TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/12 W186 2190107-1

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Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs1
AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §34 Abs3 Z3
BFA-VG §40 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §46 Abs1 Z2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §35 Abs7

Spruch

W186 2190107-1/5E

W186 2190108-1/5E

W186 2190109-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX und 3. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, vertreten durch ASYL IN NOT, p.A. Mag. Ariane Olschak, gegen die Anwendung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Abschiebung nach Kroatien am 13.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG stattgegeben und festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien rechtswidrig war.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) den Beschwerdeführern die Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und die Drittbeschwerdeführerin ist ihre gemeinsame minderjährige Tochter. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und brachten nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.02.2016 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführer am 02.02.2016 in Griechenland wegen illegaler Einreise erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Bei der Erstbefragung am 11.02.2016 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter von ihrem Heimatland über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Slowenien gelangt sei. Anschließend seien sie über Österreich nach Deutschland gefahren, jedoch wenige Stunden später nach Österreich zurückgekehrt. Im Allgemeinen seien sie auf der Durchreise gut behandelt worden. Der Erstbeschwerdeführer legte ein türkisches Dokument, eine Einreiseverweigerung der Bundesrepublik Deutschland vom 10.02.2016 sowie seinen syrischen Reisepass vor. Die Zweitbeschwerdeführerin machte übereinstimmende Angaben zur Reiseroute und legte ebenfalls ihren syrischen Reisepass vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 21.02.2016 Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung an Kroatien, welche unbeantwortet blieben. Mit einem weiteren Schreiben des Bundesamtes vom 29.04.2016 wurde der kroatischen Dublin-Behörde mitgeteilt, dass aufgrund der unterbliebenen Antwort betreffend die Beschwerdeführer gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung die Verantwortung für diese bei Kroatien liege.

Am 26.07.2016 fand die Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt statt. Der Erstbeschwerdeführer gab an, außer seiner Frau und seiner Tochter habe er viele österreichische Freunde. Er wolle auf keinen Fall zurück nach Kroatien. Als sie dort angekommen seien, seien sie von der kroatischen Polizei schlecht behandelt worden. Sie hätten etwas zu essen bekommen. Seine kleine Tochter habe davon eine Lebensmittelvergiftung bekommen und dringend einen Arzt benötigt. Sie hätten dort vergeblich einen Arzt gesucht, niemand habe medizinische Unterstützung zur Verfügung gestellt. Er habe auch Kontakt mit einigen Freunden, die nach Kroatien rücküberstellt worden seien, diese seien auf die Straße gesetzt worden und erhielten keine medizinische Versorgung. Man habe ihnen gesagt, sie sollten arbeiten und sich um sich selbst kümmern, sie seien in Kroatien nicht willkommen. Weiters hätten sie sich in Österreich sehr gut eingelebt. Sie würden die Sprache erlernen und er selbst verrichte ehrenamtliche Arbeiten in der Gemeinde. Sie hätten sehr gute Kontakte zu vielen Österreichern und würden immer gemeinsame Essen veranstalten. Die Tochter sei im Kindergarten angemeldet worden. Falls er nach Kroatien überstellt werden sollte, würde er psychisch sehr darunter leiden. Er spiele in einem Fußballverein. Der Erstbeschwerdeführer legte Unterstützungsschreiben eines Deutschlehrers sowie seiner Wohnsitzgemeinde über seine ehrenamtliche Tätigkeit vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in der Einvernahme an, sie stehe in ärztlicher Behandlung, weil sie eine Zyste am rechten Unterarm habe. Ab und zu habe sie Schmerzen, sonst gehe es ihr gut. Ihrer Tochter gehe es auch gut. Sie hätten inzwischen soziale Bindungen zu Österreich und viele Freunde hier, sie habe sich zu einem Zumba-Kurs angemeldet. Sie gehe manchmal mit ihrer Tochter zum Kindergarten und lerne bereits die deutsche Sprache. Sie würden es strikt ablehnen, wieder nach Kroatien zurückzukehren. Als sie mit ihrer Tochter in Kroatien zum Arzt habe gehen wollen, weil sich diese nach dem Essen übergeben habe, habe die Polizei sie weggeschickt und zur Weiterreise aufgefordert. Sie stehe über das Internet in Kontakt mit anderen Syrern, die in Kroatien seien. Diese hätten ihr erzählt, dass die Lage in Kroatien sehr schlecht sei, man bekommen keinerlei Unterstützung und werde auf die Straße gesetzt. Sie habe sich in Österreich sehr gut integriert, sie sei sehr gebildet und habe in Syrien Mathematik studiert. Sie habe in Österreich eine Arbeitsstelle gefunden. Sie unterrichte privat zu Hause Mathematik. Damit wolle sie sagen, dass sie gleich arbeiten könne, um ihre Familie zu ernähren, sobald sie dies dürfe. Es wäre ihr persönlich sogar lieber, nach Syrien statt nach Kroatien geschickt zu werden. Die Zweitbeschwerdeführerin legte ein Schreiben der Gemeinde über den Kindergartenbesuch der Tochter und Dokumente über ihre Freizeitgestaltung vor.

