TE Vwgh Beschluss 1998/4/21 98/18/0114

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über den Antrag des M in Wien, vertreten durch Dr. Peter Hoffmann-Ostenhof, Rechtsanwalt in Wien I, Seilergasse 16, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. August 1996, Zl. SD 837/96, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Beschluß vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0653, wurde das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den obgenannten Bescheid gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem Mängelbehebungsauftrag vom 7. Jänner 1998, mit dem ihm die Behebung mehrerer, näher bezeichneter Mängel der Beschwerde aufgetragen worden war, nicht (zur Gänze) nachgekommen ist; dies deshalb, weil er den ergänzenden Schriftsatz (anstatt in dreifacher) lediglich in zweifacher Ausfertigung vorgelegt hat.

2. In dem nunmehr gestellten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist wird ausgeführt, daß dieser ein Versehen in der Kanzlei des Vertreters des Antragstellers zugrunde liege. Gemäß der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter "dreifach, eine Halbschrift" diktiert. Aufgrund eines Hör- bzw. Schreibfehlers habe die Sekretärin "zweifach eine Halbschrift" geschrieben. Anläßlich der Kontrolle sei dem Vertreter der Dikatfehler seiner Sekretärin aufgefallen, weshalb er sie angewiesen habe, den "Zweier" händisch auf einen "Dreier" auszubessern und eine dritte Gleichschrift in Kopie herzustellen und mitzuschicken. Daraufhin habe der Vertreter die beiden ihm vorgelegten Gleichschriften unterschrieben. Der Sekretärin des Vertreters, die weisungswidrig den Schriftsatz nur in zweifacher Ausfertigung abgeschickt habe, sei nicht mehr nachvollziehbar, weshalb ihr dieser Fehler unterlaufen sei. Die Sekretärin sei seit über vier Jahren in der Kanzlei des Vertreters des Antragstellers beschäftigt und vorher schon in einer anderen Anwaltskanzlei tätig gewesen; es sei ihr ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen. Das Antragsvorbringen wird in den beigeschlossenen, inhaltlich übereinstimmenden eidesstättigen Erklärungen des Vertreters und der Kanzleikraft bekräftigt.

Das im vorliegenden Fall maßgebende Hindernis sei in der Unkenntnis dieses weisungswidrigen, für die Fristversäumung ursächlichen Verhaltens der Sekretärin gelegen. Dieses Hindernis sei erst mit der Zustellung des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes am 16. März 1998 weggefallen.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. 9226/A, und aus der seither ständigen Rechtsprechung etwa die Beschlüsse vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/18/0003, vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0107, und vom 17. April 1997, Zlen. 97/18/0115, 0116). Dabei stellt ein für den Parteienvertreter unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund nur dann dar, wenn das ihn treffende Verschulden am Eintritt des Ereignisses nicht über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Der zuletzt genannte Begriff wird als leichte Fahrlässigkeit i.S. des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. (Vgl. zum Ganzen die bereits zitierten hg. Beschlüsse Zl. 97/18/0003, Zl. 97/18/0107, und Zlen. 97/18/0115, 0116.)

3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Es macht vielmehr deutlich, daß gerade das, was die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert hätte, nicht geschehen ist, nämlich die Kontrolle der Kanzleikraft dahin, ob sie dem an sie ergangenen Auftrag entsprochen hat. Der Vertreter hätte es nach Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung nicht dabei bewenden lassen dürfen, die Kanzleikraft anzuweisen, vor Absendung des Schriftsatzes, eine dritte Ausfertigung desselben herzustellen und die entsprechende Korrektur in der Bezeichnung der Anzahl der Ausfertigungen auf dem Rubrum des Schriftsatzes vorzunehmen, handelte es sich doch bei dieser Tätigkeit nicht bloß um den technischen Vorgang des Abfertigens von Schriftstücken, der einer verläßlichen Kanzleikraft ohne Beaufsichtigung hätte überlassen werden dürfen (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771, und vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0257).

4. Das Außerachtlassen der im vorliegenden Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt begründet ein Verschulden des Vertreters des Antragstellers, das nicht bloß einen minderen Grad des Versehens i.S. des § 46 Abs. 1 VwGG darstellt, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag der Erfolg zu versagen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998180114.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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