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41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2019, G312 2177501-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 7. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Juli 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. 4 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der - näher bezeichneten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gruppenverfolgung, zu den Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes und zur Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz abgewichen. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/14/0354, mwN). 9 Die Revision legt nicht dar, aufgrund welcher Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis hätte kommen können, dass dem Revisionswerber allein wegen der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung in seiner Herkunftsstadt Bagdad eine asylrelevante Gruppenverfolgung drohen würde. Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen zur Lage der Sunniten in Bagdad und gelangte davon ausgehend in nicht unvertretbarer Weise zu dem Ergebnis, dass keine systematische Verfolgung von Sunniten in Bagdad anzunehmen sei.
10 Soweit die Revision auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2017, Ra 2017/19/0166, verweist, übersieht sie, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahren - einen Revisionswerber aus dem Herkunftsgebiet Mossul betreffend - aufgrund spezifischer Feststellungen zur Situation im Heimatland die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, es würde keine Gruppenverfolgung von Anhängern sunnitischen Glaubensrichtung in der Herkunftsregion vorliegen, mangels sich eben auf diese Herkunftsregion beziehenden Feststellungen nicht nachvollziehen konnte. Das trifft hier nach dem oben Gesagten nicht zu.
11 Sofern sich die Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wendet, bringt sie vor, der Revisionswerber liefe im Falle der Rückkehr tatsächlich Gefahr, aus einem in der Statusrichtlinie genannten Grund einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Mit dieser Behauptung wird nicht konkret dargelegt, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Revisionswerbers, der nach den Feststellungen ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, ohne in seiner Person liegende Gefährdungsmomente, sei, und sowohl eine abgeschlossene mehrjährige Schulbildung als auch eine - nicht abgeschlossene - Universitätsausbildung vorweise, sowie die Landessprache spreche und über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfüge, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 2005 abgewichen wäre (vgl. zusammenfassend VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0288, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die Interessenabwägung, in deren Rahmen auch die - als gut bezeichneten - Kenntnisse der deutschen Sprache des Revisionswerbers hinreichend berücksichtigt wurden, unvertretbar vorgenommen hätte, legt die Revision nicht dar.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 26. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140450.L00Im RIS seit
19.05.2020Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020