TE Vfgh Erkenntnis 2020/2/27 E2273/2019

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art9
StbG 1985 §10 Abs1, §10 Abs5
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an einen Ordensangehörigen mangels Sicherung seines Lebensunterhalts; Prüfung der funktionalen Äquivalenz innerkirchlicher unterhaltsrechtlicher Rechtsbeziehungen mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch erforderlich

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

      Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer wurde 1975 geboren und ist libanesischer Staatsangehöriger. Er ist Mitglied der – mit der Katholischen Kirche unierten – Kongregation der Maronitischen Libanesischen Missionare und hat 1999 die ewigen Ordensgelübde (Profess) abgelegt, womit er sich gegenüber seinem Orden ua zu Armut verpflichtet hat. Die Kongregation ist für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder verantwortlich, wobei es für die Bemessung der Höhe der Lebensunterhaltskosten keine Richtlinien gibt, sondern die Entscheidung jeweils nach dem konkreten Bedarf erfolgt.

Der Kongregation der Maronitischen Libanesischen Missionare kommt auf Grund einer Anzeige des Erzbischöflichen Ordinariates der Erzdiözese Wien über die kanonische Errichtung einer Niederlassung und der Bestätigung des (damaligen) Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur als oberste staatliche Kultusverwaltungsbehörde gemäß ArtX §2 und ArtII des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich samt Zusatzprotokoll, BGBl II 2/1934, Rechtspersönlichkeit im staatlichen Bereich zu.

Derzeit wird dem Beschwerdeführer, der sich seit 2003 (seit 2013 als alleiniger Vertreter seiner Kongregation) in Wien aufhält, eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Der Beschwerdeführer nimmt verschiedene Funktionen für die Erzdiözese Wien wahr. Für seinen seelsorglichen Einsatz leistet diese im Rahmen eines Gestellungsvertrages ein Entgelt an die Kongregation. Von diesem Betrag werden derzeit sämtliche Kosten für die Wiener Niederlassung der Kongregation getragen. Der Beschwerdeführer selbst hat aus dem Gestellungsvertrag keinen Anspruch auf Leistungen.

2. Am 29. Juli 2014 beantragte der Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 wies die Wiener Landesregierung diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers weder durch Einkünfte aus Erwerb auf Grund eines Dienstvertrages noch durch einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gesichert sei.

Mit Erkenntnis vom 2. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Summe der dem Beschwerdeführer von der Kongregation geleisteten Zahlungen in den maßgeblichen Monaten würde zwar die Summe der maßgeblichen Richtsätze des §293 ASVG übersteigen. Im Fall des Beschwerdeführers sei die zwingende Verleihungsvoraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG trotzdem nicht erfüllt:

Der Gesetzgeber wolle die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen, deren Lebensunterhalt in Österreich durch ein entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert sei. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssten objektiv erfüllt sein. Dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes kein Verschulden treffe, sei nicht von Belang. In einem Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft komme im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der verliehenen Rechtsposition dem Erfordernis der Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung besondere Bedeutung zu. Mit der taxativen Aufzählung von Einkunftsquellen sehe der Gesetzgeber den Lebensunterhalt nur dann als hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen nachgewiesen würden. Einkünfte aus vertraglichen Unterhaltsansprüchen und finanzielle Zuwendungen, auf welche kein Rechtsanspruch im Sinne eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches bestehe, würden daher nicht als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG gelten.

Den Unterhaltsleistungen eines Ordens im Professverhältnis, das seinem Wesen nach als entgeltfremd zu qualifizieren sei, komme nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine zivilrechtlich relevante Vertragswirkung zu. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus diesen vertraglichen Unterhaltsansprüchen würden allerdings nicht als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG gelten. Abgesehen davon habe der Beschwerdeführer auf im Rahmen des Gestellungsvertrages mit der Erzdiözese Wien geleistete Beträge, sofern sie ihm tatsächlich zur freien Verfügung stünden, keinen Rechtsanspruch.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Wahrung der Religionsausübungsfreiheit nach Art9 EMRK iVm dem Benachteiligungsverbot nach Art14 EMRK, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK iVm Art14 EMRK, auf Berufsauswahl- und -ausübungsfreiheit nach Art18 StGG, auf Wahrung der Berufsfreiheit nach Art15 GRC und auf Nichtdiskriminierung nach Art21 GRC behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Der Beschwerdeführer übe seine Tätigkeit als Priester seit 2002 auf Grund eines langjährigen Studiums, einer entsprechenden Ausbildung, jahrelanger Erfahrung und seiner religiösen Überzeugung aus und widme seine gesamte Zeit und Energie als Seelsorger seiner Kongregation bzw der Erzdiözese Wien. Eine weitere berufliche Tätigkeit, um seinen ohnehin gesicherten Unterhalt zu sichern, sei ihm nicht zumutbar. Durch die Wahl seines Berufes und die Ausübung seiner Religion, die kircheninternen Regelungen und die Notwendigkeit der Ablegung der Profess sowie durch die Auslegung des Gesetzes, wie sie das Verwaltungsgericht Wien vornehme, sei dem Beschwerdeführer (und jedem Priester oder Ordensangehörigen) die Möglichkeit der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gänzlich entzogen. Der Auslegung des Verwaltungsgerichtes Wien sei auch entgegenzuhalten, dass, ungeachtet der Bezeichnung des von der Kirche geleisteten Entgeltes, dieser "Unterhaltszahlung" eine Arbeitsleistung gegenüberstehe. Aus zivilrechtlicher Sicht liege daher ein Dienstvertrag nach §1151 ABGB vor.

