TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/30 Ro 2019/05/0015

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Index

E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §15 Abs5
AWG 2002 §2 Abs6 Z2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB
62007CJ0188 Commune de Mesquer VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 28. Jänner 2019, VGW-001/004/5033/2018-9, VGW- 001/004/5035/2018, betreffend Übertretungen des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. M B und 2. Ing. W B, beide in W, beide vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Oswaldgasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 14. März 2018 wurden der Erstmitbeteiligten folgende Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

"1) Sie haben es als Miteigentümerin der Liegenschaft in ... Wien, J...straße 25, zu verantworten, dass Sie als Bauherrin des Abbruchvorhabens auf der Liegenschaft in ... Wien, J...straße 25, und als Abfallübergeberin bzw. Abfallbesitzerin/Abfallerzeugerin am 02.10.2017, entgegen § 15 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. Nr I Nr 102/2002, in der geltenden Fassung, wonach, wenn der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande ist, er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben hat, eine Menge von 3,56 Tonnen der gefährlichen Abfallart Asbestzement (Schlüsselnummer 31412 'Asbestzementabfälle') und der nicht gefährlichen Abfallart Sperrmüll (Schlüsselnummer 91401) an die (A. GmbH) mit Sitz in ... übergeben haben, obwohl dieses Unternehmen zu diesem Zeitpunkt über keine Berechtigung zur Sammlung von gefährlichen Abfällen der Abfallart Asbestzement (Schlüsselnummer 31412) und von nicht gefährlichen Abfällen der Abfallart Sperrmüll (Schlüsselnummer 91401) verfügt hat und Sie somit gefährliche und nicht gefährliche Abfälle nicht an einen entsprechend Berechtigten übergeben haben.

2) Sie haben es als Miteigentümerin der Liegenschaft in ... Wien, J...straße 25, zu verantworten, dass Sie als Bauherrin des Abbruchvorhabens auf der Liegenschaft in ... Wien, J...straße 25, und als Abfallbesitzerin/Abfallerzeugerin am 02.10.2017, entgegen § 6 Abs. 1 Recycling-Baustoffverordnung, BGBl. II Nr 181/2012 in der geltenden Fassung (RBV), wonach bei Bau- oder Abbrucharbeiten gefährliche Abfälle von nicht gefährlichen Abfällen vor Ort zu trennen sind, gefährliche Abfälle (asbestzementhaltige Dach- und Fassadenplatten - Schlüsselnummer 31412) nicht von nicht gefährlichen Abfallarten getrennt wurden, sondern in Bruchstücken zusammen mit dem Sperrmüll auf einem LKW (auf der oben genannten Liegenschaft) vermischt gelagert wurden, sodass eine nachträgliche vollständige Trennung der gefährlichen Abfälle von den nicht gefährlichen Sperrmüllabfällen nicht mehr möglich war Gemäß § 6 Abs. 5 RBV sind der Bauherr und der Bauunternehmer für die Trennung der Abfälle verantwortlich.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) 15 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. Nr I Nr 102/2002, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Z 2 leg. cit, iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 'Abfallverzeichnis'

2) § 6 Abs. 1 und 5 Recycling-Baustoffverordnung, BGBl. II Nr 181/2012 in der geltenden Fassung (RBV) in Verbindung mit § 79 Abs. 2 Z 1 leg. cit, iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl I Nr 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 'Abfallverzeichnis'" Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Erstmitbeteiligte Geldstrafen (für den Fall deren Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, und zwar in Bezug auf Spruchpunkt 1) in der Höhe von EUR 2.010,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen) und in Bezug auf Spruchpunkt 2) in der Höhe von EUR 1.020,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und 13 Stunden).

2 Der Magistrat erließ gegenüber dem Zweitmitbeteiligten als Miteigentümer der genannten Liegenschaft, Bauherrn des genannten Abbruchvorhabens und Abfallübergeber bzw. "Abfallbesitzer/Abfallerz euger" das im Wesentlichen gleichlautende (weitere) Straferkenntnis vom 14. März 2018 und verhängte über ihn wegen derselben Verwaltungsübertretungen Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) in derselben Höhe.

