TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/30 LVwG-AV-1194/001-2019

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

BAO §4 Abs1
BauO NÖ 2014 §41
BauO NÖ 2014 §63

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des A vom 11. Oktober 2019 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. September 2019, Zahl ***, ***, mit welchem eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** vom 7. August 2019, Zahl ***, ***, betreffend die Vorschreibung einer Stellplatz-Ausgleichsabgabe, als unbegründet abgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass der Bescheid der Bürgermeisterin vom 7. August 2019, Zahl ***, ***, aufgehoben wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** vom 8. Juli 2019, Zahl ***, wurde Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) aufgrund seines Bauansuchens vom 29. September 2017 im Spruchteil I. die Baubewilligung „zur Abänderung des mit Bescheid vom 24.06.2011, Zl. ***, genehmigten Bauvorhabens hinsichtlich Abänderung des Wohnhauses samt Schaffung einer neuen Wohneinheit und zur Erhöhung der straßenseitigen Traufenhöhe von 5,00 m auf 5,50 m, dem Neubau eines Nebengebäudes und der Errichtung einer Abgasanlage, einer Einfriedungsmauer und einer Rampe“ in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, erteilt.

Spruchteil II. dieses Bescheides lautete wie folgt:

„Da auf Grund des Einreichprojekts das Abstellen von Kfz auf dem eigenen Grundstück nicht mehr möglich ist, ist eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 für 2 Stellplätze für Kraftfahrzeuge vorzuschreiben.“

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 16. Juli 2019 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** vom 7. August 2019, Zahl ***, ***, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 63 NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für 2 Stellplätze wegen ersatzloser „Auflassung des Pflichtstellplatzes durch Einbau einer Türe anstelle des Tores und Schaffung einer zusätzlichen Wohnung in ***, ***“, je Stellplatz € 3.000,-, im Gesamtbetrag von € 6.000,- vorgeschrieben.

Für jeweils 1 Wohnung sei in einem Wohngebäude 1 Stellplatz gemäß § 11 NÖ Bautechnikverordnung 2014 vorzusehen. Durch den Einbau der Eingangstüre sei der Pflichtstellplatz ersatzlos aufgelassen sowie die Möglichkeit für die Errichtung eines weiteren Pflichtstellplatzes verhindert. Da auch ein Nachweis über einen grundbücherlich sichergestellten Stellplatz in einer Wegentfernung bis zu 300 m nicht vorliege, sei eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 vorzuschreiben. Laut Verordnung des Gemeinderates vom 5. Dezember 2012 betrage die Stellplatz-Ausgleichsabgabe für einen Stellplatz € 3.000,-.

Mit Schreiben vom 13. August 2019 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen diesen Abgabenbescheid. Eine Wohneinheit mit einem Stellplatz bestehe im Haus in der *** „seit ewig“. Es sei nie ein Tor eingebaut gewesen, die bestehende Tür sei immer vorhanden gewesen, die vorgesehene Parkfläche im Hof sei nie zur Ausführung gekommen. Für die neue Wohneinheit im Obergeschoß sei er bereit, eine Abgabe von € 3.000,- zu bezahlen, jedoch nicht für zwei Wohnungen.

Die Berufung vom 13. August 2019 gegen den Abgabenbescheid der Bürgermeisterin vom 7. August 2019 wurde vom Stadtrat der Stadtgemeinde *** in seiner Sitzung vom 25. September 2019 behandelt. Dabei wurde vom Stadtrat beschlossen, die Berufung abzuweisen.

Mit dem aufgrund dieses Beschlusses ausgefertigten, nunmehr angefochtenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 27. September 2019, Zahl ***, ***, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** vom 7. August 2019 abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass bereits im Spruchteil II. des Baubewilligungsbescheides vom 8. Juli 2019 die Feststellung der Anzahl der erforderlichen Stellplätze für Kraftfahrzeuge erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid sei kein Rechtsmittel ergriffen worden, wodurch der Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei. Somit bestehe der Tatbestand des Abgabenanspruchs für die Vorschreibung der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für zwei Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu Recht.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 brachte die Beschwerdeführer Beschwerde gegen diesen Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** ein. Seit eh und je bestehe eine Eingangstür, der bestehende Parkplatz vor dem Haus könne ihm nicht einfach weggenommen werden.

Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes am 22. Oktober 2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Ergänzend brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. Jänner 2020 vor, dass der Bescheid in allen Punkten angefochten werde und beantragte – mit einem weiteren Schreiben vom 28. Jänner 2020 – dessen Aufhebung.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten, unbedenklichen Verwaltungsakt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.2. NÖ Bauordnung 2014:

§ 2 Zuständigkeit

(1) Baubehörde erster Instanz ist

- der Bürgermeister

Baubehörde zweiter Instanz ist

- der Gemeindevorstand (Stadtrat)

(örtliche Baupolizei)

§ 41 Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge und Fahrräder

(1) Ist die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich, dann hat der Eigentümer des Bauwerks oder des Grundstücks für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, …

(2) Eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge hat der Eigentümer eines Bauwerks auch dann zu entrichten, wenn er verpflichtet war, Stellplätze für Kraftfahrzeuge herzustellen, diese jedoch ersatzlos aufgelassen wurden und eine Neuherstellung nicht mehr möglich ist (§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).

(3) Die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge ist vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m2 Nutzfläche festzusetzen. (…)

(6) Die Stellplatz-Ausgleichsabgaben sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Ihr Ertrag darf nur für die Finanzierung von öffentlichen Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge und Fahrräder oder für Zuschüsse zu den Betriebskosten des öffentlichen Personen-Nahverkehrs verwendet werden.

§ 63 Herstellung von Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge sowie Ein- und Ausfahrten

(1) Wird ein Bauwerk gemäß Z 1 bis 7 errichtet, vergrößert oder dessen Verwendungszweck geändert oder die Anzahl von Wohnungen erhöht, sind dem voraussichtlichen Bedarf entsprechend Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge herzustellen. Die Mindestanzahl der Stellplätze ist mit Verordnung der Landesregierung festzulegen: …
Für:                              nach Anzahl der
1. Wohngebäude            Wohnungen

(5) Die Abstellanlagen sind grundsätzlich auf dem Baugrundstück herzustellen.

(6) Ist die Herstellung oder Vergrößerung einer Abstellanlage mit der erforderlichen Anzahl von Stellplätzen nach Abs. 1 auf dem Baugrundstück

- technisch nicht möglich,

- wirtschaftlich unzumutbar oder

- verboten (Bebauungsplan),

darf die Anlage auf einem anderen Grundstück hergestellt werden.

Dieses Grundstück muss

- in einer Wegentfernung bis zu 300 m liegen und

- seine Verwendung für die Anlage grundbücherlich sichergestellt sein,
wenn dieses Grundstück nicht im Eigentum des Verpflichteten steht.
In begründeten Einzelfällen darf die Wegentfernung auf bis zu 600 m erweitert werden.
(7) Wenn auch das nicht möglich ist, ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die erforderliche und nicht herstellbare Anzahl der Stellplätze festzustellen.

Die Baubehörde nach § 2 Abs. 1 hat diese Feststellung im Bescheid, mit dem die Ausgleichsabgabe (§ 41) vorgeschrieben wird, dann vorzunehmen, wenn
- sie für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist oder
- eine Maßnahme nach § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a gesetzt wird oder
- die Pflichtstellplätze abgeändert oder ersatzlos aufgelassen werden
(§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).

In diesen Fällen ist nach Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 Abs. 1 die Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 vorzuschreiben.

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Das Beschwerdevorbringen lässt sich im Wesentlichen darauf reduzieren, dass die Vorschreibung schon dem Grunde nach zu Unrecht erfolgt sei.

Die bescheidmäßige Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein den Bestand einer Abgabenschuld (bzw. eines Abgabenanspruches der Gemeinde) voraus.

Der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist. (vgl. dazu Ritz, BAO6, Tz 2 ff u. Tz 14 zu § 4, sowie VwGH 2007/17/0012). Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).

Nach § 4 Abs. 1 der von den Abgabenbehörden hier anzuwendenden Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

Der Abgabentatbestand liegt nach § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 vor, wenn „die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich“ ist. In diesem Fall ist vom Eigentümer des Bauwerks oder Grundstücks „für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen“ eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.

