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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §62 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die mit 12. August 2019 datierte, der revisionswerbenden Behörde am 13. August 2019 zugestellte und als Erkenntnis bezeichnete Erledigung des Bundesverwaltungsgerichts, W121 2193695-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (Mitbeteiligter: S K), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 22. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. März 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
4 Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27. Juni 2019 eine Verhandlung durch, an deren Ende die die Verhandlung leitende Richterin bekanntgab, dass die Verkündung der Entscheidung über die Beschwerde entfalle und den Parteien eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt werde.
5 Am 12. August 2019 wurde von der Richterin des Bundesverwaltungsgerichts die Urschrift eines Erkenntnisses genehmigt, mit dem der vom Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 27. März 2018 erhobenen Beschwerde stattgegeben, ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Weiters enthält die Urschrift den Ausspruch, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 In der Urschrift des mit 12. August 2019 datierten Erkenntnisses finden sich in der Begründung Feststellungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt, beweiswürdigende Erwägungen sowie eine nähere rechtliche Beurteilung, worauf sich die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Mitbeteiligten gründe. Die den Parteien des Beschwerdeverfahrens daraufhin zugestellten - in ihrem Inhalt identen - Erledigungen weichen allerdings insofern in der Begründung von der genehmigten Urschrift des Erkenntnisses ab, als die auf den Mitbeteiligten bezogenen Feststellungen lediglich in einem Absatz Ausführungen enthalten, die sich auf seine Person beziehen. Die sonst in der Urschrift enthaltenen Feststellungen, die sich auf das vom Mitbeteiligten erstattete Fluchtvorbringen beziehen, fehlen. Weiters enthalten diese Schriftstücke überhaupt keine beweiswürdigenden und rechtlichen Überlegungen, sondern bloß die auf diese Themen Bezug nehmenden Überschriften.
7 Mit Beschluss vom 20. August 2019 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass "das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.08.2019" gemäß § 62 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG dahingehend berichtigt werde, dass die im Berichtigungsbeschluss enthaltenen "Textteile zu
'2. Beweiswürdigung und 3. Rechtliche Beurteilung sowie zu
A) Stattgabe der Beschwerde' eingefügt werden".
8 Dieser Beschluss wurde vom Verwaltungsgerichtshof über Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2019, Ra 2019/18/0373, aufgehoben. Maßgeblich dafür war, dass die Urschrift weitere Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten enthält, die in den Berichtigungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts keinen Eingang gefunden hatten. Da der Berichtigungsbeschluss schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet war, musste sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2019 - was dort auch ausdrücklich festgehalten wurde - mit der Frage, ob die den Verfahrensparteien übersendete, mit 12. August 2019 datierte Erledigung überhaupt einer Berichtigung zugänglich sei, nicht befassen (vgl. Rn. 13 des erwähnten Erkenntnisses Ra 2019/18/0373).
9 Nach Aufhebung des Berichtigungsbeschlusses veranlasste das Bundesverwaltungsgericht die Zustellung von Ausfertigungen des Erkenntnisses vom 12. August 2019, die der Urschrift entsprechen, an die Parteien des Beschwerdeverfahrens und legte in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof die diesbezüglichen Zustellnachweise vor. Die Zustellung der korrekten Ausfertigung an den Mitbeteiligten erfolgte demnach am 21. Jänner 2020 und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Weg der elektronischen Zustellung) am 17. Jänner 2020.
10 Die hier gegenständliche Revision wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23. August 2019 - sohin nach Zugehen der nicht der Urschrift entsprechenden Erledigung - erhoben. 11 Nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG kann die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben. 12 Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG dann, wenn das Erkenntnis der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung. Ist das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Revision gemäß § 26 Abs. 2 VwGG bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat. 13 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 16 Diese gesondert darzustellenden Zulässigkeitsgründe müssen in der innerhalb der Revisionsfrist (§ 26 Abs. 1 VwGG) erhobenen Revision enthalten sein. Ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen - wie hier in der Revisionsergänzung vom 6. September 2019 - ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343, mwN).
17 Am Boden dieser Rechtslage erweist sich die gegenständliche Revision als nicht zulässig.
18 Eingangs ist festzuhalten, dass die revisionswerbende Behörde im Revisionsverfahren unterschiedliche - miteinander in unauflösbarem Widerspruch stehende - Standpunkte einnimmt. Während sie im Schriftsatz vom 6. September 2019 davon ausgeht, dass die ihr vor Revisionserhebung übersendete Erledigung einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG nicht zugänglich sei, änderte sie im Lauf des Revisionsverfahrens in der Stellungnahme vom 26. Februar 2020 - ohne auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 6. September 2019 einzugehen - ihre Meinung dahingehend, dass dies doch möglich wäre.
