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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §73 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der R in K, vertreten durch Dr. Peter Zach, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. September 1997, Zl. 11 - 39 Pi 9 - 1996, betreffend Befristung und Einschränkung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 24. Juli 1997 wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin für Kraftfahrzeuge der Gruppe B bis 23. April 1999 befristet und angeordnet, daß auf Freilandstraßen 80 km/h und auf Autobahnen 100 km/h nicht überschritten werden dürfen.
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, nach dem auf dem verkehrspsychologischen Untersuchungsbefund vom 16. April 1997 beruhenden Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vom 23. April 1997 sei die Beschwerdeführerin im Hinblick auf verspätete Reaktion bei rascher Reizdarbietung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur bedingt für die Dauer von zwei Jahren geeignet, wobei die genannten Höchstgeschwindigkeiten zu beachten seien. Bei der verkehrspsychologischen Untersuchung am 10. April 1997 habe die Beschwerdeführerin in den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit, der Konzentrations- und Beobachtungsfähigkeit eine durchschnittliche quantitative Leistung, verbunden mit unterdurchschnittlicher Leistungsgüte, erbracht. Es sei eine erhöhte Fehlerrate zu verzeichnen. Die Überprüfung des Reaktionsverhaltens, der Reaktionssicherheit und der reaktiven Belastbarkeit habe durchschnittliche Leistungen ergeben, bei rascher Reizdarbietung hätten sich überdurchschnittlich viele verspätete Reaktionen ergeben. Die diskriminative Reaktionsfähigkeit sei als nicht normgerecht zu bezeichnen. Bei der Überprüfung der Auffassungsgeschwindigkeit seien durchschnittlich gute Werte erhoben worden. Im Bereich der Sensomotorik sei bei überdurchschnittlichem Arbeitstempo eine nicht normgerechte Verhaltensgenauigkeit festgestellt worden. Die kognitiv-intellektuellen Grundfunktionen inklusive der Merkfähigkeit lägen im Durchschnittsbereich. Aufgrund der nicht normgerechten Leistung bei der diskriminativen Reizbeantwortung sowie der überdurchschnittlich vielen verspäteten Reaktionen bei rascher Reizdarbietung könne die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nur in eingeschränktem Maße angenommen werden. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom 10. Juni 1997 auf angebliche Widersprüche im Befund hingewiesen habe, sei sie ihm nicht auf zumindest gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der die Beschwerdeführerin der Sache nach u.a. die Aussagekraft des verkehrspsychologischen Befundes bestritten hat, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab und führte begründend aus, aus der Berufung sei nicht ersichtlich, wodurch sich die Beschwerdeführerin beschwert erachte. Aus dem erstinstanzlichen Bescheid ergebe sich widerspruchsfrei und schlüssig, warum die verfügten Maßnahmen zu treffen gewesen seien. Sowohl aus dem ärztlichen Gutachten als auch aus dem verkehrspsychologischen Befund sei eindeutig ersichtlich, daß Einschränkungen im kraftfahrspezifischen Bereich vorhanden seien, welche die zeitliche Einschränkung rechtfertigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei festgehalten, daß nach dem Inhalt des - den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigenden - angefochtenen Bescheides die getroffenen Maßnahmen allein in der Annahme begründet sind, die Beschwerdeführerin verfüge nur in eingeschränktem Ausmaß über die notwendige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit (§ 30 Abs. 1 letzter Satz KDV 1997). Die Frage, ob die Beschwerdeführerin frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 31 KDV 1967 ist - auf dieses Thema bezieht sich der größte Teil der vorgelegten Verwaltungsakten -, ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu untersuchen.
Die oben wiedergegebene Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ist im wesentlichen der Zusammenfassung des verkehrspsychologischen Befundes vom 16. April 1967 entnommen. Grundlage der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen sind offenbar die in einer Beilage angegebenen, bei den einzelnen Tests erzielten Testwerte. Die daraus abgeleiteten Beurteilungen der einzelnen Leistungsfunktionen sind allerdings mangels Angabe der der jeweiligen Beurteilung zugrunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, daß der allein in das ärztliche Amtssachverständigengutachten aufgenommenen Aussage "verspätete Reaktion bei rascher Reizdarbietung" mangels Bezugnahme auf den jeweiligen Grenzwert nicht zu entnehmen ist, ob dieser erreicht oder verfehlt wurde (und in welchem Ausmaß). Das auf den verkehrspsychologischen Befund vom 16. April 1967 gestützte Gutachten, auf welches die belangte Behörde ihre Auffassung gründet, die Beschwerdeführerin verfüge nur in eingeschränktem Ausmaß über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit, ist sohin nicht schlüssig, sodaß die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Einschränkung der Lenkerberechtigung auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren beruht.
Für die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Befristung der Lenkerberechtigung fehlt jegliche Begründung. Weder im angefochtenen Bescheid noch in dem mit ihm bestätigten erstinstanzlichen Bescheid, noch im ärztlichen Amtssachverständigengutachten noch im verkehrspsychologischen Befund vom 16. April 1997 wird dargelegt, warum die im Sinne des § 73 Abs. 1 letzter Halbsatz KFG 1967 eingeschränkte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110289.X00Im RIS seit
19.03.2001