TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/11 I408 2152428-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2019
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Entscheidungsdatum

11.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2152428-1/36E

Schriftliche Ausfertigung des am 17.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2017, XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 23.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 und 3 wurde festgestellt, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

2. Mit ho. Erkenntnis vom 06.09.2019, I408 21524, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Mit Beschluss des VfGH vom 27.11.2018, E 3365/2017-16, wurde diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.), gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III.)und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV.), abgewiesen wurde, behoben.

4. Am 17.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der mit dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung die Lage in Ägypten auf Basis der mit der Ladung übermittelten Länderberichtes zu Ägypten (Stand 24.07.2019) sowie sein Privatleben in Österreich erörtert und die gegenständliche Entscheidung verkündet wurde.

5. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 18.09.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Vorweg ist festzuhalten, dass die Entscheidung der belangten Behörde zu Spruchpunkt I. (Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten) in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens, christlichen Glaubens (Kopte) und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund von zwischenzeitlich vorgelegten Dokumenten fest.

Der Beschwerdeführer hält sich nach illegaler Einreise seit Oktober 2015 im Bundesgebiet auf. Er ist ledig, unbescholten und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Seine Eltern, zwei Brüder und weitere Angehörige leben weiterhin in Ägypten. Seine Schwester ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in den Vereinigten Staaten. Seine Eltern sind in einer Schule beschäftigt und konnten ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen. Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre die Universität und arbeitete zuletzt im Internetcafe seines Großvaters. Er konnte damit zwar seinen Lebensunterhalt bestreiten, das Einkommen reichte aber nicht, um sich etwas anzusparen. Seiner Familie geht es in Ägypten gut und sie besucht regelmäßig den Gottesdienst.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder Verwandte. Er lebt mit einem Angehörigen der koptischen Gemeinde in Wien in einer Zweizimmerwohnung. Bis März 2018 bezog er Leistungen der Grundversorgung. Seit 13. März 2018 ist er mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet, die aber nicht mit dem Beschwerdeführer zusammenlebt, sondern sich in Bulgarien aufhält. Wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 05.03.2019, XXXX, rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen a' € 4, das sind € 380, rechtskräftig verurteilt. Seit April 2019 steht der Beschwerdeführer in einem Beschäftigungsverhältnis und verdient damit ca. € 1.300 im Monat. Zuvor bestritt er seinen Lebensunterhalt über Gelegenheitsarbeiten. Der Beschwerdeführer ist aktiv in der koptischen Gemeinde tätig, hat am 25.01.2019 im Rahmen der Integrationsprüfung Deutsch auf Niveau A2 erfolgreich abgeschlossen und am 04.02.2018 bei einem Schachturnier teilgenommen.

Wie schon eingangs festgestellt, konnte keine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers festgestellt werden.

In Bezug auf die Sicherheitslage, der Situation für Kopten und der wirtschaftlichen Situation/Grundversorgung werden nachstehende

Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage:

2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi die Macht und sorgt seither für Stabilität im Land.

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der

Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation "Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik.

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-

AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-

FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-

FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.201

Situation der Kopten:

Kopten, die etwa 10 % der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wieder aufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 25.2.2019).

Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 24.6.2019a).

Es gab Vorfälle von Gewalttätigkeit und Selbstjustiz des Mobs, insbesondere sektiererische/ religiös motivierte Gewalt gegen koptisch-christliche Ägypter. Anfang Juli 2018 griff ein Mob von Muslimen die Häuser der Kopten im Dorf Minbal an, nachdem ein Kopte angeblich Inhalte über Social Media, die den Islam beleidigten, veröffentlicht hatte. Nach der Gewalttat verhaftete die Polizei mehr als 90 Muslime. Die Polizei verhaftete auch den Kopten, der angeblich den Social Media Post veröffentlicht haben soll. Alle Verhafteten wurden Ende des Monats freigelassen, mit Ausnahme eines Angeklagten, der beschuldigt wurde, den Angriff angestiftet zu haben (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 9.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

wirtschaftlichen Situation/Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten:

Wirtschaft,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf.

Zugriff 9.7.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/. Zugriff 9.7.2019

Es ist daher davon auszugehen, dass ein junger, gut ausgebildeter ägyptischer Staatsbürger, der im Land über familiären Rückhalt verfügt, bei einer Rückkehr nicht in eine lebens- oder existenzbedrohliche Lage gerät. Kopten sind als religiöse Minderheit nicht frei von Diskriminierungen und in Einzelfällen terroristischen Anschlägen ausgesetzt, bilden aber immerhin 10% der ägyptischen Bevölkerung und stehen in ihrer Religionsausübung unter staatlichem Schutz.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Einvernahme am 01.03.2017) in den beiden mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2017 und 17.09.2019 sowie den von ihm im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen bzw. vom Gericht eingeholten Abfragen aus ZMR, GVS und Strafregister. In der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 wurden zudem mit dem Beschuldigten die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen, insbesondere der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27.11.2018, E 3365/2017-16, und der Länderbericht zu Ägypten mit Stand 24.07.2019 erörtert.