3 In der Begründung dieser Bescheide führte der Magistrat (im Wesentlichen gleichlautend) jeweils (u.a.) aus, dass die beiden Mitbeteiligten die A. GmbH mit dem Abbruch des Hauses und der Entsorgung der Abfälle (Sammlung) in Wien, J...straße 25, beauftragt hätten und dieses Unternehmen zu diesem Zeitpunkt über keine Berechtigung zur Sammlung von gefährlichen Abfällen der Abfallart Asbestzement und von nicht gefährlichen Abfällen der Abfallart Sperrmüll verfügt habe. Schon aufgrund der Beauftragung der A. GmbH mit dem Abbruch und der Entsorgung des Abfalles seien die Mitbeteiligten als Abfallersterzeuger einzustufen. Auch die Bauherrneigenschaft ergebe sich aus der Beauftragung des Unternehmens. Vor Erteilung des Auftrages träfen die Mitbeteiligten als Bauherrn Erkundigungspflichten, ob das beauftragte Unternehmen zur Übernahme der Abfälle berechtigt sei bzw. welche Abfälle anfielen. Die Mitbeteiligten hätten die Abfälle aber einem nicht Berechtigten übergeben. Die Übertretungen seien somit in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen. Da es sich bei diesen um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handle und die Mitbeteiligten ein Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, nicht erstattet hätten, seien auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit erwiesen.

4 Gegen diese Bescheide erhoben die Mitbeteiligten jeweils eine (im Wesentlichen gleichlautende) Beschwerde.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (unter Spruchpunkt I.) den Beschwerden jeweils in Bezug auf Spruchpunkt 1) der Straferkenntnisse Folge gegeben und diese insoweit behoben und die Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt. Unter Spruchpunkt II. wurden die Beschwerden jeweils in Bezug auf Spruchpunkt 2) der Straferkenntnisse als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG einen Beitrag zu den Kosten der Beschwerdeverfahren in der Höhe von jeweils EUR 204,-- zu leisten hätten. Unter Spruchpunkt III. wurde eine ordentliche Revision in Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses für zulässig und im Übrigen für unzulässig erklärt. 6 Zu Spruchpunkt I. führte das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen (u.a.) aus, dass die Mitbeteiligten als Miteigentümer der genannten Liegenschaft die A. GmbH beauftragt hätten, das auf dieser Liegenschaft befindliche Haus, welches mit Eternit verkleidet und eingedeckt gewesen sei, abzubrechen und zu entsorgen, wobei der Auftrag gelautet habe:

"Kompletter Abbruch des Hauses inkl. Bodenplatte + Entsorgung".

Teil des Auftrages sei neben dem Abbruch auch die Entsorgung der im Rahmen dieser Tätigkeit angefallenen Abfälle gewesen. Der Auftrag habe sowohl die eigenständige Durchführung von Abbrucharbeiten als auch die selbstständige Organisation der Entsorgung der dabei entstehenden Abfälle umfasst. Die Mitbeteiligten hätten der A. GmbH bei der Durchführung des Auftrages völlig freie Hand gelassen und keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen. Bei einer gemeinsamen Besichtigung der Mitbeteiligten mit der A. GmbH sei diese auf das Eternit hingewiesen worden. Der Vertreter der A. GmbH habe von der Gefährlichkeit (dieses Materials) gewusst. Die Mitbeteiligten seien im Zeitraum der Abbrucharbeiten nie auf der Liegenschaft gewesen und hätten diese auch nie kontrolliert. 7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht in Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses aus, dass die Mitbeteiligten eigenständige Abbrucharbeiten für ihre Liegenschaft in Auftrag gegeben hätten, wobei Teil dieses Auftrages die eigenständige Entsorgung der im Rahmen dieser Tätigkeiten anfallenden Abfälle durch das Abbruchunternehmen gewesen sei. Es habe sich dabei sohin um einen Pauschalauftrag gehandelt, wobei durch die Mitbeteiligten keine Vorgaben für die Durchführung der Arbeiten oder die Organisation der Entsorgung der Abbruchmaterialien gemacht worden seien. Die verfahrensgegenständlichen Abfälle seien durch die jeweiligen Abbrucharbeiten der A. GmbH angefallen.

8 Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 Z 1 lit. a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 könne nur derjenige Abfallersterzeuger sein, durch dessen Tätigkeit Abfall anfalle. Demzufolge sei gegenständlich das Abbruchunternehmen, nämlich die A. GmbH, als Abfallersterzeugerin auf der Liegenschaft der Mitbeteiligten anzusehen, weil durch ihre Abbruchtätigkeiten die verfahrensgegenständlichen gefährlichen und nicht gefährlichen Abfälle angefallen seien. Darüber hinaus habe sie über diese gefährlichen Abfälle auch die tatsächliche Sachherrschaft faktisch innegehabt. Die Mitbeteiligten als Bauherrn könnten nicht als Abfallersterzeuger angesehen werden, weil sie keinerlei Tätigkeiten gesetzt hätten, wodurch die verfahrensgegenständlichen Abfälle angefallen wären. Die Mitbeteiligten hätten nämlich nur die Durchführung von Abbruch- und Entsorgungstätigkeiten in Auftrag gegeben.

