TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/23 I411 1424383-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I411 1424383-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Rechtsanwältin Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Wien (BAW) vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zum Vorverfahren:

1. Die Beschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige Nigerias, stellte am 11.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.01.2012 gab die Beschwerdeführerin an, aus Benin City zu kommen, ledig zu sein und in Nigeria über ihre Eltern und drei Geschwister zu verfügen. Sie habe in Benin City von 2001-2006 die Grundschule besucht. Sie habe Benin City am 11.01.2011 verlassen und sei mit einem Bekannten, der ihr eine Beschäftigung als Babysitter in Spanien besorgen sollte, mit einem Schiff von Lagos aus nach Spanien gereist. Der Bekannte habe sie unter Deck versteckt, habe ihr etwas zu essen gebracht und Schlafmittel, so dass sie fast die ganze Reise geschlafen habe. In Spanien habe jener Bekannte sie zur Prostitution gezwungen und die Beschwerdeführerin sehr schlecht behandelt. Im Dezember 2011 sei es ihr dann gelungen, von jenem Bekannten weg zu gehen. Sie sei mit einem Linienbus von Spanien nach Frankreich gereist, wo sie einen Österreicher kennen gelernt haben, der sie nach Österreich gebracht habe. Der Bekannte aus Nigeria habe sie in Spanien zur Prostitution gezwungen und geschlagen, wovon sie viele Narben davongetragen habe. Sie sei zweimal schwanger geworden und zur Abtreibung gezwungen worden. Sie habe sich nicht getraut, ihn bei der Polizei anzuzeigen, da sie mit dem Umbringen bedroht worden sei. In Nigeria habe die Beschwerdeführerin keine Probleme gehabt. Sie sei nach Europa gekommen in der Hoffnung, eine Beschäftigung als Babysitterin zu bekommen. Der Bekannte habe sich jedoch als Zuhälter herausgestellt und sie zur Prostitution gezwungen. Deswegen sei die Beschwerdeführerin geflohen und habe Spanien verlassen. Als sie in Spanien gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter erfahren, dass jener Bekannte eine der beiden Schwestern der Beschwerdeführerin umbringen ließ, da sie sich geweigert habe, sich für ihn zu prostituieren. Jener Bekannte habe ihr gegenüber bestätigt, für die Ermordung der Schwester verantwortlich gewesen zu sein. Sie habe im Falle einer Rückkehr nach Nigeria Angst davor, dass der Bekannte sie dort finden und umbringen könnte.

3. Bei der Befragung durch die belangte Behörde am 16.01.2012 gab die Beschwerdeführerin soweit wesentlich an, in Benin City geboren zu sein und drei Geschwister zu haben. Eine Schwester sei vor einem Monat getötet worden. Die Eltern würden in einem Dorf in der Nähe von Benin City leben. Sie habe drei Jahre lang die Schule besucht, sei ledig und Christin. Später gab die Beschwerdeführerin an, fünf Jahre lang die Grundschule besucht zu haben. Lesen und schreiben könne sie nicht. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Familie in Nigeria. Es wisse niemand, dass sie in Österreich sei. In Nigeria habe die Beschwerdeführerin nicht gearbeitet. Ihre Mutter habe Kleinigkeiten verkauft, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Es sei ihnen nicht gut gegangen. Sie selbst habe für ihre Reise nach Europa nichts bezahlt. Ihr Bekannter habe ihr geholfen, er habe ihr gesagt, dass sie in Spanien als Babysitterin arbeiten würde. In Spanien habe er sie dann auf den Strich geschickt. Mit Heimatbehörden habe sie keine Probleme gehabt. Sie habe Nigeria verlassen, weil sie keine Arbeit gehabt habe. Auch ihre Eltern haben nur wenig verdient. Der Bekannte habe ihr versprochen, ihr zu helfen in Europa Arbeit zu finden. Sie habe ihn auf der Straße kennen gelernt. Er habe gemeint, dass sie nach Europa kommen und auf sein Baby aufpassen könne. Das sei eine Lüge gewesen, ihr Bekannter habe kein Baby gehabt. Ihre Eltern seien mit ihrer Reise nach Europa einverstanden gewesen, es habe ja keine andere Option gegeben. In Nigeria sei die Beschwerdeführerin nie bedroht, verfolgt oder misshandelt worden. Jener Bekannte habe sie in Spanien gleich eingesperrt, sie geschlagen und verlangt, dass sie sich prostituierte. Sie habe sich geweigert und sei von ihm geschlagen worden. Sie habe viele Narben. Zweimal sei sie von ihm schwanger geworden und habe zweimal abtreiben müssen. Am 24.12.2011 sei er in die Kirche gegangen. Die Beschwerdeführerin habe ihm € 50 stehlen und das Haus verlassen können. Mit diesem Geld sei sie nach Frankreich gefahren.

