TE Vwgh Beschluss 2020/3/4 Ra 2019/21/0372

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
MRK Art3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D O in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das am 18. März 2019 mündlich verkündete und mit 11. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, I408 1403248-3/12E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein 1990 geborener Staatsangehöriger Nigerias, stellte nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 11. November 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, der (zuletzt mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. April 2009) vollinhaltlich - verbunden mit einer Ausweisung nach Nigeria - abgewiesen wurde.

Am 30. November 2009 beantragte er neuerlich internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde (zuletzt mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 1. April 2010) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Revisionswerber neuerlich nach Nigeria ausgewiesen.

2 Der Revisionswerber war ungeachtet dieser Entscheidungen im Bundesgebiet verblieben. Hier wurden über ihn mit rechtskräftigen Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. April 2009, 29. September 2010 und zuletzt 28. November 2018 wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten Freiheitsstrafen verhängt. Im erstgenannten Fall war die Freiheitsstrafe zum Teil bedingt nachgesehen, bei der zweiten und dritten Verurteilung waren unbedingte Freiheitsstrafen verhängt worden.

3 Mit Bescheid vom 29. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag des Revisionswerbers vom 30. Mai 2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Es erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei, und setzte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest. 4 Begründend führte das BFA in diesem Bescheid aus, der Revisionswerber habe weder ein gültiges Reisedokument noch seine Geburtsurkunde vorgelegt. Er sei daher seiner Mitwirkungspflicht nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV 2005 nicht nachgekommen.

In seiner Abwägung nach § 9 BFA-VG hielt das BFA fest, dass der wiederholt straffällig gewordene Revisionswerber kein Familienleben in Österreich führe. Auch gehe er keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach und sei nicht Mitglied eines Vereins. Er habe lediglich - während unsicheren Aufenthalts - gewisse Deutschkenntnisse sowie einen Freundes- und Bekanntenkreis erworben, zu dem der Kontakt allerdings über elektronische Kommunikationsmittel oder Besuche aufrechterhalten werden könne. Ein über ihn wegen der Begehung der erwähnten Suchtmitteldelikte verhängtes auf zehn Jahre befristetes (vom Revisionswerber unbeachtet gebliebenes) Aufenthaltsverbot (vom 23. Juni 2009) sei lediglich aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage (mit Bescheid des BFA vom 14. Juli 2017) aufgehoben worden.

Nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat sei mit einer Reintegration zu rechnen. Der Revisionswerber sei jung, arbeitsfähig und beherrsche die Sprache des Herkunftsstaates. Es bestünden somit keine Zweifel, dass er in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Eine in Nigeria bestehende Gefährdungslage sei bereits in den erwähnten Asylverfahren verneint worden. Dem Vorbringen, bei seiner Einreise würde er durch die nigerianische Polizei aufgrund der in Österreich erfolgten Verurteilungen verhaftet, sei zu entgegnen, dass insoweit kein Informationsaustausch zwischen den österreichischen und nigerianischen Behörden stattfinde. Die Behauptung gehe daher mangels Kenntnis der nigerianischen Behörden über die Vorverurteilungen aus Österreich ins Leere. Eine vorgebrachte Angststörung bzw. posttraumatische Belastungsstörung sei nicht nachgewiesen. Im Übrigen wären derartige gesundheitliche Probleme in Nigeria behandelbar, auch die entsprechenden Medikamente seien dort erhältlich.

5 Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 6 Begründend teilte das BVwG die eben wiedergegebene Ansicht des BFA, insbesondere über die geringe vom Revisionswerber im Bundesgebiet erreichte Integration. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates habe er verhindert, indem er im Jahr 2010 zwei Ladungen nicht nachgekommen sei und er am 21. Februar 2011, als er der nigerianischen Botschaft vorgeführt worden sei, fälschlich behauptet habe, Staatsangehöriger von Liberia zu sein. Erst am 2. Juni 2017 sei er aufgrund eines Ladungsbescheides der Botschaft Nigerias vorgeführt und dort als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden.

