TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W189 2218669-1

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W189 2218668-1/10E

W189 2218669-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Timo GERERSDORFER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2019, Zlen. 1.) 1039939801-150045155 und 2.) 1008923606-150045210, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Vorbringen der Beschwerdeführer steht in einem derartigen Zusammenhang bzw. ist soweit miteinander verknüpft, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet. Gemeinsam werden sie als die "BF" bezeichnet.

1. Die BF reisten am 11.01.2015 legal mit ihren Reisepässen und einem Touristenvisum-C in das Bundesgebiet ein und stellten am 14.01.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.1. Am selben Tag wurde BF1 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Befragung unterzogen und gab an, dass er ukrainischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Ukrainer angehöre, christlich-orthodoxen Glaubens und verheiratet sei. Er spreche die Sprachen Ukrainisch, Russisch und Englisch. Im Herkunftsstaat habe er die Schule und die Universität in Donezk besucht und zuletzt als Selbstständiger (Möbelgeschäft) gearbeitet. Die BF hätten über ein Visum C verfügt und seien bereits mehrmals nach Österreich ein- und ausgereist. Sie hätten zunächst einen Antrag in Kroatien gestellt, seien aber wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates aufgefordert worden nach Österreich zu gehen. Zu den Fluchtgründen brachte BF1 vor, dass die BF ein Möbelgeschäft betrieben hätten, wo ihnen ein Pro-Russischer Separatist gesagt hätte, sie sollen das Land verlassen. Nachdem sie das bereits getan hätten, hätten bewaffnete Separatisten die BF in ihrem Haus gesucht. Aus diesem Grund fürchten die BF um ihr Leben.

1.2. BF2 gab ihrerseits an, dass sie ukrainische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Ukrainer angehöre, christlich-orthodoxen Glaubens und verheiratet sei. Sie spreche die Sprachen Ukrainisch, Russisch, Englisch und Japanisch. Im Herkunftsstaat habe sie die Schule in Kiew und die Universität in Donezk besucht. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass ein benachbarter Geschäftsführer im Einkaufszentrum ihnen gesagt hätte, sie sollen verschwinden, wenn sie nicht umgebracht werden wollen. Aufgrund des Krieges in der Region Donezk hätten die BF, da sie Ukrainer seien, ihre Geschäfte verlassen müssen, zumal sie nicht abschätzen können, wie lange dieser andauern würde.

2. Am 03.05.2017 wurden BF1 und BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur niederschriftlichen Einvernahme geladen.

2.1. BF1 besserte eingangs seiner Befragung Daten aus der Erstbefragung aus, und zwar sei die Ausreise aus Donezk am 02.03.2014 nach Istanbul erfolgt; in Ungarn seien die BF zu einem späteren Zeitpunkt gewesen. Weiters führte BF1 aus, dass er Zugehöriger der russischen Volksgruppe sei. Er spreche die Sprachen Russisch, Ukrainisch und Englisch. Im Herkunftsstaat habe er ein Hochschulstudium absolviert und den Diplomingenieur gemacht. Er sei Selbstständiger gewesen und habe ein Möbelgeschäft geführt. Zu den Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, dass er in Donezk aufgrund seiner pro-europäischen Gesinnung von den Separatisten verfolgt worden sei. Die BF würden auf einer "schwarzen Liste" stehen und seien ihre Verfolger in der Lage, sie überall in der Ukraine zu finden, zumal im Land eine extreme Korruption herrsche. Deshalb seien die BF am 02.03.2014 nach Istanbul geflüchtet. Danach seien sie nach einem kurzen Aufenthalt in Kiew im April 2014 nach Österreich gegangen. Nach ihrer Rückkehr in Kiew, wo sich der Aufenthalt aufgrund von Diskriminierungen und Wohnungssuche sehr schwierig gestaltet habe, seien sie im Juli 2014 in die Westukraine gegangen, wo sie ebenso Diskriminierungen ausgesetzt worden seien. Nachdem sie wieder in Kiew gewesen seien, hätten sie schließlich im August 2014 das Land verlassen und seien nach Kroatien gegangen und zwar bis 11.01.2015, als sie nach Österreich gekommen seien. Der BF1 fürchte zudem für den Fall einer Rückkehr kämpfen zu müssen, was er keinesfalls wolle. Zu den Umständen im Bundesgebiet führte er an, dass er Deutsch lerne, Integrationskurse und einen B2 Deutschkurs besucht habe. Die BF leben von Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF hätten bereits Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. Für die Zukunft stelle sich BF1 vor, für die ÖMV zu arbeiten. Auch könne er sein Hobby (Photographie) als Beruf ausüben. In Österreich lebe die Verwandte von BF2, die österreichische Staatsbürgerin sei. In der Ukraine lebe auch weiterhin die Mutter von BF1.

