TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W194 2144997-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W194 2144997-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela Sabetzer über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger und sunnitischer Paschtune, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 30.05.2015 erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

2. Am 06.10.2016 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einvernommen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.12.2016, der dem Beschwerdeführer am 03.01.2017 zugestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am 13.01.2017 Beschwerde.

5. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 19.01.2017 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W194 zugewiesen.

7. Mit Schreiben vom 27.06.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladungen zur Verhandlung sowie die im Beschwerdefall vorläufig als relevant erachteten Berichte zur Lage in Afghanistan.

8. Am 23.08.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari beigezogen wurde.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zu seinem bisherigen Leben, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich befragt. Weiters wurden die Länderberichte zum Herkunftsland des Beschwerdeführers erörtert.

9. Am 05.09.2019 erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme.

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2019 wurden den Parteien aktuelle Länderberichte übermittelt und dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, bekanntzugeben, ob sich seit der Verhandlung gravierende Veränderungen an seiner Gefährdungslage oder seiner persönlichen und privaten Situation in Österreich ergeben haben.

11. Weitere Stellungnahmen der Parteien langten beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Zu seiner Person und Herkunft:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Er stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX . Zuletzt wohnte er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Frühjahr XXXX im Dorf XXXX in der Nähe der Stadt XXXX .

1.1.2. Zur befürchteten Verfolgung in Afghanistan:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan in den Jahren XXXX aufgrund von Erbschaftsstreitigkeiten über in der Nähe der Stadt XXXX gelegene XXXX bedroht worden ist oder Bedrohungen von diesen bei einer Rückkehr in sein Heimatland zu erwarten hätte.

1.1.3. Zu seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte am 29.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seit der Antragstellung durchgehend in Österreich auf und ist hier strafgerichtlich unbescholten. Er lebt von der Grundversorgung und hat im Jahr XXXX für ca. drei Monate ehrenamtlich gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat bisher keine Deutschprüfung abgelegt. Er geht regelmäßig ins Fitnesscenter und in den XXXX und hat Freunde in Österreich. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen.

1.1.4. Zu seinen Rückkehrmöglichkeiten nach Afghanistan:

Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan ca. fünf Jahre die Schule und arbeitete ca. XXXX Jahre; ca. drei Jahre davon verkaufte er XXXX und ca. sieben Jahre arbeitete er als XXXX . Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ist der Beschwerdeführer ca. XXXX alt. Er ist gesund und arbeitsfähig. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat XXXX Kinder im Alter von XXXX . Seine Ehefrau und seine Kinder leben in Afghanistan im XXXX beim XXXX des Beschwerdeführers. Sie sind finanziell versorgt. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie und seinem XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt in XXXX über Grundstücke, welche von seinem XXXX bewirtschaftet werden und als Erträge XXXX liefern.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan ist der Schutz des Beschwerdeführers gewährleistet, und es kann ihm ein Aufenthalt dort, jedenfalls zB in der Stadt Herat, zugemutet werden. Es ist davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer möglich sein wird, sich dort eine Existenzgrundlage aufzubauen, eine Unterkunft zu finden und sich selbst zu erhalten. Darüber hinaus ist eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX nicht ausgeschlossen.

1.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

* EASO Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2019

* UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018

* Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Scharif, ACCORD, 27.06.2019

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019

1.2.1. Die Provinzen Balkh und Herat:

1.2.1.1. Balkh (Provinzhauptstadt: Mazar-e Sharif; aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

"Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt:

Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den

7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

[...]

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter

1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019)."

1.2.1.2. Herat (Provinzhauptstadt: Herat-Stadt; aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

"Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet:

Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

[...]

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019)."

1.2.1.3. Erreichbarkeit (aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

"Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 5.12.2017), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TN 18.6.2018; SIGAR 15.7.2018, TET 13.12.2018, TD 26.1.2018, TD 8.1.2019, TN 25.5.2019, CWO 26.8.2019).

Jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit (KT 17.2.2017; vgl. GIZ 7.2019, IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen, Zusammenstöße zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie die Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte beeinflussen die Sicherheit auf den afghanischen Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kabul-Kandahar (TN 15.8.2018; vgl. ST 24.4.2019), Herat-Kandahar (PAJ News 5.1.2019), Kunduz-Takhhar (KP 20.8.2018; vgl. CBS News 20.8.2019) und Ghazni-Paktika (AAN 30.12.2019).

[...]

