TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/4 W195 2205142-1

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2205142-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von XXXX , stellte am 16.03.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er an, im Jahr 2012 den Entschluss zur Ausreise aus Bangladesch gefasst zu haben. 2015 sei er mit dem Flugzeug nach Österreich gekommen. Er habe Bangladesch verlassen, weil er homosexuell sei und in Bangladesch keine Rechte habe. Es gebe eine Anzeige gegen ihn, wegen welcher er mindestens zehn Jahre in Haft sitzen werde.

Im Rahmen der Erstbefragung legte der BF einen Aufenthaltstitel und seinen Reisepass vor.

I.2. Am 24.07.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge der Befragung legte der BF die Kopie einer Anzeige bei der Polizei vom 03.12.2017, eine Bestätigung über die Erlangung des Bachelortitels des BF, Schulzeugnisse, ein Schreiben bezüglich der privaten Unterkunft in einer Wohngemeinschaft in Österreich, ein Empfehlungsschreiben, ein Deutschzertifikat A1 und ein Studienblatt einer österreichischen Universität vor.

Aufgefordert, die wesentlichen Gründe für seine Ausreise aus Bangladesch darzulegen, führte der BF zusammengefasst aus, dass er von klein auf in Bangladesch viele Partner gehabt habe. Mit seinem letzten Partner habe er gemeinsam in einer Wohnung gelebt. Eines Tages, vermutlich am 13.06.2014, sei ein Freund seines Partners zu diesem und dem BF nach Hause gekommen und habe den BF und seinen Partner beim Geschlechtsverkehr erwischt. Der Freund habe vom Partner der BF einen Schlüssel für die Wohnung erhalten, wovon der BF nichts gewusst habe. Als er den BF und seinen Partner gesehen habe, habe er begonnen zu schreien und den Partner des BF zu schlagen. Nach einigen Tagen sei der Partner des BF dauerhaft nach Indien gezogen. Der Freund seines Partners habe den BF bedroht und eine Million Taka verlangt. Daraufhin habe der BF diesem monatlich 10.000 Taka gegeben, nach einem gewissen Zeitraum seien es nur mehr 5.000 Taka gewesen. Ab Oktober 2017 habe er ihm kein Geld mehr gegeben. Nachdem der Freund seines Partners den BF angerufen habe und noch mehr Geld verlangt habe, habe der BF ihm gesagt, dass er kein Geld mehr vom BF bekommen würde. Am 03.12.2017 sei dann die Anzeige gegen den BF bei der Polizei erfolgt. Eine Kopie der Anzeige sei beim BF zu Hause abgegeben worden, woraufhin die Mutter des BF diesen davon verständigt habe. Am selben Tag habe der BF im Internet recherchiert und eine Person von der XXXX kontaktiert, welche ihm nahegelegt habe, einen Asylantrag zu stellen.

Auf Nachfrage, wann der BF gemerkt habe, dass er homosexuell sei, gab der BF an, dass er 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei. Er habe im Dorf einen sechs oder sieben Jahre älteren Freund gehabt. Mit diesem habe er die erste sexuelle Beziehung gehabt. In Bangladesch habe er insgesamt fünf Partner gehabt.

Auf Nachfrage, welche Strafen Homosexuellen in Bangladesch drohen würden, gab der BF mindestens zehn Jahre oder lebenslängliche Haftstrafen an. Man sehe Homosexualität in Bangladesch als Sünde an.

In Österreich lebe der BF seine Homosexualität mit seinem Partner, welcher in Linz lebe, aus. Dieser würde ihn alle zwei Wochen besuchen, es sei nichts "Fixes".

Ergänzend gab der BF an, dass in Bangladesch viele von seiner Homosexualität wissen würden, obwohl er versucht habe, dies zu verheimlichen. Viele seien nicht zur Polizei gegangen, weil sie schlechte Menschen gewesen seien. Seine Eltern und Geschwister würden erst seit der Anzeige wissen, dass er homosexuell sei. Seine Freunde würden ihn oft kritisieren und beschimpfen. Hier in Österreich habe er Respekt bekommen.

