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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §4 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dr. C B als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B GmbH, vertreten durch Mag. Robert Baum, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 16/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2019, Zl. L501 2003545- 1/28E, betreffend Auszahlung eines Guthabens gemäß § 67a Abs. 6 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Salzburger Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG im Devolutionsweg nach der Landeshauptfrau von Salzburg zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht den Antrag der B. GmbH (der nunmehrigen Gemeinschuldnerin) vom 1. Juli 2010 auf Auszahlung eines Guthabens auf dem Beitragskonto Nr. 1035430 bei der belangten Behörde abgewiesen.
5 Die B. GmbH sei nicht in die Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Liste) iSd § 67b Abs. 1 ASVG aufgenommen worden. Auf dem die B. GmbH betreffenden Beitragskonto Nr. 1035430 bei der belangten Behörde sei auf Grund der Weiterleitung der von den Auftraggebern der B. GmbH geleisteten Haftungsbeträge in Höhe von 20% des geschuldeten Werklohns ein Guthaben entstanden. Die Höhe des von den Auftraggebern geleisteten Werklohns sei in auffälligem Widerspruch zur Zahl der (bei der B. GmbH beschäftigten) versicherten Personen gestanden. Die B. GmbH habe nicht (gemäß § 67a Abs. 6 Z 4 ASVG) nachgewiesen, dass für die Erbringung ihrer Bauleistung nur die entsprechende Zahl von Dienstnehmern notwendig gewesen sei bzw. weitere Unternehmen ganz oder teilweise mit der Erbringung der Leistungen beauftragt worden seien und hinsichtlich dieser Beauftragung ein Haftungsbefreiungsgrund iSd § 67a Abs. 3 ASVG vorliegen würde. Obwohl der B. GmbH das Missverhältnis zwischen Werklohn und versicherten Personen mehrmals vorgehalten worden sei, habe sie zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass die Höhe des von den Auftraggebern geleisteten Werklohns in auffälligem Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen gestanden sei. Selbst im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gewährten Parteiengehörs habe sie die Gelegenheit nicht wahrgenommen, dem Verdacht inhaltlich entgegenzutreten.
6 Nach einer Prüfung gemäß § 41a ASVG betreffend den Zeitraum vom 1. Jänner 2007 bis 31. Dezember 2010 habe die belangte Behörde mit auf Grund anhängiger Beschwerdeverfahren noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom 31. März 2016 die Pflichtversicherung (Vollversicherung) von 135 (weiteren) bei der B. GmbH abhängig beschäftigten Personen festgestellt (§ 4 Abs. 1 Z 1 ASVG) und die B. GmbH zur Zahlung von Beiträgen iHv EUR 1,110.879,39 verpflichtet. Das vormals vorhandene Guthaben auf dem Beitragskonto Nr. 1035430 sei mit den Forderungen gegenverrechnet worden. Auf dem Beitragskonto bestehe nunmehr ein Rückstand von EUR 121.437,04.
7 Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17. März 2014 sei das gegen den Geschäftsführer der B. GmbH wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB geführte Strafverfahren gemäß § 199 und § 200 Abs. 5 StPO eingestellt worden. In der Hauptverhandlung vom 5. Februar 2014 habe er die Verantwortung für die ihm vorgeworfenen Taten übernommen.
8 Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 8. November 2016 sei über das Vermögen der B. GmbH der Konkurs eröffnet und diese in der Folge aufgelöst worden.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Auszahlung des Guthabens sei gemäß § 67a Abs. 6 Z 4 ASVG auf Grund eines auffälligen Widerspruchs des Werklohns zur Zahl der versicherten Personen abgelehnt worden, dem die B. GmbH (bzw. der revisionswerbende Masseverwalter) nicht iSd § 67a Abs. 6 Z 4 lit. a oder b ASVG entgegengetreten sei. Darüber hinaus sei "der Stand des Beitragskontos zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Auszahlung relevant". Meinungsverschiedenheiten über das (Nicht)Bestehen von Beitragsschulden seien nicht im Rahmen des § 67a ASVG zu diskutieren. Der Auszahlungsantrag sei letztlich mangels Guthabens abzuweisen.
