TE Vwgh Beschluss 2020/3/30 Ra 2020/14/0020

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2019, W238 2177476-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 30. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Begründend brachte er vor, dass die Taliban immer wieder in sein Elternhaus gekommen seien, um ihn für den Kampf im Jihad zu gewinnen.

2 Mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 4309/2019-5, ablehnte und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 2. Jänner 2020, E 4309/2019-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben, der mit Beschluss des BVwG vom 13. Jänner 2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass näher genannte - vom BVwG angenommene - Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers nicht bestünden und die geschilderten Umstände der Rekrutierung mit den Länderberichten und der "Meinung des BFA" im Einklang stünden. Das BVwG habe auch die vom Revisionswerber angegebenen Verletzungsspuren durch den Übergriff der Taliban nicht in Augenschein genommen oder einer Begutachtung zugeführt. Es habe vermeint, der Revisionswerber müsse seine Fluchtgründe beweisen, obwohl die Glaubhaftmachung ausreiche. Zudem stehe dem Revisionswerber keine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazare Sharif oder Herat offen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Das BVwG hat - entgegen dem Vorbringen in der Revision, wonach es vermeint habe, der Revisionswerber müsse seine Fluchtgründe beweisen - im Einklang mit der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN) lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Es hat diesbezüglich nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass die Verfolgungsgründe nicht bewiesen worden seien, sodass deren Glaubhaftmachung zu prüfen sei. Auch die Glaubhaftmachung sei aber aus näher dargelegten Erwägungen nicht gelungen.

11 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN). Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN).

12 Das BVwG ist nach Durchführung einer Verhandlung im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung und unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse im Hinblick auf diverse Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben des Revisionswerbers zum Ergebnis gelangt, dass sich das Vorbringen des Revisionswerbers als unglaubwürdig erwiesen habe. Es gelingt der Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen - das lediglich einzelne der beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG aufgreift und zu entkräften versucht - nicht aufzuzeigen, dass diese insgesamt als unvertretbar einzustufen wären.

13 Wenn sich die Revision schließlich gegen die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wendet, ist darauf hinzuweisen, dass es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, deren Inanspruchnahme auch zumutbar ist, letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall handelt, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN).

14 Das BVwG hat sich umfassend mit dem Vorliegen der Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber in Bezug auf Mazar-e Sharif und Herat auseinandergesetzt und dabei - entgegen dem Vorbringen in der Revision - die aktuellen Berichte zur Lage in Afghanistan ebenso wie die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigt. 15 Vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach es sich bei dem Revisionswerber um einen volljährigen, jungen, gesunden, ledigen und arbeitsfähigen Mann mit ausreichenden Lese- und Schreibkenntnissen sowie Berufserfahrung und zwischenzeitig erworbenen Fähigkeiten handle, der mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne, vermag die Revision nicht darzulegen, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in Mazar-e Sharif und Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, unvertretbar wäre (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0469).

16 Dies gelingt ihr auch nicht mit dem Hinweis auf einen enorm angespannten Arbeitsmarkt. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0436, mwN).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140020.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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