Entscheidungsdatum
29.11.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W155 2175038-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von S XXXX A XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und S XXXX A XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird S XXXX A XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.11.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
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Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang.
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 01.04.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag gab er im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, dass er im Alter von 3 Jahren mit seiner Familie nach Pakistan geflüchtet sei. Die pakistanische Regierung habe afghanische Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeschickt, er könne aber nicht in sein Heimatland zurückkehren, weil er dort niemanden habe.
Im Rahmen einer medizinischen Volljährigkeitsbeurteilung wurde ein fiktives Geburtsdatum errechnet und mit XXXX festgesetzt.
Am 02.10.2017 erfolgte die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) zur Herkunft, zum Ablauf der Flucht, zur Finanzierung der Flucht und zu den Familien - und Lebensverhältnissen. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass sein Großvater ein Grundstück verspielt habe, der Verlust aber von seiner Familie nicht akzeptiert worden sei und sein Onkel den Gewinner getötet habe. Die Dorfversammlung habe das Grundstück den hinterbliebenen Söhnen zugesprochen, die Familie habe das Dorf verlassen müssen und sich an der afghanischen/pakistanischen Grenze in Hango niedergelassen. Bei einem Angriff durch die hinterbliebenen Söhne mit einer Handgranate sei er und seine Brüder verletzt und der Onkel getötet worden. Seine Familie sei schließlich nach Chapri geflüchtet. Auf Grund der Feindschaften könne er nicht nach Afghanistan zurück, außerdem habe er dort keine Verwandten mehr
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchteil I). Der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und ausgesprochen, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14 tägige Frist festgesetzt (Spruchpunkt IV).
Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nachvollziehbar und mit keinen Widersprüchen behaftet, eine persönliche Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte aber nicht festgestellt werden. Eine Rückkehr in die Heimatprovinz Logar könne nicht zugemutet werden, eine Niederlassung in Kabul sei jedenfalls zumutbar.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe drohe. Eine Abschiebung würde eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne der EMRK darstellen und sei zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt. Auf die umfangreiche Integration des Beschwerdeführers wurde hingewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.11.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Pashtu und im Beisein eines Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi ua. zu seinem gesundheitlichen Befinden, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Leben in Afghanistan und in Pakistan, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich ausführlich befragt.
Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurden Empfehlungsschreiben, Bewerbungsschreiben, Antrag auf Saisonbewilligung, Bestätigungen von freiwilliger Tätigkeit in einem Seniorenzentrum vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Pashtunen sowie der sunnitischen moslemischen Glaubensrichtung an. Seine Identität steht nicht fest. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Pashtu. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Der Beschwerdeführer ist volljährig und strafgerichtlich unbescholten.
Er wurde in der Provinz Logar geboren und hat dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern bis zu seinem dritten Lebensjahr gelebt. Anschließend war er in Pakistan, Hangu zuletzt Chapri bis zu seiner Flucht nach Europa aufhältig. Er hat eine nicht öffentliche Schule besucht, die er als "nicht richtige" Schule bezeichnet. Seine Mutter lebt nach wie vor in Pakistan, sein Vater ist verstorben, seine Brüder leben und arbeiten in der Türkei. Der Beschwerdeführer hat telefonischen Kontakt zu seiner Familie. Er hat keine Familienangehörigen in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer versteht die deutsche Sprache gut, konnte der Verhandlung gut folgen und hat die gestellten Fragen gut verstanden und konnte sie auf Deutsch beantworten. Er wurde vom Dolmetscher unterstützt.
Der Beschwerdeführer wird in den Empfehlungsschreiben als sehr hilfsbereiter, bemühter und freundlicher Mensch beschrieben. Seine Lernbereitschaft wird besonders hervorgehoben. Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und arbeitsfähig, er kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen Er leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte.
Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer reiste im Alter von 3 Jahren aus Afghanistan aus, nachdem sein Onkel im Zuge von Grundstücksstreitereien einen Dorfbewohner getötet hatte. Ein seine Familie ins Treffen geführtes Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe durch Dorfbewohner drohen kann nicht festgestellt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass ihm eine Tötung auf Grund einer bestimmten Familienzugehörigkeit droht.
