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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des B E, vertreten durch Mag. Jakob Mahringer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. September 2019, VGW-151/017/10458/2019-1, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Mongolei, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde), mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen worden waren, mit einer hier nicht relevanten Maßgabe ab, die Beschwerde gegen den Bescheid der Behörde, mit dem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Schüler" abgewiesen worden war, zurück und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Soweit für das vorliegende Verfahren relevant, begründete das VwG die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit, dass dem Revisionswerber nicht bloß ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Beschwerdefrist anzulasten sei. Er habe Erfahrung im Umgang mit Behörden; eine Fußverletzung sei keine derart schwere Verletzung, dass der Revisionswerber deshalb wochenlang auf das Schriftstück, welches er nach der Behebung bei der Post in seine Jackentasche gesteckt hatte, vergessen habe. Daher sei von den diesbezüglich gestellten Beweisanträgen (Vernehmung einer Zeugin) abzusehen gewesen. 5 In ihrer Zulässigkeitsbegründung führt die Revision aus, das VwG sei von der hg. Rechtsprechung insoweit abgewichen, als es sich zu Unrecht über die Beweisanträge hinweggesetzt habe (vorgreifende Beweiswürdigung, Hinweis auf VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0302). Hätte es den Revisionswerber und die namhaft gemachte Zeugin befragt, wäre hervorgekommen, dass die erlittene Sportverletzung schmerzhaft und geeignet gewesen wäre, infolge einer Ablenkung ein Vergessen auf das von ihm behobene Schriftstück herbeizuführen. Die Fristversäumnis habe auf einem minderen Grad des Versehens beruht, sodass der Wiedereinsetzungsantrag zu bewilligen gewesen wäre. 6 Nach ständiger hg. Rechtsprechung stellt eine Erkrankung einen Wiedereinsetzungsgrund nur dann dar, wenn diese einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit zur Folge hatte und so plötzlich und so schwer auftrat, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage war, die nach Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen. Dabei ist nicht die subjektive Einschätzung der Erkrankung für die Unabwendbarkeit des Hindernisses maßgebend, sondern die objektivierbare Gebotenheit aus medizinischer Sicht, welche sich aus der Art und Schwere der Erkrankung ergibt; diese ist grundsätzlich anhand medizinischer Befunde und daraus abgeleiteter ärztlicher Schlussfolgerungen zu beurteilen (vgl. etwa VwGH 8.6.2015, Ra 2015/08/0005; 29.4.2008, 2007/05/0088, mwN). 7 Im vorliegenden Fall war es daher für die Dartuung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes nicht erforderlich, den Revisionswerber und die Zeugin zu vernehmen; dass letztere über medizinische Fachkenntnisse verfüge, wurde nicht vorgebracht. Das VwG konnte vielmehr davon ausgehen, dass eine Verstauchung im Bereich des Fußes keine Erkrankung darstellt, die als Wiedereinsetzungsgrund tragfähig gewesen wäre, zumal im Wiedereinsetzungsantrag Ausführungen zur medizinisch indizierten Dispositionsunfähigkeit fehlen (vgl. nochmals VwGH 2007/05/0088, mwN). Insofern unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt wesentlich von jenem, der dem in der Revision zitierten hg. Erkenntnis Ra 2018/18/0302 (Frage der Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes) zugrunde lag.
8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
9 Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 2. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220219.L00Im RIS seit
12.05.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020