TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/15 W228 2167879-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2020
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Entscheidungsdatum

15.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W228 2167879-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 1996, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.01.2021 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 22.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.10.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass in seinem Land Krieg herrsche und die Situation schlecht sei. Im Iran habe er keine Aufenthaltsberechtigung gehabt.

Der Beschwerdeführer wurde am 25.07.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Maidan Wardak stamme. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater Grundstückstreitigkeiten mit seinen Onkeln gehabt habe. Der Vater habe die Grundstücke verpachtet und sei mit seiner Familie in den Iran gegangen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge mit seiner Familie einige Zeit im Iran gelebt. Im Jahr2005/2006 seien sie nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Onkel des Vaters des Beschwerdeführers hätten dem Vater des Beschwerdeführers die Grundstücke schließlich zurückgegeben. Dennoch hätten die Cousins des Vaters des Beschwerdeführers den Vater des Beschwerdeführers weiterhin belästigt und hätten die Grundstücke gefordert. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Kabul gegangen. Der Vater sei im Heimatdorf verblieben. In jener Nacht seien die Taliban in das Haus eingedrungen und hätten dem Vater des Beschwerdeführers vorgeworfen, dass er Waffen verkaufe. Sie hätten ihn verprügelt und am Körper verbannt. Der Vater des Beschwerdeführers sei schließlich auch nach Kabul gekommen und habe entschieden, dass die ganze Familie Afghanistan verlasse.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 04.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 16.08.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten, Problemen mit den Taliban sowie Problemen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verlassen habe müssen. Er sei mit seinem Bruder in den Iran geflüchtet, habe jedoch den Iran aus Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan auch verlassen müssen. In weiterer Folge wurde auf Berichte zur allgemeinen Lage in Afghanistan, insbesondere auf Berichte zur Blutfehde sowie zur Situation von Hazara, verwiesen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 06.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari/Farsi durchgeführt. Die belangte Behörde ist nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wurde der Bruder des Beschwerdeführers als Zeuge einvernommen.

Am 14.11.2019 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers einen fachärztlichen Befundbericht an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 09.12.2019 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers das aktuelle Länderinformationsblatt Afghanistan zur Stellungnahme übermittelt. Zudem wurden in Bezug auf die am 14.11.2019 erfolgte Zusendung des fachärztlichen Befundberichts Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation übermittelt.

Am 17.12.2019 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, mit welcher ein weiterer fachärztlicher Befundbricht übermittelt wurde.

Am 09.01.2020 wurde seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein weiterer fachärztlicher Befundbericht an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX 1996. Er wurde in der Provinz Maidan Wardak, Distrikt Behsud, geboren. Er hat einige Zeit im Iran gelebt; es kann jedoch nicht festgestellt werden, wann und wie lange. Weiters kann nicht festgestellt werden, wo sich die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers - abgesehen von jenem Bruder, der in Österreich lebt - nunmehr aufhalten.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan zwei Jahre lang die Koranschule besucht. Nebenbei hat er seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Im Iran hat der Beschwerdeführer als Schuster gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Der Beschwerdeführer ist Hazara, ist schiitischer Moslem und spricht Dari.

Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens am 22.10.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in Österreich. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung aufgrund der Grundstückstreitigkeiten seines Vaters mit dessen Cousins ausgesetzt. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine konkrete individuelle Verfolgungsgefahr aufgrund der Grundstückstreitigkeiten seines Vaters droht.

Weiters wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara keine Verfolgung in Afghanistan droht.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit ängstlicher und depressiver Reaktion (ICD F43.2). Die Fortführung der derzeitigen medikamentösen Behandlung (Escitalopram San Ftbl 10 Mg - eine Tablette täglich) ist weiterhin medizinisch indiziert.

Aufgrund der Aktualität der Diagnose kann noch nicht festgestellt werden, ob es sich bei ICD F43.2 um die endgültige Diagnose handelt, oder ob ICD F43.21 oder F32 vorliegen.

