TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 W247 2216382-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W247 2216381-1/11E

W247 2216382-1/11E

W247 2216384-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gesetzlich vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1 bis BF3) sind Staatsangehörige der Ukraine und der russischen Volksgruppe, sowie dem christlich-orthodoxen Glauben zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin (BF3). Die BF2 ist gesetzliche Vertreterin der BF3.

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1 bis BF3) reisten spätestens am 11.10.2018 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und der BF1 und die BF2 stellten am selben Tag für sich bzw. die minderjährigen BF3 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der BF1 und die BF2 am 11.10.2018 vor der Landespolizeidirektion XXXX polizeilich erstbefragt wurden. Nach Zulassung ihrer Verfahren wurden BF1 und BF2 am 28.11.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Erstaufnahmestelle Ost, jeweils im Beisein eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen.

2.1. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung hinsichtlich seiner Fluchtgründe vor, dass er seinen Lohn in der Ukraine in XXXX bekommen habe. Ein Teil von seinem Gehalt sei automatisch an die ukrainische Armee überwiesen worden. In XXXX sei er als Verräter bezeichnet worden und bevor er in XXXX verhaftet worden sei, sei er mit seiner Familie geflüchtet. Er habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Bei Rückkehr in den Herkunftsstaat habe er Angst ermordet zu werden.

2.2. Die BF2 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung hinsichtlich ihrer Fluchtgründe vor, dass ihr Ehegatte seinen Lohn in der Ukraine ( XXXX ) in XXXX ausbezahlt bekommen habe. Die Steuer von seinem Gehalt sei automatisch in der Ukraine abgezogen worden. Am 07.10.2018 habe ein Freund ihres Mannes angerufen und ihm gesagt, dass er in XXXX als Verräter bezeichnet werde. Anschließend hätten sie beschlossen, die Ukraine zu verlassen. Sie habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Sie hätte im Falle der Rückkehr Angst um ihr Leben.

3.1. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.11.2018 gab der BF1 auf die Frage nach seinen Fluchtgründen zusammenfassend an, dass er als Security Mitarbeiter bei einer Firma angestellt gewesen wäre und in XXXX gearbeitet habe. Er habe sein Gehalt aus der Ukraine bezogen. Die Gesetzgebung besage, dass jeder, der ein Gehalt aus der Ukraine beziehe, einen Teil seines Gehaltes zur Unterstützung der ukrainischen Armee zahlen müsse. Der BF habe einen Bekannten beim Verteidigungsministerium XXXX , der dort als Sekretär arbeite. Dieser habe seine Daten gesehen, habe den BF am 07.10.2018 angerufen und ihm mitgeteilt, dass er beobachtet und als Feind angesehen werde, da er die ukrainische Armee finanziell unterstütze. Der Freund habe dem BF gesagt, dass er bereits ein Schreiben gesehen habe, wonach der BF festgenommen werden sollte. Der BF habe immer Vorbereitungen getroffen gehabt, da es in XXXX immer sein könne, dass man das Land verlassen müsse. Der BF habe einen ukrainischen Inlandspass abgeben müssen und dafür einen Inlandspass der Republik XXXX bekommen und wäre er seit diesem Zeitpunkt im Visier der Behörden gewesen. Ihm sei bekannt, dass seit der Ermordung des Gründers der Republik XXXX , "Zachartschenko", Soldaten jede Person festgenommen hätten, die ohne Ausweis auf der Straße gewesen wäre. Außerdem würden Personen verschwinden, die mit der Ukraine in Zusammenhang gebracht werden.

3.2. Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA am selben Tag zusammengefasst an, dass sie sich voll und ganz auf die Fluchtgründe ihres Mannes beziehen würde. Gegen ihren Mann sei ein Festnahmeauftrag vorbereitet worden. Es könnte bedeuten, dass er in XXXX festgenommen und ins Gefängnis kommen werde. Er habe für eine ukrainische Firma gearbeitet und habe er von diesem Gehalt eine Unterstützung für die ukrainische Armee bezahlen müssen bzw. es sei gleich vom Gehalt abgezogen worden. Die BF2 habe davon gewusst und würde sie daher auch ins Gefängnis kommen. Die BF2 habe auch Angst um ihre Tochter. Weder die BF2, noch die BF3 hätten eigene Fluchtgründe.

Die minderjährige BF3 wurde aufgrund ihres kindlichen Alters nicht niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 brachte erstinstanzlich einen Arbeitsvertrag in Vorlage.

4.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 22.02.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

4.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte aus, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass die Beschwerdeführer in der Ukraine asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen seien oder sie Derartiges im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchten müssten. Die Beschwerdeführer hätten in ihrem Vorbringen keine glaubhaften Sachverhalte anführen können, die die Annahme rechtfertigen würden, dass sie in ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder unmenschlichen Behandlung im Fall einer Rückkehr ausgesetzt wären. Auch aus sonstigen Umständen habe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer an lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes leiden würden und wären der BF1 und die BF2 jung, gesund und arbeitsfähig. So hätten BF1 und BF2 den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Ukraine verbracht und seien mit den Sitten und Gepflogenheiten des Herkunftsstaates vertraut. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer mit ihren Ausbildungen bzw. Joberfahrungen im Falle einer Rückkehr ihren Lebensunterhalt sichern könnten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in der Ukraine einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt wären bzw. ihr Leben auf sonstige Weise gefährdet sei. Sie hätten keine Verwandten oder sonstige Angehörigen in Österreich und keine sozialen Kontakte, welche sie an Österreich binden würden. Die Beschwerdeführer würden von der Grundversorgung leben und wären sie nicht selbsterhaltungsfähig. Die Beschwerdeführer seien in Österreich strafrechtlich unbescholten.