Pakistan hat er verlassen, weil ihm eine Abschiebung nach Afghanistan drohte.
Zu einer möglichen Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Provinz Logar gehört zu den volatilen (relativ instabilen) Provinzen Afghanistans. Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Die Taliban sind in einigen Distrikten der Provinz - die ein strategischer Knotenpunkt für Taliban-Kämpfer ist - aktiv.
Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle.
Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif und Herat jedoch nicht möglich, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, so wie es auch seine Landsleute führen können. Im Fall einer dortigen Ansiedelung liefe er Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat
Staatendokumentation in der Fassung 04.06.2019
Sicherheitslage:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S. 59).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S. 59).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S. 62).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 70).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S. 63).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 64 ff).
Rekrutierung durch die Taliban:
Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./IV - Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017 - S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./IV, S. 14).
Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen (Beilage ./IV, S. 8). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Beilage ./IV, S. 18). Die Mehrheit der Taliban sind Pashtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Beilage ./IV, S. 11).
Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./IV, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Pashtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./IV, S. 19). Die Mehrheit der Taliban sind Pashtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Beilage ./IV, S. 11).
Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./IV, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Pashtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./IV, S. 19).
Logar:
Logar befindet sich 65 km südlich von Kabul. Logar besteht aus folgenden Distrikten: Mohammad Agha/Mohammadagha, Sarkh/Charkh, Kharwar, Baraki Barak/Barakibarak, Khwaki/Khoshi, Azrah/Azra und Pole Alam/Pul-e-Alam. Die Provizhauptstadt ist Pole Alam und befindet sich im gleichnamigen Distrikt.
Logar gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans (Tolonews 12.2.2018; vgl. Khaama Press 21.11.2017). Einem hochrangigen Polizeibeamten zufolge hat sich die Sicherheitslage im Vergleich zur Vergangenheit verbessert. Außerdem plane man, Operationen gegen die Taliban zu verstärken (IWPR 5.3.2018). Aufgrund der Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften statt (Tolonews 12.2.2018). Afghanische Truppen verstärken ihre militärischen Operationen gegen die Taliban in der volatilen Provinz, um die Stellungen der Aufständischen zu zerstören (Tolonews 12.2.2018). So werden in Logar regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Talibankämpfer sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Tolonews 12.2.2018; vgl. TP 12.2.2018, Pajhwok 27.12.2017, HT 28.11.2017, Xinhua 25.10.2017, Reuters 29.4.2017). Auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, über eine Präsenz in Teilen der Provinz zu verfügen und verschiedene Angriffe in Logar auszuüben (Tolonews 11.9.2017; vgl. The Diplomat 15.11.2016, Khaama Press 30.5.2016). In einigen abgelegenen Distrikten der Provinz versuchten Taliban, ihre religiösen Ansichten in den Schulen zu verbreiten (Pajhwok 11.3.2018; vgl. IWPR 5.3.2018). Im März 2017 versuchte der IS, junge Männer in der Provinz Logar zu rekrutieren (JF 26.1.2018), auch wurden tschetschenische Staatsbürger, möglicherweise Anhänger des IS, in der Provinz Logar verhaftet (Tolonews 30.11.2017).
Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen, ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 1.967.180 Einwohner.
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat.
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Nach zehn Jahren der Entminung sind 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen in den Distrikte Gulran und Shindand wurden diese noch nicht von Minen geräumt (LIB 26.03.2019, S. 138).
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S.102).
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 26.03.2019, S. 103).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 103).
Dürre:
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Beilage ./VII, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Anfragebeantwortung von ACCORD, Beilage ./VIII, S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./VII, S. 11).
Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./VIII, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./VIII, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./VIII, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./VIII, S. 17ff).
Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./VIII, S. 15f).
Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familien aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./VII, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./VIII, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./VIII, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./VII, S. 10; Beilage ./VIII, S. 2).
Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./VII, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./VIII, S. 3; Beilage ./VII S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./VII, S. 2).
Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen.
Medizinische Versorgung:
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 26.03.2019, S. 376 ff).
Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 26.03.2019, S. 359 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 26.03.2019, S. 359).
Wirtschaft:
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).
In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 26.03.2019, S. 366 f).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367f).
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 26.03.2019, S. 367f).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 26.03.2019, S. 369f).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370f). Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 371).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 314).
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus (LIB 26.03.2019, S. 316f).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 26.03.2019, S. 317).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 26.03.2019, S. 317).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hazara in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.
Pashtunen
Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017). Pashtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Pashtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Grundlage des pashtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen
und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Pashtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 26.03.2019, S. 304).
Die Staatendokumentation vom 13.11.2019 enthält keine entscheidungsrelevanten Änderungen in diesen erwähnten Punkten.
EASO-Bericht "Country Guidance Afghanistan", Juni 2018:
Alleinstehende Männer finden in den größeren Städten in der Regel zumutbare und vernünftige Fluchtalternativen vor (S. 30, 106). Für Antragsteller, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder sehr lange Zeit außerhalb Afghanistan gelebt haben, kann sich eine innerstaatliche Fluchtalternative als vernünftigerweise nicht vorhanden erweisen, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk vorfinden, das bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen unterstützt. Neben dem Vorhandensein eines Netzwerks sind noch lokales Wissen und Bindungen zum Heimatstaat sowie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund einschließlich der erlangten Bildung oder professionellen Ausbildung des Antragstellers zu berücksichtigen (S. 30, 109).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie die Vernehmungsprotokolle, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden.
Diesem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt sowie das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018, Fassung vom 04.06.2019 und vom 13.11.2019. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018, Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018
Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, und seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan und Pakistan) gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und gleichbleibenden Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung, dass sich seine Mutter in Pakistan, seine Brüder in der Türkei aufhalten und der Beschwerdeführer keine Angehörigen mehr in Afghanistan hat (Großvater, Vater und Onkel sind verstorben), ergibt sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation
In der Ersteinvernahme gab der BF zu seinen Fluchtgründen lediglich an, dass seine Familie nach Pakistan habe flüchten müssen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde konkretisierte er dieses Vorbringen dahingehend, dass sein Onkel einen Dorfbewohner wegen familiären Grundstücksproblemen getötet habe und die Dorfversammlung entschieden habe, dass das Grundstück den Hinterbliebenen zu überlassen sei und seine Familie das Dorf zu verlassen habe. Seine Familie hat daraufhin dem Entschluss der Dorfversammlung entsprechend das Dorf verlassen und sich in Pakistan niedergelassen. Dieses Fluchtgeschehen wurde gleichbleibend und ohne Widersprüche vorgetragen. Der BF war zu diesem Zeitpunkt ein Kleinkind, eine persönliche Bedrohung und inwieweit sich eine Verfolgungsgefahr für den BF ableiten lässt, ist nicht nachvollziehbar. Die Ausweisung aus dem Heimatdorf liegt nunmehr ca. 19 Jahre zurück, sein Großvater, sein Onkel und sein Vater sind verstorben, sodass kein konkretes und individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtetes Motiv mehr vorliegt und eine aktuelle Gefahr für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan abgeleitet werden kann. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung und ist nicht plausibel, warum nunmehr die Hinterbliebenen des getöteten Dorfbewohners ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers haben sollten. Ein solches vermochte der BF auch nicht darzutun. Abgesehen davon konnte der BF keine genauen Angaben über seine Feinde machen, keine Namen nennen und die Anzahl der Personen angeben ("ich weiß nicht" oder "ich habe vergessen", VH-S, S 8).