Das Medikament Escitalopram ist in Mazar-e Sharif erhältlich. Eine Packung mit 10 Tabletten kostet 250 AFN.

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif würden sohin monatliche Kosten für Medikamente in Höhe von 700 AFN anfallen. Die Kosten für den Wohnraum in Mazar-e Sharif belaufen sich auf 1.292 AFN monatlich. Die sonstigen Lebenserhaltungskosten belaufen sich in Mazar-e Sharif auf 4.445 AFN monatlich.

Insgesamt hätte der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif monatliche Ausgaben in Höhe von 6.437 AFN.

Der Beschwerdeführer ist als Hilfsarbeiter einzustufen und würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan AFN 5.500 monatlich verdienen. Die Differenz zwischen seinen Ausgaben und Einnahmen beliefe sich auf minus 937 AFN.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 937 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt; der Hazaradjat [zentrales Hochland] umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz (Maidan) Wardak sowie Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul. Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen sowie in Kabul.

Die Stadt Kabul ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und ethnisch gesehen vielfältig. Neuankömmlinge aus den Provinzen tendieren dazu, sich in Gegenden niederzulassen, wo sie ein gewisses Maß an Unterstützung ihrer Gemeinschaft erwarten können (sofern sie solche Kontakte haben) oder sich in jenem Stadtteil niederzulassen, der für sie am praktischen sie ist, da viele von ihnen - zumindest anfangs - regelmäßig zurück in ihre Heimatprovinzen pendeln. Die Auswirkungen neuer Bewohner auf die Stadt sind schwer zu evaluieren. Bewohner der zentralen Stadtbereiche neigen zu öfteren Wohnortwechseln, um näher bei ihrer Arbeitsstätte zu wohnen oder um wirtschaftlichen Möglichkeiten und sicherheitsrelevanten Trends zu folgen. Diese ständigen Wohnortwechsel haben einen störenden Effekt auf soziale Netzwerke, was sich oftmals in der Beschwerde bemerkbar macht "man kenne seine Nachbarn nicht mehr". Viele Hazara leben unter anderem in Stadtvierteln im Westen der Stadt, insbesondere in Kart-e Se, Dasht-e Barchi sowie in den Stadtteilen Kart-e Chahar, Deh Buri , Afshar und Kart-e Mamurin.

Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten, auch bekannt als Jafari Schiiten. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradjat lebt, ist ismailitisch. Ismailische Muslime, die vor allem, aber nicht ausschließlich, Hazara sind, leben hauptsächlich in Kabul sowie den zentralen und nördlichen Provinzen Afghanistans.

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Sollte der Haushalts vorstehende Mann versterben, wird die Witwe Haushaltsvorständin, bis der älteste Sohn volljährig ist (MRG o.D.c). Es bestehen keine sozialen und politischen Stammesstrukturen.

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Berichten zufolge halten Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - an.

Während des Jahres 2018 intensivierte der IS Angriffe gegen die Hazara. Angriffe gegen Schiiten, davon vorwiegend gegen Hazara, forderten im Zeitraum 1.1.2018 bis 30.9.2018 211 Todesopfer. Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart. Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt.

In Randgebieten des Hazaradjat kommt es immer wieder zu Spannungen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und sesshaften Landwirten, oftmals Hazara.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert. NGOs berichten, dass Polizeibeamte, die der Hazara-Gemeinschaft angehören, öfter als andere Ethnien in unsicheren Gebieten eingesetzt werden oder im Innenministerium an symbolische Positionen ohne Kompetenzen befördert werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, wann und wie lange der Beschwerdeführer im Iran gelebt hat, ergibt sich daraus, dass er zu seinen Aufenthalten im Iran zeitlich widersprüchliche und unstimmige Angaben tätigte. Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, wo sich die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers nunmehr aufhalten, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer keine Angaben zu deren Aufenthaltsort machen konnte.