Die Identität des Beschwerdeführers, Staatsbürgerschaft und religiöses Bekenntnis ergeben sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Die in Ägypten noch immer bestehenden familiären Anknüpfungspunkte sowie seine schulische Ausbildung bzw. seine letzte Beschäftigung in Ägypten beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers. Dass seine Familie in Ägypten gut lebt und dort auch regelmäßig die Messe besuchen kann, hat der Beschwerdeführer selbst in der mündlichen Verhandlung am 18.08.2017 angeführt. Auch in der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 bezeichnete er die Situation seiner Familie als gut, auch wenn er dieses Mal auf Diskriminierungen hinwies, ohne diese näher zu benennen, denen Kopten in Ägypten ausgesetzt sind. Die seine Person betreffenden Probleme, die er in diesem Zusammenhang erwähnte, sind bereits als unglaubhaft beurteilt wurden und nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen Angaben. Sein Beschäftigungsverhältnis und die Höhe seines derzeitigen Einkommens sind durch die von ihm vorgelegten Unterlagen sowie durch den eingeholten SV-Auszug dokumentiert und dass er seit seiner Eheschließung bzw. des Wegfalles der Grundversorgung seinen Lebensunterhalt über Gelegenheitsarbeiten bestritten hat, ist seinen diesbezüglichen Angaben zu entnehmen.

Dass er eine Aufenthaltsehe geschlossen hat und in Österreich kein Familienleben führt bzw. seine Ehefrau in Bulgarien lebt, beruht ebenfalls auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, der Heiratsurkunde und der dazu ergangenen strafgerichtlichen Verurteilung, die durch den Strafregisterauszug und das eingeholte Strafurteil dokumentiert ist.

Bezüglich der Feststellungen der Situation in Ägypten, insbesondere in Bezug auf die Kopten, stützt sich der erkennende Richter auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 24.07.2019 und den darin genannten Quellen. Diese wurden mit dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erörtert. Der Beschwerdeführer stellte, ohne konkret zu werden, in den Raum, dass diese Berichte nicht die Realität widergeben und aus seinem erstmaligen Vorbringen, dass Präsident Mursi aus seinem Heimatort stamme und dass man den Kopten die Schuld an seinem Sturz gebe, ist keine daraus resultierende Verfolgungsgefahr abzuleiten. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf seine Aussagen hingewiesen, dass seine Familie regelmäßig die Kirche besucht und die Sicherheit der Kirchengänger von Sicherheitskräften gewährleistet wird. Aus der von der Rechtsvertretung angeführten Anfragebeantwortung vom 18.03.2019 zur Lage koptischer ChristInnen ist für den Beschwerdeführer ebenfalls nichts gewonnen, weil dort auch nur auf Einzelvorfälle hingewiesen wird, die ebenso im aktuelleren Länderbericht ihren Niederschlag finden.

Aus all diesen Quellen geht zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine für ihn ausweglose oder existenzbedrohende Lage gerät.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

Dieser Abspruch ist bereits in Rechtskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH, 26.06.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH, 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht dargelegt bzw. nicht glaubhaft gemacht. Auch wenn Kopten, wie jede Minderheit, in Einzelfällen Benachteiligungen und Diskriminierungen, ausgesetzt sind, führt das nicht automatisch dazu, dass sie in diesem Land nicht leben können und dort keine Lebensgrundlage mehr vorfinden. So haben sich die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, die weiterhin in Ägypten leben, dort eine gesicherte Existenz aufgebaut, waren in der Lage, ihren Kindern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen und können dort auch Ihre Religion ausüben.

Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides - im Umfang des ersten Spruchteiles - abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, zweiter Spruchteil):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH, 05.06.2019, Ra 2019/18/0078; 25.04.2018, Ra 2018/18/0187;

06.09.2017, Ra 2017/20/0209; 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072;

20.06.2017, Ra 2017/22/0037).

Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).

Im gegenständlichen Fall liegt eine derart außergewöhnliche Konstellation nicht vor. Der Beschwerdeführer hält sich seit knapp vier Jahren im Bundesgebiet auf. Selbst unter Berücksichtigung der Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass er aufgrund des seit April 2019 bestehenden Beschäftigungsverhältnis selbsterhaltungsfähig ist, besteht allein dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer mit dem Eingehen einer Aufenthaltsehe straffällig geworden ist.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt, wie bereits ausgeführt, nicht vor und beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben, zumal er gesund und damit erwerbsfähig ist. Er ist in Ägypten hauptsozialisiert, mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten vertraut und kann bei einer Rückkehr auf familiäre Unterstützung zugreifen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des zweiten Spruchteiles von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, dritter Spruchteil):

Mit angefochtenem Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides - im Umfang des dritten Spruchteiles - abzuweisen.

3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, berücksichtigungswürdige Gründe,
Ersatzentscheidung, freiwillige Ausreise, Frist, Interessenabwägung,
mündliche Verhandlung, mündliche Verkündung, real risk, reale
Gefahr, Rückkehrentscheidung, schriftliche Ausfertigung, subsidiärer
Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2152428.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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