4.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig wäre. Der BF1 lasse in seiner Erzählung sämtliche Details vermissen und würden seine Ausführungen keine lebensnahe Schilderung darstellen, was unweigerlich zur Feststellung der Unglaubwürdigkeit führen müsse. Seine Angaben seien insofern sehr vage, als er seinen angeblichen Kontaktmann beim Verteidigungsministerium nur als Bekannten und nie beim Namen genannt hätte. Er habe weiters angegeben, dass der Bekannter von ihm ein einfacher Sekretär beim Verteidigungsministerium in XXXX sei. Es müsse in dem Zusammenhang festgestellt werden, dass eine Person in dieser Funktion sicher nicht zu solch sensiblen Informationen kommen könnte. Diesen Äußerungen könnte daher kein Glaube geschenkt werden. Schon gar nicht sei nachvollziehbar, warum der Sekretär einen nicht autorisierten Festnahmeauftrag zu sehen bekomme. Auch habe der BF bei der Erstbefragung angegeben, dass er in XXXX als Verräter bezeichnet worden sei und bevor er verhaftet worden sei, mit seiner Familie geflohen wäre. Er habe diese Angaben insofern dadurch gesteigert, dass er angegeben habe, dass ein namentlich nicht erwähnter Bekannter ein noch nicht unterschriebenes Schriftstück, wonach er festgenommen werden sollte, gesehen habe. Soweit er angegeben habe, dass er als Verräter angesehen werde, da er die ukrainische Armee aus seinem Gehalt unterstützt hätte, so sei dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass einige Arbeitspendler von XXXX und Lugansk und von den von der Regierung kontrollierten Gebieten in die Ostukraine pendeln würden. Auch bestünde im Falle der Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative. Zudem sei die Ukraine ein sicherer Herkunftsstaat. Es habe nicht davon ausgegangen werden können, dass die Beschwerdeführer eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht hätten bzw. eine solche Verfolgung zu erwarten hätten.

4.4. Die Beschwerdeführer hätten nicht darzulegen vermocht, dass ihnen im Falle ihrer Rückkehr in die Ukraine die Lebensgrundlage entzogen wäre.

4.5. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Die Ukraine gelte als sicherer Herkunftsstaat und es werde im gegenständlichen Fall besonders darauf hingewiesen, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde.

4.6. Demnach - so die belangte Behörde - könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es sei bei den Beschwerdeführern keine tiefgehende Integrationsverfestigung in Österreich gegeben. Es würden keine privaten Bindungen in Österreich bestehen und die Beschwerdeführer wären in der Ukraine besser verwurzelt, als im Bundesgebiet. Im gegenständlichen Fall sei der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich durch die Stellung von - letztlich unbegründeten - Asylanträgen begründet. Da den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt würde und eine Rückkehrentscheidung zulässig sei, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 25.02.2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Mit für alle Beschwerdeführer gleichlautendem Schriftsatz wurde am 19.03.2019 durch ihren gewillkürten Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes eingebracht. Begründend wurde von Beschwerdeseite ausgeführt, dass die Beschwerdeführer anlässlich ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz erklärt hätten, aus dem XXXX -Gebiet zu stammen. Als Fluchtgrund hätten sie angegeben, dass sie als Unterstützer der ukrainischen Armee bzw. der Ukraine von der lokalen Regierung verfolgt würden, ohne Schutz finden zu können. Sie würden als Verräter betrachtet. In der Ukraine könnten sie auch nicht Zuflucht finden, da sie als Separatisten betrachtet würden. In den angefochtenen Bescheiden würde das Vorbringen des BF1 (und damit jenes seiner Familie) generell als unglaubwürdig bezeichnet. Die Ukraine als solche werde als eine zumutbare Fluchtalternative betrachtet. Die Behörde habe jede Ermittlungstätigkeit verabsäumt. Es sei insbesondere zu bedenken, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit wesentlichen Abschnitten des Länderberichtes, der als Entscheidungsgrundlage herangezogen worden sei, stehe. Die Situation in den Ostgebieten der Ukraine werde als katastrophal in jeder Hinsicht bezeichnet und werde die Situation in der Ukraine verharmlost und nicht auf die spezifische Situation von Rückkehrern aus den Ostgebieten eingegangen. Die Beschwerdeseite beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren, 2.) allenfalls subsidiären Schutz gewähren, 3.) allenfalls den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, 4.) keine Rückkehrentscheidung zu treffen, 5.) feststellen, dass die Abschiebung in die Ukraine unzulässig sei, 6.) den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu erteilen, 7.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen.

7. Die Beschwerdevorlage vom 20.03.2019 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 22.03.2019 ein.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.03.2019 wurde den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

9. Mit Schriftsatz vom 16.05.2019 wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Unter einem wurde ihnen das aktuelle Länderinformationsblatt (LIB) zur Ukraine, Gesamtaktualisierung am 26.07.2017, letzte Kurzinfo eingefügt am 09.01.2019, übermittelt. Hierbei wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, dazu bis zum 14.06.2019 einlangend Stellung zu nehmen.

10. Mit Stellungnahme vom 13.06.2019 brachten die Beschwerdeführer vor, dass zwar in den Länderberichten angedeutet, aber nicht mit der wünschenswerten Klarheit zum Ausdruck gebracht würde, dass die Ukraine und die Ostukraine als verschiedene Herkunftsländer zu betrachten seien. Ferner wäre auch mit größerer Klarheit zum Ausdruck zu bringen, dass Flüchtlinge aus der Ostukraine in der Ukraine als Terroristen betrachtet würden, was sich in der Behandlung niederschlage.

