TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 W142 2128750-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W142 2128750-1/32E

W142 2128750-2/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2016, Zl. 1045826405-140190603, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, Zl. 1045826405-140190603 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan, und stellte am 19.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung am 20.11.2014 gab der BF an, er heiße

XXXX , sei am XXXX in Kabul geboren und ledig. Er sei Moslem, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und seine Muttersprache sei Dari. Er habe 9 Klassen der Grundschule in Kabul besucht und habe keine Berufsausbildung. Zuletzt habe er als Angestellter gearbeitet. Er habe noch seine Eltern, einen Bruder und eine Schwester in Afghanistan. Eine Schwester lebe in Deutschland. Er habe in Kabul gelebt. Die finanzielle Situation der Familie in Afghanistan sei schlecht. Er habe seinen Herkunftsstaat mit dem Flugzeug verlassen. Etwa acht Jahre lang sei er in Pakistan (Islamabad) aufhältig gewesen.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er darüber zur Zeit keine Angaben machen könne und wolle. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

3. Am 01.12.2014 wurde vorgebracht, dass der BF einen falschen Namen auf seiner weißen Karte habe und diesen richtiggestellt wolle. Weiters legte der BF einen Ausweis des " XXXX " der Islamischen Republik Afghanistan vor, worauf als Vorname XXXX und als Nachname

XXXX vermerkt ist (AS 45, 47 und 55).

In weiterer Folge brachte der BF auch eine Tazkira in Vorlage (AS 57).

4. Am 09.07.2015 langte ein Abschlussbericht vom 18.06.2015 ein, wonach der BF verdächtig sei am 08.05.2015 eine Körperverletzung begangen zu haben.

5. Am 08.02.2016 legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Bestätigung vom 03.02.2016, wonach der BF einen Deutschkurs für Asylwerber besuche;

-

"Certificate of Participation", datiert mit 23.05.2014 betreffend den Abschluss des " XXXX von XXXX in Kabul (AS 75);

-

" XXXX " der Firma " XXXX " (AS 77);

6. Am 10.02.2016 sowie am 18.02.2016 wurde der BF aufgefordert die vorgelegten Dokumentenkopien in Original vorzulegen und der Behörde mitzuteilen, auf welchem Wege der BF die Dokumente erhalten habe.

7. Am 01.03.2016 brachte der BF dazu eine Stellungnahme ein. Er gab an, dass er mit seinem Vater gesprochen habe und dieser seine Originaldokumente einem afghanischen Landsmann mitgegeben habe. Dieser habe die Dokumente seinem Schwager gegeben, seine Schwester habe diese dann in einem Paket mit der Post nach Österreich geschickt.

8. Am 09.03.2016 langte die Übersetzung der Tazkira und des Ausweises des BF ein (AS 95 und 97).

9. Am 02.05.2016 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich in der Sprache Dari einvernommen.

Der BF gab an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß beantworten zu machen. Er sei gesund, habe aber eine Gefäßverengung am Herzen und deswegen ein EKG gemacht. Weiters gab er an, dass sein Name falsch geschrieben worden sei.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, sunnitischer Moslem zu sein und zuletzt in Kabul gelebt zu haben. Seine Eltern, seine zwei Brüder und drei Schwestern würden in Kabul leben. Er habe in Kabul auch weitere Verwandte (Großeltern, Onkeln und Tanten). Zur Zeit seien der Vater und die Brüder arbeitslos. Ein Onkel habe ein Blumengeschäft.

Weiters gab der BF wie folgt an:

[...]

F: Wovon hat Ihre Familie in Kabul gelebt?

A: Mein Vater hat ein wenig gearbeitet, ich auch. Mein Vater war Taxifahrer, ich habe bei der Regierung gearbeitet.

F: Was haben Sie bei der Regierung gemacht?

A: Ich habe die Kfz an der Stadtgrenze von Kabul kontrolliert.

F: Was haben Sie bei den Fahrzeugen kontrolliert?

A: Ich habe das Gewicht der Fahrzeuge kontrolliert, wenn das gepasst hat konnte sie weiterfahren.

F: Das bedeutet sie haben das Ladegewicht kontrolliert?

A: Ja.

F: Wie schwer ist ein LKW mit einem Container in etwa?

A: Das ist unterschiedlich, ein 3-Achser durfte maximal 66t mit der Ladung haben.

F: Wie haben Sie das Gewicht der Fahrzeuge festgestellt?

A: Wir hatten von der Firma XXXX ein Gerät. Das wurde auf der Straße aufgebaut. Die Fahrzeuge sind dann langsam raufgefahren, das Gewicht wurde auf einem Computer angezeigt.

F: Haben Sie dabei eine Uniform getragen? Waren sie bei der Polizei?

A: Wir hatten normale Anzüge an. Nein, wir haben nicht zur Polizei gehört. Wir waren beim XXXX .

...

F: Wie viel haben Sie bei der Regierung verdient?

A: 15000 Afghani.

Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der BF wie folgt an:

[...]

