TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 95/18/1408

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art7;
FrG 1993 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Dr. Joachim Meixner, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 17/2/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. September 1995, Zl. SD 28/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. September 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe in der Zeit von Mai 1991 bis Jänner 1993 über befristete Sichtvermerke, die sie als nicht beschäftigte Ehegattin eines seit 1990 im Bundesgebiet lebenden türkischen Staatsangehörigen erhalten habe, verfügt. Am 10. Februar 1993 sei sie von Organen des Landesarbeitsamtes bei der Ausübung eines Beschäftigung ohne die hiefür erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz betreten worden. Aus diesem Grund sei sie ermahnt worden; die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei ihr angedroht worden. Seit Ablauf der Gültigkeit der Sichtvermerke halte sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (AufG) sei sie nicht zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Ein erst danach gestellter, auf § 13 AufG gestützter Antrag sei am 25. Oktober 1994 rechtskräftig abgewiesen worden.

Die Ausweisung stelle zweifellos einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin dar, weil sie dadurch zumindest vorübergehend nicht mit ihrem Gatten in Österreich leben könne. Die Ausweisung sei jedoch im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt die maßgeblichen öffentlichen Interessen beeinträchtigt habe. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei sei auszuführen, daß Österreich dieses Abkommen nicht ratifiziert habe und die Beschwerdeführerin daher daraus keine Rechte ableiten könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Beschwerdeführer unstrittig nur bis Jänner 1993 über einen Sichtvermerk verfügte, ist sein erst nach Inkrafttreten des AufG gestellter Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach diesem Gesetz, obwohl auf § 13 AufG "gestützt", nicht nach dieser Bestimmung als Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten. Der vorliegende Fall unterliegt somit nicht der Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997.

2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, seit Februar 1993 weder über einen Sichtvermerk noch - ab Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes - über eine Aufenthaltsbewilligung zu verfügen. Soweit sie vorbringt, die Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei zu Unrecht erfolgt, ist ihr zu entgegnen, daß für die Frage der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht maßgeblich ist, aus welchem Grund dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht stattgegeben wurde.

2.2. Auch mit ihrem Verweis auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei ex 1963 und den auf dessen Grundlage gefaßten Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei, welche Rechtsakte entgegen der Ansicht der belangten Behörde in Österreich seit dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 unmittelbar anwendbar sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0362 mwN), vermag die Beschwerdeführerin die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes nicht darzutun.

Nach Art. 7 erster Gedankenstrich des erwähnten Assoziationsratsbeschlusses haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die Ordnungsgemäßheit des Wohnsitzes ist anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen (vgl. das zu dem in Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses enthaltenen Begriff der "ordnungsgemäßen Beschäftigung" ergangene hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215 und die dort zitierte Judikatur des EuGH). Ein ordnungsgemäßer Wohnsitz liegt demnach nur dann vor, wenn der Aufenthalt des Fremden im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht. Da die Beschwerdeführerin nur für einen Zeitraum von 21 Monaten zum Aufenthalt berechtigt war und überdies auch im Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union nicht über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz im aufgezeigten Sinn verfügte, vermag sie aus dem mehrfach erwähnten Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 kein Aufenthaltsrecht abzuleiten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996).

Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 17 Abs. 1 erfüllt sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Auch die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken.

Die aus dem inländischen Aufenthalt des Gatten und der Aufenthaltsdauer ableitbaren privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet werden in ihrem Stellenwert dadurch relativiert, daß sich die Beschwerdeführerin nur eindreiviertel Jahre legal im Bundesgebiet aufhielt. Diese Interessen werden auch durch den geltend gemachten inländischen Aufenthalt des Kindes der Beschwerdeführerin nicht entscheidend verstärkt, zumal keine Gründe ersichtlich sind, daß die gemeinsame Ausreise von Mutter und Kind nicht möglich wäre. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin durch ihren schon mehr als zweieinhalb Jahre dauernden unrechtmäßigen Aufenthalt das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, Zl. 95/18/1414) gravierend beeinträchtigt. Dazu kommt, daß die Beschwerdeführerin durch ihre unbestritten ausgeübte Tätigkeit ohne die hiefür erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz auch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" beeinträchtigt hat.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Ausweisung sei nicht dringend geboten, weil sie nach dem AufG idF

BGBl. Nr. 351/1995 - iVm der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 - zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Inland aus berechtigt sei, ist ihr zu entgegnen, daß gemäß § 3 Z. 3 dieser Verordnung Familienangehörige von Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, nur dann zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt sind, wenn sie bereits eine Aufenthaltsbewilligung hatten, was bei der Beschwerdeführerin unbestritten nicht der Fall ist.

4. Der Anregung, eine Vorabentscheidung des EuGH zu der Frage einzuholen, ob gegenüber türkischen Arbeitnehmern ein Aufenthaltsverbot aufgrund der Nichtigerklärung einer Ehe zulässig ist, konnte schon mangels Bezuges zum vorliegenden Verfahren nicht entsprochen werden.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995181408.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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