11. Am 01.08.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines Dolmetschers für die Russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Parteien ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen.

"[...] Beginn der Befragung des BF1:

RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Ukraine an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise aufgehalten haben.

BF1: Ich heiße XXXX ist der Vatersname. Ich wurde am XXXX geboren. Ich wurde in der Ukraine, im Gebiet XXXX geboren. Als ich geboren wurde, habe ich die ukrainische Staatsbürgerschaft bekommen. Nach dem Konflikt zwischen der Ukraine und XXXX habe ich die Staatsbürgerschaft vom XXXX erhalten. Man hat mir den Pass entzogen und mir die ukrainische Staatsbürgerschaft aberkannt. Die letzte Zeit vor der Ausreise habe ich im Gebiet XXXX gelebt. Ich hatte eine Wohnung gemietet. XXXX . Als ich voriges Mal einvernommen wurde, habe ich meine Meldeadresse angegeben. Diese lautet gleich, die Hausnummer ist XXXX und die Türnummer XXXX. Das war die Wohnung meiner Mutter.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF1: Ich bin Russe.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF1: Ich bin orthodox getauft, aber ich bin nicht wirklich religiös.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Ukraine, welche Ihre Identität beweisen?

BF1: Nein.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt?

BF1: Ich habe die Grundschule abgeschlossen, und zwar 11 Jahre. Nach dem Abschluss der Schule, habe ich mit einer Ausbildung an einer Computerakademie begonnen. Ich habe dort eine Programmierer-Ausbildung gemacht. Ich habe auch an der Wirtschaftsuniversität im Fernlehrgang studiert. Ich habe den Bachelor-Titel bekommen, aber aufgrund des Konfliktes zwischen der Ukraine und XXXX , war die weitere Ausbildung nicht möglich, weil die Ausbildungsstätte in XXXX war und das ist das Territorium der Ukraine. Ich bin dort nur zu Prüfungen hingefahren, weil das eine Ausbildung als Fernlehrgang war. Nachdem der Konflikt begonnen hat, war das Verhältnis zwischen den Lehrer dort und den Leuten aus XXXX sehr angespannt. Man hat die Kenntnisse der Studierenden aus XXXX absichtlich herabgesetzt und schlechtere Noten gegeben. Deshalb habe ich nur mit großer Mühe meine Bachelor-Ausbildung abgeschlossen und dann habe ich mit der Ausbildung aufgehört.

RI: Was haben Sie genau studiert?

BF1: Finanz- und Kreditwesen.

RI: Haben Sie den Nachweis eines Studienabschlusses?

BF1: Habe ich es nicht vorgelegt? Ich weiß nicht, ob ich es mithabe oder nicht. Ich glaube nicht, dass ich es mithabe.

RI: Haben Sie ein Zertifikat?

BF1: Ja, ich habe es nur nicht mit.

RI: Schicken Sie es an das Gericht über Ihren BFV.

BF1: Okay.

RI: Wie viele Abschnitte hat Ihr Studium gehabt?

BF1: Das waren vier Jahre.

RI: Und wie viele Abschnitte?

BF1: Drei Teile. Der erste Teil war Unterspezialist, dann Bachelor und dann der Master. Die ersten drei Jahre habe ich zum Unterspezialist die Ausbildung gemacht. In dem darauffolgenden Jahr habe ich den Bachelor Titel bekommen und das war's. Mehr habe ich nicht gemacht. Ich hätte noch ein Jahr lernen müssen und dann wäre ich Magister.

RI: Warum hat es im Rahmen des Fernstudiums nicht funktioniert?

BF1: Ich habe es schon erklärt. Die Lehrer, die dort unterrichtet habe, haben die Studierenden aus XXXX sehr negativ beurteilt, bzw. auch schlecht behandelt.

RI: Hätten Sie das Studium nicht in einer anderen Universität machen können?

BF1: In der Ukraine gibt es die Möglichkeit nicht und in XXXX hat das Bachelordiplom nicht gegolten. Den Bachelor habe ich von der Ukraine bekommen. Ich konnte die Ausbildung nicht fortsetzen, ich konnte XXXX nicht verlassen.

RI: Wieso haben Sie mit Ihrem Bachelordiplom nicht in XXXX weitergemacht?

BF1: Weil das ein Fernlehrgang war. Wir waren mit den Lehrern über Computerprogramme in Verbindung. In XXXX war es auch so, dass die Verbindung oft unterbrochen wurde und auch kein Studium mehr möglich war.

RI: Nennen Sie mir bitte 5 große Themenbereiche, welche Sie im Rahmen Ihres Studiums kennengelernt haben und denen Sie Prüfungen abgelegt haben?

BF1: Ich kann mich sehr gut an die Mathematik-Prüfung erinnern. Wahrscheinlichkeitstheorie, jetzt kann ich mich nicht mehr an alle Themen erinnern.

RI: Aber fünf können Sie aufzählen oder?

BF1: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

RI: Haben Sie sich außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in der Ukraine auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?

BF1: Nein, in der Ukraine nicht.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zurzeit in der Ukraine und in welcher Stadt?

BF1: Jetzt sind Ukraine und XXXX verschiedene Staaten, weil XXXX sich für unabhängig erklärt hat.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zurzeit in XXXX ?

BF1: Meine Mutter.