Der Bekannte habe ihre Mutter angerufen und gesagt, dass sie gut angekommen seien. Wenn jener Bekannte mit der Mutter telefoniert habe, habe sie auch ein paar Worte sprechen können, wobei das letzte Mal am 07.12.2011 gewesen sei. Ihre Mutter habe ihr damals erzählt, dass alle wohlauf seien und sie noch immer Kuchen verkaufen würde. Ab dem Zeitpunkt, an dem sie die Wohnung verlassen habe, habe es keinen Kontakt mehr mit der Familie gegeben. Von jenem Bekannten habe sie seit ihrer Flucht aus Spanien nichts mehr gehört. Das letzte Mal, als sie mit ihrer Mutter gesprochen habe, habe diese ihr erzählt, dass die Schwester gestorben sei. Jener Bekannte habe ihr immer Angst damit gemacht, dass er den Eltern etwas antun würde, wenn sie nicht gehorche. Auf Nachfrage gab die Beschwerdeführerin an, dass die Schwester am 21.12.2011 gestorben sei. An dem Tag habe der Bekannte wieder ihre Mutter angerufen und sie habe auch mit ihrer Mutter sprechen können, wobei ihr diese erzählt habe, dass die Schwester gestorben sei. Die Schwester sei am 19.12. gestorben. Zuletzt habe sie mit ihrer Mutter am 21.12.2011 telefoniert. Mit dem Bekannten habe sie nicht über den Tod der Schwester gesprochen. Sie wisse nicht, warum die Schwester gestorben sei. Die Mutter würde jedoch den Bekannten verdächtigen, die Schwester umgebracht zu haben. Der Bekannte habe ihr oft mit dem Umbringen gedroht.

Aus Nigeria sei die Beschwerdeführerin freiwillig weggegangen. Bei der Rückkehr habe sie Angst vor jenem Bekannten. Sie müsse außerdem einen Job als Putzfrau suchen. Jener Bekannte fahre immer wieder nach Nigeria und könnte nach ihr suchen. Seit sie in Spanien gewesen sei, sei der Bekannte nicht mehr in Nigeria gewesen. Auf Vorhalt, dass Nigeria groß und ein Finden kaum möglich wäre, gab die Beschwerdeführerin an, dass jener Bekannte sie überall finden könnte. Außerdem gebe es Probleme zwischen Christen und Moslems, auch in Lagos.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen stellte die belangte Behörde soweit wesentlich fest, dass die Beschwerdeführerin in Benin City geboren, ledig sei und keine Kinder habe. Der rechtlichen Begründung werde zugrunde gelegt, dass die Beschwerdeführerin freiwillig aus Nigeria ausgereist und weder einer Bedrohung durch Behörden noch durch Privatpersonen ausgesetzt gewesen sei. Die Angaben zu den Fluchtgründen seien nicht glaubhaft. Eine asylrelevante Verfolgung oder Verfolgungsgefahr habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können. Es sei weiter kein Abschiebehindernis festzustellen. Danach traf die belangte Behörde damals aktuelle Länderfeststellungen zur Situation in Nigeria.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde, soweit wesentlich, aus, dass es glaubhaft sei, dass die Beschwerdeführerin Nigeria aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. An den weiteren Angaben zu den Fluchtgründen würden jedoch wesentliche Zweifel bestehen. Die Angaben betreffend eine eventuelle Bedrohungssituation nach einer Rückkehr nach Nigeria seien nicht nachvollziehbar bzw. seien schon die Angaben einer Bedrohung in Spanien nicht glaubwürdig gewesen. Die Beschwerdeführerin habe sich z.B. betreffend den angeblichen Tod der Schwester in Widersprüche verwickelt. Schließlich sei von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der nigerianischen Sicherheitsbehörden auszugehen bzw. bestünde für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, sich an einem anderen Ort in Nigeria niederzulassen. Die Beschwerdeführerin sei weiter gesund und arbeitsfähig und könne ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie habe außerdem die Möglichkeit, wieder im Familienverband zu wohnen.