I.3. In der Stellungnahme des BF vom 30.07.20218 wurde im Wesentlichen dargelegt, dass dem BF zum einen eine staatliche Verfolgung drohe, da seine Homosexualität seit Dezember 2017 polizeibekannt sei und Homosexualität in Bangladesch mit Gefängnisstrafe bedroht sei. Da Homophobie in der bangladeschischen Gesellschaft stark verankert sei, habe der BF auch im Alltag mit Ablehnung und verbalen Übergriffen durch sein Umfeld zu kämpfen gehabt. Aufgrund der Länderberichte sei von einer Gruppenverfolgung homosexueller Männer in Bangladesch auszugehen.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH wurde ausgeführt, dass ein Verbergen der sexuellen Orientierung im Herkunftsstaat zwecks Hintanhaltens von Verfolgungshandlungen zu verlangen jedenfalls unzulässig sei.

Unter Anführung diverser Länderberichte wurde ergänzend ausgeführt, dass von einer starken Zunahme der Gewalt durch Extremisten sowie durch staatliche Repressionsmaßnahme auszugehen sei. Ein Leben als offen lebender schwuler Mensch sei dem BF in Bangladesch nicht möglich.

I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß

§ 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage

(Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass den Ausführungen des BF jegliche Stringenz fehle. Die Angaben zur behaupteten Homosexualität würden jede Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen. Im gegenständlichen Fall erachte das BFA die Angaben des BF als unwahr, sodass die behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können. Dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation geraten würde, sei nicht feststellbar, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Es sei davon auszugehen, dass der BF nach wie vor über familiäre und soziale Beziehungen in Bangladesch verfüge. Es sei dem BF zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung den Lebensunterhalt zu sichern. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.5. Mit Schriftsatz vom 03.09.2018 wurde der Bescheid des BFA seitens des BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass vom BFA kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei und das BFA sich nicht entsprechend mit dem Vorbringen des BF auseinandergesetzt habe. Dem BF sei im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sein Fluchtvorbringen umfassend vorzubringen. Aus den vom BF getätigten Angaben und den Länderfeststellungen gehe zweifelsfrei hervor, dass der BF als homosexueller Mann in seinem Heimatland asylrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sei. Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflicht auch dadurch verletzt, dass die vom BF im Zuge des bisherigen Verfahrens vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Zudem würden die von der Behörde herangezogenen Länderinformationen nicht ausreichen, um ein umfassendes Bild von der Lage für LGBITQ-Personen in Bangladesch zu erlangen.

Dass die Erstbehörde die Ausführungen des BF als unglaubwürdig erachte, weil dieser sich vom 01.09.2016 bis zum Tag der Asylantragstellung in Österreich befunden habe, sei zu entgegnen, dass dem BF das System des internationalen Schutzes fremd und ihm nicht bewusst gewesen sei, dass seine normativ abweichende Sexualität einen Asylgrund darstelle. Dem BF sei nach den Ereignissen im Herkunftsland alles daran gelegen, sein Heimatland zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. In der bisherigen Einvernahme habe der BF dargelegt, dass der Zweck seiner Einreise am 31.05.2015 stets seiner eigenen Sicherheit gegolten habe, weil er als Homosexueller immer in Angst gewesen sei.

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH klargestellt sei, dass sich die Prognoseentscheidung auf die Frage zu beziehen habe, ob dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen drohen würden, wenn er in seinem Herkunftsstaat (offen) homosexuell leben würde. Daran könne in Bangladesch kein Zweifel bestehen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung, da es dem BF nicht zumutbar sei, seine sexuelle Orientierung zu verstecken und er im Fall der offenen Ausübung seiner Sexualität im gesamten Staatsgebiet sowohl staatlich als auch gesellschaftlich verfolgt werden würde.

Da die rechtstaatlichen Garantien an einem fairen Prozess im Heimatland des BF de facto nicht gegeben seien, laufe der BF Gefahr, inhaftiert und jahrelang ohne ein faires Verfahren in Haft genommen zu werden, weshalb diesem zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.

Der Beschwerde wurde ein Schreiben der Magistratsabteilung 35 betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels des BF, ein Schreiben der XXXX , Fotos des BF, zwei ACCORD-Anfragebeantwortungen sowie weitere dem BFA bereits vorgelegte Unterlagen beigelegt.