RI: Noch an der alten Adresse?

BF1: An der Adresse, an der ich angemeldet war.

RI: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren in der XXXX lebenden Verwandten? Und wenn ja, wie oft?

BF1: Je nach dem, einmal oder zwei Mal in der Woche. Wir kommunizieren über das Internet, Viber und Whatsapp.

RI: Wovon lebt Ihre in XXXX wohnhafte Mutter?

BF1: Sie ist behindert, sie leidet unter Epilepsie. Sie bekommt vom Staat eine Pension und auch mein Vater hilft ihr, aber er ist nicht in XXXX .

RI: Haben Sie Verwandte, die außerhalb von XXXX leben und haben Sie Kontakt zu diesen?

BF1: Ich habe nur weitschichtige Verwandte in Russland. Aber ich habe nur äußerst selten Kontakt mit ihnen. Wir gratulieren uns nur zu Feiertagen.

RI: Wo lebt Ihr Vater?

BF1: In Polen, er arbeitet als LKW-Fahrer. Er fährt in ganz Europa und transportiert Sachen mit einem LKW.

RI: Haben Sie Kontakt zu ihm?

BF1: Schon, aber es ist kein enger Kontakt. Ich frage ihn nur, wie es ihm geht und das war's.

RI: Wie oft haben Sie mit ihm Kontakt?

BF1: Nicht oft.

RI: Wo in Polen ist Ihr Vater genau wohnhaft?

BF1: Das weiß ich nicht. Er wohnt in einer Unterkunft, die ihm vom Betrieb, wo er arbeitet, gewährt wurde. Deshalb weiß ich die Adresse nicht.

RI: Wann ist Ihr Vater nach Polen gezogen und aus welchem Grunde?

BF1: Er ist vor ca. zwei Jahren nach Polen gezogen, weil es in XXXX keine Arbeit für ihn gegeben hat und wenn, dann war die Arbeit sehr schlecht bezahlt. Er ist ein guter Fahrer, er hat viel Berufspraxis. Er hat im Internet eine Firma gefunden und er hat sich dort beworben und mein Vater hat dort ein Arbeitsvisum.

RI: Wann haben Sie Ihre Frau geheiratet?

BF1: Ich bin in Österreich seit 10 Monaten. Ich kann mich irren, aber ich glaube es war am 25.07.2016.

RI: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF1: Ich glaube, dass es am 09.10.2018 war.

RI: Sind Sie oder Mitglieder Ihrer Familie seit Ihrer Ausreise aus XXXX wieder einmal in XXXX gewesen, sei auf Besuch oder auf Urlaub?

BF1: Nein.

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe? Ich ersuche Sie mir ein möglichst klares und stimmiges Bild des Geschehenen zu vermitteln.

BF1: Ich habe in einer Firma gearbeitet, in XXXX . Diese Firma wurde über die Ukraine finanziert. Ich habe ein offizielles Gehalt bekommen. Ein Teil von diesem Gehalt wurde jedoch für die ukrainische Armee abgezogen. Ich habe dann mit den Formalitäten begonnen, um den Pass der Republik XXXX zu bekommen. Ich musste dort verschiedene Unterlagen vorlegen, unter anderem eine Bestätigung von meiner Arbeitsstelle. Damals hat die Obrigkeit von XXXX begonnen zu klären, wie die ukrainische Armee finanziert wird. Man hat festgestellt, dass ich Ukraine finanziert habe. Aufgrund der Tatsache, dass ein Krieg und ein Konflikt zwischen der Ukraine und XXXX herrscht, hat die Obrigkeit in XXXX mich für einen Verräter gehalten, weil ich die ukrainische Armee finanziere.

RI: Das haben Sie rausgefunden, als Sie sich die neuen Dokumente besorgt haben?

BF1: Als ich den Pass der Republik ausstellen lassen wollte, habe ich die Bestätigung der Arbeitsstelle bekommen.

RI: Was für eine Bestätigung?

BF1: In XXXX galt ich als Volontär. In XXXX ist das verpflichtend, wenn man einen Pass beantragt, dass man eine Bestätigung vorlegt.

RI: War das eine Bestätigung Ihres Arbeitgebers?

BF1: Ja.

RI: Die haben Sie vorgelegt und was ist dann passiert?

BF1: Die Obrigkeit von XXXX hat sich dafür zu interessieren begonnen, welche Firma das ist, weil es eigentlich keine Volontäre in XXXX gibt. Man hat dann begonnen sich zu interessieren, wie meine Firma finanziert wird.

RI: Wie hat dieses Interesse ausgeschaut? Wurden Sie vorgeladen, interviewt?

BF1: Nein, ich selbst wurde nicht geladen.

RI: Wie haben Sie erfahren, dass man Sie für einen Verräter hält?

BF1: Ich habe einen Freund, er arbeitet bei dem Verteidigungsministerium von XXXX . Er ist ein Sekretär dort. An dem Tag, es war ein Sonntag, ein freier Tag, musste er an dem Tag trotzdem dort arbeiten. Er hat dort Unterlagen gefunden, die sich auf meine Person bezogen haben. Er hat mich über Viber kontaktiert, aus Sicherheitsgründen. Man wollte mich verhören und man wollte mich festnehmen. Solche Dokumente hat er gefunden. Er hat mir damals geraten so schnell wie möglich auszureisen, weil man vor hatte mich am Montag zu holen.

RI: Wann war das Datumsmäßig?

