innerhalb der nach § 73 Abs. 2 festzusetzenden Zeit nicht wieder eintreten wird.
3.3.5. Unter Zugrundelegung der reformatorischen Funktion der Berufungsbehörde und der daraus in Verbindung mit den bezüglichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes folgenden Berechtigung und Verpflichtung zu einer Entscheidung nach der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides (vgl. Punkt 2.5.) folgt aber aus den bisherigen Darlegungen zu Punkt 3.3., daß auch der Berufungsbehörde einerseits die „rückwirkende“ Entziehung der Lenkerberechtigung, also die Festsetzung eines vor der Erlassung des Berufungsbescheides liegenden Zeitpunktes als solchen des Beginnes der Verbindlichkeit des Inhaltes des Berufungsbescheides, verwehrt ist. Andererseits ist aber auch eine mit Berufungsbescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit nur dann rechtmäßig, wenn die Berufungsbehörde auf Grund der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, der Berufungswerber sei noch in diesem Zeitpunkt verkehrsunzuverlässig und seine Verkehrszuverlässigkeit werde voraussichtlich nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten. Ist eine dieser beiden Fragen zu verneinen, so ist eine (endgültige oder vorübergehende) Entziehung der Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit unzulässig.
3.3.6. Allerdings hat die Berufungsbehörde sowohl in dem Fall, daß sie auf Grund der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zum Ergebnis gelangt, es liege in diesem Zeitpunkt der Entziehungsgrund nicht (mehr) vor, als auch dann, wenn sie auf Grund dieser Sachund Rechtslage zur Auffassung kommt, es bestehe in diesem Zeitpunkt (nach wie vor) ein Entziehungsgrund, und sie daher zu einer ab Erlassung des Berufungsbescheides verbindlichen Entziehung der Lenkerberechtigung befugt ist, im Hinblick auf das rechtliche Interesse an der Prüfung des angefochtenen unterinstanzlichen Bescheides und ihre daraus erfließende Kontrollfunktion die Rechtmäßigkeit des unterinstanzlichen Bescheides auf Grund der Sachund Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen und im Falle der Bejahung diesen Bescheid zur Gänze oder zum Teil zu bestätigen, und zwar gleichgültig, ob der gegen den unterinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde oder nicht.
3.3.7. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist aber der angefochtene Bescheid, wenn sein Spruch in dem zu Punkt 3.2. erstgenannten Sinn gedeutet wird, jedenfalls deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil mit ihm nach dieser Deutung in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers rückwirkend ab 28. Dezember 1979 endgültig mit einer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides endenden Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG entzogen wurde.
3.4. Ist aber der angefochtene Bescheid so zu verstehen, daß damit die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers erst ab Erlassung des angefochtenen Bescheides nach § 73 Abs. 1 KFG mit einerzu diesem Zeitpunktbereits abgelaufenen Frist gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. entzogen werden sollte, so stehen der Rechtmäßigkeit eines solchen Ausspruches zwei Umstände entgegen: Erstens setzt die Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 73 Abs. 1 leg. cit., wie bereits ausgeführt wurde, voraus, daß die betreffende Person noch im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides verkehrsunzuverlässig ist. Deutet man aber den Spruch des angefochtenen Bescheides im eben genannten Sinn, so schließt dies in sich, die belangte Behörde habe angenommen, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides schon wieder verkehrszuverlässig gewesen. Zweitens erfordert eine Entziehung nach § 73 Abs. 1 leg. cit. die Annahme, daß die betreffende Person noch zumindest weitere drei Monate ab der Verbindlichkeit des Entziehungsbescheides verkehrsunzuverlässig sein werde. Auch eine derartige Annahme liegt dem so gedeuteten Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zugrunde.
4. Aus den aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da lediglich eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war und daher auch nur die diese Ausfertigung betreffenden Stempelgebühren zu ersetzen sind.
Wien, am 28. November 1983
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen Entscheidung Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Sachverhaltsermittlung Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1983:1982110270.X00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020