Die Feststellungen betreffend die Erkrankung sowie die Medikation des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten fachärztlichen Befundbericht vom 08.01.2020. Aufgrund der Aktualität der Diagnose kann noch nicht festgestellt werden, ob es sich bei ICD F43.2 um die endgültige Diagnose handelt, oder ob ICD F43.21 oder F32 vorliegen, da Gewichtsverlust und somit eines der Kriterien der ICD F32 in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Thema war. So gab der als Zeuge einvernommene Bruder des Beschwerdeführers an, dass der Beschwerdeführer dünner geworden sei. Die Diagnose kann das BFA zu einem späteren Zeitpunkt anlässlich eines Verlängerungsantrages durch eine Begutachtung eines Sachverständigen dann endgültig klären.

Die Feststellungen betreffend die Kosten für die vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente in Afghanistan ergeben sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2019.

Die Feststellungen betreffend die Kosten für Wohnraum und sonstige Lebenserhaltungskosten in Mazar-e Sharif ergeben sich aus dem Gutachten von XXXX (verwiesen wird diesbezüglich auch auf die Offenlegung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.2019, Zl. W228 2205727-1/17E).

Die Feststellung betreffend den Verdienst des Beschwerdeführers in Höhe von 5.500 AFN monatlich im Falle seiner Rückkehr ergibt sich daraus, dass er als Hilfsarbeiter einzustufen ist. Aus dem Fact Finding Mission Report Afghanistan von April 2018 geht hervor, dass der Tageslohn für Hilfsarbeiter ca. 300 AFN beträgt, sohin 5.500 AFN monatlich (300x220/12). Die Berechnung basiert auf der Annahme des Monats Februar bzw. von 220 Arbeitstagen im Jahr. Hinsichtlich der Medikamentenkosten wurde bei dem Medikamentenpreis von Escitalopram der Einzeltablettenpreis errechnet, der Stückpreis mit der Häufigkeit der Einnahme multipliziert.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan grundlegende Lebensbedürfnisse nicht befriedigen könnte, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 937 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters ausgesetzt wäre, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:

Zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer seinen nunmehrigen Hauptfluchtgrund, nämlich die Verfolgungsgefahr aufgrund des Grundstücksstreits seines Vaters, bei der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte, sondern gab er dort lediglich an, dass in Afghanistan Krieg herrsche und die allgemeine Situation sehr schlecht sei. Auch wenn den Angaben im Zuge der Erstbefragung kein allzu großes Gewicht zukommt, ist dennoch festzuhalten, dass das völlige Nichterwähnen des später vorgebrachten Hauptfluchtgrundes gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sowie für ein gesteigertes Vorbringen spricht.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Grundstückstreitigkeiten seines Vaters mit dessen Cousins vage und unsubstantiiert blieb. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst an, keine Details dazu zu kennen, da er damals noch sehr jung gewesen sei. Er konnte auch überhaupt nicht näher darlegen, inwiefern er persönlich von den Grundstückstreitigkeiten seines Vaters betroffen sei, sondern führte selbst aus: "Das hat mit mir nicht direkt etwas zu tun." Er brachte keine persönlich gegen ihn gerichteten Bedrohungen oder Übergriffe vor. Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Cousins seinem Vater die Grundstücke weggenommen hätten, konnte jedoch nicht erklären, worin der nunmehrige Verfolgungsgrund liegen sollte, wenn die Cousins die Grundstücke bereits besitzen. Auf entsprechende Nachfrage in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er lediglich völlig unsubstantiiert an, dass durch die ganze Sache mit den Grundstücken eine Feindschaft entstanden sei und die Cousins ihn im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan umbringen würden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer jedoch überhaupt nicht näher darlegen konnte, wie es den Cousins seines Vaters überhaupt möglich sein sollte, von einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan zu erfahren, sondern gab er lediglich unsubstantiiert an, dass diese Leute mächtig seien und mit dem Staat bzw. der Regierung zusammenarbeiten würden. Eine nähere Erklärung dazu konnte er nicht geben.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zeitlich unstimmige und widersprüchliche Angaben zu seinen Aufenthalten im Iran tätigte. Er gab an, dass er aufgrund der Grundstückstreitigkeiten zweimal Afghanistan verlassen habe und für einige Zeit im Iran gelebt habe, konnte diese Aufenthalte im Iran zeitlich jedoch überhaupt nicht einordnen. Auch der als Zeuge in der Verhandlung einvernommene Bruder des Beschwerdeführers führte aus, dass er mehrmals zwischen Afghanistan und dem Iran hin- und hergereist sei, was nicht plausibel erscheint, wenn die Verfolgungsgefahr in Afghanistan aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten tatsächlich so groß gewesen ist, wie behauptet.

In der Einvernahme vor der belangten Behörde sprach der Beschwerdeführer davon, dass die Taliban es gewesen seien, die seinen Vater geschlagen und am Körper verbrannt hätten. Diesen Umstand erwähnte er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Auch in der Beschwerde wurden Probleme mit den Taliban angesprochen, auf welche der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in keiner Weise mehr einging. Der als Zeuge einvernommene Bruder des Beschwerdeführers äußerte lediglich die Vermutung, "dass die Taliban bei diesen Streitereien auch ihre Finger im Spiel gehabt hatten", konnte allerdings keinerlei konkreten Angaben zu einer Bedrohung durch die Taliban machen.

In einer Gesamtschau erscheint eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft.

Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara und Schiit nicht aufzuzeigen:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Minderheit der Hazara keiner Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegt, beruht einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer eine solche Bedrohung im Verfahren nicht substantiiert behauptet hat, sowie andererseits auf den Feststellungen über die Situation der Volksgruppe der Hazara im Herkunftsstaat. Dazu ist auch auf das aktuelle Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 05.07.2016, 29.094/09) zu verweisen, das insbesondere feststellt, dass auch die Angehörigkeit zur Minderheit der Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (in diesem Sinne auch die Revisionszurückweisungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 10.08.2017, Ra 2017/20/0041, vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0377-6, sowie vom 30.01.2018, Ra 2017/20/0406).

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019) dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).

So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Die gilt umso mehr für Widersprüche (vgl. zur Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch VwGH 02.01.2017, Zl. Ra 2016/18/0323, Rz 8). Auch unbestrittene Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BFs in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457). Auch oberflächlich und allgemein gehaltene Angaben, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, und die trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, erfolgen, sind grundsätzlich geeignet, in einer schlüssigen Begründung zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend eine drohende individuelle Verfolgung herangezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.06.1996, Zl. 95/20/0205).

Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599)

Aufgrund der Beweiswürdigung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen:

Wie bereits in der Beweiswürdigung hinlänglich ausgeführt wurde, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr in Afghanistan aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters mit dessen Cousins glaubhaft zu schildern.

Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht finden:

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande; vgl. zuletzt auch VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377).

Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.

Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens eine sicher erreichbare Stadt.

Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Hierzu ist auszuführen, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen alleinstehenden, jungen Mann handelt, der grundsätzlich in einem erwerbsfähigen Alter ist. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab jedoch, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 937 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte und er dadurch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen könnte, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Aufgrund der das Einkommen übersteigenden Kosten ist von einer individuellen Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Es kann bei ihm daher vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich dort niederlassen kann.

Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der - insbesondere unter dem Aspekt seiner Erkrankung sowie eines mangelnden familiären bzw. sozialen Netzwerks in Afghanistan - aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geraten würde.

Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3).

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

III. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

IV. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH 13.9.2013, U 370/2012; VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung, familiäre Situation,
Glaubwürdigkeit, Gruppenverfolgung, individuelle Gefährdung,
individuelle Verhältnisse, mangelnde Asylrelevanz, private
Verfolgung, Religion, Rückkehrsituation, Sicherheitslage,
subsidiärer Schutz, Verfolgungsgefahr, Versorgungslage,
Volksgruppenzugehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2167879.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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