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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des Dr. H J in K, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 28. Februar 2019, VGW- 151/023/15157/2018-10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 19. September 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, vom 12. Februar 2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Dies wurde darauf gestützt, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers zu einer finanziellen Belastung nach § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG führen könnte. Die Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG falle zu Ungunsten des Revisionswerbers aus.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe, dass die Abweisung auch auf § 11 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 NAG gestützt werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Gestützt auf den Akteninhalt sowie die Aussage der - als Zeugin einvernommenen - zusammenführenden Ehefrau des Revisionswerbers, einer Staatsangehörigen Afghanistans, der in Österreich der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden sei, zu den Umständen des Kennenlernens des Revisionswerbers sowie zu den Kontakten zu diesem stellte das Verwaltungsgericht zum einen fest, dass die Ehe zwischen dem Revisionswerber und seiner Ehefrau geschlossen worden sei, um dem Revisionswerber den legalen Aufenthalt in Österreich und Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen; die Entfaltung eines Familienlebens sei nicht beabsichtigt. Dem Antrag, den Revisionswerber im Rechtshilfeweg zur Ehe einzuvernehmen, sei im Hinblick auf das Unmittelbarkeitsprinzip sowie die ohnehin von der Ehefrau zugestandenen mangelnden Kontakte nicht nachzukommen gewesen.
Zum anderen stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Ehefrau über ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.367,42 verfüge. An regelmäßigen Aufwendungen wurden Mietkosten für die Wohnung in der Höhe von EUR 491,25, zuzüglich EUR 51,60 für Energie, sowie Ausgaben für eine Netzkarte der Wiener Linien in Höhe von monatlich EUR 33,- festgestellt.
In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht zum Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG aus, im Hinblick auf den maßgeblichen Richtsatz nach § 293 ASVG sowie die festgestellten regelmäßigen Aufwendungen müsste ein Betrag von EUR 1.680,- zur Verfügung stehen. Die Ehefrau des Revisionswerbers verfüge allerdings (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) nur über ein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 1.592,32. Angesichts der vom Verwaltungsgericht als äußerst zweifelhaft angesehenen Angaben der Ehefrau zum Nicht-Bestehen von Aufwendungen für Telefon, Internet, Warmwasser und Heizung sei zwar von höheren Fixkosten auszugehen. Da die vorhandenen Mittel aber ohnehin nicht ausreichend seien, komme es darauf nicht an und es habe von weiteren Ermittlungen abgesehen werden können. Der vorgelegten "Verpflichtungserklärung" des Bruders der Ehefrau komme keine rechtliche Relevanz zu; zudem seien aktuelle finanzielle Zuwendungen durch diesen auch nicht feststellbar gewesen.
Zum angenommenen Vorliegen einer Aufenthaltsehe hielt das Verwaltungsgericht fest, es habe zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsames Familienleben stattgefunden und dies sei dem Revisionswerber bewusst gewesen. Da es sich bei § 11 Abs. 1 Z 4 NAG um einen absoluten Versagungsgrund handle, sei eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht mehr vorzunehmen gewesen.
Abschließend verwies das Verwaltungsgericht auf das seitens des Revisionswerbers verweigerte Einverständnis zum Entfall der mündlichen Verkündung sowie auf die von diesem erstatteten Einwendungen gegen das Verhandlungsprotokoll.
3 Gegen dieses Erkenntnis wurde - nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat - die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit insbesondere vor, das Verwaltungsgericht habe - im Zusammenhang mit der als vorliegend erachteten Aufenthaltsehe nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG - einen neuen, entscheidungswesentlichen Sachverhalt festgestellt. Dazu habe es dem Revisionswerber aber kein Parteiengehör eingeräumt, es habe die vorgelegten Urkunden zum Beweis des gemeinsamen Familienlebens nicht gewürdigt, die beantragte ergänzende Beweisaufnahme (nämlich die Einvernahme des Revisionswerbers) unterlassen und den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Weder der vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte Unmittelbarkeitsgrundsatz noch die angezogenen verfahrensökonomischen Erwägungen könnten ein Absehen von der beantragten Einvernahme des Revisionswerbers zum Familienleben rechtfertigen. Zudem sei die als Zeugin einvernommene Ehefrau des Revisionswerbers nicht vorab darüber informiert worden, dass Gegenstand der Einvernahme das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sein werde.
7 Wie dargestellt hat das Verwaltungsgericht die Abweisung des Antrags auf mehrere Versagungsgründe gestützt (zum einen auf fehlende Unterhaltsmittel nach § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG und zum anderen auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nach § 11 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 NAG). 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird (vgl. VwGH 14.11.2019, Ro 2019/22/0004, Rn. 32, mwN).
9 Zur Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die monatlichen Kosten für Strom und Gas sowie die Jahreskarte der Wiener Linien zu den notwendigen Ausgaben für die Lebensführung hinzugerechnet habe.
10 Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG darf einem Fremden ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Dies ist nach § 11 Abs. 5 NAG dann der Fall, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen, wobei allerdings einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt bleibt.
11 Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers lässt sich aus dem von ihm ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2016, Ra 2015/22/0153, für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Aus dem Umstand, dass die dort entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als regelmäßige Aufwendungen im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG angesehen wurden, lässt sich für andere - dort nicht gegenständliche - Aufwendungen nichts Gegenteiliges ableiten.
12 Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Betriebskosten von dem in § 11 Abs. 5 NAG verwendeten Begriff der Mietbelastungen erfasst sind (vgl. VwGH 26.1.2012, 2010/21/0346; vgl. weiter die Entscheidungen VwGH 23.1.2020, Ra 2019/22/0236, sowie 21.2.2017, Ra 2016/22/0095, in denen eine Berücksichtigung der Ausgaben für Strom und Gas bzw. der Betriebskosten - implizit - akzeptiert wurde). Schon aus diesem Grund wird eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die zur Verfügung stehenden Mittel den erforderlichen Betrag unterschreiten würden, nicht aufgezeigt, ohne dass auf die Maßgeblichkeit der Ausgaben für die Netzkarte der Wiener Linien einzugehen wäre.
13 Darüber hinausgehendes Vorbringen betreffend die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG enthält die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht, weshalb es der auch diesbezüglich erstatteten Rüge der Verletzung des Parteiengehörs (hinsichtlich der Neuberechnung der Unterhaltsmittel) schon an einer entsprechenden Relevanzdarstellung fehlt (vgl. zur Notwendigkeit einer entsprechenden Relevanzdarstellung bei einer geltend gemachten Verletzung des Parteiengehörs VwGH 27.12.2019, Ra 2017/22/0171, mwN).
14 Da hinsichtlich des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG somit keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen wird, hängt das rechtliche Schicksal der Revision nicht von der Beantwortung der oben (Rn. 6) dargestellten, im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens einer Aufenthaltsehe stehenden Rechtsfragen ab. Gleiches gilt im Übrigen für die in der Revision ins Treffen geführte fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Fehler in der Protokollierung durch Einwendungen gemäß § 15 AVG korrigiert werden.
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220210.L00Im RIS seit
12.05.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020