BF1: Am Sonntag, ich glaube am 07.10.2018. Das war deswegen so gefährlich, weil sich nicht die gewöhnliche Polizei für mich interessiert hat, sondern das Verteidigungsministerium. Die Armee unserer Republik ist keine reguläre Armee. Das sind Banditengruppen, die bewaffnet wurden. Diese Leute entscheiden über die Probleme anders, als es hier üblich ist. Die Leute verschwinden einfach. Er hat mir geraten, so schnell wie möglich auszureisen. Am 07. am Abend blieben wir bei der Großmutter meiner Frau. Wir haben dann von einem Bekannten, der Taxifahrer war, erfahren wie wir die Stadt verlassen können. Wir haben ihm die Lage erklärt. Noch am Abend hat er uns die Kontaktdaten des Fahrers übermittelt.

RI: Der Fahrer der Sie weggebracht hat?

BF1: Ja.

RI: War das der Schlepper, oder wer war das?

BF1: Er hieß XXXX . Das war der Fahrer, der mich hierhingebracht hat.

RI: Also der Schlepper?

BF1: Ja.

RI: Fahren Sie fort bitte.

BF1: Soll ich sagen wie ich hierhingekommen bin?

RI: Nein, haben Sie alles gesagt?

BF1: Ja, um 6 Uhr in der Früh ist er gekommen und dann sind wir gefahren.

RI: Wie darf ich es mir genau vorstellen, dass von Ihrem Gehalt Teile zur Unterstützung der ukrainischen Armee verwendet worden sind? Wurden diese Teile im Rahmen einer Besteuerung direkt vor Auszahlung des Gehaltes abgezogen oder mussten Sie einen Teil von sich aus überweisen?

BF1: Man hat mir automatisch einen Teil abgezogen.

RI: Also quasi eine Besteuerung Ihres Gehalts?

BF1: Ja.

RI: Wann haben Sie begonnen bei dieser ukrainischen Sicherheitsfirma im XXXX zu arbeiten und was waren Ihre genauen Aufgaben?

BF1: Ich habe bei der Firma schon 2017 zu arbeiten begonnen. Zuerst war ich im Transportwesen dort tätig. Das war eine Wohltätigkeitsfirma, eine jüdische Wohltätigkeitsfirma. Ich und der Fahrer haben gemeinsam das Essen für alte Leute und Behinderte transportiert und geliefert. Dann hat die Firma finanzielle Schwierigkeiten gehabt und man hat mich dort als Bewacher, als Security angestellt.

RI: In derselben Firma?

BF1: Ja.

RI: Ab wann waren Sie da als Security tätig?

BF1: 2018. Ich habe ca. ein Jahr und ein paar Monate dort zuerst bei der Essensverteilung gearbeitet und dann wurde ich als Essensverteiler gekündigt, wegen den finanziellen Schwierigkeiten.

RI: Gekündigt und als Security angestellt?

BF1: Ja.

RI: Wann haben Sie im Jahr 2018 ungefähr als Security begonnen?

BF1: Ich kann kein konkretes Datum nennen, ich denke Ende vom Frühling.

RI: Waren Sie der einzige Wachmann dieser ukrainischen Firma in XXXX oder gab es an ihrem Arbeitsort viele Wachleute dieser Firma?

BF1: Es gab dort auch andere Wachleute derselben Firma.

RI: Was haben Sie genau bewacht? Ein Büro, aber welches Büro?

BF1: Meine Firma hat ein Gebäude gemietet. Das war ein Gebäude und mit einem Grundstück. Ich habe dieses Grundstück bewacht. Wir haben das immer als Büro bezeichnet, weil es für mich quasi das Büro war.

RI: Hatten Sie Wachkollegen aus dieser Firma Vorort, welche bereits mehrere Jahre Arbeitserfahrung als Wachleute in XXXX gehabt haben?

BF1: Sie haben lange dort gearbeitet.

RI: Sind diese Kollegen jemals in den Fokus der Behörden in XXXX gekommen, schließlich wird wohl auch diesen Kollegen ein Teil des Gehaltes abgezogen worden sein, zur Unterstützung der ukrainischen Armee? Sie werden wohl nicht einzige Dienstnehmer einer ukrainischen Firma in XXXX mit diesem Problem gewesen sein?

BF1: Alle hatten die gleichen Probleme. Ich weiß nicht, wie es in XXXX war. Bis zu diesem Zeitpunkt war alles okay, was unsere Firma anbelangt. Die Probleme haben deswegen begonnen, weil am 31.08. der Begründer von der Republik in einem Kaffeehaus in die Luft gesprengt wurde. Deswegen hat man die Täter gesucht und man wollte quasi die Umstände klären.

RI: Das heißt Sie sind unter den Verdacht gekommen, zum Täterkreis zu gehören?

BF1: Es gab keinen direkt Verdacht, dass ich persönlich dabei involviert war, aber ich bin in den Fokus der Behörden gekommen, weil ich das angeblich finanziert habe.

RI: Aber das Gleiche gilt für alle Kollegen die bei der Firma gearbeitet haben.

BF1: Möglicherweise, ich weiß es nicht.

RI: Haben Sie irgendwie von den Kollegen gehört, dass es in diesem Kreis schon Probleme mit der Behörde gegeben hat oder haben Sie das nicht gehört?

BF1: Ich weiß nur, dass die Kollegen bereit waren, die Stadt zu verlassen, wenn es Probleme gegeben hätte.

RI: Welche Probleme?

BF1: So wie meine Probleme, wenn es zu einem Verdacht gekommen wäre. Bei dieser Firma arbeiteten überwiegend Juden, hatten Verwandte in Israel oder Deutschland und konnten dorthin fahren.