5. In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen unzureichend auseinandergesetzt habe, was einen Mangel darstelle, der sich auch durch die knapp gehaltene Einvernahme zeige. Die mangelnde Glaubhaftigkeit der Bedrohungssituation durch den Bekannten werde nur durch zwei unwesentliche angebliche Widersprüche begründet. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass ihr Leben bei einer Rückkehr durch den Zuhälter, der sich immer wieder in Nigeria aufhalte und die Familie und den Herkunftsort kenne, bedroht sein würde. Als vom Frauenhandel und Zwangsprostitution betroffene Frau sei jedenfalls der Bezug zum Konventionsgrund "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" gegeben. Eine Niederlassung in einem anderen Ort in Nigeria sei aus zwei Gründen nicht möglich: zum einen bliebe sie in Nigeria nicht unentdeckt, zum anderen sei ihr diese Möglichkeit als alleinstehende Frau ohne Kenntnis des Lesens und Schreibens und ohne familiären oder sozialen Rückhalt verwehrt.

6. Mit Schreiben vom 24.08.2015 wurden die Beschwerdeführerin und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 29.09.2015 unter gleichzeitiger Übermittlung aktueller Länderberichte zu Nigeria geladen.

7. Am 29.09.2015 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die englische Sprache und in Anwesenheit der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde erschien zur Verhandlung unentschuldigt nicht. Die Beschwerdeführerin gab in ihrer Einvernahme an, dass sie jemand namens Stanley nach Spanien gebracht habe. Er habe ihr in Nigeria erzählt, dass er in Spanien eine Frau und ein Baby habe. Sie habe zu der Zeit in Nigeria keine Familie gehabt und auf der Straße geschlafen. Als sie dann in Spanien angekommen sind, habe er ihr gesagt, sie solle auf die Straße gehen und ihm das Geld bringen und ihn dafür bezahlen, dass er sie von Nigeria nach Spanien gebracht habe. Sie habe diese Arbeit nicht verrichten wollen, deshalb habe er sie ins Haus eingesperrt. Sie sei dreimal von ihm schwanger geworden. Dreimal habe sie das Baby abtreiben müssen. Im Dezember 2012 sei er einmal zur Kirche gegangen und habe die Tür nicht versperrt. Sie habe dann 50 Euro von ihm genommen und sei mit dem Bus nach Frankreich gefahren und dann weiter nach Österreich. Nachgefragt gab sie an, dass sie sich in Spanien nicht prostituieren musste. In Nigeria habe sie noch zwei Schwestern und einen Bruder. Die Mutter sei bei der Geburt des jüngeren Geschwisterkindes gestorben. Der Vater sei während der Schwangerschaft tödlich verunglückt. Ihre Schwestern leben nach wie vor in Nigeria, sie habe jedoch keinen Kontakt.

8. Am 27.10.2015 langte eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderberichten ein, nach der die Beschwerdeführerin Opfer des Menschenhandels zum Zwecke sexueller Ausbeutung geworden sei. Unter Zitat der Entscheidung des BVwG vom 18.05.2015, I403 2107012 werde angemerkt, dass sie als junge Frau durch Täuschung und durch Ausnützung besonderer Schutzbedürftigkeit angeworben und nach Europa gebracht worden sei. Sie habe auch in Österreich ca. drei Jahre als Prostituierte gearbeitet, bevor sie sich mit Hilfe ihrer hiesigen christlichen Gemeinde von dem Gewerbe habe lösen können. Die Beschwerdeführerin stamme aus Edo State, einem Zentrum des Menschenhandels und habe ohne Familienverband in Benin City gelebt, bevor sie verbracht worden sei. Sie befürchte im Falle einer Rückkehr massive Verfolgungshandlungen durch jenen Stanley. Stanley sei Politiker der PDP, und schulde die Beschwerdeführerin ihm 80.000 Euro. Menschenhändler wie Stanley würden meistens nicht alleine, sondern organisiert arbeiten. Die Beschwerdeführerin habe ihrer Rechtsberatung, an die sie sich nach der Verhandlung gewendet habe, erzählt, dass Stanley sie zu einem Voodoo-Zauberer gebracht habe, angeblich um sicher zu gehen, dass sie dem Baby nichts antun würde. Stanley habe sie auch einer Frau, angeblich seiner Mutter, vorgestellt, mit der sie auch aus Spanien telefoniert habe und die ihr eingeredet habe, wie sie Stanley das Geld zurückzahlen solle. Diese Elemente seien typisch für den organisierten Menschenhandel. Mit nochmaligem Verweis auf obige Entscheidung des BVwG wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin keine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehen würde; sie verfüge nur über ein geringes Bildungsniveau und über keine Berufserfahrung. Frauen in Nigeria seien in vielen Lebensbereichen diskriminiert, und bestehe die Gefahr, dass sich die Beschwerdeführerin in Gesamtschau aller Faktoren keine notwendige Lebensgrundlage erwirtschaften können würde.

