TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W211 2218746-1

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs4b
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2218746-1/6E

W211 2218745-1/5E

W211 2218744-1/5E

W211 2218743-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX , geboren am XXXX , 3) XXXX geboren am XXXX , 4) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin 1 ist die Mutter der Beschwerdeführer_innen 2 - 4. Sie stellte für sich und ihre minderjährigen Kinder am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Sie gab bei der Erstbefragung am selben Tag unter anderem an, dass ihr Mann derzeit noch in Griechenland aufhältig sei. Sie habe Syrien wegen der Unruhen und des Krieges verlassen.

Die Beschwerdeführerin 1 wurde am XXXX .2019 von der belangten Behörde einvernommen und gab dabei zusammengefasst und soweit wesentlich an, seit 2013 verheiratet zu sein. Die Beschwerdeführerin 1 legte ein Familienbuch vor.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer_innen bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide wurde rechtzeitig eine gemeinsame Beschwerde eingebracht.

Mit Stellungnahme vom XXXX .2020 teilte die Vertretung der Beschwerdeführer_innen mit, dass dem Mann der Beschwerdeführerin 1, und damit dem Vater der Beschwerdeführer_innen 2 - 4, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

Mit Schreiben vom XXXX .2020 übermittelte die belangte Behörde den Akt des Ehemannes der Beschwerdeführerin 1 bzw. des Vaters der Beschwerdeführer_innen 2 - 4.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer_innen sind syrische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführerin 1 ist die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer_innen 2 - 4. Sie stellte für sich und ihre Kinder am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer_innen bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

XXXX ist der Ehemann und Vater der Beschwerdeführer_innen. Er stellte am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019 wurde XXXX der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Die unter 1. ausgeführten Feststellungen gründen sich auf die Verwaltungsakten der Beschwerdeführer_innen sowie auf den Verwaltungsakt des XXXX .

Zur Familieneigenschaft ist insbesondere auf das in Übersetzung vorliegende Familienbuch ("Familienurkunde, Syrische Arabische Republik, Innenministerium") zu verweisen (vgl. AS 87 ff im Akt der Beschwerdeführerin 1), nach dem die Trauung zwischen der Beschwerdeführerin 1 und XXXX am XXXX .2013 stattgefunden hat, die am XXXX .2013 eingetragen wurde. Ebenso sind Beschwerdeführerin 3 und Beschwerdeführer 4 in diesem Dokument vermerkt. Hinweise darauf, dass die Beschwerdeführerin 2 nicht die Tochter von XXXX ist, kamen im Verfahren nicht hervor. Er gab in seiner Einvernahme am XXXX .2019 bei der belangten Behörde an, dass seine jüngste Tochter in Griechenland zur Welt gekommen ist (S. 3 des Einvernahmeprotokolls im Verfahren des XXXX vom XXXX .2019).

Dass der Ehemann der Beschwerdeführerin 1 und der Vater der Beschwerdeführer_innen 2 - 4 in Österreich asylberechtigt ist, ergibt sich aus dem ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. § 34 AsylG:

(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

[...]

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Familienangehöriger im Sinne des AsylG ist, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde [...] (§ 2 Z 22 AsylG).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Da die Beschwerdeführer_innen Familienangehörige ihres Ehemannes bzw. Vaters sind, dem in Österreich der Status eines Asylberechtigten zukommt, ist ihnen gemäß § 34 Abs. 2 und Abs. 4 AsylG der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen. Gründe, die nach § 34 Abs 2 Z 1 und Z 3 AsylG einer solchen Statuszuerkennung entgegenstehen würden, kamen im Verfahren nicht hervor.

3.2.2. In Bezug auf das Vorbringen in den Beschwerden ist auf das Erkenntnis des VwGH, 30.04.2018, Ra 2017/01/0418, zu verweisen:

Darüber hinaus differenziert das Gesetz beim Status des Asylberechtigten jedoch nicht. Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass "der" Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status des Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Im Übrigen lässt sich auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen (vgl. insbesondere deren Art. 13).

Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen.

Eine weitere Prüfung des Beschwerdevorbringens kann daher entfallen.

3.2.3. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist den Beschwerdeführer_innen nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.4. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Bezugsperson auf internationalen Schutz am XXXX .2019 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden (vgl. dazu § 3 Abs. 4b AsylG).

4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Beschwerde aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer_innen geklärt ist. Weder wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt bestritten, noch war er in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig oder erschien in entscheidenden Punkten als unrichtig. Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über Rechtsfragen zu erkennen (vgl. EGMR 05.09.2002, Appl. Nr. 42057/98, Speil/Österreich).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Asyl auf Zeit, Asylgewährung, Asylverfahren, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienangehöriger, Familienverfahren,
Flüchtlingseigenschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2218746.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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