10 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil zur Frage, ob sich der in § 67a Abs. 6 ASVG angeführte Stichtag nur auf die Beurteilung von Ablehnungsgründen oder auch auf das Bestehen von Guthaben beziehe, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
11 Die revisionswerbende Partei bringt insbesondere auch zur Zulässigkeit der Revision vor, die vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Frage sei von erheblicher Bedeutung, weil von ihr das Schicksal der Beiträge aus der Auftraggeberhaftung abhänge. Es sei auf das Guthaben zum Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Die belangte Behörde sei nicht berechtigt gewesen, nicht rechtskräftige Beitragsforderungen gegenzuverrechnen. Die "Aufnahme von Arbeitern von Drittfirmen in die Pflichtversicherung bei der B. GmbH" sei rechtswidrig. Die Ausführungen, wonach die Höhe des Werklohns in Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen stehen würde, seien letzten Endes "bloß behauptet" worden. Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 sei die Auszahlung des Haftungsbetrages unter Hinweis auf den Widerspruch zwischen Werklohn und Anzahl der gemeldeten Dienstnehmer abgewiesen worden. Im Rahmen dieses Schreibens sei jedoch "entgegen dem eindeutigen gesetzlichen Auftrag keinerlei Belehrung bzw. Aufforderung zur Stellungnahme unter konkretem Hinweis auf die Ausnahmebestimmungen" ergangen. Die Einladung zu einer Stellungnahme mit Schreiben vom 8. April 2015 gehe ins Leere, weil auch dieses Schreiben keinen Vorhalt gemäß § 67a Abs. 6 Z 4 ASVG enthalten habe. Hätte die Revisionswerberin
"einen entsprechenden Anfragevorhalt erhalten, wäre es ihr auch möglich gewesen, substantiiert dazu Stellung zu nehmen und darzulegen, welche Subauftragnehmer im Bezug habenden Zeitraum die entsprechenden Leistungen erbracht haben."
12 Das Bundesverwaltungsgericht zeigte in seiner Begründung für die Zulässigkeit der Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Dem Antrag auf Auszahlung war schon in Anbetracht der eingehenden Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts darüber, dass und warum ein Verdachtsfall iSd § 67a Abs. 6 Z 4 ASVG vorliegt, auf Grund des § 67a Abs. 6 zweiter Satz ASVG nicht stattzugeben. Auf ein Guthaben iSd § 67a Abs. 6 ASVG kommt es im vorliegenden Fall nicht mehr an.
13 Angesichts der unzureichenden Zulassungsbegründung durch das Bundesverwaltungsgericht wäre es an der revisionswerbenden Partei gelegen gewesen, Gründe für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (VwGH 24.10.2017, Ro 2016/06/0009). Ihre Begründung für die Zulässigkeit der Revision beschränkt sich jedoch darauf, ihrerseits darauf hinzuweisen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Frage von erheblicher Bedeutung sei. Selbst unter Einbeziehung des weiteren Vorbringens der revisionswerbenden Partei ist nicht ersichtlich, worin sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG sieht. Sie vertritt nur die These, die belangte Behörde hätte an sie nicht nur die genannten Schreiben (über das Vorliegen eines Verdachtsfalles) richten, sondern sie im Sinn eines "eindeutigen gesetzlichen Auftrags" über § 67a Abs. 6 Z 4 ASVG belehren bzw. ihr diesen vorhalten müssen. Allerdings erbringt sie auch in der Revision keinen der in § 67a Abs. 6 Z 4 lit. a bzw. lit. b ASVG vorgesehenen Nachweise für eine Entkräftung des genannten Verdachts, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt wurde. Die Behauptung, die genannten (noch nicht rechtskräftigen) Feststellungen über die Pflichtversicherungen von weiteren 135 bei der B. GmbH abhängig Beschäftigten seien rechtswidrig, stellt keinen solchen Nachweis dar.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020080002.J00Im RIS seit
02.06.2020Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020