Nach § 41 Abs.1 NÖ Bauordnung 2014 liegt ein Abgabentatbestand somit vor, wenn die Herstellung von Stellplätzen nicht möglich ist und gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 die erforderliche Anzahl von Stellplätzen festgestellt wurde.

Gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die Anzahl der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze festzustellen.

Ein Abgabentatbestand wird daher nach der NÖ Bauordnung 2014 – wie auch früher nach der NÖ Bauordnung 1996 - erst mit dem Abspruch der Baubehörde im Baubewilligungsbescheid über die Anzahl der zu errichtenden bzw. der fehlenden Stellplätze verwirklicht (VwGH 2011/17/0172, zur vergleichbaren Rechtslage nach der Wiener Bauordnung VwGH 2009/17/0264).

Es kommt daher im gegenständlichen Fall darauf an, ob gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 bereits in der Baubewilligung vom 8. Juli 2019 für das Vorhaben die Anzahl der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze festgestellt worden ist.

Diese Feststellung hätte nur dann im Abgabenbescheid, mit dem die Stellplatz-Ausgleichsabgabe vorgeschrieben wird, zu erfolgen, wenn die Behörde für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist oder ohne bewilligungspflichtige Maßnahmen der Verwendungszweck eines Gebäudes geändert oder ohne bewilligungspflichtige Maßnahmen Pflichtstellplätze abgeändert oder ersatzlos aufgelassen werden.

Keiner dieser Ausnahmetatbestände liegt hier vor. Weder war der Bürgermeister zur Erteilung der Baubewilligung unzuständig, noch wurden ohne bewilligungspflichtige Maßnahmen (im Rahmen eines Anzeigeverfahrens) Verwendungszweck eines Gebäudes geändert oder Pflichtstellplätze geändert oder aufgelassen.

Vielmehr wurde im konkreten Fall von der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** mit Bescheid vom 8. Juli 2019, Zahl ***, die baubehördliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Vorhaben erteilt.

Spruchteil II. dieses Bescheides lautete wie folgt:

„Da auf Grund des Einreichprojekts das Abstellen von Kfz auf dem eigenen Grundstück nicht mehr möglich ist, ist eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 für 2 Stellplätze für Kraftfahrzeuge vorzuschreiben.“

Es stellt sich daher die Frage, ob diese Ausführungen im Spruchteil II. des Baubewilligungsbescheides eine tatbestandsbegründende Feststellung der Anzahl der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 enthält. Jedenfalls nach der in der Begründung des angefochtenen Berufungsbescheides dargelegten Rechtsansicht der belangten Behörde sei der Abgabentatbestand des § 41 NÖ Bauordnung 2014 damit erfüllt.

Allerdings fehlt es in diesem Spruchteil II. an der notwendigen ausdrücklichen Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze.

Aufgrund des Projektes sei das Abstellen von Kfz auf dem eigenen Grundstück nicht mehr möglich, weshalb eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für 2 Stellplätze vorzuschreiben sei. Allerdings fehlt hier die ausdrückliche Bezeichnung als Feststellung. Der Spruchteil II. enthält seinem Wortlaut folgend keine ausdrückliche Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze.

Zu prüfen ist daher, ob aus den von der Baubehörde gewählten Formulierungen in diesem Spruchpunkt allenfalls im Wege der Auslegung die für den Abgabenanspruch tatbestandsmäßige Feststellung abgeleitet werden kann.

Jeder Bescheid ist rein objektiv seinem Wortlaut nach - insoweit also gleich einem Gesetz nach den §§ 6 und 7 ABGB - auszulegen (vgl. VwGH 2000/12/0311; Ra 2015/12/0080). Eine subjektive Interpretation nach dem Willen der Behörde wäre ebenso wie eine Auslegung nach der subjektiven Erwartungshaltung des Bescheidadressaten schon im Ansatz verfehlt (vgl. VwGH 2000/12/0311; Ra 2015/06/0053).

Ein vom Wortlaut möglicherweise abweichender Gestaltungswille der Behörde wurde dem objektiven Erklärungswert des gegenständlichen Spruchteiles II. folgend jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht. Der Wortlaut spricht ganz klar gegen eine eigenständige verbindliche Festsetzung der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze.

Eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung kommt nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offenlässt. Dagegen kommt eine Umdeutung eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht (vgl. VwGH 2007/18/0327; 2013/05/0164).

Der Eindruck, dass mit dem Spruchteil II. verbindlich die erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze festgesetzt werden sollten, drängt sich jedenfalls nicht auf. Vielmehr erweckt die gewählte Formulierung das Vertrauen, dass eine Abgabe erst mit einem gesonderten Bescheid vorzuschreiben sei und dass hier lediglich ein nicht normativer Hinweis auf eine künftige Vorschreibung vorliege, verbunden mit der Information, wie diese Abgabe zu bemessen sein werde (für 2 Stellplätze).

Auf eine normative Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Stellplätze kann aus der gewählten Formulierung nicht zwingend geschlossen werden.

Gerade die besonders auffällige Diskrepanz der gewählten Formulierung zum Anspruch der Norm (§ 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 lautet: „…, ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die erforderliche und nicht herstellbare Anzahl der Stellplätze festzustellen.“) verstärkt den Eindruck, dass der Spruchteil II. lediglich einen im Rahmen der Baubewilligung unverbindlichen Hinweis auf eine künftige Abgabenpflicht enthalte, welcher zu diesem Zeitpunkt noch keiner gesonderten Anfechtung bedürfe.

Schon im Hinblick auf den mit einer Feststellung gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 verbundenen Vermögenseingriff, muss einem betroffenen Bauwerber besonders deutlich bewusstgemacht werden, dass eine grundlegende Feststellung getroffen wird, die später im Rahmen eines folgenden Abgabenverfahrens nicht mehr gesondert bekämpft werden kann. Daran knüpft der Anspruch, dass eine Feststellung im Sinne dieser Norm auch unzweifelhaft als solche erkennbar sein muss. Die hier aufgeworfene Frage, ob die im Sinne des § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 erforderliche Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Anzahl der Stellplätze im Spruchteil II. des Baubewilligungsbescheides enthalten sei oder nicht, rührt letztlich nur daher, dass sich die Baubehörde einer sehr undeutlichen Ausdrucksweise bedient hat, die eben Zweifel an ihrem Inhalt erst auslöst.

Die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung im Zweifel zu Lasten der Partei zu beantworten, ist unzulässig (vgl. VwGH 2008/05/0191; 2001/08/0013).

Im Hinblick auf den mit einer Feststellung nach § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 typischerweise verbundenen (in die Grundrechtssphäre reichenden) Vermögenseingriff können durch eine undeutliche Ausdrucksweise der Behörde ausgelöste Zweifel keinesfalls zu Lasten der Partei gehen.

Im Ergebnis wird die Frage nach dem normativen Charakter des Spruchteiles II. im Baubewilligungsbescheid vom 8. Juli 2019 zu verneinen sein. Es handelt sich dabei um einen unverbindlichen Hinweis auf eine künftige Abgabenvorschreibung verbunden mit der Information über deren Berechnung. Eine eigenständige, normative Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Anzahl der Stellplätze im Sinne des § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 in der Baubewilligung fehlt.

Daraus folgt im Ergebnis aber, dass – mangels ausdrücklicher Feststellung der erforderlichen und nicht herstellbaren Anzahl der Stellplätze im Sinne des § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 im maßgeblichen Baubewilligungsbescheid vom 8. Juli 2019 – der Abgabenanspruch überhaupt nicht entstanden ist.

Dementsprechend erweist sich die Vorschreibung der Stellplatz-Ausgleichsabgabe schon dem Grunde nach als rechtswidrig, weshalb der Beschwerde spruchgemäß zu folgen und die vorgenommene Abgabenfestsetzung aufzuheben war.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Verfahrensparteien nicht beantragt und ist auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall ausschließlich Rechtsfragen zu erörtern waren (vgl. EGMR vom 5. September 2002, Zl. 42057/98, Speil/Austria).

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Die Auslegung des Inhaltes eines Bescheides geht in seiner Wirkung nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit nicht angesprochen.

Schlagworte

Finanzrecht; Stellplatz-Ausgleichsabgabe; Entstehung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1194.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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