TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 G304 2221456-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2221456-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Verein Chronisch Krank Österreich, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 11.06.2019, Sozialversicherungsnummer:

XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 12.12.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 25.03.2019 wurde nach am 04.03.2019 durchgeführter Begutachtung der BF Folgendes ausgeführt:

"Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar, da kurze Wegstrecken ohne fremde Hilfe zurückgelegt werden. Auch das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel ist möglich. Mit der linken Hand ist das Anhalten an Haltegriffen möglich, eine leichte Unterstützung durch die rechte Hand für das Gleichgewicht ist möglich. Ein aktueller elektroneurographischer Befund liegt nicht vor. Es liegt auch kein Befund bezüglich der Depression und Panikstörung vor, der die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde. Bezüglich der COPD ist die Patientin mit ihrem Inhalator ausreichend versorgt."

2.2. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie, vom 07.06.2019 wurde nach am 22.05.2019 durchgeführter Begutachtung der BF Folgendes ausgeführt:

"Es besteht aufgrund der multiplen Abnützungserscheinungen am Bewegungsapparat, aufgrund der Muskelschmerzen im Rahmen der Fibromyalgie und auch wegen der Polyneuropathie eine leichte Einschränkung beim Gehen, teilweise muss auch wegen der Schmerzen das Gehen angehalten werden. Es bestehen jedoch keine Lähmungserscheinungen, es werden auch keine Gehhilfen benötigt. Die Möglichkeiten der Schmerztherapie sind noch nicht voll ausgeschöpft. An den oberen Extremitäten besteht der Zustand nach Karpaltunnelsyndrom rechts und auch eine Rhizarthrose, die Anhaltefunktion ist aber noch ausreichend, v.a. auch links. Es besteht auch im Rahmen der Depressionen keine stärkeren Angstzustände bzw. Panikattacken. Somit ist insgesamt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel noch zumutbar."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.06.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien den beiliegenden Gutachten, die einen Bestandteil der Begründung bilden, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Sachverständigengutachtens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.

Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag der BF abzuweisen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde eventuell um Begutachtung durch einen Facharzt für Neurologie und um Stattgebung der Beschwerde ersucht.

5. Am 19.07.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 28.08.2019, Zl. G304 2221456-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 28.08.2019, Zl. G304 2221456-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 07.10.2019, um 16:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten aktenmäßigen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 07.10.2019 wurde folgende "zusammenfassende Beurteilung" abgegeben:

"Im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik steht ein chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, verbunden mit einer Störung der Nervenleitfähigkeit, eine Sensibilitätsstörung und Kraftminderung der rechten Hand bei Zustand nach Daumengrundgelenks-OP und nachfolgendem Mb. Sudeck, Handgelenksabnützungen rechts sowie wiederkehrende depressive Episoden."

Folgende "Stellungnahme zum Vorgutachten" wurde abgegeben:

"(...) Im VGA wird festgehalten, dass trotz der bestehenden Leiden, der fehlenden Gehhilfen und der noch nicht ausreichend ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Aus neurologischer Sicht ist auf Grund der komplexen Symptomsituation eine ausreichende Statomotorik (Statomotorik umfasst die auf Halte- und Stellreflexe sowie auf statokinetische (Körperselbstwahrnehmung, also Empfindung des eigenen Körpers, seine absolute Körperlage, Körperbeschleunigung etc.) Reflexe gestützte Motorik im Dienste der Körperhaltung und Gleichgewichtserhaltung. Davon betroffen sind unter anderem das Sitzen und das Stehen.

Des Weiteren bezeichnet die Statomotorik die Komplexität von Haltungs- und Bewegungsmechanismen zur Regulierung von Gleichgewicht, Aufrichtung und Gang. Störungen entstehen bei Fehlen oder verzögerter Ausbildung von Haltungskontrolle, motorischen Funktionen sowie differenzierten Bewegungsabläufen) für das Zurücklegen kürzerer Strecken und das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel gegeben, ein sicherer Transport ist jedoch auf Grund der bereits eingeschränkten Stell- und Haltereflexe nicht gegeben, sodass es aus neurologischer Sicht der BF nicht zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen."

8. Mit Verfügung des BVwG vom 14.11.2019, Zl. G304 2221456-1/4Z, dem Rechtsvertreter der BF zugestellt am 19.11.2018, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung schriftlich Stellung dazu zu nehmen.

9. Eine Stellungnahme dazu ist bis dato nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete

Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3. Im seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 wurde nach Begutachtung der BF am 07.10.2019 folgende "Stellungnahme zum Vorgutachten" abgegeben:

"(...) Im VGA wird festgehalten, dass trotz der bestehenden Leiden, der fehlenden Gehhilfen und der noch nicht ausreichend ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Aus neurologischer Sicht ist auf Grund der komplexen Symptomsituation eine ausreichende Statomotorik (Statomotorik umfasst die auf Halte- und Stellreflexe sowie auf statokinetische (Körperselbstwahrnehmung, also Empfindung des eigenen Körpers, seine absolute Körperlage, Körperbeschleunigung etc.) Reflexe gestützte Motorik im Dienste der Körperhaltung und Gleichgewichtserhaltung. Davon betroffen sind unter anderem das Sitzen und das Stehen.

Des Weiteren bezeichnet die Statomotorik die Komplexität von Haltungs- und Bewegungsmechanismen zur Regulierung von Gleichgewicht, Aufrichtung und Gang. Störungen entstehen bei Fehlen oder verzögerter Ausbildung von Haltungskontrolle, motorischen Funktionen sowie differenzierten Bewegungsabläufen) für das Zurücklegen kürzerer Strecken und das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel gegeben, ein sicherer Transport ist jedoch auf Grund der bereits eingeschränkten Stell- und Haltereflexe nicht gegeben, sodass es aus neurologischer Sicht der BF nicht zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen."

Der im Beschwerdeverfahren beigezogene Sachverständige, Facharzt für Neurologie, hielt demnach zusammengefasst fest, dass der BF aus neurologischer Sicht aufgrund der eingeschränkten Stell- und Haltereflexe ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich und deren Benützung daher nicht zumutbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A): Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

3.2.2. Im seitens des BVwG eingeholten, als schlüssig und nachvollziehbar erachteten Gutachten von Dr. XXXX vom 07.10.2019 wurde festgehalten, dass der BF aufgrund eingeschränkter Stell- und Haltereflexe ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich und deren Benützung daher nicht zumutbar ist.

Es wird dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 folgend der gegenständlichen Beschwerde daher stattgegeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 07.10.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Unzumutbarkeit,
Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2221456.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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