4. Die Wiener Landesregierung und das Verwaltungsgericht Wien haben die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Rechtslage

§10 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl 311/1985 (WV) idF BGBl I 136/2013, lautet auszugsweise wie folgt:

"Verleihung

§10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. […]

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und

8. […]

(5) Der Lebensunterhalt (Abs1 Z7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in §292 Abs3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß §291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl I Nr 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.

(6) […]"

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:

1. Das Verwaltungsgericht Wien geht bei der Beurteilung der im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Frage, ob für den Beschwerdeführer ein hinreichend gesicherter Lebensunterhalt im Sinne des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG vorliegt, zunächst zutreffend davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Verleihungsvoraussetzung des "hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes" sicherstellen will, dass Verleihungswerber ihr Fortkommen auch künftig ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften bestreiten können (vgl die Erläut zur RV der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, 1189 BlgNR 22. GP, 6). Dem Gesetzgeber kommt es auf eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung an, womit nur bestimmte Arten von Einkünften in die anzustellende Berechnung einfließen können, und zwar nur solche, die die Prognose einer langfristigen und nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes des Fremden erlauben.

Der Gesetzgeber verlangt daher in §10 Abs5 StbG feste und regelmäßige eigene Einkünfte und stellt dabei ausschließlich auf Einkommensquellen wiederkehrender Natur ab ("Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen"; vgl VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0004). Diese Aufzählung hat nicht bloß demonstrativen Charakter, sondern stellt eine Definition der in §10 Abs1 Z7 StbG aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes des Verleihungswerbers dar (vgl VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003, Ra 2017/01/0065). Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein (vgl VwGH 20.9.2011, 2010/01/0001). "Freiwillige Geldgeschenke einer dritten Person" sowie finanzielle Zuwendungen, auf welche kein Rechtsanspruch im Sinne eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches besteht, können daher nicht als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG gesehen werden (vgl VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169).

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit der Verleihungsvoraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG an die – freiwillig gewählte oder unfreiwillig entstandene – Lebenssituation des Verleihungswerbers anknüpft und etwa in Situationen, in denen eine Person aus persönlichen Gründen im Familienverband auf ein eigenes Einkommen verzichtet, und nur auf Grund von Unterhaltsleistungen gesichert ist, im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der verliehenen Rechtsposition und die Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung nicht von einem hinreichend gesicherten Lebensunterhalt im Sinne des §10 Abs5 StbG ausgeht (vgl zu nicht hinreichenden Zuwendungen eines Lebensgefährten mwN VwGH 17.6.1992, 91/01/0147). In solchen Konstellationen steht es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich frei, einem Verleihungswerber unter Vorhalt seiner Einkommensverhältnisse und Lebensentscheidungen die Staatsbürgerschaft zu verwehren (vgl VfGH 26.6.2019, E89/2019).

2. Das Verwaltungsgericht Wien schließt im Weiteren aus dem Umstand, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einer Profess in bestimmten Zusammenhängen "eine zivilrechtlich relevante Vertragswirkung" zuerkennt und das Professverhältnis "seinem Wesen nach als entgeltfremd zu qualifizieren ist" (OGH 22.10.1996, 10 ObS 267/95), dass der Beschwerdeführer wegen der Entgeltfremdheit des Professverhältnisses kein eigenes vertragliches Erwerbseinkommen und im Hinblick auf die zivilrechtliche Natur der Profess aus dem Ordensverhältnis keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG nachweisen könne. Daher sei es nicht entscheidend, dass in der Summe die Betragsgrenzen des §10 Abs5 StbG iVm §293 ASVG übersteigende Geldleistungen der Kongregation an den Beschwerdeführer vorlägen.

3. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet unter anderem eine Entscheidung, wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum genannten Bundesverfassungsgesetz stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001).