A: Bei meiner Arbeit habe ich alle Fahrzeuge kontrolliert. Bei diesen großen LKW¿s waren immer Fahrzeuge dabei, die den Reichen gehört haben, die einen Sitz im Parlament haben, z.B. XXXX , oder XXXX hat einen Sitz im Parlament, und viele andere wie Geschäftsmänner und Menschen der Regierung. Ich wusste aber vorher nicht wem die Fahrzeuge gehörten. Wenn die Fahrzeuge über der Gesamtmasse waren habe ich Sie vorschriftsmäßig nicht weiterfahren lassen. Ich musste dann diese Fahrzeuge der Polizei übergeben. Die Polizei hat dann oft nichts unternommen, die Fahrer der Fahrzeuge hatten oft Waffen dabei. Entweder wurden die Polizisten bestochen oder sie (die Fahrer) haben ihre Fahrzeuge angezündet. Für die Fahrer hatten die Fahrzeuge keinen Wert. Man kann sich das auch auf Videos im Internet anschauen. Sie haben im Parlament versucht diese Kontrollen abzuschaffen. Diese Leute gehören zur Mafia, sie transportieren verbotene Waren. Man konnte aber nichts dagegen machen, weil die Besitzer der Fahrzeuge selber im Parlament sitzen.

F: Was ist jetzt Ihr konkreter Fluchtgrund?

A: Ich wurde von diesen Leuten bedroht, sowohl bei der Arbeit als auch zuhause. Ich bin deshalb auch 2-mal umgezogen.

F: Wie haben diese Bedrohungen ausgesehen? Was genau ist dabei passiert?

A: Sie haben mich mit dem Tod bedroht, sie haben mich ein paar Mal auch geschlagen, bei den Kontrollen auf der Straße. Das ganze Team wurde geschlagen.

F: Wer hat Sie da geschlagen in der Öffentlichkeit?

A: Die Fahrer haben, wenn sie angehalten wurden, immer jemanden angerufen. Dann sind bewaffnete Männer gekommen und haben uns geschlagen, gleichzeitig haben auch die Leute aus dem Parlament angerufen. Auch XXXX hat angerufen und gefragt was wir uns erlauben seine Fahrzeuge anzuhalten. Wir haben auf unserer Direktion hingewiesen, und dass wir nur unsere Arbeit machen. Es waren ja alle gegen uns, weil wir diese Arbeit gemacht haben, auch die normalen Geschäftsleute. Der Direktor unserer Abteilung, XXXX wurde entführt, dabei wurden 3 seiner Leibwächter getötet.

F: Von wem wurde er entführt?

A: Genau weiß ich das nicht, aber es war diese Mafia.

F: Ist er schon wieder freigelassen worden?

A: Das weiß ich nicht.

F: Wann war diese Entführung?

A: Es war der XXXX . (Der AW rechnet nach). Es war XXXX .

F: Woher haben Sie von der Entführung erfahren?

A: Das war ungefähr 07.45 Uhr als ich angerufen wurde. Der Anrufer hat gesagt, dass ich nicht zu der Kontrolle gehen soll. Wenn ich an diesem Tage zur Arbeit gehen würde, würde man mich umbringen. Ich habe gelacht und gesagt ich würde zur Regierung gehören, sie könnten mir nichts tun. Die Antwort war das ich noch erfahren würde was sie alles tun könnten. Als ich bei der Arbeit angekommen bin habe ich er fahren, dass der Direktor entführt und 3 Männer getötet worden sind.

F: Wen hat XXXX angerufen und sich beschwert?

A: Der Fahrer hat ihn ( XXXX ) angerufen, ich habe das Handy des Fahrers dann bekommen. Die Person am Telefon hat gesagt das sie XXXX Sekretär ist und aus seinem Büro ausredet.

F: Sie haben vorhin gesagt Sie wäre auch zuhause bedroht worden. Wie ist das geschehen?

A: Sie haben uns verfolgt und in den Geschäften nachgefragt wo wir wohnen würden. Die Geschäftsleute haben es aber nicht verraten, sondern mir gesagt, dass jemand nach mir gefragt hätte. Deshalb bin ich 2 Mal umgezogen, zuhause wurde ich nie bedroht. Meine Brüder und mein Vater können deshalb auch jetzt noch nicht aus dem Haus, weil diese Leute nach mir suchen.

F: Wie oft wurden Sie persönlich bedroht?

A: Sehr oft, jedes Mal wenn wir jemanden angehalten haben. Es hat auch Demonstrationen gegen diese Kontrollen gegeben, um sie abzuschaffen.

F: Wie haben Sie diese Arbeit bei der Regierung bekommen?

A: Ich habe mich beworben und eine Prüfung gemacht.

F: Von wann bis wann haben Sie diese Tätigkeit der Gewichtskontrolle gemacht?

A: Auf meiner Karte steht es oben.

F: Welche Schulbildung haben Sie gemacht?

A: Bis zur 8 Klasse, also 8 Jahre.

F: Wurden Sie sonst aus Gründen Ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

A: Nein. Uns wurde aber bei den Kontrollen vorgeworfen rassistisch zu sein, wenn wir ein Fahrzeug, dass z.B. einem Tadschiken gehörte und in Ordnung war, weiterfahren haben lassen. Zuhause wurde ich aber nie bedroht.

F: Was befürchten Sie, wenn Sie in Ihr Herkunftsland zurückkehren würden?

A: Ich will auf keinen Fall zurück, mein Leben ist dort in Gefahr. Auch hier habe ich schon Leute getroffen die Verwandte der Leute sind, die mich verfolgen. Sie lassen mich nicht in Ruhe. Die österreichische Polizei weiß schon, dass mich 5 Männer belästigen. Deshalb habe ich auch eine eigene Wohnung genommen.

...

F: Wann haben Sie Kabul verlassen?

A: Das war am 24.5.1393. Das glaube ich zumindest.

[...]

Nach erfolgter Rückübersetzung gab der BF wie folgt an:

[...]

F: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

A: Ich möchte angeben, dass mich meine Schwester in den ersten 6 Monaten, in denen ich meine eigene Wohnung genommen habe, unterstützt hat. Außerdem gebe ich an nicht zu wissen, ob die Entführung des Direktors tatsächlich im Jahr XXXX war.