2.2. Die Einvernahme von BF2 musste abgebrochen werden, weil es dieser gesundheitlich nicht gut ging.

2.3. Am 10.10.2017 wurde BF2 erneut vor dem BFA geladen und niederschriftlich einvernommen. Sie nehme regelmäßig Beruhigungsmittel und befinde sich in Therapie; sie habe Schmerzen im Rückenbereich und Brustbereich. Auch berichtigte sie Angaben aus ihrer Erstbefragung, und zwar zur schulischen Ausbildung und der Ausreise aus dem Herkunftsstaat. Weiters gab sie an, dass sie der Volksgruppe der Ukrainer angehöre und orthodoxen Glaubens sei. Sie habe die Schule besucht und den Hochschulabschluss in Sprachen, und zwar Japanisch und Englisch, sowie in Marketing, absolviert. Sie habe als Selbstständige gearbeitet und Unterwäsche verkauft. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass die BF in Donezk als Verräter beschimpft und mit dem Tod bedroht worden seien. In Kiew seien sie zur Polizei gegangen, die sie jedoch ausgelacht und wieder weggeschickt hätte. Ihnen sei dort keine Unterkunft vermietet worden und sie hätten große Probleme gehabt. Mit der Zeit sei auch der Gesundheitszustand von BF2 immer schlechter geworden; sie habe schwere Depressionen bekommen jedoch sei ihr die Versorgung in Kiew verweigert worden, obwohl sie Geld gehabt habe. BF2 habe Angst um ihr Leben und jenes ihres Mannes, zumal dieser Russe sei und im Rest der Ukraine Probleme bekomme. Auch wolle sie nicht, dass er in den Wehrdienst einberufen werde. Im Bundesgebiet habe BF2 eine Tante, die österreichische Staatsbürgerin sei, zu der sie in Kontakt stehe. Weiters würden die BF Deutsch lernen und von der Grundversorgung leben. BF2 habe keine Freunde oder sonstigen sozialen Kontakte zu Österreichern und besuche, abgesehen von den Deutschkursen, keine weiteren Kurse, Schulen oder Universitäten. Im Herkunftsstaat würden ihre Eltern und die Großmutter leben, und zwar in XXXX . Die BF habe regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter.

3. Am 07.03.2019 wurden die BF erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

3.1. BF1 gab an, dass er an einem chronischen Cervikalsyndrom leide und Gallenblasenpolypen habe. Auch sei er depressiv, könne jedoch nicht zum Psychologen, weil das zu teuer sei. Weiters führte er an, dass seine Mutter im Oktober 2018 verstorben sei und er im Herkunftsstaat keine Angehörigen mehr habe. Zu den Fluchtgründen gab er befragt an, dass die Bedrohung von den Terroristen, die jetzt in Donezk an der Macht seien, kommen würde und wiederholte sein Vorbringen, wonach die BF auf einer "schwarzen Liste" seien und er zudem nicht in den Wehrdienst wolle. Zur persönlichen Bedrohung führte er an, dass XXXX , der die BF am 01.03.2014 mit dem Tod bedroht hätte, Kommandant bei den Terroristen geworden sei. Seine Mutter hätte ihm berichtet, dass er bewaffnet in die Arbeit fahre, was am 01.03.2014 von der Regierung erlaubt worden sei. Die BF würden auch weiterhin von der Grundversorgung leben, kulturellen Aktivitäten nachgehen und ihre Bekanntschaften und Freundschaften im Bundesgebiet pflegen.

