TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 96/11/0190

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 lita;
KFG 1967 §69 Abs1 litd;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. Franz Hufnagl, Rechtsanwalt in Gmunden, Marktplatz 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 31. Mai 1996, Zl. VerkR-391.992/4-1996/Kof, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A/125 cm3, B und F wegen mangelnder körperlicher und geistiger Eignung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm vor Wiedererlangung der körperlichen und geistigen Eignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die bekämpfte Entziehungsmaßnahme beruht auf der Annahme, dem Beschwerdeführer mangle die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit sowie die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Die belangte Behörde stützte diese Annahme auf das von ihr eingeholte ärztliche Gutachten vom 15. April 1996. Dieses beruht seinerseits auf dem Ergebnis einer verkehrspsychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers am 24. Jänner 1996. Der in der Folge ausgestellte Befund vom 30. Jänner 1996 kommt zum Ergebnis, daß insgesamt keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mehr gegeben sei. Es liege beim Beschwerdeführer bereits ein Abbau in einem Ausmaß vor, daß ein sicheres und angepaßtes Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht mehr gewährleistet sei; es bestünden deutliche Schwächen in den Bereichen visuelle Auffassung, verkehrsspezifische Überblicksgewinnung, Reaktionsverhalten und Konzentrationsfähigkeit. Hinsichtlich der Persönlichkeit des Beschwerdeführers habe sich ergeben, daß bei ihm die zur Vermeidung künftiger "Trunkenheitsfahrten" nötigen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Es sei daher auch die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht in ausreichendem Maße gegeben.

Der Großteil der Beschwerdeausführungen hat das angebliche Fehlen ausreichender Verdachtsmomente als Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens zum Gegenstand. Nach Meinung des Beschwerdeführers seien begründete Bedenken im Sinne des § 75 Abs. 1 KFG 1967 nie vorgelegen. Dieses Vorbringen geht ins Leere, weil es sich beim angefochtenen Bescheid nicht um einen Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 handelt, bei dem die aufgeworfenen Fragen zu prüfen wären, sondern bereits um einen Entziehungsbescheid wegen mangelnder geistiger und körperlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

Was das Vorbringen betreffend die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers anlangt, verkehrspsychologische Tests hätten nur eine bedingte Aussagekraft hinsichtlich der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen und es sei eine allgemein bekannte Tatsache, daß diese Tests von Personen mit niedriger Schulbildung nur schwer zu schaffen seien, ist festzuhalten, daß verkehrspsychologische Tests durchaus geeignet sind, eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einer Person zu bilden. Im übrigen setzt die Absolvierung der Tests zur Untersuchung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit weder besondere Bildung noch hohe Intelligenz voraus. Sie sind vielmehr so angelegt, daß sie auch für Personen ohne diese Eigenschaften aussagekräftig sind (vgl. das vorhin zitierte Erkenntnis vom 23. April 1996), demnach auch für Personen mit niedriger Schulbildung.

Grundlage der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers sind offenbar die in einer Beilage zum verkehrspsychologischen Befund angegebenen, bei den einzelnen Test erzielten Testwerte. Die daraus abgeleiteten Beurteilungen der einzelnen Leistungsfunktionen sind allerdings mangels Angabe der der jeweiligen Beurteilung zugrunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, daß den in diesem Befund enthaltenen Aussagen wie "vermindert", "stark herabgesetzt", "deutlich verlängert", "signifikant erhöht" mangels Bezugnahme auf den jeweiligen Grenzwert nicht entnehmbar ist, ob dieser erreicht oder verfehlt wurde (und in welchem Ausmaß).

Ein solcher Mangel haftet auch der negativen Beurteilung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der nötigen Bereitschaft zur Verkehrsanpassung an. Insoweit führt der verkehrspsychologische Befund vom 30. Jänner 1996 zwar die angewandten Tests und die bei den einzelnen Skalen erzielten Testwerte an, nicht jedoch die nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie jeweils maßgebenden Grenzwerte. Damit fehlt eine wesentliche Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der aus den einzelnen Testwerten gezogenen Schlußfolgerungen.

Das auf den Verkehrspsychologischen Befund vom 30. Jänner 1996 gestützte Gutachten, auf welches die belangte Behörde ihre Auffassung gründet, der Beschwerdeführer besitzte nicht mehr die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, ist sohin nicht schlüssig, sodaß die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung auf einen mangelhaften Ermittlungsverfahren beruht. Dies hat zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu führen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten Ersatz von Umsatzsteuer neben dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand (dieser umfaßt bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer) und von Stempelmarken (insoweit waren insgesamt S 420,-- zuzusprechen: S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen, S 60,-- für den angefochtenen Bescheid).

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Grundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996110190.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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