F: Wurde alles richtig aufgenommen?

A: Ich weiß nicht ob XXXX wirklich XXXX ergibt. Ich schätze nur, dass es umgerechnet XXXX war.

F: Wann war jetzt also die Entführung im islamischen Kalender?

A: XXXX .

...

F: Bitte nennen Sie mir Ihr Geburtsdatum nach dem islamischen Kalender.

A: Das weiß ich nicht. Mein Geburtstag ist der XXXX .

F: Sie werden mir doch wohl Ihren Geburtstag im islamischen Kalender sagen können?

A: Nein, das weiß ich nicht. Auch auf der Tazkira steht das Geburtsdatum nicht oben.

F: Das bedeutet auf der Tazkira steht kein Geburtsdatum?

A: Nein.

F: Sie haben angegeben 8 Jahre lang in Islamabad gelebt zu haben. Wie war Ihre Adresse dort?

A: Die Familie hat in Islamabad gelebt als die Lage mit den Taliban so schlimm war.

F: Wann war das in etwa, von wann bis wann hat Ihre Familie in Islamabad gelebt?

A: Ich wurde in Afghanistan geboren, dann gingen wir nach Pakistan, die Schule habe ich aber schon wieder in Kabul gemacht. Mir wurde nur gesagt, dass wir in Islamabad waren, ich kann mich selber nicht erinnern.

F: Sprechen Sie Pashtu?

A: Ja.

...

F: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

A: Nein, ich habe keine Einwände. Ich habe alles erzählt. Ich möchte aber noch angeben, dass mein echter Familienname XXXX ist. Das habe ich so auch schon vorher angegeben. Bei der Erstbefragung wurden 4 Afghanen gleichzeitig befragt, von einem Dolmetscher der überlastet war.

[...]

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, einen Deutschkurs zu besuchen und ins Fitnesscenter zu gehen. Er werde vom Staat unterstützt und auch seine Schwester habe ihn von Deutschland aus in den ersten 6 Monaten geholfen.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF eine Bestätigung eines Fitnesscenters vor.

10. Am 09.05.2016 stellte der BF beim BFA einen Antrag auf Korrektur seines Familiennamens.

11. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 20.05.2016 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei und in Kabul gelebt habe. Seine Identität stehe aufgrund der vorgelegten ID-Karte des XXXX fest. Er habe für das XXXX in Kabul gearbeitet, was ebenso durch die vorgelegte ID-Karte bestätigt werde. Seine Angehörigen würden ohne Probleme im Herkunftsland leben können. Eine Herzerkrankung habe nicht festgestellt werden können. Eine asylrelevante Verfolgung habe er nicht glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass seine Tätigkeit für das XXXX glaubhaft sei. Soweit er berühmte Personen als Drahtzieher bzw. Initiatoren der angeblich erfolgten Bedrohungen gegen seine Person angemerkt habe, so seien diese entweder schon verstorben, würden sich nicht mehr in Afghanistan befinden bzw. würden die vom BF getätigten Angaben nicht mit öffentlichen Berichten übereinstimmen. Weiters habe sich der BF in Widersprüche verwickelt. So habe er einmal angegeben in der Arbeit und auch zu Hause bedroht worden zu sein und deshalb auch zweimal umgezogen zu sein, während er im späteren Verlauf der Befragung dann widersprüchlich angegeben habe zu Hause nicht bedroht worden zu sein. Soweit der BF behauptet habe auch schon in Österreich von Verwandten seiner angeblichen Verfolger belästigt worden zu sein, so habe dies nicht festgestellt werden können. Sein Vorbringen betreffend die angebliche Bedrohung durch mafiöse Kreise entbehre der Glaubhaftigkeit und sei kein Asylgrund erkennbar. Es sei daher auch nicht glaubhaft, dass seine Familie deswegen Probleme haben würden bzw. das Haus nicht verlassen können.

Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF jung und arbeitsfähig sei. Es sei ihm zumutbar in Afghanistan eine Arbeit zu finden. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Seine Angehörigen würden nach wie vor in Kabul leben.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine nahen Familienangehörigen und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich habe. Er beziehe kein geregeltes Einkommen, habe keine Arbeit und sei auf Unterstützung angewiesen. Er bemühe sich Deutsch zu lernen. Eine besondere Integrationsverfestigung bestehe nicht.

12. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wurde ausgeführt, dass die Behörde dem BF ergänzende Fragen zu seiner Tätigkeit in Afghanistan, seinen Verfolgern und seiner Lebenssituation in Afghanistan hätte stellen müssen. Die Behörde hätte auch weitere Nachforschungen anstellen müssen und sie nicht auf einzelne Aussagen des BF eingegangen. Dieses Fehlverhalten habe dazu geführt, dass die Aussagen des BF teilweise im Widerspruch zu einander stehen würden. Der BF habe bei der Befragung nicht das Gefühl gehabt, dass er Sachverhalte klar wiedergeben könne, sondern habe er nur kurz und knapp antworten dürfen. Weiters seien die Länderberichte veraltet und unvollständig. Es würden Berichte zur Bedrohung von Staatsbediensteten aufgrund ihrer Tätigkeit sowie Berichte zur Korruption der Regierung und des Verwaltungsapparates fehlen. Auch wurde auf ergänzende Berichte aus dem Jahr 2015 zur Lage in Afghanistan sowie auf die UNHCR-Richtlinien von April 2016 hingewiesen. Die belangte Behörde habe auch eine mangelhafte Beweiswürdigung gemacht. Der BF habe bei der Erstbefragung große Angst gehabt etwas Falsches zu sagen, von den Beamten geschlagen oder gleich wieder abgeschoben zu werden. Er sei in einer Ausnahmesituation und traumatisiert gewesen. Auch habe der BF hinsichtlich seines Vorgesetzten keine falschen Angaben gemacht, sondern würden die Medienberichte nicht den Tatsachen entsprechen. Zudem wolle der BF klarstellen, dass er sehr wohl auch im privaten Bereich - sogar mehrfach - bedroht worden sei. Für den BF bestehe in Afghanistan auch keine IFA und sei bei einer Verfolgung durch einflussreiche Politiker und mafiöser Netzwerke davon auszugehen, dass der BF durch seine Verfolger im gesamten afghanischen Staatsgebiet ausfindig gemacht werden könne. Auch die Tatsache, dass es in Afghanistan kein effektives Meldewesen gebe, könne nicht verhindern, dass der BF gefunden werde. Die Behörde hätte somit zum Schluss kommen müssen, dass dem BF in Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe. Dem BF könne nicht zugemutet werden nach Afghanistan zurückzukehren, da die Sicherheitslage im ganzen Land prekär sei. Der BF befürchte Verfolgung wegen einer ihm von einflussreichen korrupten Politikern unterstellten oppositionellen Gesinnung bzw. wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Bediensteten des XXXX . Dem BF sei daher Asyl, allenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren. Auch eine Rückkehrentscheidung sei nicht zulässig, da sich der BF um eine Integration in Österreich bemühe.

13. Am 22.08.2016 langte ein Abschlussbericht vom 05.08.2016 ein, wonach der BF verdächtigt sei am XXXX eine Körperverletzung begangen zu haben.

Weiters legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Referenzschreiben vom 10.06.2016, wonach der BF sei über einem halben Jahr mehrmals wöchentlich in eine Tagesstätte komme und dort sehr gut integriert sei;

-

Referenzschreiben vom 03.06.2016, wonach der BF sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Lerncafe einer Volksschule beworben habe;

-

Zwei weitere Referenzschreiben von Privatpersonen.

14. Am 20.01.2017 legte der BF eine Bestätigung für die Teilnahme am Seminar "Deutsch lernen für AsylwerberInnen - A1.1" (von XXXX ) vor.

15. Am 09.01.2018 wurde mitgeteilt, dass der BF wegen dem Verdacht auf Widerstand gegen die Staatsgewalt durch Beamte angezeigt worden sei. Weiters wurden ein polizeilicher Abschlussbericht vom 04.01.2018 (betreffend den Verdacht auf den versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie der gefährlichen Drohung), eine polizeiliche Meldung sowie eine Beschuldigtenvernehmung vorgelegt.

16. Am 14.02.2018 langte eine gekürzte Urteilsausfertigung vom XXXX ein, wonach der BF wegen der strafbaren Handlungen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

17. Am 28.03.2018 brachte der BF folgende Dokumente in Vorlage:

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Bestätigungen für die Teilnahme an Deutschkursen A2.1., A2.1+ und A2.1a+;

-

Schreiben mit der Überschrift " XXXX ";

-

Schulbesuchsbestätigung vom 02.10.2017, wonach der BF eine Höhere Technische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt als außerordentlicher Schüler besuche.

18. Am 16.07.2018 langte ein weiterer polizeilicher Abschlussbericht vom 16.06.2018 ein, wonach der BF beschuldigt werde, am XXXX das Vergehen der Köperverletzung und der Verleumdung begangen zu haben.

19. Mit Bescheid des BFA vom 24.09.2018 wurde ausgesprochen, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z. 2 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 14.09.2018 verloren habe.

Begründend wurde angeführt, dass gegen den BF am 14.09.2018 Anklage wegen § 83 (2) StGB, § 297 (1) StGB, §§ 288 (1), 288 (4) StGB erhoben worden sei.

20. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, wobei ausgeführt wurde, dass der Verlust des Aufenthaltsrechtes zu Unrecht erfolgt sei, da die Anwendung dieser Bestimmung den BF durch Verletzung der Unschuldsvermutung in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art. 6 EMRK verletzt habe. Darüber hinaus schließe das Rechtsstaatsprinzip aus, dass staatliche Organe ohne vorher erbrachten Nachweis ihrer Schuld im allgemeinen Rechtsverkehr als Schuldige einer Straftat behandeln. Bei den in § 13 AsylG angeordneten Folgen werde jedoch nicht zwischen einer verdächtigen Person und einer verurteilten Person differenziert, sondern bedeute das Erfüllen eines der in Abs. 2 aufgezählten Tatbestände automatisch den Verlust des Aufenthaltsrechtes. Eine derartige Regelung sei jedenfalls unverhältnismäßig. Es werde daher angeregt, dass das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit beantrage.

20. Am 25.09.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass gegen den BF am 14.09.2018 Anklage wegen § 83 (2) StGB, § 297 (1) StGB, §§ 288 (1), 288 (4) StGB erhoben worden sei.

21. Am 08.01.2019 langte eine weitere polizeiliche Meldung sowie ein polizeilicher Abschlussbericht ein, wonach der BF verdächtigt werde am 30.09.2018 eine Nötigung begangen zu haben.

22. Am 09.01.2019 langte ein weiterer Abschlussbericht betreffend den Verdacht auf eine Körperverletzung ein.

23. Am 08.02.2019 wurde von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass gegen den BF Anklage wegen § 105 (1) StGB, § 297 (1) 1. Fall StGB erhoben worden sei. Weiters lange ein Abschlussbericht vom 31.01.2019 sowie eine polizeiliche Meldung ein, wonach der BF verdächtigt werde am 23.12.2018 eine Verleumdung begangen zu haben.

24. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.04.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsberaterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm.

Der BF gab in der Verhandlung an, dass seine Brüder mit dem Tode bedroht worden seien und deswegen zu Hause seien. Zudem seien Personen zu seinen Eltern nach Hause gekommen und hätten diese bedroht.

Weiters gab der BF in der Verhandlung wie folgt an:

[...]

R: Wieso haben Sie bei der Erstbefragung keine Angaben über Ihre Fluchtgründe gemacht?

BF: Ich hatte Angst vor der Dolmetscherin, weil sie Pashtunin war und vor den Polizisten habe ich Angst gehabt.

R: Sie sind in der Sprache Dari einvernommen worden. Warum sollten Sie da Angst gehabt haben?

BF: Aber er war Pashtune. Und da ich einen politischen Fluchtgrund habe, hatte ich Angst, dass mich diese pashtunische Dolmetscherin verrät.

R: Wann haben Sie Kabul verlassen, um Richtung Europa zu reisen?

BF: Das war am XXXX . (Mai).

R: Wohin sind Sie von Kabul genau gereist? Können Sie mir Ihre Reiseroute genau schildern?

BF: Das weiß ich nicht, denn ich bin in der Nacht mit dem Auto gefahren.

R: Wer ist mit dem Auto gefahren?

BF: Das war der Fahrer. Ob er der Schlepper war? Eigentlich schon, weil er hat mich hierhergebracht, aber nicht direkt nach Österreich.

R: In welches Land sind Sie von Kabul aus gereist?

BF: Ich kann mich erinnern von Kabul nach Pakistan gereist zu sein. Die Reise war meistens in der Nacht. Das war ein geschlossener PKW, wir haben nichts gesehen, es war nur ein Loch. Unterwegs sind andere Jugendliche auch eingestiegen und die Reise ist so weitergegangen.

R: Das heißt, Sie sind mit dem Auto von Kabul nach Pakistan gereist?

BF: Ja, an das kann ich mich erinnern.

R: Von Pakistan sind Sie dann wohin gereist?

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

R: Das heißt, Sie können mir die Reiseroute von Pakistan bis Österreich nicht erklären?

BF: Frau Richterin, Sie fragen mich so, als ob Sie eine Polizistin wären. Ich habe Respekt vor Ihnen. Sie sind für mich wie eine Mutter und eine Richterin. Sie machen mir einen Druck gerade und vernehmen mich wie eine Polizistin. Glauben Sie, wenn ich Ihnen jetzt die Reiseroute erzähle, dass ich Angst habe, ins Gefängnis zu gehen? Nein, ich habe keine Angst. Ich erzähle Ihnen die Wahrheit. Sie fragen mich und ich antworte. Die Reise hat so begonnen, wie jeder andere hierhergekommen ist und ich habe großen Respekt, aber die Polizei hat mich so vernommen und ist nicht gut mit mir umgegangen. Ich möchte das Gefühl nicht auch hier so haben.

R: Können Sie mir die Reiseroute von Pakistan hierher nach Österreich erklären oder nicht?

BF: Ich habe keine Ahnung.

R: Wieso haben Sie dann bei der Erstbefragung gesagt, dass Sie mit dem Flugzeug in den Iran gereist sind?

BF: Das habe ich nicht gesagt.

R: Im Protokoll steht: "Vor ca. einem Monat verließ ich mit Hilfe eines Schleppers meine Heimat in einem Flugzeug in den Iran".

BF: Ich habe keine Ahnung. Das habe ich nicht gesagt.

R: Wieso steht es da? Sie haben jede Seite des Protokolls unterschrieben.

BF: Ich weiß es nicht richtig.

...

R: Wieso können Sie mir heute keine Angaben über Ihre Reiseroute nach Österreich geben?

BF: Das, was Sie alles vorgelesen haben, das stimmt und entspricht der Wahrheit. Wenn ich heute alles erzählen soll, dann brauche ich 100 Seiten. Die Frage von der Polizei war nicht so gestellt, dass sie mich nach meinen Fluchtgründen gefragt haben. Sie haben mich angesehen wie einen Verbrecher.

R: Wer hat Sie wie einen Verbrecher angesehen?

BF: Die Polizei. Ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht gut geschlafen und es ist mir nicht gut gegangen. Die Polizei hat mich befragt, so als ob ich ein Verbrecher sei. Außerdem haben sie meinen Familiennamen auch falsch geschrieben. Ich habe die Dolmetscherin auch nicht richtig verstanden. Dass ich mein Protokoll unterschrieben habe, das stimmt. Ich bin in den Iran geflogen, das stimmt. Ich war auch in Indien. Und wenn Sie mich nach meinem Leben fragen, dann antworte ich auf Ihre Fragen. Die Polizei hat mich nicht nach meiner Reiseroute befragt, sondern, in welche Länder ich schon einmal eingereist bin.

...

R: Wie lange haben Sie in Pakistan gelebt?

BF: Wir waren Flüchtlinge und waren ca. acht Jahre in Pakistan, bis die Taliban weg waren.

R: Wo haben Sie sich in Pakistan aufgehalten?

BF: Ich kann das nicht von mir aus sagen, das wissen meine Eltern und sie haben es mir gesagt. Wir haben in Islamabad gelebt.

R: Wieso haben Sie mir eingangs gesagt, dass Sie ein Baby waren, als Sie in Pakistan waren und dann wieder nach Kabul zurückgekehrt sind?

BF: Ich bin im Alter von sechs oder sieben Jahren mit meinen Eltern nach Pakistan gegangen und waren dort ca. acht Jahre wohnhaft. Der Grund war, dass es in unserem Heimatland Krieg gab und die Taliban dort herrschten.

R: Sie haben aber eingangs erwähnt, dass Sie in Kabul aufgewachsen sind? Wieso geben Sie nunmehr an, dass Sie eigentlich in Pakistan aufgewachsen sind?

BF: Diese Frage habe ich von der Polizei auch gestellt bekommen. Es ist doch logisch, dass, wenn ich mit sechs oder sieben Jahren nach Pakistan gegangen bin, und dort acht Jahre meines Lebens verbracht habe und dann wieder nach Kabul gezogen bin, dass ich sowohl in meiner Heimat und auch in Pakistan aufgewachsen bin. Was sind das überhaupt für Fragen, die Sie mir stellen?

R: Von wann bis wann haben Sie konkret in Kabul gelebt? Können Sie mir die Jahreszahlen angeben?

BF: Nein, ich kann mich nicht erinnern. Ich kann Ihnen auch den Grund nennen.

R: Wieso können Sie sich nicht erinnern?

BF: Weil die Umstände wegen des Krieges und der Probleme dazu führten, dass ich keine Daten weiß.

R: Sie haben gesagt, Sie hätten die Schule besucht und hätten dann gleich zu arbeiten begonnen. Was haben Sie für eine Tätigkeit ausgeübt?

BF: Meine erste Arbeit nach der Schule war als Stromtechniker (Elektriker) in einer Firma namens " XXXX " (siehe Beilage A). Dazu gibt der BF an, dass die Firma " XXXX ." heißt.

R: Wie lange haben Sie bei dieser Firma gearbeitet?

BF: Ich kann mich nicht erinnern, aber ich habe Ihnen bereits Unterlagen gegeben und da steht, von wann bis wann ich dort gearbeitet habe.

R: Haben Sie nur bei dieser Firma gearbeitet, oder haben Sie auch bei einer anderen Firma gearbeitet?

BF: Ich habe diese Tätigkeit dann verlassen, weil ich von den Taliban bedroht und auch geschlagen wurde. Ich habe diese Tätigkeit wegen den Taliban verlassen.

R: Haben Sie nach dieser Firma noch wo anderes gearbeitet, ja oder nein?

BF: Ja, bei " XXXX ". Der BF schreibt dies auf die Beilage B. Dazu gibt der BF erklärend an, dass dies XXXX bedeutet.

R: Wann haben Sie begonnen, in diesem XXXX zu arbeiten?

BF: Genau kann ich mich nicht erinnern. Die Arbeitskarte und die Unterlagen liegen im Akt.

R: Wann haben Sie aufgehört, bei diesem XXXX zu arbeiten?

BF: Ich habe nicht aufgehört, ich war gezwungen aufzuhören, das heißt, ich bin geflohen, weil mein Leben in Gefahr war.

R: Können Sie mir genau erklären, was Sie bei der Firma XXXX gearbeitet haben?

BF: Solaranlagen haben wir bei Privatpersonen montiert und auch in Spitälern und auch für Projekte des Staates, die vom XXXX., einer amerikanischen Firma, ausgegangen ist. Das ist keine Firma, sondern eine Organisation gewesen. Es war so eine Art Organisation, die vom Staat ausgegangen ist. Es war eine amerikanische Militärarmee, die gegen die Taliban gekämpft haben und die Stützpunkte in Afghanistan hatten.

R: Was war jetzt eine amerikanische Militärarmee?

BF: Das sind amerikanische Soldaten, die mit diesem Namen XXXX. (Beilage C) bekannt sind.

R: Dann haben Sie bei diesem XXXX gearbeitet. Was haben Sie bei diesem XXXX für eine Tätigkeit ausgeübt?

BF: Nachdem ich von den Taliban bedroht und geschlagen wurde, habe ich mit der Arbeit aufgehört und bin dann zum XXXX gegangen.

R: Was haben Sie genau bei dem XXXX gearbeitet?

BF: Ich habe Gewichte von LKWs kontrolliert.

R: Können Sie sich nicht erinnern, ab wann Sie mit dieser Tätigkeit beim XXXX begonnen haben?

BF: Wann ich begonnen habe, kann ich mich nicht erinnern, aber als ich es verlassen habe, war die Zeit, als ich ca. nach Europa gekommen bin.

R: War es Ihr Ziel, nach Österreich zu gelangen?

BF: Nein, ich wollte zu meiner Schwester in Deutschland, weil mein Leben in Gefahr war und die Leute mich bedroht haben.

R: Welche Leute haben Sie bedroht?

BF: Das waren die Personen, von denen ich die LKWs kontrolliert habe und die vom Gewicht her vom Gesetz her nicht mehr zugelassen waren. Sie wollten mehr transportieren als erlaubt. Diese Personen haben auch Waffen und Drogen geschmuggelt. Diese Autos gehörten Personen, die bekannt waren, die auch mit der Polizei zusammengearbeitet haben und ihre Hände drinnen hatten bei der Polizei. Bei den Personen, die bekannt waren, handelte es sich um XXXX und XXXX (siehe Beilage D). Der XXXX ist bereits verstorben, der war der Begleiter des Präsidenten. Er heißt in Wirklichkeit XXXX und XXXX ist der Rang. XXXX ist im Parlament.

R: Von welchen Personen sind Sie bedroht worden?

BF: Ich bin nicht persönlich von Angesicht zu Angesicht von den beiden bekannten Persönlichkeiten bedroht worden, sondern von deren Chauffeuren.

R: Woher wissen Sie, dass diese beiden bekannten Persönlichkeiten dahintergesteckt sind?

BF: Einmal hat mich der XXXX telefonisch angerufen und mich am Telefon bedroht und einmal hat er seine Security geschickt und mich bedroht.

R: Wann hat Sie dieser XXXXangerufen?

BF: Ich kann nicht den genauen Tag oder das Datum sagen, aber es war an jenem Tag, wo ich nicht alleine in der Arbeit war, sondern mit meinem Mitarbeiter.

R: Das heißt, Sie waren bei der Arbeit, als Sie von XXXX angerufen wurden?

BF: Das erste Mal wurde ich von seinem Fahrer bedroht und dann telefonisch von XXXX. Zuvor hat er auch von seinem Fahrer einen Anruf erhalten.

R: Sie waren bei der Arbeit, als Sie von XXXX angerufen wurden?

BF: Ja, denn wir hatten 400 LKWs bei uns angehalten. Diese Kontrolle war in XXXX.

R: Erklären Sie mir näher, wie Sie diese Kontrollen durchgeführt haben.

BF: Wir hatten fixe Waagen, Gewichtswaagen und auch kleinere Waagen, die überall mithingenommen werden konnten.

R: Hatten Sie bestimmte Kontrollpunkte, wo die Kontrollen durchgeführt wurden?

BF: Wir hatten unseren Stützpunkt, sind aber auch wo anders hingegangen.

R: Wo war Ihr Stützpunkt?

BF: Ich selber hatte keinen Stützpunkt. Ich hatte vom Staat die Erlaubnis, überallhin in Afghanistan zu gehen und die LKWs abzuwiegen.

R: Wo war der Stützpunkt der Firma?

BF: Wir haben für das XXXX gearbeitet, die hatten 120 fixe Waagen. Ich habe auch die fixen Plätze, wo die fixen Waagen waren, kontrolliert.

R: Wo hat es nun fixe Waagenplätze in Afghanistan gegeben?

BF: In 34 verschiedenen Provinzen.

R: An welchen Orten waren diese fixen Waagenplätze?

BF: In 34 Provinzen hatten wir diese Waagen und zwar: 4 in Kabul, 4 in Mazar-e Sharif, 6 in Herat, vielleicht waren 2 in Kandahar und in Zabul und Helmand, aber da weiß ich nicht, wie viele. In jeder Provinz hat es einen Direktor gegeben, wobei ich auch die anderen Direktoren kontrolliert habe, weil wir nicht wollten, dass sie mit Schmiergeld arbeiten. Aber diese Direktoren haben alle Schmiergelder bekommen und hatten mit diesen Leuten ihre Hände drinnen. Das mussten wir auch kontrollieren.

R: Was hatten Sie für eine Funktion, dass Sie die Direktoren kontrollierten?

BF: Ich war zuständig für diese Waagen und ich hatte die Erlaubnis gehabt, die großen LKWs abzuwiegen und ich habe auch kontrolliert, ob die verschiedenen Direktoren der verschiedenen Provinzen mit Schmiergeld arbeiten, was sie auch getan haben. Die haben ich und mein Mitarbeiter heimlich kontrolliert. Es wusste niemand außer mir und meine Mitarbeiter und das XXXX über die Vorgangsweise der Direktoren Bescheid.

R: Wem haben Sie mitgeteilt, dass die Direktoren mit Schmiergeld arbeiten?

BF: Das ist so, dass sie den Mafias erlaubt haben, mehr als das zugelassene Gewicht, durchzulassen.

R: Wem haben Sie mitgeteilt, dass die Direktoren mit Schmiergeld arbeiten?

BF: Wir haben diese Direktoren und die LKW-Fahrer direkt beim Gericht angezeigt.

R: Wer war Ihr unmittelbarer Vorgesetzter?

BF: XXXX .

R: Dieser XXXX , hat diese Direktoren, die mit Schmiergeld gearbeitet haben, beim Gericht angezeigt?

BF: Ja, bei der Polizei und beim Gericht.

R: Das heißt, Sie und Ihre Mitarbeiter haben dem XXXX mitgeteilt, welche Direktoren mit Schmiergeld arbeiten?

BF: Das sind so richtige große Verbrecher. Deren Ziel war nicht das Schmiergeld, sie handelten mit Waffen und Drogen und die Direktoren haben Schmiergeld bekommen, damit sie diese großen Lastwagen durchließen. Als wir diese LKWs kontrolliert haben, waren drinnen Waffen und Drogen, die aber mit Reis, Zement bedeckt wurden und dazwischen waren die Drogen und Waffen versteckt. Wir haben das eben bei der Polizei auch angezeigt. Das Problem war aber, dass die Polizei selbst mit diesen Leuten zusammengearbeitet haben, deshalb wurden wir sowohl von der Polizei als auch von den Fahrern bedroht.

R: Wiederholt die Frage: Das heißt, Sie und Ihre Mitarbeiter haben dem XXXX mitgeteilt, welche Direktoren Schmiergeld bekommen haben?

BF: Ja. Wir haben auch in einem Protokoll alles schriftlich festgehalten und das dem XXXX abgegeben.

R: Wie haben diese Bedrohungen genau ausgesehen?

BF: Es waren direkte Bedrohungen von Seiten XXXX , der selber Pashtune ist und viele LKW haben ihm gehört. Er hatte auch Security-Männer, bewaffnete Männer und besaß selber viele, viele Waffen. Das Ganze war illegal, ohne dass er vom Staat die Erlaubnis bekommen hätte.

R: Wer wurde alles bedroht? Wurden nur Sie bedroht?