I.6. Am 05.09.2018 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.7. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Einleitend hielt der gesunde BF fest, dass er regelmäßig, nämlich "alle ein bis zwei Tage" Kontakt zu seiner Mutter in Bangladesch habe; zum Vater, der in Kuwait lebe, habe er auch, aber deutlich weniger Kontakt.

Er selbst lebe in Wien und habe weder eine Beziehung noch Kinder.

Er arbeite als Selbständiger in einem Lebensmittelladen am Margaretengürtel, sein bengalischer Schwager sei sein Mitarbeiter.

Seine Deutschkenntnisse sind, wie in der Verhandlung vor dem BVwG festgestellt werden musste, nur gering und eine Konversation ist mangels Sprachwortschatzes ziemlich begrenzt.

In seiner Freizeit gehe er ins Fitnesscenter, "versuche mehr oder weniger mich gesund zu halten" und gehe dann "in verschiedene Lokale und trinke Bier". Am Wochenende gehe er aus, er sei "Mitglied bei der XXXX " und gehe "auch in die XXXX ".

Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab der BF an, er sei homosexuell.

Am 01.04.2015 sei er nach Österreich mittels Studentenvisums gekommen. Ursprünglich wollte er in Linz studieren (General Bussiness Manager), aber nach drei Monaten ging er nach Wien, um Marketing zu studieren. Er habe einen Bachelor in Marketing in Bangladesch abgeschlossen.

Befragt, warum er sich nicht gleich in Wien für das Marketingstudium beworben habe, gab der BF an, dass er dazu Deutschkenntnisse vorweisen müsse; in Linz hätten ursprünglich Englischkenntnisse genügt.

In Vertiefung der Befragung gab der BF letztendlich zu, dass er gar nicht in Österreich studieren wollte, sondern er unter dem Vorwand eines Studentenvisums nach Österreich kommen wollte. Zwei Jahre später habe der BF "erfahren, dass ich als Homosexueller in diesem Land Asyl erhalten könnte". Ein Mitarbeiter von XXXX habe ihn beraten, sich als homosexuell zu deklarieren und deswegen um Asyl anzusuchen.

Zu seinen früheren Lebensumständen in Bangladesch führte der BF aus, dass er mit ungefähr 17 Jahren seine ersten homosexuellen Kontakte hatte (dass der BF sein Geburtsjahr XXXX und sein Alter von 17 Jahren nicht zusammenzählen konnte, was somit das Jahr "2004" ergeben hätte, sondern als Jahr "2001" angab, bleibt in Anbetracht seines Bachelors in Marketing unkommentiert).

Im Einzelnen führte der BF - zusammengefasst - aus, dass er insgesamt seit seinem 17 Lebensjahr mit fünf Personen in Bangladesch sexuellen Kontakt hatte und in homosexuellen Beziehungen lebte.

Er sei jedoch gemeinsam mit seinem damaligen Freund eines Tages, nämlich am 13.06.2014, von einem Bekannten seines damaligen Sexualpartners erwischt worden, welcher ihn in weiterer Folge erpresst hätte (sein Freund, zu dem er keinen Kontakt mehr hätte, befände sich angeblich in Indien). Der BF habe diesem Erpresser monatlich 10.000 Taka, später 5.000 Take überwiesen bzw. überweisen lassen, selbst als er schon in Österreich - seit 01.06.2015 - gewesen sei. Eine handschriftliche "Anzeige" gegen den BF wäre am 03.12.2017 ergangen. In der im Administrativakt einliegenden Übersetzung wird als Angezeigter " XXXX (29), Vater: Shamsul Hok, Dorf; Mirjakanda", genannt.

Nunmehr legte der BF im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich eine behauptete "Anzeige" gegen ihn vor, welche seine Mutter "vor sechs Monaten" erhalten habe, sie ihm jedoch davon, weil der BF "in Sorge sei", nichts erzählt habe, sondern diese Anzeige erst jetzt dem Schwager, welcher in Bangladesch gewesen sei, mitgegeben habe; der BF habe diese "Anzeige" erst am 22.11. erhalten. Das Dokument wurde im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG in Kopie und ohne Übersetzung vorgelegt.