Der Stellungnahme beigelegt waren Kopien aus dem Ausweis nach der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. XXXX, vom XXXX wurde die Beschwerde gem. § 3 Abs 1. Und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Zum gegenständlichen Verfahren:

10. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.04.2016 wurde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Ihr wurde eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

11. Am 12.05.2016 langte die Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führte die Beschwerdeführerin an, dass sie seit vier Jahren in Österreich wohne und über eine soziale Verankerung verfüge. Sie wohne in einer privaten Wohngemeinschaft und habe einen Lebenspartner, den sie bald ehelichen will. Sie sei sowohl fähig als auch gewillt selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Sie erhalte finanzielle Unterstützung durch die Kirche. Angesichts ihres bereits vierjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, der beabsichtigten Eheschließung, ihrer sozialen Verankerung in Österreich, ihren guten Deutschkenntnissen und den kaum vorhandenen Bindungen zu ihrem Herkunftsland würden ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen.

12. Am 19.05.2016 langte eine ergänzende Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Dieser beigefügt waren ein Mietvertrag, eine Wohnrechtsvereinbarung, die Kopie des Reisepasses ihres zukünftigen Ehegattens und ein Empfehlungsschreiben der Kirche Celestial Church of Christ.

13. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX, Zl. XXXX, vom 24.05.2016, rechtskräftig seit 28.05.2016, wurde die Beschwerdeführerin wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

14. Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteil und gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. GEm. § 52 Abs 9. FPG wird festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt I.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sie aufgrund der Begehung einer Straftat einen Willen zur positiven Integration gänzlich vermissen lassen würde. Zu Österreich bestünden weder familiäre noch relevante soziale Bindungen. Ihre Kernfamilie lebe nach eigenen Angaben noch in Nigeria. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde.

15. Am 07.10.2016 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde. Begründet wurde diese mit Verletzung von Verfahrensvorschriften, sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

16. Am 11.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, bei welcher die Beschwerdeführerin, ihr Verlobter und die Tochter ihres Verlobten einvernommen wurden.

Die Beschwerdeführerin lebe in einer Lebensgemeinschaft und sei verlobt. Sie habe eine 20-jährige Stieftochter. Ihr Verlobter und seine Tochter seine ebenfalls nigerianische Staatsangehörige. In Nigeria habe sie fünf Jahre die Grundschule besucht. Danach habe sie sich durchgekämpft und Dinge wie Trinkwasser verkauft. In Nigeria habe sie keine Familie mehr. Zwei ihrer drei Geschwister habe sie bereits vor ihrer Ausreise aus Nigeria verloren. Von der letzten Schwester wisse sie nicht wo sie sich aufhalte, oder ob sie noch am Leben sei. In Österreich habe sie keine Verwandten. Die Frage, ob sie Deutsch spreche bejahte sie. Sie verstehe sehr viel, spreche aber nicht so gut. Sie habe den Deutschkurs A2 abgeschlossen. Einer Beschäftigung gehe sie nicht nach. Auf die Frage, warum sie ihren Verlobten bis jetzt nicht geheiratet habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass man am Standesamt Unterlagen aus Nigeria von ihnen verlangt habe. Da sie jedoch keine Familie mehr in Nigeria habe, könne niemand diese Dokumente besorgen. Sie benötige ein Dokument das bestätige, dass sie ledig und unverheiratet sei. Dieses Dokument hätte sie zur österreichischen Botschaft in Abuja bringen sollen. Die Botschaft hätte sich mit ihren Eltern in Verbindung gesetzt um deren Unterschrift auf den Dokumenten zu bekommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Ihre Identität steht nicht abschließend fest. Sie ist christlichen Glaubens und lebte vor ihrer Ausreise in Benin City.