RI: Man hält sich doch nicht für eine Ausreise bereit, rein auf gut Glück. Es muss ja einen Grund geben, warum man auf gepackten Koffern sitzt. Welcher Grund hätte das sein können?

BF1: In XXXX sitzen alle auf den Koffern, weil es regelmäßig Bombardierungen gibt.

RI: Von wem?

BF1: Die Ukraine beschießt mit ihrer Artillerie das Gebiet. Bei uns in der Stadt kann man leicht eine Miene finden. Einmal als ich bei der Arbeit war, hat es einen Vorfall gegeben. Daneben gibt es nämlich ein verlassenes Grundstück. Ich habe gesehen, dass dort Kinder nach der Schule immer wieder gegangen sind. Dort haben die Kinder eine Granate gefunden. Die Granate wurde zur Sprengung gebracht und das Fenster in der Firma ist fast zerplatzt.

RI: Das eine ist die allgemeine Sicherheitslage in XXXX und der Konflikt zwischen der Ukraine und XXXX . Das ist das Eine. Das andere ist Ihre persönliche Fluchtgeschichte. Meine Frage an Sie:

Wenn Sie sich mit den Kollegen Ihrer Firma ausgetauscht haben, welche nach Ihrer Aussage selber bereit gewesen wären auszureisen. War der Grund die Sicherheitslage oder ein ähnlicher Fluchtgrund, wie Sie ihn hatten?

BF1: Ich weiß nicht was mit den Kollegen war. Meine Probleme begannen dann, als ich den Pass von XXXX bekommen habe. XXXX wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wer bei uns in der Firma arbeitet. Wir galten als Volontäre. Dann, als ich die Dokumente vorgelegt habe, hat man sich konkret für meine Person interessiert.

RI: Wissen Sie das aus den Aussagen Ihres Freundes?

BF1: Ja.

RI: Haben Sie eine Unterlage aus welcher der Abzug dieses Gehaltsteils zur Unterstützung der ukrainischen Armee hervorgeht?

BF1: Ich habe geglaubt, dass ich das habe, aber es ist alles in XXXX geblieben.

RI: Wie heißt Ihr Freund aus dem Verteidigungsministerium in XXXX , welcher Sie vor einer Festnahme gewarnt hat, woher und seit wann kennen Sie ihn?

BF1: Er heißt XXXX , ich weiß den Familiennamen nicht. Ich habe ihn nur zwei Mal in meinem Leben getroffen. Wir haben uns nur zufällig getroffen und kennengelernt. Wir haben erfahren, dass wir beide aus XXXX kommen und haben uns getroffen.

RI: Wo haben Sie sich getroffen?

BF1: Meinen Sie wie wir uns kontaktiert haben? Wir haben uns über das Internet gefunden.

RI: Wie oft haben Sie sich persönlich gesehen?

BF1: Ich habe ihn persönlich nur zweimal gesehen, aber über das Internet hatten wir oft Kontakt. Am Wochenende haben wir zusammengespielt.

RI: Ein Gamingpartner?

BF1: Ja.

RI: Ist Ihr Freund nicht ein großes Risiko für sich eingegangen, wenn er als Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums einen Festzunehmenden vor der Festnahme warnt?

BF1: Nach meiner Einreise nach Österreich, standen wir drei Mal im Kontakt. Er wollte sich nur vergewissern, ob mit uns alles okay ist. Seit ca. einem halben Jahr haben wir keinen Kontakt mehr, weil es ja um seine Sicherheit geht. Er sagt, dass die weitere Kontaktaufnahme nur dann möglich sein wird, wenn in XXXX Frieden herrschen wird.

RI: Meine Frage war eine andere. Wenn ein Mitarbeiter eines Verteidigungsministeriums, der eine Internetbekanntschaft ist, Sie als Festzunehmenden vor einer Festnahme warnt. Geht er da nicht ein Risiko ein?

BF1: Doch, aber an dem Tag hat nur er gearbeitet. Ich hoffe auch, dass mit ihm alles okay ist, aber ich weiß es nicht. Nachdem ich weggefahren bin, sind die Leute zu mir gekommen. Ich hoffe, dass nichts auf seine Person gedeutet hat. Ich hoffe, dass man angenommen hat, dass ich alleine die Stadt verlassen habe.

RI: Woher wissen Sie, dass Leute zu Ihnen nach einem Tag gekommen sind?

BF1: Ich vermute es. Der Freund hat mir damals gesagt, dass am Montag, also am nächsten Werktag, jemand kommen wird.

RI: Sie wissen aber nicht, ob jemand da war?

BF1: Ich weiß es nicht, ich weiß auch nicht, was mit der Wohnung ist.

RI: Was hat Ihr Freund zu Ihnen genau am Telefon gesagt?

BF1: Er hat mir über Viber Dokumente übermittelt, damit ich mich auch vergewissern kann, dass tatsächlich ein Risiko besteht.

RI: Was waren das für Dokumente?

BF1: Das waren Dokumente, die am nächsten Werktag meine Haft bestätigen sollten. Die hätte man am nächsten Werktag zu meiner Festnahme führen sollen und unterzeichnet werden sollen.

RI: Das heißt Ihr Freund hat Sie nicht nur angerufen, sondern auch Dokumente übermittelt?

BF1: Er hat sie mir nur gezeigt.

RI: Am Bildschirm gezeigt und nicht die Dokumente geschickt?

BF1: Ja, es hat keine Zeit gegeben.

