TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/30 Ra 2019/09/0077

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §8
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwRallg

Betreff

         Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der A Kft. in B, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. Jänner 2019, LVwG 80.18-3169/2018-2, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz), zur Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am 31. Oktober 2017 fand eine Kontrolle in einem näher bezeichneten Lokal in C statt. Anlässlich dieser Kontrolle wurden sieben Glücksspielgeräte gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) beschlagnahmt. Mit E-Mail vom 10. Dezember 2017 gab die revisionswerbende Partei bekannt, Eigentümerin dieser sieben Geräte zu sein.

2 Am 17. November 2017 fand in demselben Lokal zwischenzeitig eine weitere Kontrolle statt und es wurden dabei fünf andere Glücksspielgeräte gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG beschlagnahmt. Mit E-Mail vom 21. November 2018 gab eine andere Gesellschaft, die D Kft., bekannt, Eigentümerin dieser fünf Geräte zu sein. 3 Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 stellte die revisionswerbende Partei bei der belangten Behörde einen Antrag auf "Zustellung eines allenfalls ergehenden Einziehungsbescheides" und legte zum Beweis für das Eigentum an jenen sieben Glücksspielgeräten, die am 31. Oktober 2017 beschlagnahmt wurden, Belege bei.

4 Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 brachte die revisionswerbende Partei eine Säumnisbeschwerde ein, weil die belangte Behörde bis dato nicht über den von ihr am 2. Mai 2018 gestellten "Antrag auf Zustellung" entschieden habe. 5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Säumnisbeschwerde mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig zurück. Begründend führt es im Wesentlichen aus, dass die revisionswerbende Partei keinen Beweis für ihre Eigentümerstellung vorgelegt habe und somit nicht als Partei im Einziehungsverfahren gemäß § 54 GSpG anzusehen sei. Die Säumnisbeschwerde sei daher zurückzuweisen, weil der revisionswerbenden Partei keine rechtliche Stellung zukomme, welche sie zur Erhebung einer solchen legitimieren würde. 6 Den Entfall der beantragten mündlichen Verhandlung stützte das Verwaltungsgericht auf § 24 Abs. 4 VwGVG, weil sich der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde hinreichend klären lasse.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

8 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die Revision ist aus den in der Revision vorgebrachten Gründen angesichts der das Verwaltungsgericht treffenden Pflicht, von Amts wegen den relevanten Sachverhalt zu ermitteln, zulässig und auch begründet.

12 Das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall fest, dass die nunmehr revisionswerbende Partei keinerlei Dokumente vorgelegt habe, welche auf eine Parteistellung der Beschwerdeführerin hingewiesen hätten, sondern vielmehr habe ihre damalige Rechtsvertreterin in einem E-Mail vom 21. November 2018 behauptet, dass die D Kft. Eigentümerin der Geräte sei. Das Verwaltungsgericht stützt die Zurückweisung der von der revisionswerbenden Partei erhobenen Säumnisbeschwerde somit auf deren fehlende Parteistellung.

13 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon ausgesprochen hat, ist es nicht Sache der Partei, die Voraussetzungen ihrer Parteistellung unter Beweis zu stellen, sondern es obliegt dem Verwaltungsgericht, die Frage der Parteistellung von Amts wegen zu prüfen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0192 mit Hinweis auf VwGH 21.1.2019, Ra 2017/17/0829, mwN).

14 Tatsächlich hat die revisionswerbende Partei ihrem "Antrag auf Zustellung eines allenfalls ergehenden Einziehungsbescheides" vom 2. Mai 2018 Nachweise zum Beweis ihrer Eigentümerstellung beigelegt. Zudem bezieht sich das vom Verwaltungsgericht herangezogene E-Mail vom 21. November 2018 seinem Betreff nach auf die "Beschlagnahme und Betriebsschließung vom 17.11.2017" und somit nicht auf die dem Revisionsfall zugrunde liegende Kontrolle vom 31. Oktober 2017.

15 Davon ausgehend hätte das Landesverwaltungsgericht gerade im vorliegenden Fall, bei dem die Frage der Parteistellung durch die strittige Auslegung von Urkunden zu klären gewesen wäre, jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt. 16 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 30. März 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090077.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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