Am 29.07.2016 übermittelte die Zweitbeschwerdeführerin medizinische Unterlagen: eine undatierte Überweisung der Drittbeschwerdeführerin an einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde mit der Diagnose "Hormonstörung?, Hirsuitismus?, Eltern suspizieren." sowie eine undatierte Überweisung des Erstbeschwerdeführers an eine bettenführende Krankenanstalt mit der Diagnose "Fragl. FK (Splitter) dist. OA links" inklusive Röntgenbildern und folgendem Befund einer Radiologin vom 29.07.2016: "Reguläre knöcherne Darstellung des Humerus sowie des Ellbogengelenkes ohne Nachweis relevanter Arthrosezeichen bzw. rezenter knöcherner Veränderungen. Als auffälligsten Befund erkennt man im Bereich des Ellenbogengelenkes bzw. am distalen Oberarm in den Weichteilen mehrere metalldichte Strukturen mit einer max. Größe von knapp 7 mm, in erster Linie den Granatsplittern entsprechend. Es zeigen sich insgesamt vier größere Granatsplitter sowie mehrere kleinste punktförmige metalldichte Läsionen."

Mit Bescheiden jeweils vom 11.08.2016, Zlen. 1105140705-160223280, 1105141408-160223077 und Zl. 1105135509-160223492, wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2017 wurde die Beschwerde gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Das Bundesamt teilte den kroatischen Behörden mit Schriftsatz vom 12.10.2017 mit, dass die Beschwerdeführer gegen den Bescheid, mit welchem die Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien angeordnet hätte werden sollen, Beschwerde erhoben hätten, der eine aufschiebende Wirkung zugekommen sei. Da das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Erkenntnis vom 10.10.2017 abgewiesen habe, beginne die sechsmonatige Überstellungsfrist mit dieser Entscheidung erst zu laufen.

Die Beschwerdeführer stellten am 08.11.2017 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt teilte den Beschwerdeführern mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 mit, dass Konsultationen mit Italien geführt werden würden.

Am 13.11.2017 wurden vom BFA die Kriterien des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen überprüft und sodann mit Aktenvermerk festgestellt, dass den beschwerdeführenden Parteien auf Grund ihrer Folgeanträge von Gesetzes wegen kein faktischer Abschiebeschutz zukomme und die die beschwerdeführenden Parteien betreffenden Anordnungen zur Außerlandesbringung nach Kroatien nach wie vor aufrecht seien. In diesem Aktenvermerkt stellte die belangte Behörde explizit fest, dass die Zuständigkeit Kroatiens durch Fristablauf gegeben sei, die Beschwerdeführer untergetaucht seien und seither keine Überstellung erfolgt sei und daher die Überstellungsfrist noch offen sei.

Das Bundesamt erließ am 28.02.2018 einen Abschiebeauftrag für die Abschiebung der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Kroatien am 13.03.2018.

Das Bundesamt erließ am 28.02.2018 einen Festnahmeauftrag, wonach die Beschwerdeführer am 11.03.2018 zum Zwecke der Abschiebung gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festzunehmen sind.

Die Beschwerdeführer wurden am 13.03.2018 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben.