Die Beschwerdeführerin stellte am 11.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl.XXXX, vom wurde die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bestätigt, das Verfahren aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 hinsichtlich der Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, das im gegenständlich angefochtenen Bescheid zum Ergebnis kam, dass eine Rückkehrentscheidung nicht unzulässig ist.

Die Beschwerdeführerin hat zu keinem Zeitpunkt über einen regulären österreichischen Aufenthaltstitel verfügt und war nur während der Dauer ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Der Beschwerdeführerin wurde zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthalts im Bundesgebiet eine Karte für Geduldete ausgestellt.

In Österreich hat die Beschwerdeführerin keine Verwandten.

Die kinderlose Beschwerdeführerin führt sie seit etwa fünf Jahren eine Beziehung mit dem nigerianischen Staatsbürger XXXX, mit dem sie seit einem Jahr verlobt ist. Seit ein paar Monaten leben sie im gemeinsamen Haushalt. Zur erwachsenen Tochter ihres Lebensgefährten, XXXX, hat die Beschwerdeführerin ein gutes Verhältnis. Ihr Verlobter und seine Tochter haben aufrechte Aufenthaltstitel für Österreich.

Die Beschwerdeführerin ist aktives Mitglied der Celestrial Church of Christ in Wien. Die Kirchengemeinschaft "Celestrial Church of Christ" ist in Nigeria weit verbreitet.

Die Beschwerdeführerin hat die Integrationsprüfung Sprachkompetenz (Niveau: A2) und zu Werte- und Orientierungswissen am 18.04.2010 bestanden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war sie jedoch durchgehend auf die zur Verfügung gestellte Dolmetscherin angewiesen. Eine Verständigung auf Deutsch war weitestgehend nicht möglich.

Sie geht keiner Beschäftigung nach und lebt von der Grundversorgung.

Nicht festgestellt werden kann, ob die Beschwerdeführerin noch lebende Verwandte in Nigeria hat. Im Verfahren zu XXXX wurde jedoch festgestellt, dass zumindest zwei Schwestern und ein Bruder noch in Nigeria leben.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist daher erwerbsfähig.

Die Beschwerdeführerin konnte sich vor ihrer Ausreise 2011 in Nigeria mit dem Verkauf von Gegenständen wie Wasser ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Beschwerdeführerin sollte auch nach ihrer Rückkehr in der Lage sein, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Zur aktuellen Lage in Nigeria wurden im angefochtenen Bescheid umfassende Feststellungen getroffen; aktuelle Feststellungen (konkret das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation; Stand 12.04.2019) wurden der Beschwerdeführerin mit der Ladung übermittelt und in der mündlichen Verhandlung am 11.09.2019 erörtert. Den Länderfeststellungen wurde auch nicht widersprochen.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Für alleinstehende Rückkehrerinnen ist zwar keine generelle Aussage möglich, verfügt Nigeria jedoch über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration, ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖB 10.2018). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003 359 Verurteilungen von Schleppern erreicht sowie bis heute mehr als 13.000 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 10.12.2018). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2018).

Es gibt viele Frauengruppen, welche die Interessen von Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016a). Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex- Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2018).

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 10.12.2018). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation insbesondere für alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart - z.B. im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016a).

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel:

+234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@wacolnigeria.org. WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an:

Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email:

womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).