Was den Angriff der Söhne des getöteten Dorfbewohners ("Söhne des Mansur") mit einer Handgranate auf seine Familie acht Jahre später in Pakistan - bei dem seine Geschwister und er schwer verletzt und sein Onkel getötet wurden - betrifft, kann eine detaillierte beweiswürdigende Auseinandersetzung unterbleiben. Es handelt es sich um einen Vorfall, der sich nach den Angaben des BF in Pakistan zugetragen hat. Relevante Auswirkungen auf eine mögliche Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich. Dazu konnte der BF auch keine überzeugenden und nachvollziehbaren Argumente vorbringen, außer allgemeine Angstszenarien, die durch diese vermeintlich feindlichen "Söhne", die sehr einflussreich wären, immer und überall Zugang hätten und jeden ausfindig machen könnten, beschreiben. Dem erkennenden Gericht fällt in diesem Zusammenhang auf, dass der BF auch nach dem Vorfall mit der Handgranate weitere 7 Jahre in Pakistan ohne Gefahr leben konnte und nicht, wie er nur im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchtet, getötet wurde. War es nach seinen Angaben doch möglich den genauen Aufenthalt und die Wohnadresse der Familie des BF in einem Dorf außerhalb Afghanistans, in dem 50-55 Familien (Niederschrift vom 02.10.2017, S 255) lebten, aufzugreifen. Die Feinde müssten nicht die Rückkehr des BF abwarten. Diesen Angstgedanken kann das erkennende Gericht nicht folgen.
Die Feststellungen zum Ausreisegrund aus Pakistan ergeben sich aus den gleichbleibenden Aussagen im behördlichen Verfahren und der mündlichen Beschwerdeverhandlung (VH-Schrift, S 11).
Zu den Feststellungen zum Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat und den für das Verfahren relevanten Provinzen beruhen im Wesentlichen auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Insbesondere wurden die neuesten Informationen vom 13.11.2019 berücksichtigt und ergaben für das Gericht keine für das vorliegende Verfahren entscheidungsrelevanten Änderungen gegenüber der Fassung vom Juni 2019.
Zu den Feststellungen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif und Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S.
105) .
Zweifellos handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter ohne Berufserfahrung in Pakistan, bei dem aber die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.
Der Beschwerdeführer hat jedoch lediglich die ersten drei Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist seither nicht mehr zurückgekehrt, weswegen in seinem Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass er mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten sowie den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist. Dadurch, dass er die die Sozialisation prägenden Jahre seines Lebens in Pakistan verbracht hat und folglich dort sozialisiert wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer die afghanischen Gebräuche und Traditionen ausreichend vermittelt wurden, weswegen der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr gezwungen wäre, sich als Fremder im eigenen Land niederzulassen. Insbesondere ist nicht zu erwarten, dass vom Beschwerdeführer und seinen Angehörigen im Zuge des Zusammenlebens ein Bezug zu afghanischer Kultur und afghanischen Gebräuchen, Traditionen, Lebensgewohnheiten und Gegebenheiten so weit aufrechterhalten werden konnte, dass dem Beschwerdeführer ein Einblick in deren aktuell gelebte Form im Herkunftsstaat vermittelt hätte werden können.
Durch den langen Aufenthalt in Pakistan entspricht es der Erfahrung und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine entsprechende Sprachfärbung aufweist, die ihn mit den in Pakistan in Chapri aufhältigen Afghanen in Zusammenhang bringt. Bedingt dadurch ist der Beschwerdeführer als Rückkehrer nach langer Abwesenheit erkennbar, wobei sich aus den vorliegenden Informationen ergibt, dass der Beschwerdeführer deshalb mit Diskriminierungserfahrungen wird rechnen müssen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17.
21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a long period of time, S. 66 f.) Diese erreichen freilich nicht jene Dichte, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr mit gravierenden Übergriffen zu rechnen hätte, stellen aber den vorliegenden Informationen zufolge eine Erschwernis etwa bei der Unterkunfts- und Arbeitssuche dar. Weiters stellt das "soziales Kapital" die wichtigste Ressource für Rückkehrer dar, wobei die Großfamilie als die zentrale Institution in Afghanistan bezeichnet wird. Sie gewähre Schutz, Betreuung und Versorgung und bilde eine wirtschaftliche Einheit. Die Männer der Familie treffe die Pflicht, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen. Ein solches Netzwerk sei für das Überleben in Afghanistan wichtig und sein Fehlen stelle die größte Herausforderung für Rückkehrer dar. Insbesondere aus dem EASO Bericht Afghanistan Netzwerke von Jänner 2018 lässt sich entnehmen, dass der Zugang zu sozialen Netzen als zentrale Voraussetzung für die Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens und insbesondere die Teilnahme am Arbeitsmarkt im Fall einer Niederlassung im Herkunftsstaat bedeutsam ist. Auf ein solches Netzwerk kann der Beschwerdeführer, wie bereits beweiswürdigend ausgeführt wurde, im Herkunftsstaat nicht zurückgreifen. Insbesondere besteht kein Hinweis auf etwaige in Afghanistan aufhältige Angehörige des Beschwerdeführers.
Im Bericht von ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 07.12.2018 wird berichtet, dass der Zugang zu Arbeitsplätzen auf dem schrumpfenden Arbeitsmarkt von Kontakten abhängt und dass insbesondere Rückkehrende aus Europa und dem Iran keine Arbeit finden würden, wenn sie keine soliden sozialen Kontakte hätten. Wichtigster Faktor bei der Personalauswahl sei Vertrauen (siehe Kapitel 2.5. Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktzugang, S. 123 ff.).
Demnach ist der Zugang des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt bedingt dadurch, dass er über kein soziales Netzwerk verfügt, stark erschwert.
Durch die Inanspruchnahme der nach den vorliegenden Länderinformationen grundsätzlich verfügbaren Rückkehrhilfe (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr) könnte der Beschwerdeführer höchstens sehr kurzfristig das Auslangen finden und wird insbesondere nur für Kabul berichtet, dass etwa Unterkünfte speziell für Rückkehrer verfügbar sind.
Hinzu kommt die allgemein prekäre - die alle afghanischen Staatsangehörigen, aber in besonderem Maße jene ohne familiären Rückhalt trifft - Versorgungslage vor allem im Hinblick auf den Zugang zu Arbeit und Wohnraum. Das Länderinformationsblatt berichtet in Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft von hoher Arbeitslosigkeit (über 40 % Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung) und Armutsgefährdung. Nach den vorliegenden Informationen sind auch die Aufnahmekapazitäten der afghanischen Städte bereits überlastet. 72,4 % der städtischen Bevölkerung leben in Slums, informellen Siedlungen oder unter unzulänglichen Wohnverhältnissen (siehe dazu etwa UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten [S. 125 f.]). Der Anteil der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze liegt bei 55 % (ebd.). Nachdem der Beschwerdeführer allein und ohne soziales Netzwerk sowie örtliche Kenntnisse erstmals in den Herkunftsstaat "zurückkehren" würde, erscheint eine besondere Betroffenheit dieser prekären Lebensverhältnisse im Fall des Beschwerdeführers als höchst wahrscheinlich.
In einer Zusammenschau der erläuterten aus den spezifischen individuellen Merkmalen (sofortige Erkennbarkeit als Rückkehrer, fehlendes soziales Netzwerk) des Beschwerdeführers resultierenden Erschwernissen unter Berücksichtigung auch der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ist im Fall des Beschwerdeführers, - anders als bei jenen afghanischen Staatsangehörigen, die ihre ganzes Leben in Afghanistan verbracht haben und dort zur Gänze sozialisiert wurden bzw. Rückkehrer, die über ein tragfähiges soziales Netzwerk verfügen - nicht davon auszugehen, dass er in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härte wird führen können und es ist im Fall einer dortigen Ansiedelung sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen wird können und in eine ausweglose Situation gerät.
Zu den Feststellungen zum Leben in Österreich
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (zu seinen Deutschkenntnissen, ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie seiner Integration) stützen sich auf die Aktenlage und die vorgelegten Integrationsunterlagen sowie die Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlun