TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 W265 2144882-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W265 2144882-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 01.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volkgruppe der Tadschiken zu sein. Befragt dazu, warum er sein Land verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe in einem koreanischen Bauunternehmen gearbeitet, weswegen die gesamte Familie von den Taliban mit dem Tode bedroht worden sei. Die Taliban hätten ihn einmal entführt. Aus Angst um sein Leben habe ihn sein Vater weggeschickt.

3. Am 05.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte der Beschwerdeführer zu Beginn, er wolle seine Angaben im Rahmen der Erstbefragung dahingehend korrigieren, dass es sich nur um einen Entführungsversuch gehandelt habe. Auf die Frage, ob er irgendwelche Dokumente vorlegen könne, gab der Beschwerdeführer an, seine Dokumente seien auf dem Postweg, er werde die Tazkira und die polizeiliche Anzeige, worin es um den Entführungsversuch gehe, sowie ein Schreiben, indem bestätigt werde, dass sein Leben in Gefahr sei, in Vorlage bringen.

Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst aus, sein Vater sei von 2004 bis 2010 bei einer koreanischen Firma als Lenker und Dolmetscher tätig gewesen. Danach sei er für die Sicherheit der Firma zuständig gewesen. Im Jahr 2010 seien ein paar Koreaner und Bangladeschis, die für diese Firma gearbeitet hätte, von den Taliban entführt worden. Sein Vater habe mit Hilfe der afghanischen Nationalarmee und seinen Leuten von der Sicherheitsabteilung für die Freilassung dieser Personen gesorgt. Bei dieser Freilassung seien sechs Taliban getötet worden. Deshalb seien die Taliban zu Feinden seines Vaters geworden. Zwei bis drei Mal hätten sie seinen Vater angegriffen und einmal versuchten sie ihn (den Beschwerdeführer) zu entführen. Die Taliban hätten seinem Vater gedroht und gefordert, die Arbeit zu beenden, andernfalls würden sie die Söhne und Töchter entführen. Eines Tages am Abend, als er mit Freunden in einem Geschäft gesessen sei, habe ein Auto Marke Toyota Foranar gehalten. In diesem Auto seien drei Personen gesessen und einer von den Personen habe ihn angesprochen und nach seinem Namen gefragt. Die Person habe ihn zum Mitkommen und zum Einsteigen ins Auto aufgefordert, weil sie ihm etwas Geld zwecks Übergabe an den Vater geben wollten. Sie hätten gesagt, dass sie Freunde des Vaters seien. Ihre Namen hätten sie nicht verraten. Er habe die Freunde seines Vaters gekannt und diese Personen hätten nicht dazugezählt. Sie hätten ihn zum Einsteigen ins Auto aufgefordert. Einer habe ein Messer gezogen und gedroht, ihn zu töten. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen und er habe die Autotüre zugestoßen, wobei er verletzt worden sei. Seine Freunde und andere Geschäftseigentümer seien ihm zu Hilfe gekommen. Daraufhin seien die Männer weggefahren. In der gleichen Nacht sei sein Vater angerufen worden und ihm sei gesagt worden, sein Sohn habe heute entkommen können, aber beim nächsten Mal würden sie ihn töten, sollte er seine Arbeit nicht beenden. Er sei nicht mehr zur Universität gegangen und habe sich zwei Wochen im Iran aufgehalten. Danach habe er nach Afghanistan zurückkehren wollen, aber sein Vater habe gemeint, er solle weiterreisen.

Auf die Frage, wie lange sein Vater tatsächlich für das Unternehmen gearbeitet habe, gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe bis Ende 2014 für das Unternehmen gearbeitet. Erstmals seien im Jahr 2010 oder 2011 Probleme mit den Taliban aufgetreten. Darüber habe sein Vater nichts erzählt. Erst im Jahr 2014 habe er ihm über die Probleme mit den Taliban berichtet. Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits zum dritten Mal angegriffen worden.

Auf die Frage, wann er persönlich erstmals Probleme mit den Taliban gehabt habe, gab er an, im Juli/August 2015. Sie hätten versucht, ihn zu entführen. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben.

Auf die Frage, welche aktuellen Probleme sein Vater nun in Afghanistan habe, antwortete der Beschwerdeführer, die Probleme, die er bereits erwähnt habe, ansonsten habe er keine weiteren Probleme, aber er werde auch jetzt noch angerufen. Seinem Vater sei seither nichts zugestoßen.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Gleichzeitig mit Erlassung des angefochtenen Bescheides gab die Behörde dem Beschwerdeführer einen Rechtsberater für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bei.

6. Gegen den abweisenden Bescheid wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerde erhoben.

7. Am 07.11.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71AVG sowie eine Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid ein.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 14.12.2016 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 17.01.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.03.2017 und am 20.03.2017 durch die damals zuständige Gerichtsabteilung W267 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner ausgewiesenen Vertretung zu seinen Gründen bezüglich seines Antrages auf Wiedereinsetzung befragt wurde. In der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2017 wurde eine vom Beschwerdeführer namhaft genannte Zeugin zu den Umständen, die zur verspäteten Einbringung der Beschwerde geführt hatten, befragt.

11. Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 03.07.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung W267 abgenommen und der nunmehrigen Gerichtsabteilung W265 zugewiesen.

12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.12.2019 wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2016, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 07.11.2016 abgewiesen wurde, ersatzlos behoben.

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsniederschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

14. Zu dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Länderberichtsmaterial brachte die ausgewiesene Vertretung des Beschwerdeführers innerhalb der Frist eine schriftliche Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde des genannten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahme, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen in Afghanistan, zu seiner Ausreise aus Afghanistan und zu seinem gesundheitlichen Zustand:

Der Beschwerdeführer ist ein junger erwachsener Mann, der nicht verheiratet und kinderlos ist. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Er führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Stadt Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh geboren und aufgewachsen. Der Beschwerdeführer schloss die zwölfte Klasse in der Schule ab und studierte im Anschluss dreieinhalb Semester lang Rechtswissenschaften in der Provinz Balkh. Nebenbei spielte er in der ersten Liga von Mazar-e Sharif Fußball, wofür der Beschwerdeführer neben Bekleidung auch zwischen 3.000 und 5.000 Afghani erhielt.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, zwei Brüdern, vier Schwestern und der Großmutter väterlicherseits, ist aktuell in der Provinz Balkh aufhältig. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit diesen Familienangehörigen.

Der Vater des Beschwerdeführers ist Teilhaber eines Geschäftes. Die finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers stellt sich mittelmäßig dar. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest anfänglich finanzielle Unterstützung durch seine Familie erfahren können.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan nicht konkret und individuell die Gefahr, aufgrund der beruflichen Tätigkeit seines Vaters für ein ausländisches Unternehmen physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban ausgesetzt zu sein.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung am 30.10.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bezieht seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht; die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers sind äußerst gering. Er absolvierte den Werte- und Orientierungskurs. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit gelegentlich gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde verrichtet. Darüber hinaus verbringt der Beschwerdeführer den ganzen Tag zu Hause. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen gibt es keinen Hinweis.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer stammt aus Mazar-e Sharif, aus der Provinz Balkh. Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in seine Heimatstadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine mehrjährige Schulausbildung, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif, kennt die infrastrukturellen Gegebenheiten der Stadt und ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 04.06.2019 (LIB), in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (UNHCR) und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019 (EASO 2019) enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. (LIB)

1.5.1.2 Provinz Balkh bzw. Stadt Mazar-e Sharif

Bei der Provinz Balkh handelt es sich um eine jener Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau, und dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich ist, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO 2019).

Die Stadt Mazar-e Sharif wird von EASO als eine jener Regionen eingestuft, in welcher willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird (EASO 2019).

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh:

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist nach wie vor eine der stabilsten Regionen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Städten in Nordafghanistan (LIB). Die Bevölkerung wird offiziell mit 454 457 Einwohnern angegeben. Der Rücktritt von Atta Mohammed Noor als Gouverneur von Balkh im Dezember 2017 führte Berichten zufolge zu vermehrten kriminellen Aktivitäten, wie bewaffneten Raubüberfällen, Mord, Zusammenstößen und Entführungen in Mazar-e Sharif. Mazar- e Sharif steht unter staatlicher Kontrolle (EASO 2019).

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher. (EASO 2019)

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant. (LIB)

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, die Kunsthandwerk, Teppiche und Teppiche anbieten. Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO 2019).

In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Stadt Mazar-e Sharif die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO 2019).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO 2019).

Mazar-e Sharif befand sich im Februar 2019 in Phase 2 des von FEWS NET verwendeten Klassifizierungssystems. In Phase 2, auch "Stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und seien nicht in der Lage sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. (ECOI 2019)

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

(LIB)

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017), wie es auch der Beschwerdeführer ist. Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

1.5.7 Rückkehrer/innen

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB).

1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. (LIB)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seiner Ausreise:

Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Auf Grund seiner übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht konnte das oben angegebene Datum als Geburtsdatum des Beschwerdeführers festgestellt werden. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im Wesentlichen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen, seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan, seiner Einreise nach Österreich sowie seiner Muttersprache waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif verfügt, ergibt sich aus seiner glaubhaften Aussage auf die Frage nach Verwandten in Afghanistan (vgl. Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer zumindest anfänglich von seiner Familie finanzielle Unterstützung erhalten könnte, ergibt sich aus seinen Angaben zur beruflichen Tätigkeit seines Vaters sowie den Angaben zur wirtschaftlichen Situation seiner Familie in Afghanistan.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründet sich auf seine glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach es ihm gesundheitlich gut gehe, er keine Medikamente einnehme und in keiner ärztlichen Behandlung sei (vgl. Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).

Zweifel an der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sind während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Das Hauptverfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers lautet ihm Wesentlichen, ihm drohe aufgrund der Verwandtschaft zu seinem Vater, welcher für ein ausländisches Unternehmen tätig gewesen und deshalb von den Taliban verfolgt worden sei, ebenfalls Gefahr vor Verfolgung durch die Taliban. Dieses Vorbringen ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

2.2.1.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nach Ansicht des erkennenden Gerichtes insgesamt zu vage und unsubstantiiert ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlassen hat, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenen Bedrohungssituationen zu schildern. In Gesamtschau seines Aussageverhaltens in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vermochte der Beschwerdeführer jedoch bloß eine grobe Rahmengeschichte wiederzugeben und seine Fluchtgeschichte erst auf Nachfragen mit einigen wenigen Details auszugestalten, die für die erkennende Richterin nicht den Eindruck erweckten, die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen. Zu vage und unbestimmt waren besonders die Angaben des Beschwerdeführers zum behaupteten Entführungsversuch ihn persönlich betreffend sowie allfälligen weiteren Bedrohungen die in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers lebenden Familienangehörigen betreffend (vgl. Seite 11 ff des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer diese Ereignisse in einer derart unkonkreten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sie sich tatsächlich zugetragen und wären sie für ihn von einer fluchtauslösenden Intensität gewesen.

2.2.1.2. Zudem ist das Vorbringen des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen auch nicht glaubhaft:

Das erkennende Gericht erachtet es nicht als plausibel, dass die Taliban den Vater des Beschwerdeführers unter Androhung der Entführung seiner Kinder dazu nötigen, seine berufliche Tätigkeit für ein ausländisches Unternehmen aufzugeben, der Vater des Beschwerdeführers dieser Aufforderung nachkam und seine Tätigkeit für ein ausländisches Unternehmen mit Oktober 2014 beendete, jedoch der Beschwerdeführer im Juli 2015 einem Entführungsversuch seitens der Taliban ausgesetzt gewesen sein soll (vgl. Seiten 11 und 12 des Verhandlungsprotokolls).

Weiters brachte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, dass sein Vater bereits im Jahr 2010 oder 2011 Probleme mit den Taliban bekommen habe, worüber der Beschwerdeführer nicht informiert gewesen sei. Im Jahr 2014 habe ihm sein Vater jedoch alles erzählt, nachdem er zum dritten Mal angegriffen worden sei (vgl. Seite 8 des Einvernahmeprotokolls). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 07.11.2019 war es dem Beschwerdeführer jedoch nicht möglich anzugeben, wann der besagte dritte Angriff seinen Vater betreffend stattgefunden habe (vgl. Seite 12 des Verhandlungsprotokolls).

Darüber hinaus ist es nach Ansicht des Gerichtes lebensfremd anzunehmen, dass die Familie des Beschwerdeführers weiterhin unbehelligt im Elternhaus in der Heimatprovinz leben kann, wenn tatsächlich eine Bedrohung durch die Taliban bestanden hätte. In diesem Zusammenhang konnte der Beschwerdeführer nicht überzeugend darlegen, wieso seine Familie in Mazar-e Sharif wohnend verbleibt, wenn sie sich wie Gefangene fühlen (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls).

2.2.1.3. Schließlich finden sich im Vorbringen des Beschwerdeführers Ungereimtheiten bzw. Widersprüche, die starke Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens erwecken:

So gab der Beschwerdeführer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2019 an, bei der Befreiung der sechs entführten Koreaner seien sechs Taliban getötet worden, darunter habe sich auch der Sohn vom Talibangouverneur befunden (vgl. Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auf Nachfrage, warum dieses nicht unwesentliche Detail seines Fluchtvorbringens während seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder seiner Beschwerde keine Erwähnung fand, behauptete er, sein Rechtsanwalt in Wien habe ihm dazu geraten, darüber nicht zu berichten (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls).

Auch den Ablauf seiner Entführung schilderte der Beschwerdeführer widersprüchlich im Vergleich zu seinen Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl: Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch angegeben hatte, von den Männern mit einem Messer bedroht und zum Einsteigen aufgefordert worden zu sein (vgl. Seite 7 des Einvernahmeprotokolls), gab er in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2019 auf die Frage, ob er seitens der Männer auch bedroht worden sei, zunächst an, es habe keine Drohungen gegeben. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl divergierende Angaben getätigt habe, vermeinte der Beschwerdeführer plötzlich, dass er vor dem Gerangel mit einem Messer bedroht worden sei (vgl. Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Darüber hinaus brachte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2019 erstmals vor, dass einer der Jungs, die in seiner Nähe gewesen seien, bei den Sicherheitsorgangen gearbeitet habe; dieser sei gerade von der Arbeit gekommen und sei in Uniform und mit einer Pistole in der Hand auf die Entführer zugelaufen, woraufhin sie weggefahren seien (vgl. Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Auf Vorhalt vermochte der Beschwerdeführer auch dahingehend keine nachvollziehbare Antwort tätigen, warum er dieses Detail seines Fluchtvorbringens bislang nicht erwähnt hatte (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Damit liegt hier eine Steigerung des Vorbringens von der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu mündlichen Beschwerdeverhandlung vor, die angesichts der massiv widersprüchlichen Aussagen auch nicht mit bloßen Übersetzungsproblemen erklärt werden kann und die sein diesbezügliches Vorbringen insgesamt in Zweifel zieht. Vielmehr erachtet das erkennende Gericht die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung als unzulässige Steigerung, womit er versuchte, zusätzliche asylrelevante Aspekte zu erwähnen.

Nachdem der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen konnte, dass sein Vater von den Taliban aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bedroht wurde noch, dass er selbst einem Entführungsversuch seitens der Taliban ausgesetzt war, ist festzuhalten, dass erhebliche Zweifel hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit der in Vorlage gebrachten Anzeige Sicherheitskommandatur bestehen. Diese Zweifel hinsichtlich des Bestehens einer Gefährdungssituation werden auch dadurch bestärkt, als der Beschwerdeführer zunächst behauptete, dass er sich nach dem Vorfall nur zuhause aufgehalten habe und nicht mehr hinausgegangen sei (vgl. Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Wenig später gab er hingegen auf die Frage, wer die Anzeige bei der Sicherheitskommandatur getätigt habe, an, dass er gemeinsam mit seinem Vater zur Sicherheitskommandatur gegangen sei (vgl. Seite 13 des Verhandlungsprotokolls).

Schließlich ist noch anzumerken, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung auf die Frage nach seiner Reiseroute angab, dass er vor ca. 15 Tagen von Mazar-e Sharif aus seine Reisebewegungen angetreten habe (vgl. Seite 3 des Erstbefragungsprotokolls), was bedeutet, dass er Mitte Oktober 2015 seine Ausreise aus Afghanistan angetreten hat. Demgegenüber behauptete er in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019, dass er ungefähr eine Woche nach dem Entführungsversuch bereits ausgereist sei (vgl. Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Weiters behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, dass er sich nach seiner Ausreise aus Afghanistan in etwa zwei Wochen im Iran aufgehalten habe, bevor er nach Europa weiterreiste (vgl. Seite 11 des Verhandlungsprotokolls).

2.2.2. Dem Beschwerdeführer kommt in einer Gesamtschau aus diesen Gründen hinsichtlich seines Hauptverfolgungsvorbringens keine Glaubwürdigkeit zu.

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellung zu Aufenthaltsdauer und -titel, der famil

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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