Das Verwaltungsgericht Wien hat im konkreten Fall den Bestimmungen des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG einen solchen, eine sachlich nicht begründbare Unterscheidung zwischen Fremden bewirkenden Inhalt unterstellt:

3.1. Die staatliche Gesetzgebung und Vollziehung sind nicht gehindert, bei der Regelung der äußeren Angelegenheiten an innerkirchliche Regelungen, also etwa auch solche über die innere Organisation und das Verhältnis zu Angehörigen, anzuknüpfen und diese für die Zwecke der staatlichen Regelungen zu beurteilen und in das jeweilige staatliche Regelungssystem einzuordnen (vgl zB für den aus der Ordensprofess folgenden Unterhaltsanspruch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht OGH 7.9.1993, 10 ObS 137/93, oder VwGH 27.7.2001, 98/08/0011, 98/08/0012). Dabei kommt es nicht auf die Beurteilung der Rechtsnatur zB etwaiger Unterhaltsansprüche aus dem Professverhältnis nach den innerkirchlichen Rechtsvorschriften, sondern darauf an, wie diese Unterhaltsansprüche im Hinblick auf die zu vollziehenden staatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind.

3.2. Damit kommt es im vorliegenden Zusammenhang für die Beurteilung des dem Beschwerdeführer unstrittig aus dem Professverhältnis zustehenden Unterhaltes (OGH 7.9.1993, 10 ObS 137/93; 22.10.1996, 10 ObS 267/95) maßgeblich auf die inhaltliche Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen dieses Unterhaltsanspruches aus dem Blickwinkel des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG an (vgl für eine solche inhaltliche Beurteilung im Hinblick auf den aus der Ordensprofess folgenden Unterhaltsanspruch für Ordenspersonen der Katholischen Kirche in ausgleichszulagenrechtlicher Hinsicht OGH 7.9.1993, 10 ObS 137/93 oder in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht VwGH 27.7.2001, 98/08/0011, 98/08/0012).

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhältnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des §10 Abs5 StbG entsprechen. Im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben ist dafür nicht entscheidend, ob das innere Ordensverhältnis, die Profess, im Hinblick auf bestimmte andere Rechtsverhältnisse gesetzliche oder vertragliche Auswirkungen hat, sondern es kommt darauf an, ob diese innerkirchlichen Rechtsbeziehungen einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG funktional äquivalent gleichgehalten werden können. Denn schließt man mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (22.10.1996, 10 ObS 267/95) und des Verwaltungsgerichtshofes (27.7.2001, 98/08/0011, 98/08/0012; 25.3.2004, 2004/16/0003) aus, Leistungen von Ordensangehörigen, die eine Profess abgelegt haben, als entgeltliche Arbeitsleistungen zu qualifizieren, würde die Auffassung, Unterhaltsansprüche aus der Profess seien per se als vertraglich zu qualifizieren, Ordensangehörige im Hinblick auf die Voraussetzung des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG von der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch dann ausschließen, wenn ihre Unterhaltssituation derjenigen von Verleihungswerbern mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG funktional vollständig äquivalent wäre. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist schon mit Blick auf Art9 EMRK kein sachlicher Grund gegeben.

3.3. Das Verwaltungsgericht Wien wird im fortgesetzten Verfahren also zu prüfen haben, ob für den Beschwerdeführer aus seinem Professverhältnis ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation vorliegt, der insbesondere im Hinblick auf die Auflösbarkeit des Unterhaltsbandes einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG vergleichbar ist. Dabei kommt möglicherweise dem Umstand Bedeutung zu, dass der Sozialversicherungsgesetzgeber in §5 Abs1 Z7 ASVG Angehörige eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche von der Vollversicherung nach §4 ASVG ausnimmt und in §314 ASVG für den Fall des Ausscheidens eines Angehörigen eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw der Kongregation vorsieht, dass der Orden bzw die Kongregation unter näher bestimmten Voraussetzungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger einen Überweisungsbetrag zu leisten hat. Damit geht das Sozialversicherungsrecht davon aus, dass ein gesetzlicher Versicherungsschutz der Angehörigen der Orden und Kongregationen nicht erforderlich ist, weil diese ähnlich wie die Bediensteten öffentlich rechtlicher Körperschaften durch ein besonderes Versorgungssystem geschützt sind (vgl Erläut zur RV der 29. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, 404 BlgNR 13. GP, 124; OGH 7.9.1993, 10 ObS 137/93 mwN; Koizar, Sozialrechtliche Stellung von Klerikern, Ordensangehörigen und kirchlichen Mitarbeitern, in: Runggaldier/Schinkele [Hrsg.], Arbeitsrecht und Kirche, 1996, 179 [213 f.]).

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Staatsbürgerschaftsrecht, Unterhalt, Verleihung (Staatsbürgerschaft), Staatskirchenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2273.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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