9 Auch eine richtlinienkonforme Interpretation des Begriffes "abfallbegründende Tätigkeit" komme zu keinem anderen Ergebnis. In den Rechtssachen EuGH 7.9.2004, Van de Walle u.a, C-1/03, und EuGH 24. Juni 2008, Commune de Mesquer, C-188/07, habe sich der EuGH näher mit den Begriffen des "Abfallbesitzers" bzw. "Abfallerzeugers" befasst. Dabei sei der EuGH zu dem Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich all jene Personen als Abfallersterzeuger (und somit als Abfallbesitzer) anzusehen seien, welche die betreffenden Stoffe "zum Zeitpunkt ihrer Verwandlung in Abfall in ihrem faktischen Besitz" hätten und damit auch für diese verantwortlich seien. In Auslegung der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (im Folgenden: Abfallrahmenrichtlinie) gehe der EuGH somit davon aus, dass es bezüglich der Qualifikation einer natürlichen oder juristischen Person als Abfallbesitzer und Abfallerzeuger ausschließlich auf den faktischen Besitz - somit auf die faktische Innehabung - der Abfälle in ihrem Entstehungszeitpunkt ankomme. Der EuGH habe dazu weiters ausgeführt, dass die abfallbegründende "Tätigkeit" bereits vor jenem Zeitpunkt gesetzt werden könne, in dem die Sache zu Abfall werde, zumal die die Abfallerzeugereigenschaft begründende Tätigkeit auch in der Unterzeichnung eines Vertrages oder in "anderen Machenschaften" liegen könne, wenn diese für den abfallbegründenden Moment ausschlaggebend seien. Der EuGH gehe daher grundsätzlich davon aus, dass der unmittelbare Verursacher, dessen Verhalten eine Sache zu Abfall werden lasse, als Abfallerzeuger zu qualifizieren sei. Wenn die Tätigkeit bzw. das Verhalten jedoch von einem Dritten derart fremdbestimmt werde, dass dieser Dritte das "faktische Abfallproduzieren" des unmittelbaren Verursachers rechtlich und tatsächlich beherrsche, falle Abfall in einem solchen Fall ausnahmsweise bereits durch die Tätigkeit des Dritten an, weshalb dieser als Abfallersterzeuger zu qualifizieren sei.

10 Dieser Rechtsprechung zufolge sei im gegenständlichen Fall die A. GmbH als Abfallersterzeugerin zu qualifizieren, weil die Abfälle erst durch ihre tatsächliche Tätigkeit der Abbrucharbeiten angefallen seien und sie diese damit auch in ihrer unmittelbaren Sachherrschaft innegehabt habe. Sie sei darüber hinaus mit der eigenständigen Durchführung dieser Arbeiten und der eigenständigen Organisation der Entsorgung der dabei entstehenden Abfälle beauftragt gewesen, womit in keiner Weise von einer Fremdbestimmung durch die Mitbeteiligten gesprochen werden könne, weil sie der A. GmbH bei der Durchführung des Auftrages völlig freie Hand gelassen und keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen hätten. Von einem faktischen Einfluss der Mitbeteiligten auf die A. GmbH über die durchzuführenden Arbeiten könne sohin nicht gesprochen werden, weshalb die Mitbeteiligten nicht als Abfallersterzeuger angesehen werden könnten. Damit sei es ausgeschlossen, dass die Mitbeteiligten der A. GmbH die Abfälle- wie in Spruchpunkt 1) der angefochtenen Straferkenntnisse vorgeworfen - übergeben hätten, weil sie erst durch die Abbruchtätigkeiten der A. GmbH erzeugt worden seien. Die Mitbeteiligten hätten somit die verfahrensgegenständlichen Abfälle nicht entgegen § 15 Abs. 5 AWG 2002 übergeben, weshalb die angefochtenen Straferkenntnisse in ihren Spruchpunkten 1) zu beheben und die Verfahren diesbezüglich einzustellen gewesen seien.

11 Hinsichtlich Spruchpunkt I. sei die ordentliche Revision zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Rahmen eines Pauschalauftrages das ausführende (Abbruch-)Unternehmen oder der Bauherr als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 zu qualifizieren sei.