Die im folgenden Abschnitt beispielhaft angeführten Flugverbindungen basieren auf Online-Flugplänen, auf die über eine Tracking-Site (Flightradar 24) zugegriffen wurde und betreffen den Zeitraum von 30.8.2019 bis 4.11.2019. Es ist möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt Destinationen bzw. Flüge hinzukommen oder hier angeführte wegfallen.

Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen (TN 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.).

Folgende internationale Airlines fliegen nach Kabul: Turkish Airlines aus Istanbul, Silk Way Airlines aus Baku, Emirates und Flydubai aus Dubai, Air Arabia aus Sharjah, Mahan Air aus Teheran und Emirates aus Hong Kong (Flightradar 24 4.11.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Kabul international aus Istanbul, Ankara, Medina, Dubai, Urumqi, Dushambe an (Flightradar 24 4.11.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kabul (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kandahar, Bost (Helmand, nahe Lashkargah), Zaranj, Farah, Herat, Mazar-e Sharif, Maimana, Bamian, Faizabad, Chighcheran und Tarinkot (Flightradar 24 4.11.2019).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (PAJ 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul (Flightradar 4.11.10.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Moskau, Jeddah und Medina an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (Flightradar 4.11.10.2019).

[...]

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.; ACAA o.D).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Herat international aus Medina und Delhi an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (Flightradar 4.11.10.2019).

[...]"

1.2.1.4. Zur Nahrungsmittelversorgung in Herat und Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni bis September 2019 (aus: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Scharif):

Nach den Karten zur Ernährungssicherheit für Afghanistan befindet sich die Stadt Herat in der zweithöchsten Stufe des von FEWS NET verwendeten Klassifizierungssystems. Masar-e Scharif befindet sich im selben Zeitraum in Phase 1 des Klassifizierungssystems. (FEWS NET, 25. Juli 2019 (http://fews.net/central-asia/afghanistan)). In Phase 1, auch "minimal" genannt, sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwendigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2, auch "Stressed" genannt, weisen Haushalte einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden.

1.2.2. Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative:

1.2.2.1. Aus den UNHCR-RICHTLINIEN:

"Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen."

1.2.2.2. Aus: EASO Country Guidance Afghanistan:

"Reasonableness to settle

[...]

Individual circumstances

In addition to the general situation in the area of potential IPA, the assessment whether it is reasonable for the applicant to settle in that part of the country should take into account the individual circumstances of the applicant, such as age, gender, ethnicity, religion, health condition, social and educational background, family and social ties, language, etc.

The individual considerations could relate to certain vulnerabilities of the applicant as well as to available coping mechanisms which would have an impact on his or her personal circumstances and determine to what extent it would be reasonable for the applicant to settle in a particular area.

Please note that this is a non-exhaustive list:

* Age [Key socio-economic indicators 2019, 7]: Young age as well as elderly age could significantly limit the applicant's access to means of subsistence such as through employment, making him or her dependent on other providers. Therefore, this element should be seen in conjunction with the available support by family or a broader support network. In case of children, the best interests of the child shall be a primary consideration, for example, with regard to access to basic education. Afghanistan's education system has been described as overwhelmed, particularly due to the increased displacement, with most schools overcrowded and insufficiently resourced. Factors such as residence, gender, disability status and poverty affect access to education. There have been limitations in the access to education for IDPs and undocumented refugee returnees. Education facilities are present in the cities.

* Gender [Key socio-economic indicators 2019, 2.3]: Women and girls in Afghanistan may be subjected to discriminatory restrictions and may need the support of a male family member or chaperone in order to access different services and to exercise certain rights. Therefore, the gender of the applicant should be taken into account when considering reasonableness in conjunction with their family status and available support.

* State of health (illness or disabilities) [Key socio-economic indicators 2019, 8]: Access to healthcare is strained in the three cities, making the health status of the applicant an important consideration when assessing the reasonableness of IPA for those who require medical treatment, also taking into account that their state of health may affect their ability to work and travel. For those with disabilities, access to basic subsistence such as through employment would be further limited.

* Ethnicity and linguistic background [Security situation 2019, 2.1.1, 2.5.1, 2.13.1]: While parts of Afghanistan are ethnically homogenous, different ethnicities are present in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif. Kabul is a 'melting pot' for various ethnicities and linguistic groups, each of them settled in specific places. In Herat province. Pashtuns, Tajiks, Hazara, Turkmen, Uzbeks and Aimaqs are the main ethnic groups. Balkh is an ethnically diverse province. It is inhabited by Pashtun, Uzbek, Hazara, Tajik, Turkmen, Aimaq, Baloch, Arab, and Sunni Hazara (Kawshi) communities. In these cities, the knowledge of Dari or Pashtu is generally considered sufficient and the linguistic background of the applicant would not be a determinative factor.

