TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 96/01/0227

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Veröffentlicht am 22.04.1998
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Rigler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 16/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. Jänner 1996, Zl. Ia-7735/62-1996, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1996 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 27. April 1987 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführer damit begründet, daß dieser die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet, nicht erfülle. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, der seit 1980 ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet aufweise, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und als Geschäftsführer der K.K. Gesellschaft mbH. tätig sei, habe bereits 1987 um die Verleihung der Staatsbürgerschaft angesucht, wobei ihm mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 1988 die Verleihung für den Fall des binnen zwei Jahren erfolgenden Ausscheidens aus dem Verband seines Heimatstaates zugesichert worden sei. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19. März 1990 sei der Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz (Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel) zu einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen von S 300,-- (S 15.000,--) und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 1995 wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen von S 100,-- (S 25.000,--) verurteilt worden. Weiters seien in der Zeit von 1988 bis 1993 insgesamt 20 Verwaltungsstrafen vorwiegend wegen Übertretungen straßenverkehrs- und kraftfahrrechtlicher Bestimmungen, aber auch wegen unbefugter Gewerbsausübung und wegen Beteiligung an einer wörtlichen und tätlichen Auseinandersetzung gegen den Beschwerdeführer verhängt worden. Der Beschwerdeführer erfülle infolge der seit 1986 aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin jedenfalls die zeitlichen Verleihungsvoraussetzungen des § 11a StbG. Ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft sei aber nur dann vorgesehen, wenn auch die in § 10 Abs. 1 Z. 2 - 8 und Abs. 2 StbG festgelegten Verleihungsvoraussetzungen erfüllt seien. Im Hinblick auf die seit 1988 begangenen zahlreichen den Verwaltungsstrafen und den zweimaligen gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Rechtsbrüche sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden, nicht erfülle. So weise der Spruch des Urteils des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 1995 darauf hin, daß der Beschwerdeführer durch die von ihm gesetzten Manipulationen die Befriedigung seiner Gläubiger erschwert habe; auch laufe die Probezeit hinsichtlich dieser Verurteilung erst im Jahr 1998 ab. Es sei auch bemerkenswert, daß der Beschwerdeführer alle Verstöße gegen die Rechtsordnung erst nach der Beantragung der Verleihung der Staatsbürgerschaft und die meisten erst nach der Zusicherung der Verleihung gesetzt habe. Diese Verhaltensweise lasse ein mangelndes Verantwortungsbewußtsein des Beschwerdeführers erkennen und befürchten, daß bei entsprechender Möglichkeit auch in Hinkunft eine Wiederholung unrechten Handelns möglich wäre. Von einer sozialen Integration könne noch nicht gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde insbesondere geltend, entgegen der Ansicht der belangten Behörde seien bei ihm die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben. § 10 Abs. 1 Z 2 a und b, 3 und 4 StbG normierten, welche Strafen einer Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstünden. Die belangte Behörde habe übersehen, daß die vorliegenden gerichtlichen Verurteilungen weder auf mit Vorsatz begangenen Handlungen noch auf Finanzvergehen beruhten und daß auch kein Verdacht der Begehung solcher Handlungen bestehe. Ebensowenig sei eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gegeben. Der Beschwerdeführer sei mehr als zehn Jahre in Österreich ansässig, es bestehe kein Aufenthaltsverbot gegen ihn, sein Lebensunterhalt sei gesichert und er stehe auch in keiner die Interessen oder das Ansehen der Republik Österreich schädigenden Beziehung zu fremden Staaten. Die vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen, insbesondere auch die Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, könnten nicht als Störung bzw. Gefährdung der öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit angesehen werden. Auch ein Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 StbG liege nicht vor, weil der Beschwerdeführer zwar aus seinem bisherigen Staatsverband ausscheiden wolle, ihm dies aber infolge noch nicht abgeleisteten Militärdienstes versagt werde. Die belangte Behörde habe das ihr eingeräumte Ermessen ohne Bedachtnahme auf das Wohlverhalten und die Integration des Beschwerdeführers sowie auf den Umstand, daß der Mittelpunkt seiner Interessen Tirol - wo auch seine Familie lebe - sei, geübt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Bei der gemäß der angeführten Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0118, und die dort zitierte Judikatur). Dies ist auch bei Verstößen gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, der Fall (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376).