The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email:

wocon95@yahoo.com, info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com. WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Zusätzlich wurden vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (im Folgenden: ZMR), dem Strafregister, dem Grundversorgungssystem (GVS) sowie aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister (im Folgenden: IZR) eingeholt.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde (bzw. den ergänzenden Stellungnahmen) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zudem wurden verschiedene Dokumente (Mietvertrag, Empfehlungsschreiben der Kirchengemeinde, Schreiben der Tochter des Verlobten) vorgelegt. Ihr soziales Leben dreht sich hauptsächlich um ihre Aktivität in der Kirchengemeinde und die Beziehung zu ihrem Verlobten bzw. dessen Tochter, einem nigerianischen Staatsangehörigen mit österreichischem Aufenthaltstitel. Eine Eheschließung wird zwar von beiden angestrebt, die diesbezüglichen Aussagen betreffend die Hindernisse sind aber weder glaubwürdig noch nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin und ihr Verlobter gaben an, dass sie eine Ledigkeitsbescheinigung vorlegen müssten. Die im Akt befindliche, von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellte würde nicht reichen. Sie würden eine direkt aus Nigeria benötigen. Plausible Gründe für das nicht ausreichen dieser Bestätigung konnten jedoch beide nicht liefern. Laut Verlobten würde es mindestens 1.000 €

kosten, die Dokumente aus dem Heimatland zu beschaffen. Es ist nicht ersichtlich, warum es dem Verlobten der Beschwerdeführerin möglich sein sollte um 700 € nach Nigeria zu fliegen, nur um Verwandte von ihr zu finden, nicht jedoch 1.000€ zu bezahlen, um an die angeblich verlangten Dokumente zu gelangen. Dem Gericht ist nicht ersichtlich, warum der Verlobte der Beschwerdeführer dann überhaupt nach Nigeria geflogen ist.

Die Feststellung zu ihren Deutschkenntnissen beruht auf dem durch den Richter in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck. Zwar kann die Beschwerdeführerin eine Prüfung auf dem A2 Niveau nachweisen, jedoch war sie nicht in der Lage auf Deutsch zu antworten.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf dem Umstand, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen vorgebracht wurden. Auch in der mündlichen Verhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin, gesund zu sein.

Die strafrechtliche Verurteilung ergibt sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Beschwerdeführerin ist aktives Mitglied der "Celestrial Church of Christ" in Wien. Dies geht auch aus dem vorgelegten Empfehlungsschreiben, datiert mit 25.02.2019, hervor. Die Feststellungen zur Kirchengemeinschaft "Celestrial Church of Christ" ergeben sich aus der im Internet abrufbaren Homepage unter der Internetadresse http://www.celestialchurch.com/ (abgerufen am 20.09.2019). Die Beschwerdeführerin ist diesen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten.

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG iVm § 50 FPG nach Nigeria beruht darauf, dass die Beschwerdeführerin weder vor der belangten Behörde noch in ihrem Beschwerdeschriftsatz konkrete Angaben getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 aus den im § 52 Abs. 9 FPG genannten Gründen nicht zulässig sei. Im Verfahren, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl.XXXX abgeschlossen worden war, wurde festgestellt, dass bezogen auf die Beschwerdeführerin für den Fall der Rückkehr kein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Es wurde keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die Situation in Nigeria bzw. in Bezug auf die Beschwerdeführerin selbst behauptet. Es wurde bereits 2015 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin volljährig und arbeitsfähig ist und sich ein Grundeinkommen sichern könnte. Diese Feststellungen sind noch immer aktuell. Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin möglicherweise keine Verwandten mehr in Nigeria hat die sie umfassend unterstützen könnten. Doch dies vermag noch nicht darzulegen, warum die Beschwerdeführerin nicht wie auch vor ihrer Ausreise in der Lage sein sollte, sich selbständig zu erhalten. Soweit in der Beschwerde auf die Gefahr der Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt verwiesen wird, kann sich das Bundesverwaltungsgericht dem aber nicht anschließen: In Nigeria war die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise auch in der Lage sich ihr Geld durch den Verkauf von Gegenständen wie Wasser zu verdienen und wurde kein Grund vorgebracht, warum sie nicht wieder in diesem Bereich arbeiten können sollte.

2.2. Zu den Länderfeststellungen:

Zu den Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Nach Ansicht der erkennenden Richterin handelt es sich bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210). Den Feststellungen wurde auch von Seiten der Beschwerdeführerin nicht widersprochen.

Zusammenfassend ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass nicht davon auszugehen ist, dass jedem im Falle einer Rückkehr nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde. Es herrscht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet Nigerias willkürliche Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 10 AsylG 2005 wird Folgendes normiert:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuwe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten