TE Vwgh Beschluss 2020/3/30 Ra 2019/09/0029

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §49
VStG §24
VStG §33 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 11. Dezember 2018, LVwG 30.23-408/2018-18, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 11. Dezember 2018 wurde der Revisionswerber als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen der sechsfachen Übertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn sechs Geldstrafen von jeweils 5.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils fünf Tagen) verhängt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision ist zunächst zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. 5 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff). 6 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

7 Mit dem im Zusammenhang mit dem E-Commerce-Gesetz (ECG) erstatteten Vorbringen zeigt der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf. Soweit er meint, er könnte als Diensteanbieter im Sinne des § 13 ECG gemäß § 18 ECG nicht für den Inhalt von ihm bloß durchgeleiteter Daten haften, ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber nicht für die bloße Durchleitung von Daten, sondern für das unternehmerische Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen schuldig erkannt und deswegen bestraft worden ist. Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit der Aufnahme oder Ausübung einer geschäftlichen, gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit regeln und nicht besonders und ausschließlich für Dienste der Informationsgesellschaft oder deren Anbieter gelten, bleiben im Übrigen gemäß § 4 Abs. 2 ECG durch das ECG unberührt (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0123 bis 0124, mwN).

8 Wenn die Revision weiters behauptet, dass im Hinblick auf die Möglichkeit der Durchführung von online-Glücksspielen auf den Geräten eigentlich der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG zur Anwendung hätte gelangen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass bei Geräten mit Internetverbindung die Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu erfolgen hat (vgl. nochmals VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0123 bis 0124, mwN).

9 Wenn in der Revision gerügt wird, dass dadurch, dass der Revisionswerber in einer verbundenen Verhandlung sowohl als Beschuldigter als auch als Zeuge einvernommen worden sei, eine Umgehung des § 33 Abs. 2 VStG vorliege, ist dem zu entgegnen, dass der durch § 33 Abs. 2 VStG verbürgte Schutz nur dem Beschuldigten eingeräumt wird, nicht aber auch dem Zeugen im Hinblick auf seine Stellung als Beschuldigter in dem gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren. Vielmehr ist es § 49 AVG, der den Zeugen in dieser Situation davor bewahrt, sich selbst belasten oder falsch aussagen zu müssen, indem er ihm die Möglichkeit einräumt, die Aussage als Zeuge zu verweigern. Die Entscheidung, ob ein Zeuge die Aussage verweigern oder aussagen will, liegt allerdings ausschließlich beim Zeugen; ausschließlich seinem Schutz dient diese Bestimmung. Der Beschuldigte hingegen hat weder einen Anspruch darauf, dass ein Zeuge von seinem Recht, die Zeugenaussage zu verweigern, Gebrauch macht, noch darauf, dass ein Zeuge, der sich auf gesetzliche Weigerungsgründe beruft, auch tatsächlich nicht als Zeuge einvernommen wird (vgl. VwGH 12.9.2001, 98/03/0057, VwSlg. 15669 A; siehe auch VwGH 15.5.2008, 2007/09/0306). Dass der Revisionswerber, der - wie in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision dargestellt wird - in der Verhandlung unter anderem über die sich aus § 49 AVG ergebenden Rechte belehrt worden war, unter Berufung auf § 49 Abs. 1 Z 1 AVG (erfolglos) die Aussage verweigert hätte, wird im Übrigen in der Revision nicht behauptet.

10 Soweit das Zulässigkeitsvorbringen der Revision schließlich die Strafzumessung durch das Verwaltungsgericht thematisiert, ist zu erwidern, dass es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung handelt, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0095, mwN). Soweit - wie hier - daher weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar.

11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2020

Schlagworte

BeweiseIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090029.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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