RI: War dies der einzige diesbezügliche Anruf Ihres Freundes oder sind Sie von ihm oder jemand anderen noch zu einem anderen Zeitpunkt bereits gewarnt worden?

BF1: Das war nur die eine Vorwarnung seitens meines Freundes. Er hat mich erst dann kontaktiert, wie ich in Österreich war.

RI: Hatten Sie zuvor jemals Probleme mit den Behörden in XXXX ?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie jemals zuvor mit dem Vorwurf ein ukrainischer Verräter zu sein, konfrontiert worden?

BF1: Nein, ich bin ein gesetzestreuer Mensch.

RI: Sind Sie oder jemand aus Ihrer Familie jemals Ziel einer gezielten Verfolgung aus politischen Gründen gewesen?

BF1: Nein.

RI: Wurden Sie von den Behörden in XXXX jemals zuvor aufgesucht, vorgeladen, verhaftet oder verhört?

BF1: Nachhause sind sie nicht gekommen, aber die Soldaten auf der Straße haben die Dokumente der Bürger überprüft und wenn sie einen ukrainischen Pass gesehen haben, haben sie ihn oft zerstört, z.B. eine Seite ausgerissen. Ich selbst hatte aber bis zu diesem Zeitpunkt keine Schwierigkeiten. Man hat sich den Pass nur ungerne angeschaut, weil es ein ukrainischer Pass war und die Ukraine als Feind gilt.

RI: Waren Sie, Ihre Frau oder Ihre Familie jemals in XXXX politisch tätig?

BF1: Nein.

RI: Waren Sie oder Ihre Frau nach Ihrer Ausreise aus XXXX jemals politisch tätig?

BF2: Nein.

RI: Wie viel Zeit lag zwischen diesem Anruf Ihres Freundes und der tatsächlichen Ausreise aus XXXX ?

BF1: Er hat mich ca. zu Mittag angerufen, wir haben nur das notwendigste genommen, die wichtigsten Sachen, die Dokumente, alles was wir hatten und sind dann gleich mit einem Taxi zur Großmutter gefahren.

RI: Wann sind Sie ausgereist? Wie viel Zeit lag dazwischen?

BF1: Am 08. um 6 Uhr in der Früh.

RI: Das heißt zwischen der Ausreise und dem Anruf lagen nicht einmal 24 Stunden?

BF1: Genau.

RI: Wie konnten Sie in so kurzer Zeit Ihre Ausreise organisieren bzw. auf diesen Anruf mit Ausreise reagieren? Da müssen doch allerlei Veranlassungen getroffen werden.

BF1: Unser Taxifahrer namens XXXX , hat dem anderen Fahrer die Situation erklärt. Deswegen hat der Fahrer uns überhaupt mitgenommen, er hat verstanden, dass die Situation in XXXX sehr instabil ist. Die Leute helfen sich zwar gegenseitig in XXXX , sie werden aber von den Soldaten terrorisiert.

RI: Wieviel hat Ihre Ausreise nach Österreich gekosten?

BF1: Insgesamt 2.500€.

RI: Wie konnten Sie den Betrag in so kurzer Zeit beschaffen?

BF1: Ich habe Geld verdient und ich habe Ersparnisse gehabt. Ich bin ein sehr sparsamer Mensch, deswegen hatte ich die Ersparnisse.

RI: VORHALTUNG: Wenn Sie, wie Sie vorhin angegeben haben, noch nie zuvor Probleme mit den Behörden in Ihrem Heimatstaat gehabt haben und sich somit nicht im politischen Fokus der Behörden wähnen mussten, wieso waren sie offenbar so gut auf eine abrupte Abreise aus Ihrem Herkunftsstaat vorbereitet?

BF1: Wir waren nicht vorbereitet. Aber wir waren vorbereitet, dass wir das Haus schnell verlassen können. Es hätte auch sein können, dass ein Geschoss unser Haus trifft. Wir haben immer wieder unsere Koffer umgepackt, falls etwas passiert.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bei Ihrer polizeilichen Ersteinvernahme am 11.10.2018 lediglich davon berichtet, dass Ihnen ein Teil Ihres Gehaltes automatisch an die ukrainische Armee überwiesen worden sei, Sie als Verräter bezeichnet worden seien und vor einer Verhaftung geflüchtet seien. Von einer konkreten Warnung durch einen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums wussten Sie erst bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 28.11.2018 zu berichten? Wieso haben Sie es verabsäumt bei der Ersteinvernahme diesen nicht unwesentlichen Aspekt vorzubringen?

BF1: Bei der Ersteinvernahme habe ich versucht mehr zu erzählen, aber der Dolmetscher hat mir dann gesagt, dass ich nicht danach gefragt wurde. Es ging nur um den Hauptgrund und um den Reiseweg. Dann bei der zweiten Einvernahme konnte ich meine Gründe schildern.

RI: Sie haben das Ersteinvernahme Protokoll unterschrieben und somit die Vollständigkeit und die Richtigkeit des Protokolls bestätigt.

BF1: Ich habe alle Fragen beantwortet. Ich wollte es nur ergänzen, da hat man mir gesagt, dass ich nicht danach gefragt wurde.

RI: Im Unterschied zu Ihnen war Ihre Frau sehr wohl im Stande sich bei Ihrer polizeilichen Ersteinvernahme auf den Anruf Ihres Freundes am 07.10.2018 zu beziehen. Wieso also Sie nicht?

BF1: Ich habe versucht alles zu sagen, aber man hat mich vorwiegend nach dem Reiseweg gefragt, wie ich nach Österreich gekommen bin. Die Frau hat mir berichtet, dass ihre Einvernahme besser verlaufen ist, aber ich war mit dem Dolmetscher nicht zufrieden.