19 Die am 23. August 2019 erhobene Revision beruht der Sache nach - wie in der Revisionsergänzung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch offengelegt wird - auf der Prämisse der Unzulässigkeit einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG. Zur Zulässigkeit der Revision wird nämlich geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es seine Pflicht zur Begründung der Entscheidung dadurch verletzt habe, dass sich in der in Rede stehenden Erledigung keine nachvollziehbaren Ausführungen fänden, warum das Bundesverwaltungsgericht zum im Spruch ausgedrückten Ergebnis gekommen sei. Das bloße Anführen der "Eckdaten" des Mitbeteiligten reiche für eine nachvollziehbare Begründung nicht aus. Damit wird aber bereits in der Revision implizit - und im weiteren Revisionsverfahren auch ausdrücklich - von der Behörde die Ansicht vertreten, die wesentlichen Abweichungen des Textes der zugestellten Erledigung von der Urschrift führten nicht nur dazu, dass in der übersendeten Erledigung keine nachvollziehbare Begründung für den in der Entscheidung enthaltenen Spruch vorhanden sei, sondern dass auch die Voraussetzungen für eine Berichtigung zu verneinen seien. 20 Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen. Dies gilt auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, weil gemäß § 17 VwGVG die Bestimmung des § 62 Abs. 4 AVG auch von diesen anzuwenden ist (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2019/09/0056).
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Zulässigkeit der Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG auch für den Fall bejaht, dass die schriftliche Ausfertigung nicht mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. dazu sowie zu den Kriterien, wann eine Berichtigung möglich ist, VwGH 28.2.2019, Ra 2018/12/0041, mwN).
22 Es kann im gegenständlichen Revisionsfall aber dahingestellt bleiben, ob die den Verfahrensparteien übersendete und in ihrem Inhalt von der Urschrift - infolge des Fehlens von insgesamt etwas mehr als sieben Seiten des für die Entscheidung zentralen Teils des Begründungstextes - grob abweichende Erledigung anhand der in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien (noch) als eine der Berichtigung zugängliche Ausfertigung des Erkenntnisses vom 12. August 2019 zu qualifizieren ist (vgl. zu einem Fall, in dem die Berichtigung einer der Ausfertigung in seinem Begründungsinhalt anhaftenden Fehlerhaftigkeit als nicht zulässig angesehen wurde, VwGH 12.12.2012, 2012/18/0157).
23 Ginge man davon aus, dass eine Berichtigung nicht zulässig sei, läge (mangels Übereinstimmung von Urschrift und Ausfertigung) eine der Anfechtung zugängliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor (vgl. nochmals VwGH 2012/18/0157, mwN). Da keiner der Verfahrensparteien - diese haben idente fehlerhafte Erledigungen erhalten - eine der Urschrift entsprechende Ausfertigung zugestellt wurde, könnte sich die revisionswerbende Behörde auch nicht auf § 26 Abs. 2 VwGG berufen. Ist aber ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nicht rechtswirksam erlassen worden, hat eine dagegen erhobene Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG der Zurückweisung mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zu verfallen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0002, mwN).
24 Legt man hingegen dem Revisionsverfahren zugrunde, dass das Erkenntnis vom 12. August 2019 - ungeachtet der zunächst erfolgten Zustellung einer mangelhaften, aber berichtigungsfähigen Ausfertigung - rechtlich in Existenz getreten ist, so ist auf jene Rechtsprechung hinzuweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof ein in Revision gezogenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes auch schon vor seiner Berichtigung bereits in der entsprechend richtigen Fassung zu lesen hat (vgl. etwa VwGH 16.10.2019, Ra 2019/07/0095, mwN). Nichts anderes hat für jenen Fall zu gelten, in dem (lediglich) die Ausfertigung zu berichtigen ist. 25 Dann aber stellt sich der Vorwurf der revisionswerbenden Behörde, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dem Mitbeteiligten sei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, entbehre jeglicher Begründung, am Boden des maßgeblichen Inhaltes der Urschrift als unzutreffend dar. Diesfalls wird mit dem Vorbringen in der Revision nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Begründungspflicht abgewichen und deswegen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben wäre.
26 Sohin erweist sich die Revision nach dem Gesagten jedenfalls als nicht zulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen war.
Wien, am 27. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200435.L00Im RIS seit
19.05.2020Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020