Mit Schriftsatz vom 22.03.2018 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen die am 13.03.2018 erfolgte Abschiebung nach Kroatien. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, und dem Bund den Ersatz der Verfahrenskosten nach § 35 VwGVG aufzuerlegen.

Begründend wurde nachstehendes ausgeführt:

"Die erfolgte Überstellung entbehrt jeder Rechtsgrundlage:

Der Mitgliedstaat Kroatien wurde durch Verfristung am 22.04.2016 gem. Art 22 Abs 7 Dublin-

III-VO für ihr Verfahren zuständig. Aus diesem Grund wurden die Anträge auf internationalen Schutz zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhoben die ASt fristgerecht Beschwerde, welche am 1

1.10.201 7 abgewiesen wurde.

Gem. Art 29 Abs 1 Dublin-III-VO hat die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen, Im vorliegenden Fall hat sich diese Frist auf achtzehn Monate verlängert. Als Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs des zuständigen Mitgliedstaats anzunehmen. Wenn ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung erhoben wurde, so ist der Fristbeginn mit dem Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über dieses anzunehmen. Da der Beschwerde nie die aufschiebende Wirkung iSd Art 27 Abs 3 Dublin-III-VO zuerkannt wurde, ist der Tag der (wenn auch nur fingierten) Annahme durch Kroatien, somit der 21.04.2016, anzunehmen. Gem. Art 29 Abs 2 Dublin-III-VO ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Übernahme verpflichtet und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, sofern der Antragsteller nicht innerhalb der Überstellungsfrist des Abs 1 überstellt wurde. Die Frist von achtzehn Monaten ist mit Ablauf des 22.10.2017 verstrichen, Kroatien darf daher nicht länger als zuständig betrachtet werden, die Zuständigkeit ist auf Österreich übergegangen.

Auf diese Umstände wurde erstmals mit Schriftsatz der Kanzlei Ronald Frühwirth vom 31.10.2017 hingewiesen, welcher offenbar unberücksichtigt da den Beschwerdeführern dennoch eine Verfahrensanordnung ausgehändigt wurde, welcher zufolge Konsultationen mit Italien (hierbei dürfte es sich um eine Fehlinformation gehandelt haben) geführt würden und ihnen faktischer Abschiebeschutz gem. § 12a AsylG nicht zukäme. Aus diesem Grund wurde erneut mittels Schriftsatz vom 28.1 1.2017 auf die verfahrenserheblichen Umstände hingewiesen welche der Behörde ohnehin hätten bekannt sein müssen. Mit den Schreiben vom 12.03.2018 sowie jenem der Kanzlei Frühwirth vom 13.03.2018 wurde erneut auf die Unzulässigkeit der Überstellung hingewiesen. Sämtliche Schriftsätze wurden durch die belangte Behörde offenbar mutwillig ignoriert, was eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör darstellt.

Auf telefonische Nachfrage vom 12.03.2018 wurde mir durch die EAST Ost des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, die Überstellung sei rechtmäßig, da der Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den zurückweisenden Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, die Überstellungsfrist gem. Art 29 Abs 1 Dublin-III-VO daher ab dem 10.10.2017 zu bemessen sei. Diese Information ist jedoch unrichtig, da der Beschwerde zu keinem Zeitpunkt die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Vielmehr wurde das Verfahren mittels Beschluss am 04.04.2017 gem. § 38 AVG ausgesetzt. Durch die Aussetzung wurde allerdings lediglich das Verfahren ausgesetzt, nicht aber die Außerlandesbringung. Es gab somit keinen Aufschub der Überstellung, weshalb auch nicht von einer aufschiebenden Wirkung iSd Art 29 Dublin-III-VO zu sprechen sein kann.

Zudem wurde bereits mit Schriftsatz vom 28.11.2017 darauf hingewiesen, dass den Beschwerdeführern gem. § 12a AsylG faktischer Abschiebeschutz zukommt. Auch aus diesem Grund war die frühzeitige Überstellung rechtswidrig, da das Zulassungsverfahren zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig entschieden war."

Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt am 26.03.2018, hg. eingelangt am 29.03.2018, vor. Es stellte den Antrag, die Beschwerde möge als unbegründet abgewiesen werden. Ein Antrag auf Kostenersatz nach § 35 VwGVG wurde nicht gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und die Drittbeschwerdeführerin ist ihre gemeinsame minderjährige Tochter. Die Beschwerdeführer gelangten im Februar 2016 über Griechenland illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten und wurden dort erkennungsdienstlich behandelt, stellten jedoch keinen Antrag auf internationalen Schutz. Anschließend reisten die Beschwerdeführer über Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Slowenien weiter und gelangten schließlich illegal nach Österreich, wo sie am 10.02.2016 Anträge auf internationalen Schutz einbrachten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 21.02.1016 Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung an Kroatien, welche unbeantwortet blieben. Mit einem weiteren Schreiben des Bundesamtes vom 29.04.2016 wurde der kroatischen Dublin-Behörde mitgeteilt, dass aufgrund der unterbliebenen Antwort betreffend die Beschwerdeführer gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung die Verantwortung seit 22.04.2016 für diese bei Kroatien liege.

Das Bundesamt teilte der kroatischen Dublin-Behörde am 17.10.2016 (sohin noch vor Ablauf der sechs monatigen Überstellungsfrist) mit, dass die Beschwerdeführer flüchtig seien und sich die Überstellungsfrist demnach auf 18 Monate verlängere.

Eine gegen die zurückweisende Entscheidung des Bundesamtes erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach vorangehender Aussetzung des Verfahrens (vgl. Beschluss vom 04.04.2017, Zlen. W184 2132592-1/17E, W184 2132590-1/17E, W184 2132595-1/17E) mit Erkenntnis vom 10.10.2017 als unbegründet ab. Unter einem stellte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 10.10.2017 fest, dass sich die Überstellungsfrist aufgrund des Untertauchens der Beschwerdeführer und der rechtzeitigen Verständigung Kroatiens bis zum 22.10.2017 verlängert habe (vgl. S. 10 des Erkenntnisses, Zlen. W184 2132592-1/20E, W184 2132590-1/20E, W184 2132595-1/20E). Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde zu keinem Zeitpunkt eine aufschiebende Wirkung zu.

Das Bundesamt teilte den kroatischen Behörden mit Schriftsatz vom 12.10.2017 mit, dass die Beschwerdeführer gegen den Bescheid, mit welchem die Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien angeordnet hätte werden sollen, Beschwerde erhoben hätten, der eine aufschiebende Wirkung zugekommen sei. Da das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Erkenntnis vom 10.10.2017 abgewiesen habe, beginne die sechsmonatige Überstellungsfrist mit dieser Entscheidung erst zu laufen.

Die Beschwerdeführer stellten am 08.11.2017 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt teilte den Beschwerdeführern mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 mit, dass Konsultationen mit Italien geführt werden würden.

Am 13.11.2017 wurden vom BFA die Kriterien des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen überprüft und sodann mit Aktenvermerk festgestellt, dass den beschwerdeführenden Parteien auf Grund ihrer Folgeanträge von Gesetzes wegen kein faktischer Abschiebeschutz zukomme und die die beschwerdeführenden Parteien betreffenden Anordnungen zur Außerlandesbringung nach Kroatien nach wie vor aufrecht seien. In diesem Aktenvermerkt stellte die belangte Behörde explizit fest, dass die Überstellungsfrist nach Kroatien noch offen sei.

Das Bundesamt erließ am 28.02.2018 einen Abschiebeauftrag für die Abschiebung der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Kroatien am 13.03.2018.

Das Bundesamt erließ am 28.02.2018 einen Festnahmeauftrag, wonach die Beschwerdeführer am 11.03.2018 zum Zwecke der Abschiebung gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festzunehmen sind.

Die Beschwerdeführer wurden am 13.03.2018 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des BVwG. Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens. In der Beschwerde wurde kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes Vorbringen erstattet, vielmehr deckt sich der festgestellte Sachverhalt auch mit dem in der Beschwerde dargestellten Sachverhalt.

