TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 I414 2136480-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2136480-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Tirol vom 01.09.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Im gegenständlichen Verfahren ist die Frage der Gewährung von Asyl zu prüfen, dem Beschwerdeführer wurde bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Darüber hinaus wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2019 der Antrag des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.07.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsstaat Irak zuerkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 16.07.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am darauffolgenden Tag gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder von einer schiitischen Gruppe erschossen worden sei. Auch er sei von den Schiiten bedroht und aufgefordert worden den Irak zu verlassen. Er würde sonst ebenfalls getötet werden. Nach der Erschießung seines Bruders am 06.02.2015 habe er den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen. Anfang Juni 2015 sei er mit dem Flugzeug von Bagdad aus in die Türkei. Bei seiner Rückkehr in den Irak befürchte er wie sein Bruder erschossen zu werden.

Am 30.08.2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, dass er Sunnit sei und die Regierung sehe sie als Ungläubige. Ein Bruder von ihm sei entführt und erschossen worden und aus diesem Grund habe er das Land verlassen. Er hätte einen Drohbrief der Miliz erhalten und dann sei sein Bruder kurz darauf erschossen worden. Er habe Angst bekommen und das Land verlassen. 2014 hätte er Herzprobleme bekommen und in Österreich sei ihm mitgeteilt worden, dass die Herzklappen ausgetauscht werden müssten. Im Irak gäbe es keine Möglichkeit für diese Operation. Dies sei jedoch nicht der Grund warum er sein Land verlassen habe. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass man nicht genau wisse wer seinen Bruder erschossen habe. Er glaube jedoch es sei die Miliz gewesen. Immerhin hätten sie einen Drohbrief erhalten. Nach diesem Vorfall habe er keine weiteren Drohungen erhalten. Er habe das Land verlassen, weil es schwierig gewesen wäre in ein anderes Gebiet zu übersiedeln. Bei der Polizei habe man ihm gesagt, jeder würde so einen Drohbrief erhalten. Er könne nicht zurückkehren, da das Leben hart wäre und er habe Angst vor den Milizen und der Regierung. Außerdem würde er sterben, da er im Irak keine medizinische Versorgung wie in Europa bekommen würde.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum 01.09.2017 erteilt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer keiner staatlichen noch privaten Verfolgung ausgesetzt war.

Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 11.09.2017 langte eine E-Mail einer Freundin des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein in der stand, dass die Tochter des Beschwerdeführers an Hepatitis C erkrankt sei. In Bagdad fehle es jedoch an jeglicher Hilfe. Er wolle seine Tochter nach Österreich bringen, damit sie die richtige Behandlung erhalten könne. Der E-Mail angehängt war ein Befund der Tochter.

Am 15.11.2017 langte eine Mitteilung samt Urkundenvorlage des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers ein, in der mitgeteilt wurde, dass eines seiner Kinder im Jänner 2018 volljährig würde und somit eine Familienzusammenführung praktisch unmöglich wäre. Beigefügt waren diverse Unterlagen in Arabisch.

Mit der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 27.06.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L514 abgenommen und der Gerichtsabteilung I414 zugewiesen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 06.03.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer die alleinige Obsorge für seinen minderjährigen Sohn XXXX, geboren am XXXX2007, zuerkannt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.07.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte I.). Zugleich wurde dem minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.). Den minderjährigen Sohn wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.09.2019 erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 01.02.2020 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass der Beschwerdeführer das Vollmachtsverhältnis widerrufen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.01.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache, des Beschwerdeführers und seiner nunmehrigen Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Gemeinsam mit der Ladung war dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zum Irak übermittelt worden. Dabei wurde der Beschwerdeführer über die Gründe für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat und über seine privaten und persönlichen Verhältnisse einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iraks und gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich nach illegaler Einreise seit (mindestens) 16.07.2015 im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise in Bagdad.

Der Beschwerdeführer leidet an einer mittelgradigen Mitralklappeninsuffiziens, an einer mittelgradigen posttraumatischen Belastungsstörung und an einer leichten Funktionseinschränkung der Niere. Seit dem 18.09.2019 gehört der Beschwerdeführer dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

Der Beschwerdeführer hat am 07.01.2020 den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich bekanntgegeben.

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Ex-Frau, seiner mittlerweile volljährigen Tochter sowie seines minderjährigen Sohnes. Seine Ex-Frau befindet sich in der Türkei und seine Tochter in den Niederlanden. Der minderjährige Sohn hält sich seit mindestens 06.07.2018 in Österreich auf. Es leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers im Irak.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 06.03.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer die alleinige Obsorge für seinen minderjährigen Sohn XXXX, geboren am XXXX2007, zuerkannt.

Dem minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2019 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsstaat Irak zuerkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Irak einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak vor der Ausreise physischer und psychischer Gewalt durch die Milizen ausgesetzt war. Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines am 07.01.2020 bekannt gegebenen Austritts aus der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs einer Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt ist.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

KI vom 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).

Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019) . Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die "Operation Will of Victory", an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der US- geführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019) . Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).

Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).

Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019) . Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019).

Bagdad

Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019 , von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019).

Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

Quellen:

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https://www.rudaw.net/english/kurdistan/130720191. Zugriff 2.10.2019

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Standard. Der (4.10.2019): Irakischer Premier sieht Demonstranten im Recht.

https://www.derstandard.at/story/2000109475503/mehr-als-30-tote-bei-protesten-im-irak.

Zugriff 4.10.2019

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The Guardian (29.10.2019): Iraq's young protesters count cost of a month of violence. https://

www.theguardian.com/world/2019/oct/29/iraqi-protesters-demonstrations-month-of-violence.

Zugriff 30.10.2019

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The Guardian (27.10.2019): Iraq clashes: at least 15 die as counter-terror police quell protests.

https://www.theguardian.com/world/2019/oct/26/six-killed-as-iraq-protests-continue-in-

baghdad-and-nasirivah. Zugriff 28.10.2019

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The Portal (9.10.2019): Iraq launches a new process of "Will to Victory". http://www.theportalcenter.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/. Zugriff 18.10.2019

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VOA - Voice of America (21.9.2019): IS Claims Blast That Killed 12 Near Iraq's Karbala.

https://www.voanews.com/middle-east/claims-blast-killed-12-near-iraqs-karbala.

Zugriff

2.10.2019

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Xinhua (22.8.2019): 4 IS militants. 2 soldiers killed in clashes in eastern Iraq.

http://www.xinhuanet.com/english/2019-08/22/c_138329358.htm. Zugriff 2.10.2019

KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

Bagdad

Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).

Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).

Quellen:

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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019),

Behind Frenemy Lines:

Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemylines-uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1

April 2019, per E-Mail - BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019

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Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants,

http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019

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EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq_security_situation.pdf, 13.3.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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