3.2. BF2 führte ihrerseits an, dass sie Antidepressiva und Schmerztabletten, sowie Xanor aufgrund ihrer Angstzustände, einnehme. Sie habe Depressionen, Angstzustände, Muskelverspannungen und Polypen. Die Fluchtgründe seien dieselben, wie jene ihres Ehemannes. Befragt gab sie zu Protokoll, dass sie nicht bereits beim ersten Mal in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten, in der Hoffnung, dass sich die Situation in der Ukraine beruhigen würde. Weiters erzählte sie von ihrem Verfolger namens XXXX , der die pro-russische Seite vehement vertreten habe und mit der Zeit immer aggressiver geworden sei; dieser habe die BF auf die "schwarze Liste" gesetzt und sie am 01.03.2014 auch bedroht. Zudem hätten die pro-russischen Terroristen Zugang zu allen Daten bekommen (Steuernummern, Adressen, etc.) und hätten sogar nach den BF gesucht, als diese die Region bereits verlassen hatten. Die BF können nicht in einen anderen Teil der Ukraine ziehen, weil sie es bereits versucht hätten, es ihnen aufgrund der Diskriminierungen jedoch unmöglich gewesen sei, dort Fuß zu fassen. Die BF2 habe Angst, weil die Ukraine sehr korrupt sei; die Terroristen hätten alle Daten und würden die BF einfach beseitigen. Zu den Umständen im Bundesgebiet führte sie an, dass die BF Leistungen aus der Grundversorgung beziehen und privat bei einem Freund wohnen würden. Sie sei Mitglied in einem Sportclub, mache Yoga und Pilates und besitze den Wiener Kulturpass. In Zukunft würde sie im Bundesgebiet gerne im Marketingbereich arbeiten, oder ihre Sprachkenntnisse anwenden. Im Herkunftsstaat leben auch weiterhin ihre Eltern, Großeltern und weitere Verwandte, die alle in XXXX , wohnen würden. Sie habe Kontakt zu ihrer Mutter.

Am Ende ihrer jeweiligen Einvernahmen wurde den BF die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu den Länderberichten zur Lage im Herkunftsstaat gewährt.

Vor dem BFA vorgelegt wurden:

* Reisepässe der BF;

* Heiratsurkunde der BF;

* Schengen Visum C der BF, ausgestellt in Kiew gültig von 01.04.2014 bis 31.03.2015;

* Deutschkurs-Bestätigung des ÖIF vom 27.04.2016 betreffend BF1;

* Deutschkurs-Bestätigung des ÖIF vom 13.04.2016 betreffend BF2;

* Kursbesuchsbestätigungen der VHS Wien vom 10.08.2016 (A2), 24.08.2016 (A2+) 22.11.2016 (B1, Teil 1+2) und 27.01.2017 und 05.04.2017 (B1) betreffend BF1 und BF2;

* Kulturpass des ÖIF der BF;

* Ärztlicher Befund vom 25.02.2019 von Dr. med. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin betreffend BF1;

* Ärztlicher Befund vom 25.02.2019 von Dr. med. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin betreffend BF2;

* Ärztlicher Befund vom 05.05.2017 von Dr. med. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, betreffend BF2;

* Befundbericht vom 30.10.2017 XXXX , FÄ für Psychiatrie betreffend BF2.

* Befund von Dr. XXXX , Facharzt für Frauenheilkunde vom 14.02.2019 betreffend BF2;

* Diplom von BF1 (Bauingenieur);

* Empfehlungsschreiben für die BF.

4. Mit Eingabe vom 20.03.2019 in englischer Sprache brachten die BF eine Stellungnahme zu den Länderberichten ein, in welcher bestimmte allgemeine Passagen gekennzeichnet wurden. Gleichzeitig führten sie insbesondere an, dass sie sich (in Kiew) nicht haben registrieren lassen können bzw. wollen, weil sie sich der Gefahr ausgesetzt hätten, gefunden zu werden.

5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 46 FPG die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides (Spruchpunkt VI.).

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die BF nicht in der Lage gewesen seien, eine Bedrohungssituation iSd. Genfer Flüchtlingskonvention darzulegen, da sie weder aus Gründen der politischen Gesinnung, der Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Rasse, ihrer Religion, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden seien. Die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein reales Risiko einer derart extremen Gefahrenlage vorliege, welches einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle würde und somit einer Rückführung der BF in ihr Heimatland entgegenstehen würde. Schließlich bestünden im Bundesgebiet keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte oder eine außerordentliche Integration, weshalb das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden könne. Insbesondere sei der Aufenthalt im Bundesgebiet während der gesamten Dauer des Asylverfahrens nie als sicher anzusehen gewesen, zumal die BF einzig und allein auf Grund ihres Asylantrages zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen seien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die BF bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, nicht gegeben seien.

6. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Eingangs wurde unter Vorlage ergänzender Unterlagen ausgeführt, dass die vom BFA dem Verfahren zugrunde gelegten Länderberichte teilweise unvollständig seien und sich nicht auf den erst kürzlich neu gewählten Präsidenten beziehen würden, weshalb die künftigen politischen Änderungen in der Ukraine nicht absehbar seien. Der BF1 unterstütze den westlich orientierten Kurs der Ukraine und lehne die Diskriminierung der Russisch-Sprachigen in der Ukraine ab. Dies führe dazu, dass er Diskriminierungen zu befürchten habe, und zwar insbesondere von Seiten der russischen Separatisten, die ihn des Verrates bezichtigen würden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben. Der Beschwerde beigelegt wurden Ausbildungszeugnisse von BF1, wonach er ausgebildeter Bergbau-Ingenieur ist, diverse Zeitungsberichte über Präsident Selenskyi, Wikipedia Artikel über "Russophobie", "Ruthenen", "Russophilie", "Holodomo" sowie diverse Artikel über die russische Sprache in der Ukraine und ein Artikel über die russische Sichtweise über den Ukrainekonflikt, die Nato und die EU.

7. Mit Eingabe der Rechtsvertretung vom 08.05.2019 wurden zahlreiche Unterlagen in Vorlage gebracht, unter anderem der Korruptions-Wahrnehmungs-Index von Transparency International (Auszug aus Wikipedia) sowie weitere Medienberichte, die die "tatsächliche" Lage in der Ukraine, insbesondere in der Ostukraine, abseits der "offiziösen Angaben" mit "merkbare diplomatischer Zurückhaltung" der durch die Behörde herangezogenen Länderberichte, darstellen sollen. Moniert wurde weiters, dass man bei einer polizeilichen Anzeige auch niemals wissen würde, auf welcher Seite der sachbearbeitende Polizist stehe. Die weiteren in Vorlage gebrachten Beilagen würden sich auf die Mittäterschaft Österreichs bei der Aktivität von Geheimdiensten, insbesondere der sowjetischen und post-sowjetischen, beziehen, um aufzuzeigen, wie gefährlich und einflussreich der russische (sowjetische) Staatsapparat und wie präsent er innerhalb der österreichischen Polizei sei. In diesem Zusammenhang wurden auch Berichte über diverse, auch prominente Opfer der Geheimdienste vorgelegt.

8. Mit Schreiben der Rechtsvertretung vom 27.06.2019 wurde eine Beschwerdeergänzung eingebracht, in welcher erneut die Zustände der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere der Ukraine, laut ausgewählten Medienberichten interpretiert wurden.

9. Am 26.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, zu welcher die BF und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Die Behörde verzichtete mit Schreiben vom 19.07.2019 aus dienstlichen und personellen Gründen an der Teilnahme und ist ein Behördenvertreter nicht erschienen. In der Verhandlung wurde BF1 und BF2 die Möglichkeit eingeräumt, zu ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen ausführlich Stellung zu beziehen. Auch wurden die Integration der BF und die Gründe, die gegen eine Rückkehr sprechen, erörtert. Am Ende der Befragung wurde der Rechtsvertretung die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme zu den im Verfahren herangezogenen Länderberichten abzugeben.

In der Verhandlung vorgelegt wurden: Kursbesuchsbestätigungen aus dem Jahr 2016 und 2017 betreffend Deutschkurs A1+ und Deutsch B1, ein Zertifikat über das ehrenamtliche Engagement betreffend BF1 vom 07.08.2019, ausgestellt von Wikimedia Österreich, Bestätigung der Caritas vom 27.06.2019 über die ehrenamtliche Beschäftigung in einem Lerncafé betreffend BF2, Antrag des AMS vom 20.09.2019 betreffend ein Volontariat hinsichtlich BF2 in der Dauer vom 14.10.2019 bis 20.12.2019, ein Schreiben der XXXX Unternehmensberatung vom 24.09.2019 betreffend in Aussichtstellung einer Beschäftigung der BF2, Benützungskarte der österreichischen Nationalbibliothek, Mitgliedskarte der Sportunion von BF2 und diverse Empfehlungsschreiben für die BF.

10. Mit Eingabe der Rechtsvertretung vom 11.10.2019 wurden Integrationsunterlagen der BF in Vorlage gebracht, und zwar Dienstleistungschecks lautend auf den Namen von BF1 und BF2, jeweils eine Prüfungsantrittsbestätigung für BF1 und BF2 für die Integrationsprüfung A2 am 05.10.2019, sowie jeweils eine Gewerbeanmeldung vom 10.10.2019 betreffend BF1 und BF2 zur Ausübung des freien Gewerbes "Berufsfotograf".

11. Mit Eingabe der Rechtsvertretung vom 11.11.2019 wurden weitere Integrationsunterlagen der BF vorgelegt, und war jeweils das Zeugnis von BF1 und BF2 über die Absolvierung der Integrationsprüfung A2 am 05.10.2019, jeweils ein Fotoshooting-Vertrag vom 17.10.2019 betreffend BF1 und BF2 sowie zwei Zahlungsbelege der BF aus der selbständigen Arbeit als Fotografen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der BF, beinhaltend die Erstbefragung der BF am 14.01.2015, ihre jeweiligen Einvernahmen vor dem BFA am 03.05.2017, 10.10.2017 und 07.03.2019, sowie die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2019, und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine, aktualisiert am 29.05.2019, sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.11.2016, fallbezogen zur Situation der IDPS in der West-Ukraine.

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität der BF steht fest. Sie sind Staatsangehörige der Ukraine. BF1 ist Angehörige der russischen und BF2 der ukrainischen Volksgruppe. Sie bekennen sich zum russisch-orthodoxen Glauben und sind miteinander verheiratet. Im Herkunftsstaat besuchte BF1 die Schule, machte den Magisterabschluss (Diplomingenieur) und ist Spezialist für Automatisierung technologischer Prozesse. BF2 besuchte ebenso die Schule und absolvierte danach den Magister in Sprache und Literatur (Japanisch und Englisch) sowie ein Bakkalaureat in Philologie und Marketing.

Die BF arbeiteten im Herkunftsstaat als Selbstständige: BF1 führte ein Möbelgeschäft und BF2 zwei Unterwäschegeschäfte in einem Einkaufszentrum. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren überdurchschnittlich gut.

Die BF sind nicht lebensbedrohlich erkrankt und stehen im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Die BF reisten am 02.03.2014 nach Istanbul; nach einem kurzen Aufenthalt in Kiew sind sie im April 2014 nach Österreich gekommen. Nach einer abermaligen Rückkehr in Kiew, sind die BF im Juli 2014 in die Westukraine (Iwano-Frankowsk) gezogen. Nach einem erneuten Aufenthalt in Kiew, haben die BF im August 2014 das Land verlassen und sind nach Kroatien gegangen wo sie bis zum 11.01.2015 verblieben sind, um danach nach Österreich zu kommen.

Am 14.01.2015 stellten die BF die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevanten Merkmalen anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären. Die BF können jedenfalls in ein von den von Unruhen weit entferntes Gebiet in der Ukraine und wo die Lage ruhig ist, wie zum Beispiel in Kiew, ziehen.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die BF an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.

Im Bundesgebiet lebt die Cousine der Mutter von BF2, die österreichische Staatsbürgerin ist. Es besteht kein gemeinsamer Wohnsitz oder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu dieser. Darüber hinaus haben die BF keine Verwandten oder Familienangehörigen im Bundesgebiet.

Die BF leben seit Jänner 2015 in Österreich. Sie beherrschen die deutsche Sprache auf einem ansprechenden Niveau und haben am 05.10.2019 die Integrationsprüfung A2 bestanden. Sie haben am 10.10.2019 das Gewerbe als Berufsfotograf angemeldet und arbeiten mit Dienstleistungschecks. Die BF verfügen über ein Schreiben betreffend die in Aussichtstellung einer Beschäftigung der BF2, die auch im Besitz des österreichischen Führerscheines ist. Über die Zeit haben sich die BF einen Freundschafts- und Bekanntenkreis aufgebaut. BF1 engagiert sich ehrenamtlich für Wikimedia Österreich; BF2 arbeitet ehrenamtlich für die CARITAS und hat sich beim AMS für ein Volontariat in der Dauer vom 14.10.2019 bis 20.12.2019 angemeldet. Die BF spenden der Kirche und gehen ihren kulturellen und sportlichen Freizeitaktivitäten nach. Die BF leben privat bei einem Freund, beziehen Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig.

Im Herkunftsstaat haben beide BF als Selbstständige gearbeitet und sie verfügen über eine Ausbildung; sie lebten finanziell abgesichert. Zudem leben im Herkunftsstaat die Eltern und die Großeltern von BF2, sowie weitere weitschichtige Verwandte. Die BF2 steht in regelmäßigem Kontakt zu ihrer Mutter.

Tatbestandsmerkmale für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK haben sich nicht ergeben.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse -Integrierte Kurzinformationen

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogeneParlamentswahlenbis Ende Juli2019 ausgerufen(RFE/RL23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen undGruppen vertreten:

Partei Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka) 135

Volksfront (Narodny Front) 81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok) 38

Selbsthilfe (Samopomitsch) 25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka) 21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna) 20

Gruppe Wolja Narodu 19

Gruppe Widrodshennja 24

FraktionsloseAbgeordnete 60

(AA20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs-und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats-und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren(AA22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln

des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA27.2.2019; CNN 21.4.2019;Stern 23.4.2019).

Quellen:

-AA -AuswärtigesAmt (22.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraineelection-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-derUkraine-vorn,Zugriff24.4.2019

-FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 -Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,

https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-andfair.html, Zugriff 24.4.2019

-Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinterder-sensation-selenskyj-8678850.html,Zugriff 24.4.2019

-UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

-RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html,Zugriff 27.5.2019

Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russlandseinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019verlängert(AA22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA22.2.2019; vgl. FH4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008russischeTruppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019;vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

-AA -AuswärtigesAmt (22.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,

https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0,Zugriff 26.4.2019

-FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 -Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html,Zugriff 29.3.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 -Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

Halbinsel Krim

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben(AA22.2.2019).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen dazu auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert, die von Sergey Aksyonov als "Premierminister" des "Staatsrats der Republik Krim" geführt wird. Der "Staatsrat" ist für die tägliche Verwaltung und andere Regierungsfunktionen zuständig. Es werden unverhältnismäßig repressive Gesetze verhängt und angewendet. Die russischen Sicherheitsbehörden auf der Krim schränken die Menschenrechte ein. Die schwerwiegendsten Probleme beinhalten: Verschwindenlassen; Folter, einschließlich strafweise psychiatrische Einweisung; Misshandlung von Inhaftierten als Strafe oder zur Erpressung von Geständnissen; harte Haftbedingungen und Überführung von Gefangenen nach Russland; willkürliche Festnahme und Inhaftierung, auch aus politischen Gründen; allgegenwärtige Missachtung der Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Medien einschließlich Schließungen und Gewalt gegen Journalisten; Beschränkungen des Internets; grobe und weit verbreitete Unterdrückung der Versammlungsfreiheit; starke Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, einschließlich Verbot der Selbstverwaltung (Mejlis) der Krimtataren; Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Teilnahme am politischen Prozess; systemische Korruption; und systematische Diskriminierung von Krimtataren und ethnischen Ukrainern. Die russischen Behörden unternehmen kaum Schritte, um Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen, wodurch eine Atmosphäre der Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit geschaffenwurde(USDOS 13.3.2019b).

Die Einwohner der Krim wurden pauschal in die Russische Föderation eingebürgert und es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Auslandsreisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert werden, verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt.

Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR, Amnesty International sowie des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reichen. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als russische Staatsangehörige behandelt(AA22.2.2019). Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die russischen Behörden unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren, jedoch auch auf Vertreter der ukrainischen Minderheit aus (ÖB 2.2019; vgl. HRW 17.1.2019).

Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Behörden zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erlangt wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters besteht Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit abweichender politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische Antiterror-Gesetzgebung zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Personen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend strafverfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Die Meinungs-, Vereinigungs-und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt (ÖB2.2019).

Quellen:

-AA -Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf,Zugriff 18.3.2019

-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002209.html,Zugriff 25.4.2019

-ÖB -Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc,Zugriff 12.4.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019b): Country Report on Human Rights Practices 2018 -Ukraine(Crimea), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004270.html,Zugriff 11.4.2019

Ostukraine

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA22.2.2019).

In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es insbesondere 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs-und Religionsfreiheit, Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA 22.2.2019).

In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz, und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren. Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. In der LPR wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten, die meist nicht einmal für eine kurzfristige Inhaftierung geeignet wären. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Hitze, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Ein unabhängiges Monitoring der Haftbedingungen wird von den Machthabern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie Folter, Hunger, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS13.3.2019).

In der Region Donbass unterdrücken die Separatisten die Rede-und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh-und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. Mittlerweile haben die Separatisten im Osten des Landes ihre Bemühungen verstärkt, Online-Inhalte zu blockieren, welche angeblich die ukrainische Regierung oder die ukrainische kulturelle Identität unterstützen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen "Behörden" unterstützt oder organisiert werden. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 13.3.2019).

Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom-und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019).

Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019).

Die Separatisten in der Ostukraine haben Berichten zufolge einige religiöse Führer inhaftiert. Im Februar 2018 wurden in Luhansk religiöse Gruppen, die nicht den "traditionellen" Religionen angehören, darunter Protestanten und Zeugen Jehovas, verboten (FH4.2.2019).

Die separatistischen Kräfte erlauben keine humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung, sondern nur solche internationaler humanitärer Organisationen. Infolgedessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel angeblich für viele Bewohner der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der Ostukraine zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen "humanitären Hilfe" an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthalten (USDOS13.3.2019).