Hinsichtlich seiner Gefühle, seines Out-Comings als homosexueller Mann, seines Verhaltens und des Erkennens anderer Personen als Homosexuelle blieb der BF im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG stets im Rahmen seiner bisher vor dem BFA geschilderten Geschichte; Gefühle, wie Neugier, Scham, Zuneigung und Ablehnung blieben bestenfalls angedeutet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen

Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist ledig.

Der BF ist im Dorf Mirzakanda in der Stadt Munshiganj geboren und aufgewachsen. Er besuchte in seinem Heimatdorf eine Schule und schloss in Dhaka sein Betriebswirtschaftsstudium mit einem Bachelortitel ab. Seinen Lebensunterhalt bestritt der BF in Bangladesch mithilfe der finanziellen Unterstützung seiner Eltern.

Die Mutter, der Bruder und die Schwester sowie weitere Verwandte des BF leben in Bangladesch. Sein Vater lebt in Kuwait (Aussage vor dem BFA: in Bangladesch). Der BF hat regelmäßigen, fast täglichen Kontakt mit seiner Mutter, weniger Kontakt zu seinem Vater.

Der BF betreibt in Wien einen Lebensmittelhandel, sein Schwager sei bei ihm angestellt (andere Ausführungen dazu in der Einvernahme vor dem BFA, demzufolge der Schwager ein Lebensmittelgeschäft betreibe).

Der BF reiste am 01.06.2015 legal in das Bundesgebiet ein und verfügte bis 31.08.2016 über einen Aufenthaltstitel als Studierender. Nach diesem Zeitpunkt war er bis zur Stellung seines Asylantrags eineinhalb Jahre illegal im Bundesgebiet aufhältig. Am 16.03.2018 stellte er den gegenständlichen Asylantrag. Der BF bezog anfänglich Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, nunmehr ist er selbständig erwerbstätig. Der BF lebte ursprünglich in Österreich in einer Wohngemeinschaft mit vier weiteren Personen, seit 26.04.2018 bei " XXXX ". Seit März 2018 besucht er regelmäßig das Community-Zentrum, die " XXXX . Der BF verfügt über einen sehr begrenzten deutschen Sprachwortschatz. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der Ehemann der Schwester des BF lebt in Österreich und ist angeblich Angestellter des BF.

Der BF ist arbeitsfähig und gesund. Er nimmt keine Medikamente und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass der BF ursprünglich ein Studentenvisum beantragte und damit nach Österreich legal einreiste.

Festgestellt wird auf Grund der Aussagen des BF, dass der BF nie beabsichtigte, ein Studium in Österreich zu betreiben.

Festgestellt wird somit, dass der BF unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen ins Bundesgebiet gelangte.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, seit 2004 bis zu seiner Ausreise Mitte 2015 homosexuelle Kontakte in Bangladesch zu fünf Partnern gehabt zu haben.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, seit 2014 in Bangladesch erpresst zu werden und dass er 2017 in Bangladesch wegen seiner Homosexualität angezeigt worden sei.

Es wird festgestellt, dass der BF in Bangladesch nicht den Anschein erweckt hat, homosexuell zu sein. Der BF hat Bangladesch nicht verlassen, weil er wegen des Anscheins der Homosexualität verfolgt wurde.

Festgestellt wird, dass der BF über einen längeren Zeitraum illegal in Österreich lebte.

Der BF ist erst nach mehr als zweieinhalb Jahren nach seiner Einreise nach Österreich mit der Organisation " XXXX " in Kontakt getreten und nahm in Österreich an Veranstaltungen wie der Regenbogenparade teil.

Festgestellt wird, dass die Teilnahme an Veranstaltungen von XXXX oder an der Regenbogenparade kein Beweis einer Homosexualität ist. Eine daraus resultierende Verfolgung in seinem Herkunftsland ist nicht hervorgekommen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF auf Grund einer homosexuellen Orientierung in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten staatlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung auf Grund einer homosexuellen Orientierung brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019

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ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

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Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

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RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

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WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019,

http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019

Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere zwischen der Awami League und der Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen auf Grund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21.2.2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere die Zahl der Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019):

Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018):

The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

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AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

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BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

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ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

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UKHO - UK Home-Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Quellen:

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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