* Religion [Society-based targeting, 2]: Being part of a religious minority (e.g. Sikhs, Hindu or other religions) should be taken into account for IPA in the three cities, as members of those religious minorities may face discrimination due to religious belief, making it difficult for them to access basic means of subsistence such as through employment.

* Documentation [Key socio-economic indicators 2019, 2.2]: The most important identification document in Afghanistan is called tazkera. A tazkera is formally required to access a range of public services, such as education, employment, healthcare, and official loans provided by a bank. It is also formally required for the issuance of housing, land and property certificates and title deeds.

* Local knowledge: Having lived in Afghanistan and/or being familiar with the societal norms is an important factor to take into account when assessing the reasonableness of IPA. Experience of having lived in an urban environment or, especially, in the respective city, could assist the applicant in settling there. Such experience may include, for example, having lived in the city for work or education, or having travelled to the city before.

* Professional and educational background and financial means: The background of the applicant, their level of education and available financial means can be taken into account when assessing the reasonableness of IPA and in particular the access of the applicant to means of basic subsistence.

* Support network [Networks]: A support network can be the family network, not restricted to the core family, but also including the extended family, and/or a social network, in particular: friends, employers, classmates, members of the same clan, especially when there is a certain point of contact, etc., taking into account their willingness and ability to assist the person in accessing basic subsistence. Special consideration should be given in the case of individuals who lived abroad for a long period of time and who have no relatives in the three cities, as they may often lack the necessary support network.

It should be noted that these factors would often intersect in the case of the particular applicant, leading to different conclusions on the reasonableness of IPA. In some cases, more than one element of vulnerability would confirm a conclusion that IPA is not reasonable for the particular applicant (e.g. unaccompanied child with no support network), while in other cases, they would balance each other (e.g. IPA may be reasonable for a married couple with available financial means or a support network in one of the cities).

[...]

Single able-bodied men

Although the situation related to settling in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif entails certain hardships, IPA may be reasonable for single able-bodied men, taking into account their individual circumstances. The following can in particular be taken into account: age, gender, family status, state of health, professional and educational background and financial means, local knowledge, support network, etc.

*For applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time see separate conclusion below.

[...]

Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time

Afghan nationals who resided outside of the country over a prolonged period of time may lack essential local knowledge necessary for accessing basic subsistence means and basic services. An existing support network could also provide the applicant with such local knowledge. The background of the applicant, including their educational and professional experience and connections, as well as previous experience of living on their own outside Afghanistan, could be relevant considerations.

For applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, IPA may not be reasonable if they do not have a support network which would assist them in accessing means of basic subsistence."

1.2.3. Blutrache und Blutfehde:

1.2.3.1. Aus: EASO Country Guidance Afghanistan:

"Blood feuds

Blood feuds for revenge-taking can be the result of personal violence or wrong-doing that is seen as being against honour, disputes involving land, or in the context of family conflicts and relationships [Society-based targeting, 7.1].

COI summary

Usually, blood feuds occur between non-State actors, for example within certain ethnic subgroups, and mostly in areas, where the government and the rule of law is weak or non-present [Society-based targeting, 7.1]. The influence of the tribal context of blood feuds is less strong in large cities, but this does not automatically mean that a person would escape a blood feud entirely by moving away [Society-based targeting, 7.7.4].

Such feuds can become extremely violent (e.g. killings) and can go on for generations [Society-based targeting, 7.3]. The societal and family obligations to carry out revenge are strong and it is difficult for someone to resist or escape a blood feud [Society-based targeting, 7.7.4]. Blood feuds arise mostly among Pashtuns, but it is also a practice across other ethnic groups in Afghanistan [Society-based targeting, 7.1].

Adult men are the most frequent target of blood feuds. Usually, revenge is carried out against the brothers or other immediate male relatives of the perpetrator [Society-based targeting, 7.6].

Women and children are usually excluded from being direct targets of revenge killings in blood feuds. However, there have been examples in the media of children and women reportedly killed in relation to a blood feud or retribution [Society-based targeting, 7.6].

In some instances, blood feuds could be avoided through seeking the forgiveness (nanawatai) of the injured party and requesting that they forego badal (by the individual offender approaching the offended party to ask forgiveness, or through a jirga with local tribal elders and ulemas); however, women are excluded from taking part in such fora [Society-based targeting, 7.7.1].

Risk analysis

Individuals under this profile could be exposed to acts which are of such severe nature that they would amount to persecution (e.g. killing).

For men directly involved in a blood feud, in general, well-founded fear of persecution would be substantiated. For women, for children and for men who are farther removed from the feud, the individual assessment of whether or not there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: intensity of the blood feud, origin from areas where the rule of law is weak, etc.

Nexus to a reason for persecution

Family members involved in a blood feud could be considered as members of a particular social group defined by an innate characteristic (i.e. being a member of the family) and due to the fact that families are known and have a distinct identity in the surrounding society."

1.2.3.2. Aus den UNHCR-RICHTLINIEN:

"In Blutfehden verwickelte Personen

Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt, doch soll der Brauch baad, eine stammesübliche Form der Streitbeilegung, in der die Familie des Täters der Familie, der Unrecht geschah, ein Mädchen zur Heirat anbietet, vor allem im ländlichen Raum praktiziert werden, um eine Blutfehde beizulegen. Wenn die Familie, der Unrecht geschah, nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat.

Im Licht der oben beschriebenen Überlegungen ist UNHCR der Ansicht, dass - abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles - für Personen, die in Blutfehden verwickelt sind, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Konventionsgründen, in Verbindung mit einer allgemeinen Unfähigkeit des Staates, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten, bestehen kann. Bei Anträgen von in Blutfehden verwickelten Personen können sich jedoch mögliche Ausschlusserwägungen ergeben. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch für Familienangehörige, Partner oder von an Blutfehden Beteiligten abhängige Personen ebenfalls aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person ein Bedarf an internationalem Schutz bestehen."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Beschwerdeführer:

2.1.1. Zu seiner Person und Herkunft:

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sind unstrittig und gründen sich auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren. Es besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln, weil diese im Laufe des gesamten Verfahrens gleichgeblieben sind und auch in der Verhandlung spontan und ohne Zögern dargetan wurden (vgl. die Seiten 5 bis 7 und 16).

2.1.2. Zur befürchteten Verfolgung in Afghanistan:

2.1.2.1. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, Afghanistan aus Furcht XXXX wegen Erbschaftsstreitigkeiten ( XXXX ) verlassen zu haben, und dazu zusammengefasst ausgeführt:

Die XXXX , seien in der Nähe der Stadt XXXX gelegen. Der Beschwerdeführer selbst habe nie in der XXXX . Die XXXX sei derzeit im Besitz von XXXX , obwohl insgesamt XXXX erbberechtigt wären. XXXX

.

Die Konflikte hätten begonnen, als der Beschwerdeführer ca. Ende des Jahres XXXX gemeinsam mit seinen beiden XXXX , die ebenfalls erbberechtigt wären, seine Ansprüche geltend gemacht habe. Einer der beiden XXXX habe sie dabei vertreten. Die XXXX hätten hiernach begonnen, den Beschwerdeführer zu bedrohen. Der Beschwerdeführer und seine Familie wären deswegen zu seinem XXXX nach XXXX gezogen. Die XXXX würden in der Stadt XXXX wohnen. Ca. zwei Monate vor der Flucht des Beschwerdeführers sei sein XXXX getötet worden, dessen XXXX habe daraufhin einen der XXXX getötet. Kurze Zeit später sei ein Angriff auf den Beschwerdeführer erfolgt. Es sei XXXX Ein Freund habe ihn danach nach XXXX , dies sei auf dem Weg nach XXXX gelegen, gebracht. Wenige Tage später - ca. im XXXX - habe der Beschwerdeführer dann Afghanistan verlassen.

Nach seiner Ausreise habe der XXXX des Beschwerdeführers versucht, Friedensgespräche zu führen, damit der Beschwerdeführer zurückkehren könne, er sei aber von den XXXX zusammengeschlagen worden und derzeit XXXX . Der Beschwerdeführer höre von seiner Ehefrau, dass er nach wie vor gesucht werde. Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers seien aber nie persönlich bedroht worden. Zur Polizei könne der Beschwerdeführer nicht gehen, da die Sicherheitsbehörden sich aus Grundstücks- und Erbstreitigkeiten heraushalten würden. Sie sagten, dass sie diese Fälle nicht prüfen könnten; das seien private Angelegenheiten. Zudem hätten XXXX . Der Beschwerdeführer sei einmal zur Polizei gegangen und erfolglos geblieben.