BF: Ich bin bedroht geworden in der Arbeit, weil ich für die Gewichtswaagen zuständig war und auch meine Familie.

R: Sie haben gesagt, Sie hätten auch andere Mitarbeiter gehabt. Sind diese auch bedroht worden?

BF: Ein Mitarbeiter ist getötet worden. Mein Mitarbeiter ist in seinem Auto gesessen und wurde von einem LKW überfahren.

R: Woher wissen Sie, dass der Mitarbeiter gezielt getötet wurde? Das hätte doch auch ein Unfall sein können.

BF: Es waren zwei Mitarbeiter, der eine ist ums Leben gekommen und der andere ist schwer verletzt worden. Ich selbst war nicht im Auto, ich war draußen. Dieser Mann, der das gemacht hat, hat dies auch zugegeben und ist festgenommen worden. Im LKW waren zwei Männer, einer ist gefahren und einer saß daneben.

R: Und diese beiden Männer haben zugegeben, dass sie das Auto absichtlich gerammt haben?

BF: Sie haben zugegeben, dass sie diese Leute töten wollten.

R: Wem gegenüber haben sie das zugegeben?

BF: Bei der Polizei und beim Gericht.

R: Das heißt, sie sind verhaftet und verurteilt worden?

BF: Diese zwei Männer sind nach zwei Tagen mit Hilfe von diesen Mafias und den Männern, die im Parlament arbeiten, wieder freigekommen.

R: Woher wissen Sie, dass diese zwei Männer wieder freigekommen sind?

BF: Ich habe solange meine Heimat nicht verlassen, bis mein Leben in Gefahr war.

R: Das ist keine Antwort auf meine Frage. Woher wissen Sie, dass diese zwei Männer wieder freigekommen sind?

BF: Der Anwalt des Verstorbenen hat es der Familie erzählt und ich hatte auch Kontakt zur Familie des Verstorbenen. Außerdem hat der Anwalt auch gesagt, dass er diesen Fall nicht mehr weiter vertreten kann, weil er Angst um sein eigenes Leben hat.

R: Wann war dieser Vorfall, wo der eine Mitarbeiter getötet und der andere schwer verletzt wurde?

BF: Das ist im Jahre XXXX passiert. (D = XXXX ).

R: Können Sie ein näheres Datum angeben?

BF: Da mich dieses Problem sehr belastet hat, kann ich mich nicht erinnern.

R: Wie hat der Mitarbeiter geheißen, der getötet wurde?

BF: XXXX .

R: Und der Mitarbeiter, der schwer verletzt wurde, wie hat der geheißen?

BF: Hamed.

R: Wie hat dieser mit vollständigem Namen geheißen, sowohl der Getötete als auch der Verletzte?

BF: Ich kenne den Familiennamen der beiden nicht, da wir sie immer nur mit dem Vornamen gerufen haben.

R: Wenn er Direktor war, da müssten Sie doch den Familiennamen wissen?

BF: Es ist in Afghanistan nicht so wie hier in Österreich, dass man den Nachnamen auch nennt. Wir rufen uns bei den Vornamen. Sie waren schon lange bei diesem XXXX tätig und waren auch schon älter.

R: Sie haben gesagt, diese beiden, die den Unfall verursacht haben, sind bei einem Gericht verurteilt worden. Wie hat das Gericht geheißen?

BF: Das ist das höchste Gericht von Afghanistan, es ist aber in Kabul.

R: Wie heißt dieses Gericht?

BF: XXXX .

R: Waren Sie bei dieser Gerichtsverhandlung anwesend?

BF: Ich habe Ihnen das deswegen erzählt, weil Sie sagen, dass ich lüge.

R: Niemand hat Sie heute und hier als Lügner bezeichnet. Hören Sie bitte auf, hier irgendwelche Unterstellungen zu machen. Wir hören uns hier Ihre Fluchtgeschichte an und stellen detaillierte Fragen.

R: Wie oft wurden Sie bedroht?

BF: Ich bin direkt bedroht worden und indirekt über meine Familie.

R: Was hat man Ihnen genau gesagt? Wie haben diese Bedrohungen ausgesehen?

BF: Einmal hat mich der Fahrer von XXXX bedroht. Er hat gesagt, dass diese Lastwagen dem Mann gehören, der im Parlament arbeitet. "Wenn wir wollen, können wir dich auch töten!" Er hat die Waffe auf mich gerichtet. Ich war sehr traurig und mir ist es nicht gut gegangen. Ich habe mich dann versteckt, habe meine Arbeit verlassen. Ich habe diesen Vorfall

bei meinem Direktor gemeldet. Er hat mir gesagt, dass auch er bedroht wird. Weiters hat er zu mir wie folgt gesagt: "Du brauchst den Fahrer nicht anhören, was er gesagt hat. Ich spreche persönlich mit dem Obersten, der im Parlament arbeitet, und werde diesen Vorfall auch dort melden".

R: Wann ist dieser Vorfall passiert?

BF: Das war 2013. Ich weiß keine genauen Daten, nur, dass es 2013 war. Nein, das war zwischen 2012 und 2013, genau kann ich mich daran erinnern.

R: Wie lange haben Sie nach diesem Vorfall noch bei diesem XXXX gearbeitet?

BF: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet. Sie haben dann meine Wohnadresse herausbekommen und wir mussten dann zweimal übersiedeln.

R: Wann haben Sie dann aufgehört, bei diesem XXXX zu arbeiten?

BF: Der letzte Tag war der XXXX , als ich dann geflohen bin. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

R: Also haben Sie nach diesem Vorfall doch noch weiter bei diesem XXXX gearbeitet?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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