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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AuslBG §28 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 20. März 2019, Zl. LVwG 30.36-151/2018-43, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murau),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 22. November 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der sechsfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 sowie § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt, weil diese Gesellschaft in einem näher bezeichneten Lokal verbotene Ausspielungen mit sechs näher bezeichneten Glücksspielgeräten (Spruchpunkte 1. bis 4.), einer "Bon-Box" (Spruchpunkt 5.) und einem Wettterminal (Spruchpunkt 6.) unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem "gegen Entgelt die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen im Lokal geduldet und an den Auszahlungen erzielter Spielgewinne dadurch mitgewirkt" worden sei, dass "das Personal zur Auszahlung von Gewinnen und zur Zurückstellung der Zahlenfelder am Gerätebildschirm auf Null angehalten" worden sei. Über den Revisionswerber wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von jeweils 18.000,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. März 2019 wurde eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 1. bis 4. des behördlichen Straferkenntnisses mit der Maßgabe abgewiesen, dass die genannte Gesellschaft verbotene Ausspielungen dadurch unternehmerisch zugänglich gemacht habe, dass sie "den genannten Eingriffsgegenstand in ihrer Gewahrsame" gehabt, "ihn zugänglich gemacht und sich dadurch einen vermögenswerten Vorteil erwartet" habe (Spruchpunkt I.). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass das angefochtene Straferkenntnis dahin richtiggestellt werde, dass die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG laute (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ausgesprochen, dass sich aufgrund "der nachfolgenden Behebung der Spruchpunkte 5 und 6" die Geldstrafe "auf insgesamt EUR 72.000,00 (EUR 18.000,00 pro Eingriffsgegenstand)" verringere und sich dadurch "der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde auf den Betrag von insgesamt EUR 7.200,00 (EUR 1.800 pro verhängter Strafe)" vermindere (Spruchpunkt III.). Das Verwaltungsgericht sprach zudem aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt IV.).
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 5 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).
9 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der
gegenständlichen Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C- 464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Die angefochtene Entscheidung steht entgegen diesem Vorbringen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.
10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. EuGH 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 55; VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0039). 11 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.
12 Wenn die Revision weiters behauptet, dass im Hinblick auf die Möglichkeit der Durchführung von online-Glücksspielen auf den Geräten eigentlich der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG zur Anwendung hätte gelangen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass bei Geräten mit Internetverbindung die Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu erfolgen hat (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0123 bis 0124).
13 Wenn die Revision rügt, dass im gegenständlichen Fall ein unzulässiger Austausch der Tat vorgenommen wurde, so ist dem zu entgegnen, dass durch die vorgenommene Präzisierung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses ein Austausch der Tat nicht erfolgte, weil durch sie kein anderer als der der ursprünglichen Bestrafung zugrunde gelegte Sachverhalt herangezogen wurde (vgl. VwGH 8.1.2019, Ra 2018/17/0137).
14 Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, wonach "das Verwaltungsgericht seine Entscheidungspflicht verletzt und nicht über den gesamten Beschwerdegegenstand abgesprochen" habe, weil die in Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses angesprochene "nachfolgende Behebung der Spruchpunkte 5 und 6" des behördlichen Straferkenntnisses nicht vorgenommen worden sei, kann eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Beantwortung das Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, nicht aufgezeigt werden.
15 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist. 16 Soweit der Revisionswerber aber ein Abweichen von der hg. Judikatur (Verweis auf VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0136) geltend macht, wonach das Verwaltungsgericht verpflichtet ist, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann, erweist sich die Revision als zulässig und begründet:
17 Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0033). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer "Wiederholung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein "Wiederholungsfall" im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006, mit Verweis auf VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).
18 Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass bezüglich des Revisionswerbers "eine Vielzahl (zumindest 18) von einschlägigen Vorstrafen" aufschienen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurde zur Strafbemessung u.a. ausgeführt, es liege kein Milderungsgrund, jedoch eine Vielzahl von einschlägigen Vorstrafen vor dem Tatzeitpunkt vor. Weitere Erschwerungs- oder Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Die Strafe von 18.000,-- Euro pro Geräte bewege "sich im untersten Drittel des Strafmaßes". Angesichts der Vielzahl an einschlägigen Vorstrafen erscheine diese Strafe, vor allem aus spezialpräventiven Gründen, angemessen.
19 Das Verwaltungsgericht geht damit offenbar von der Anwendbarkeit des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG aus, ohne allerdings festzustellen, welche Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG es als den höheren Strafsatz begründende Vortat seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Revisionswerber bestreitet in der vorliegenden Revision als tatsachen- und aktenwidrig, dass gegen ihn "zum 30.04.2017 zumindest 18 Vorstrafen" vorgelegen seien.
20 Da im angefochtenen Erkenntnis weder die "einschlägigen Vorstrafen" näher dargestellt noch eine auf die strafsatzbestimmende Vortat bezogene Begründung für die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG enthalten ist, liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zu den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0031, mwN). 21 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
22 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. März 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Begründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090096.L00Im RIS seit
19.05.2020Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020