12 Gegen Spruchpunkt I. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Revision.

13 Die Mitbeteiligten und der Magistrat erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision erweist sich in Anbetracht der im angefochtenen Erkenntnis zur Begründung der Zulassung einer Revision aufgeworfenen und in der Revision näher dargestellten Rechtsfrage, ob das ausführende Abbruchunternehmen oder der Bauherr (Auftraggeber) im Rahmen eines Pauschalauftrages (beinhaltend Abbrucharbeiten und die Entsorgung der anfallenden Abfälle) in Bezug auf die dabei anfallenden Abfälle als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 anzusehen ist, als zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu. 15 Die Revision führt dazu im Wesentlichen (u.a.) aus, dass es sich beim Abfallersterzeuger bereits rein sprachlich um die "erste" Person, d.h. diejenige Person, der die maßgebliche Rolle für die Entstehung des Abfalls zukomme, handle. Gemäß § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 werde entsprechend der Abfallrahmenrichtlinie als "Abfallersterzeuger" diejenige Person definiert, durch deren Tätigkeit Abfälle anfielen. Der Begriff der "Tätigkeit" sei dabei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass damit nicht nur operative Maßnahmen, wie die tatsächliche Durchführung von Abbruchhandlungen, sondern auch ein Setzen einer Ursache für den Abfallanfall überhaupt gemeint sei. Aus abfallrechtlicher Sicht sei dabei diejenige Person als Abfallersterzeuger anzusehen, deren Entledigungshandlung oder subjektives Entledigen-Wollen für die Entstehung des Abfalls (als Abfall im subjektiven Sinn gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) ursächlich gewesen sei oder der das Entstehen von Abfall als Abfall im objektiven Sinn (§ 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002) durch bestimmte Aktivitäten zuzurechnen sei. Im konkreten Fall sei die Erteilung eines Auftrages zur Durchführung von Abbruch- und Entsorgungstätigkeiten sohin als relevante "Tätigkeit" im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 zu sehen. Die Ursache für die Entstehung der Abfälle setze der Bauherr durch die Erteilung des Abbruchauftrages. Er sei damit aber derjenige, durch dessen Aktivität bzw. im Rahmen dessen Tätigkeit die Abfälle überhaupt erst anfielen, weshalb er auch als Abfallersterzeuger der anfallenden Abfälle zu qualifizieren sei. Dies führe in weiterer Folge dazu, dass das ausführende (Abbruch-)Unternehmen definitionsgemäß nicht Abfallersterzeuger im Sinne des AWG 2002 sein könne, sondern der Bauherr Abfall(erst)erzeuger sei. Wenn jedoch der Bauherr Abfallerzeuger sei und ein Unternehmen einerseits mit der Durchführung der Abbrucharbeiten und andererseits mit der Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle beauftrage, so verstehe sich von selbst, dass der Bauherr diesem Unternehmen, welches in diesem Fall als Sammler fungiere, die Abfälle übergebe, was dazu führe, dass das mit der Entsorgung beauftragte Unternehmen als Abfallsammler im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren sei.

16 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der vorliegende Revisionsfall gleicht in seinen wesentlichen Punkten sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der dem Erkenntnis VwGH 28.5.2019, Ro 2018/05/0019, zugrunde liegt. Im Hinblick darauf wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Daraus ist hervorzuheben, dass als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 7.9.2004, Paul Van  de Walle u. a., C 1/03, und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C-188/07) sowie der Materialien zur AWG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011, (1005 BlgNR 24. GP 14), jene Person zu qualifizieren ist, die die wesentliche Ursache ("Tätigkeit") für die Entstehung (den "Anfall") von Abfall gesetzt hat, wobei die Frage, wem die Abfallersterzeugereigenschaft zukommt, anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist.

17 Auf dem Boden der in diesem Erkenntnis dargestellten Rechtslage erweist sich die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die A. GmbH Abfallersterzeuger sei, weil die Abfälle erst durch die tatsächliche Tätigkeit der Abbrucharbeiten angefallen seien und sie die Abfälle in ihrer unmittelbaren Sachherrschaft inngehabt habe, als unzutreffend. Wesentliche Ursache für die Entstehung des Abfalls waren im gegenständlichen Fall nicht die Abbrucharbeiten der A. GmbH, sondern der entsprechende Auftrag der Mitbeteiligten als Bauherrn, die daher als Abfallersterzeuger zu qualifizieren sind. Daran können der Umstand, dass es sich im gegenständlichen Fall um einen Pauschalauftrag der Mitbeteiligten an die A. GmbH gehandelt hat, und die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichtes, dass die Mitbeteiligten keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen hätten, nichts ändern.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Spruchpunktes I. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. März 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB
EuGH 62007CJ0188 Commune de Mesquer VORAB

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019050015.J00

Im RIS seit

18.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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