Die Feststellung zu der am 13.03.2018 erfolgten Überstellung der Beschwerdeführer nach Kroatien resultiert aus dem Bericht des BMI vom 14.03.2018 (AS 137ff), in Zusammenschau mit einem aktuellen Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Da auch sonst keine Zweifel an der Richtigkeit und Relevanz der getroffenen Feststellungen hervorgekommen sind, sind diese als erwiesen anzunehmen und in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Rechtswidrigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt A.I.):

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089; vgl. VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118).

Gegen die Beschwerdeführer lag zum Zeitpunkt der Abschiebung zwar eine rechtskräftige, und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien vor - allerdings war Kroatien mangels Fristablaufes nicht mehr der zuständige Mitgliedstaat zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführer nach der Dublin

III-VO:

Das Bundesamt richtete am 21.02.2016 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO an Kroatien, welches die kroatischen Behörden unbeantwortet ließen. Mit Schreiben vom 29.04.2016 teilte das Bundesamt daraufhin den kroatischen Behörden mit, dass angesichts der unterbliebenen Beantwortung des Aufnahmegesuchs die Verantwortung zur Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführer gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO nunmehr - beginnend mit 22.04.2016 - bei Kroatien liege.

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 17.10.2016 wurde den kroatischen Dublin Behörden mitgeteilt, dass die Beschwerdeführer untergetaucht seien und sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängere. Dieser Umstand wurde Kroatien auch binnen der sechsmonatigen Frist rechtzeitig mitgeteilt.

Die Überstellungsfrist der Beschwerdeführer nach Kroatien lief somit am 22.10.2016 ab. Dies bestätigte auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 10.10.2017, Zlen. W184 2132592-1/20E, W184 2132590-1/20E, W184 2132595-1/20E (vgl. S. 18).

Explizit ist festzustellen, dass im Verfahren zur Anordnung der Außerlandesbringung nach Kroatien keine aufschiebende Wirkung erteilt wurde.

Selbst wenn man der Rechtsauffassung der belangten Behörde folgt, wonach die Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG eine Hemmung der Überstellungsfrist bewirke so ist selbst dann von einem Fristablauf auszugehen:

Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 04.04.2017 ausgesetzt. Das Vorabentscheidungsverfahren bezüglich Slowenien vom 14.09.2016 (EuGH Zl V-490/16) sowie zum Vorabentscheidungsersuchen Österreichs (VwGH vom 14.12.2016) wurde vom EuGH mit Urteil vom 26.07.2017 beantwortet. Selbst wenn sich angesichts dieser knapp dreieinhalb monatigen Aussetzung des Verfahrens die Überstellungsfrist um dreieinhalb Monate verlängert hätte (somit bis Mitte Februar 2018 anstatt wie sonst bis 22.10.2017) ist die erfolgte Abschiebung der Beschwerdeführer am 13.03.2018 jedenfalls verspätet erfolgt.

Angesichts des Umstandes, dass die Überstellungsfrist für die Überstellung der Beschwerdeführer nach Kroatien mit 22.10.2017 abgelaufen ist und die Zuständigkeit somit auf Österreich übergegangen ist - die Beschwerdeführer tatsächlich jedoch am 18.03.2018 nach Kroatien überstellt worden sind - war die gegenständlich angefochtene Abschiebung als rechtswidrig zu erklären.

3.2. Zum Aufwandersatz (Spruchpunkt A.II.):

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, geregelt.

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da der gegenständliche Maßnahmenbeschwerde stattgegeben wurde, sind gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die beschwerdeführenden Parteien (gemeinsam) obsiegende und die belangte Behörde unterlegene Partei.

In der Beschwerde wurde von den beschwerdeführenden Partei beantragt, die belangte Behörde bzw. den Bund zum Ersatz der Kosten des Verfahrens im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu verhalten.

Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlege Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes der beschwerdeführenden Parteien in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken und in dieser Höhe spruchgemäß festzusetzen.

Die belangte Behörde stellte selbst keinen Antrag auf Kostenersatz.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte - trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde -gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären war.

3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung, Außerlandesbringung, Befehls- und Zwangsgewalt,
faktischer Abschiebeschutz, Festnahmeauftrag, Fristablauf,
Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Überstellungsfrist, Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2190107.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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