Der Revisionswerber habe zwar ein Sprachzertifikat vom 9. November 2017 (auf Niveau A2) vorgelegt, habe in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG jedoch mit Sprachkenntnissen nicht überzeugen und nur sehr einfach gestellte Fragen auf Deutsch beantworten können. Er sei in Österreich nie einer geregelten legalen Tätigkeit nachgegangen und habe seinen Unterhalt durch Gelegenheitsarbeiten und Unterstützung seiner jeweiligen Freundinnen bestritten. Seit 2017 verfüge er über eine Krankenversicherung.

Beim Revisionswerber handle es sich um einen gesunden, volljährigen, arbeitsfähigen Mann, der am Erwerbsleben im Herkunftsstaat, wo er seine Hauptsozialisierung erfahren und vor der Ausreise als Kraftfahrer gearbeitet habe, teilnehmen und dadurch ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften könne. Eine unzureichende Versorgungssituation in Nigeria liege nicht vor. Gegenüber der Situation im Zeitpunkt der Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz sei weder im Herkunftsstaat noch in der Person des Revisionswerbers eine maßgebliche Veränderung eingetreten. Auch lägen keine sonstigen Umstände vor, aus denen die Unzulässigkeit einer Abschiebung iSd § 50 FPG gefolgert werden könnte.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Insoweit wendet sich der Revisionswerber gegen die Annahme des BVwG, eine Gefährdung im Sinn des Art. 3 EMRK wäre im Fall einer Rückkehr nach Nigeria zu verneinen und es sei mit der Möglichkeit seiner Reintegration in diesem Staat zu rechnen. 10 Dem ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber im Verfahren vor dem BVwG und in der Revision lediglich sein Vorbringen aus den Verfahren über seine Anträge auf internationalen Schutz sowie aus dem vorliegenden Verfahren vor dem BFA wiederholt und dabei weder auf die Argumentation des BFA eingegangen ist noch Änderungen der Situation in Nigeria konkretisiert hat. Letzteres gilt auch hinsichtlich der von ihm behaupteten Angstzustände sowie deren - bereits vom BFA festgestellten - ausreichenden Behandelbarkeit im Herkunftsstaat. Vor dem Hintergrund der unbestrittenen Feststellungen, wonach es sich beim Revisionswerber um einen jungen und arbeitsfähigen Mann mit Arbeitserfahrung in Nigeria handle, vermag die Revision auch sonst keine Situation aufzuzeigen, die eine Wiederansiedlung unzumutbar erscheinen ließe oder dass seine Rückführung nach Nigeria zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnte (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0099, Rn. 10 bis 12, mwN). 11 Weiters wendet sich die Revision gegen die vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung. Der Revisionswerber verweist insbesondere darauf, dass das BFA das gegen ihn mit Bescheid vom 23. Juli 2009 verhängte Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 14. Juli 2017 aufgehoben habe. Unter Berücksichtigung des in Österreich geführten Privatlebens, insbesondere verschiedener freundschaftlicher Kontakte, sowie seiner (wenn auch eingeschränkten) beruflichen Tätigkeit erschiene die Aufenthaltsbeendigung als unverhältnismäßig.

12 Dem ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend (insbesondere) die Interessenabwägung bei einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dann nicht revisibel ist, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Judikatur entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0001, Rn. 12, mwN).

13 Das ist hier der Fall. Denn einerseits führt die wiederholte und rezente Suchtgiftdelinquenz des Revisionswerbers zu einem besonders ausgeprägten öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Auch fehlt jede familiäre Integration. Das geringe Maß an erreichter Integration hat darüber hinaus auf einer Missachtung der Ausreiseverpflichtung und Vereitelung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates beruht. Die in der Revision hervorgehobenen Aspekte, etwa der Aufhebung des (in Rn. 4) erwähnten Aufenthaltsverbotes, hatten bereits das BFA und das BVwG berücksichtigt. Das vom BVwG nach mündlicher Verhandlung erzielte Ergebnis erweist sich insgesamt als nicht unvertretbar.

14 Zusammenfassend zeigt die Revision demnach keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210372.L00

Im RIS seit

05.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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