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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an einen Ordensangehörigen mangels Sicherung seines Lebensunterhalts; Prüfung der funktionalen Äquivalenz innerkirchlicher unterhaltsrechtlicher Rechtsbeziehungen mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch erforderlichRechtssatz
Das Verwaltungsgericht Wien (LVwG; VGW) schließt aus dem Umstand, dass die Rechtsprechung des OGH einer Profess in bestimmten Zusammenhängen "eine zivilrechtlich relevante Vertragswirkung" zuerkennt und das Professverhältnis "seinem Wesen nach als entgeltfremd zu qualifizieren ist", dass der Beschwerdeführer wegen der Entgeltfremdheit des Professverhältnisses kein eigenes vertragliches Erwerbseinkommen und im Hinblick auf die zivilrechtliche Natur der Profess aus dem Ordensverhältnis keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG nachweisen könne. Daher sei es nicht entscheidend, dass in der Summe die Betragsgrenzen des §10 Abs5 StbG iVm §293 ASVG übersteigende Geldleistungen der Kongregation an den Beschwerdeführer vorlägen.
Die staatliche Gesetzgebung und Vollziehung sind nicht gehindert, bei der Regelung der äußeren Angelegenheiten an innerkirchliche Regelungen, also etwa auch solche über die innere Organisation und das Verhältnis zu Angehörigen, anzuknüpfen und diese für die Zwecke der staatlichen Regelungen zu beurteilen und in das jeweilige staatliche Regelungssystem einzuordnen. Dabei kommt es nicht auf die Beurteilung der Rechtsnatur zB etwaiger Unterhaltsansprüche aus dem Professverhältnis nach den innerkirchlichen Rechtsvorschriften, sondern darauf an, wie diese Unterhaltsansprüche im Hinblick auf die zu vollziehenden staatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind.
Für die Beurteilung des dem Beschwerdeführer unstrittig aus dem Professverhältnis zustehenden Unterhaltes kommt es maßgeblich auf die inhaltliche Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen dieses Unterhaltsanspruches aus dem Blickwinkel des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG an.
Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhältnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des §10 Abs5 StbG entsprechen. Im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben ist dafür nicht entscheidend, ob das innere Ordensverhältnis, die Profess, im Hinblick auf bestimmte andere Rechtsverhältnisse gesetzliche oder vertragliche Auswirkungen hat, sondern es kommt darauf an, ob diese innerkirchlichen Rechtsbeziehungen einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG funktional äquivalent gleichgehalten werden können. Denn schließt man mit der Rechtsprechung des OGH und des VwGH aus, Leistungen von Ordensangehörigen, die eine Profess abgelegt haben, als entgeltliche Arbeitsleistungen zu qualifizieren, würde die Auffassung, Unterhaltsansprüche aus der Profess seien per se als vertraglich zu qualifizieren, Ordensangehörige im Hinblick auf die Voraussetzung des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG von der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch dann ausschließen, wenn ihre Unterhaltssituation derjenigen von Verleihungswerbern mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG funktional vollständig äquivalent wäre. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist schon mit Blick auf Art9 EMRK kein sachlicher Grund gegeben.
Das VGW wird im fortgesetzten Verfahren also zu prüfen haben, ob für den Beschwerdeführer aus seinem Professverhältnis ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation vorliegt, der insbesondere im Hinblick auf die Auflösbarkeit des Unterhaltsbandes einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch iSd §10 Abs5 StbG vergleichbar ist. Dabei kommt möglicherweise dem Umstand Bedeutung zu, dass der Sozialversicherungsgesetzgeber in §5 Abs1 Z7 ASVG Angehörige eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche von der Vollversicherung nach §4 ASVG ausnimmt und in §314 ASVG für den Fall des Ausscheidens eines Angehörigen eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw der Kongregation vorsieht, dass der Orden bzw die Kongregation unter näher bestimmten Voraussetzungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger einen Überweisungsbetrag zu leisten hat. Damit geht das Sozialversicherungsrecht davon aus, dass ein gesetzlicher Versicherungsschutz der Angehörigen der Orden und Kongregationen nicht erforderlich ist, weil diese ähnlich wie die Bediensteten öffentlich rechtlicher Körperschaften durch ein besonderes Versorgungssystem geschützt sind.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Staatsbürgerschaftsrecht, Unterhalt, Verleihung (Staatsbürgerschaft), StaatskirchenrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2273.2019Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021