Durch die Kontaktlinie, welche die Konfliktparteien trennt, wird das Recht auf Bewegungsfreiheit beschnitten und Gemeinden getrennt. Jeden Tag warten bis zu 30.000 Menschen stundenlang unter erschwerten Bedingungen an den fünf Checkpoints auf das Überqueren der Kontaktlinie. Unzureichend beschilderte Minen entlang der Straßen stellen eine Gefahr für die Wartenden dar (ÖB 2.2019; vgl. PCU 3.2019). Es gibt nur unzureichende sanitäre Einrichtungen, speziell auf separatistischer Seite(HRW 17.1.2019).

Im Zuge der Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und den Separatisten kam es 2014 in jenen Gebieten, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern Freiwilligenbataillone eingesetzt waren, mitunter zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Bataillone wurden in der Folgezeit sukzessive der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt, nur das Bataillon Ajdar wurde in die Armee eingegliedert. Offiziell wurden Freiwilligenbataillone danach nicht mehr an der Kontaktlinie, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen kam, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Infolge des Übergangs von der ATO (Anti-Terror-Operation in der Ostukraine, geführt vom SBU, Anm.) zu der nunmehr von der Armee koordinierten OVK (Operation der Vereinigten Kräfte) mit April 2018, wurden verbliebene Freiwilligenverbände endgültig in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder haben die OVK-Zone verlassen (AA22.2.2019).

Quellen:

-AA -AuswärtigesAmt (22.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf,Zugriff 18.3.2019

-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2002209.html,Zugriff 25.4.2019

-PCU - Protection Cluster Ukraine (3.2019): MineAction in Ukraine, https://www.unhcr.org/ua/wpcontent/uploads/sites/38/2019/04/2019_03_advocacy_note_on_mine_action_eng-1.pdf, Zugriff 17.5.2019

-ÖB -Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc,Zugriff 11.4.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018

-Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

Rechtsschutz /Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauender Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Einige Richter behaupteten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS13.3.2019).

Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommenen Gesetzesänderung zur "Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren" sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung ("re-attestation") aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).

2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wieder herzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht. Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat ("council of prosecutors") ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB2.2019).

Nachdem unter Präsident Janukowitsch die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eingemahnte Verfassungsreformjahrelang hinausgezögert wurde, wurde von Präsident Poroschenko durch seinen im Juli 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der ukrainischen Verfassung ein neuer Impuls gesetzt. Die darin vorgesehenen Schritte zu dezentraleren Strukturen mit erweiterten Kompetenzen der gewählten Gemeinde-und Bezirksräte, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verteilung und Verwaltung öffentlicher Mittel, dem Ausbau der regionalen Selbstverwaltung und der erstmaligen Verankerung des Prinzips der Subsidiarität, wurden von der Venedig-Kommission begrüßt. Jedoch gibt es für die Annahme der Verfassungsreform in zweiter Lesung derzeit keine Mehrheit im Parlament. Vor allem die verfassungsrechtliche Absicherung der im Rahmen des Minsk-Prozesses zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine festgelegten Dezentralisierung steht unter starker Kritik einiger Parteien, weil diese eine "Ermächtigungsklausel" zur Schaffung eines Gesetzes über den Sonderstatus des Donbasss enthält. In der Praxis wurden jedoch bereits Erfolge bei der finanziellen Dezentralisierung erzielt, sowie zahlreiche Gemeinden zusammengelegt, die dadurch mit mehr finanziellen Mittel ausgestattet sind und effizienter arbeiten können. Ohne eine verfassungsmäßige Absicherung der Dezentralisierungsreform bleibt diese jedoch vorerst weiterhin unvollendet (ÖB2.2019).

Die jüngsten Reforminitiativen bleiben hinter den Erwartungen zurück, werden aber fortgesetzt (FH 4.2.2019).

Quellen:

-FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 -Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-ÖB -Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc,Zugriff 11.4.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018

-Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden unterstehen generell effektiver ziviler Kontrolle. Die Sicherheitskräfte verhindern oder reagieren im Allgemeinen auf gesellschaftliche Gewalt. Zuweilen wenden sie jedoch selbst

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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