Dem angefochtenen Bescheid ist in eindeutiger Weise entnehmbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu einer für den Beschwerdeführer ungünstigen Prognose gekommen ist. So hat die belangte Behörde sowohl die den zwei gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers als auch die den gegen ihn verhängten 20 Verwaltungsstrafen zugrundeliegenden Tathandlungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt und insbesondere aus dem Umstand, daß die meisten Rechtsbrüche erst nach der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gesetzt wurden sowie daraus, daß die Probezeit für die letzte gerichtliche Verurteilung erst 1998 ende, den auf Grund der Aktenlage nachvollziehbaren Schluß auf eine noch nicht ausreichende soziale Integration des Beschwerdeführers und auf das Vorliegen des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG gezogen. Der Ansicht des Beschwerdeführers, es handle sich lediglich um geringfügige Verwaltungsübertretungen kann schon angesichts der mehrmaligen Bestrafung wegen wesentlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht gefolgt werden. Auch der Umstand, daß ihm kein mit Vorsatz begangenes Delikt zur Last gelegt worden sei, vermag die Richtigkeit der Prognose der belangten Behörde, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr, in Zukunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden, nicht in Zweifel zu ziehen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann aus § 10 Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 StbG nicht abgeleitet werden, daß das Verleihungshindernis des von der belangten Behörde herangezogenen Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen nur dann in Frage kommen könne, wenn in diesen Ziffern angeführte gerichtliche Verurteilungen zu Freiheitsstrafen vorlägen. Vielmehr handelt es sich bei dem in Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen normierten Tatbestand um einen solchen, der ein eigenständiges Verleihungshindernis ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse umschreibt. Maßgeblich ist im Fall des Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die sich aus den Straftaten eines Einbürgerungswerbers ergebende Prognose über sein künftiges Verhalten, während in den Fällen der angeführten Ziffern dieses Absatzes bereits die gerichtliche Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe das Verleihungshindernis zur Folge hat, ohne daß aus den zuletzt genannten Bestimmungen ein auch für alle anderen Verleihungshindernisse geltender Grundsatz abgeleitet werden könnte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1997, Zl. 96/01/0306).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit insgesamt darin, daß die belangte Behörde angesichts des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch laufende Probezeit hinsichtlich der im Jahre 1995 erfolgten gerichtlichen Verurteilung darauf geschlossen hat, daß dieser keine Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden, Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Die belangte Behörde konnte somit zu Recht davon ausgehen, daß nach der mit ihrem Bescheid vom 17. Februar 1988 ausgesprochenen Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer eine der hiefür maßgeblichen Voraussetzungen weggefallen ist. Gemäß § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderliche Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid zwar die Zusicherung der Verleihung nicht widerrufen, doch wurde der Beschwerdeführer durch diese - in der Beschwerde nicht bekämpfte Vorgangsweise - nicht in seinem Rechten verletzt. Der Zusicherungsbescheid ist nämlich auch ohne ausdrücklichen Widerruf durch die - auf nachträglich eingetretenen Umständen basierende - Abweisung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gegenstandslos geworden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0773, mit weiteren Nachweisen).

Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides kann ein Hinweis darauf entnommen werden, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung unter Anwendung von Ermessen getroffen hätte. Zur Übung des ihr in § 11 StbG eingeräumten Ermessens hätte sie nur gelangen können, wenn sie davon ausgegangen wäre, daß der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer kein Hindernis entgegenstehe. Da die belangte Behörde aber, wie sich dem angefochtenen Bescheid eindeutig entnehmen läßt, vom Vorliegen des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ausgegangen ist, gehen die gegen die angebliche Ermessensübung durch die belangte Behörde gerichteten Einwendungen ins Leere.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996010227.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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