RI: Gibt es noch andere Fluchtgründe als die von Ihnen Geschilderten?

BF1: Nein.

RI: Haben Ihre Frau und Ihr Kind einen eigenen Fluchtgrund bzw. einen anderen Fluchtgrund als den von Ihnen Geschilderten?

BF1: Nein, sie sind gemeinsam mit ihr gekommen.

RI: Hatten Sie in XXXX jemals Probleme aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Ethnie, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Gesinnung? Hatten Sie außer in den von Ihnen geschilderten Situationen, sonst Probleme mit den Behörden in Ihrem Heimatland?

BF1: Nein.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr nach XXXX ?

BF1: Ich habe Angst vor einer Verhaftung und von einem schlimmeren Ausgang. Viele Leute die verdächtigt werden, verschwinden einfach und auch ihre Familien verschwinden. Damit beschäftigen sich diese Banditengruppen dort. Sie könnten z.B., ein Auto anhalten und mich verhaften. Viele Wohnungen wurden auch konfisziert, so dass die Leute keine Bleibe haben.

RI: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, XXXX in Richtung Europa zu verlassen?

BF1: Am 07.

RI: Warum sind Sie nicht in eine andere Provinz der Ukraine geflüchtet, wo es für Sie und Ihre Familie sicherer gewesen wäre?

BF1: Wir haben ja die Pässe von XXXX bekommen. Man hat uns die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Ukrainische Soldaten haben uns für Separatisten gehalten und auch als Terroristen.

RI: Wie kommen Sie darauf?

BF1: Viele Bekannten von mir in meinem Alter, hatten Probleme als sie in die Ukraine gefahren sind. Sie wurden verhaftet und dann wurden sie als Militärangehörige ausgegeben, obwohl sie zur zivilen Bevölkerung gehört haben.

RI: Sie waren ja Mitarbeiter einer ukrainischen Firma. Sie hätten es sicher einfacher gehabt in der Ukraine Fuß zu fassen?

BF1: In der Ukraine herrscht Nationalismus. Sie hassen Russen. Jetzt ist Krieg, Russland unterstützt Separatisten. Die Ukraine ist sehr gegen Russland gestimmt.

RI: War Österreich von Anfang an das Ziel Ihrer Reise?

BF1: Unser Ziel war das Land zu verlassen, wir wollten irgendwo hin in Europa. In Russland ist die Situation auch instabil. Deswegen dachten wir, dass es für uns am besten ist irgendwo nach Europa zu fahren. Österreich war halt am Nähersten. Deshalb sind wir hierhin. In Polen werden die Russen auch nicht besonders gerne gesehen. An Tschechien haben wir nicht gedacht, wir haben eher nach Österreich, Deutschland oder Frankreich gedacht.

RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einen Klub in Österreich?

BF1: Nein, ich habe nur Zertifikate. Ich habe die Bestätigungen mit bzgl. meiner Tätigkeiten bei uns in Traiskirchen.

RI: Haben Sie österreichische Freunde?

BF1: Ich habe nur Flüchtlinge kennengelernt. Und ich habe Bekannte die dort arbeiten, die sind zwar keine Freunde von mir, aber ich kann mich gut mit ihnen unterhalten.

RI: Haben Sie in XXXX oder in Österreich Sprachkurse besucht?

BF1: In XXXX habe ich Englisch gelernt. Hier in Österreich habe ich Deutschkurse besucht.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Wenn ja, welches Niveau?

BF1: Hier wird Deutsch auf Englisch unterrichtet und mir fällt es sehr schwer, weil der Vortragende auf Englisch spricht. Das war ein Kurs für Anfänger, A1. Ich habe keine Prüfung abgelegt. Ich habe nur elementare Sachen gelernt, wie das Alphabet und allgemeine Phrasen.

RI: Können Sie eine Unterhaltung auf Deutsch führen?

BF1: Nein, wenn ich einen Satz bilde ist er halb Englisch und halb Deutsch.

RI: Wie stellen Sie sich die Zukunft in Österreich vor?

BF1: Wenn ich hier endgültig bleiben kann, werde ich mich bemühen so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. Ich hoffe, dass ich meine Universitäre Ausbildung fortsetzen kann. Wenn nicht, dann werde ich zuerst die Sprache erlernen und gleich zu arbeiten beginnen.

RI: Was möchten Sie in Österreich arbeiten?

BF1: Das habe ich schon bei der vorherigen Einvernahme gesagt. Wenn ich weiter lernen könnte, könnte ich eine europäische Ausbildung bekommen. Entweder will ich als Journalist oder als Anwalt arbeiten. Das hängt davon ab, was ich für eine Ausbildung machen kann.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie gesund?

BF1: Ja, ich bin gesund. Ich habe keine Beschwerden.

RI: Nehmen Sie Medikamente?

BF1: Nur, wenn ich Kopfschmerzen habe.

RI: Sind Sie in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie arbeitsfähig?

BF1: Ja, ich arbeite ja bis heute.

RI: Ist Ihre Tochter im Kindergarten?

BF1: Nein, meine Frau kümmert sich um die Tochter.

RI an BFV und BehV: Haben Sie Fragen an den BF1?

BehV: Meine erste Frage wäre, bzgl. den Arbeitskollegen Ihrer Sicherheitsfirma. Waren da auch Ukrainer dabei?

BF1: Es waren Juden, die waren auch Ukrainer.

BehV: Gab es auch Kollegen die zwischen XXXX und u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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