2.1.2.2. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid als nicht glaubwürdig beurteilt (vgl. die Seiten 79ff des angefochtenen Bescheides) und dazu insbesondere darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Beweismittel zu seinem Vorbringen vorlegen habe können und es unplausibel sei, dass keine - wie für Paschtunen üblich - Anrufung des Ältestenrates ("Jirga") zur Streitbeilegung erfolgt sei.

In der Beschwerde wird diese Würdigung bestritten und angeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, eine Anzeige gegen seine XXXX zu erheben bzw. hierfür einen Beleg zu erhalten, da diese mit der Polizei zusammenarbeiten würden. Zur gewohnheitsrechtlichen "Jirga" sei festzuhalten, dass diese kein offizieller Lösungsweg sei und es durchaus möglich sei, sich dem zu verweigern bzw., wie es die XXXX des Beschwerdeführers getan hätten, die Streitigkeit ungelöst zu lassen.

2.1.2.3. Wie für die belangte Behörde, hat sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auch für das Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Widersprüchlichkeiten, Ungereimtheiten und unschlüssigen Angaben als nicht glaubwürdig erwiesen:

Zunächst ist es für das Bundesverwaltungsgericht wenig plausibel, dass der Beschwerdeführer, der mit dem sozialen Netzwerk Facebook vertraut ist (vgl. seine Angaben auf den Seiten 10 und 16 der Niederschrift) und sich - wie behauptet - um die Erbschaft hinsichtlich der angesprochenen XXXX bemüht, in der Verhandlung keine näheren Informationen zur XXXX darlegen konnte und insbesondere auf die Frage, ob man die XXXX im Internet finden kann, antwortete: "Ich habe sie selber nicht im Internet gesucht, vielleicht kann man sie finden, wenn man eine richtige Landkarte hat" (vgl. Seite 14 der Niederschrift). Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine weiteren Informationen, zB zum Verlauf des behaupteten Verfahrens hinsichtlich seiner geltend gemachten Erbansprüche, einholt und aktiv nachforscht, wie sich dieses weiterentwickelt. Es ist in dieser Hinsicht auch nicht schlüssig, dass der Beschwerdeführer zu dem einen XXXX , mit dem er - wie angegeben - gemeinsam die Erbansprüche geltend gemacht habe, keinen Kontakt hat (vgl. Seite 12 der Niederschrift), zumal davon ausgegangen werden muss, dass er von diesem aus erster Hand Informationen zum Stand der Dinge erfahren könnte. Auf die Frage zum aktuellen Stand antwortete der Beschwerdeführer sehr vage: "Ich kenne keine Details über die derzeitige Lage. Aber wenn ich mich manchmal erkundige, höre ich, dass ich nach wie vor gesucht werde" (vgl. Seite 12 der Niederschrift) und erst auf Nachfrage, dass er dies von seiner Frau höre.

Es erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht als widersprüchlich, wenn der Beschwerdeführer einerseits angibt, dass seine Frau und Kinder damals und seither nie persönlich bedroht worden seien, andererseits jedoch vorbringt, gehört zu haben, dass die XXXX sich vorgenommen hätten, "bei jeder Gelegenheit ein Mitglied meiner Familie zu töten" (vgl. Seite 13 der Niederschrift). Dass der XXXX des Beschwerdeführers von den XXXX zusammengeschlagen worden sei, behauptet der Beschwerdeführer in der Verhandlung zwar, er versucht aber gar nicht, dieses Vorbringen in irgendeiner Form zu untermauern bzw. zu belegen (vgl. die Seiten 11f der Niederschrift).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu dem Freund hat (vgl. Seite 10 der Niederschrift: "Ich habe weder eine Telefonnummer, noch kann ich ihn auf Facebook finden"), den er sofort nach den behaupteten Vorkommnissen am XXXX angerufen und der ihm bei der Flucht geholfen habe (vgl. die Seiten 9f der Niederschrift).

Was den behaupteten Vorfall mit dem XXXX betrifft, haben sich für das Bundesverwaltungsgericht folgende Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten ergeben: Zunächst ist es wenig wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer bei laufendem Motor die Stimmen der behaupteten Angreifer hören bzw. verstehen konnte, was sie sagten, zumal diese - wie der Beschwerdeführer angab - so vermummt waren, dass er ihre Gesichter nicht erkennen konnte (vgl. Seite 9 der Niederschrift). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung anführte, dass er die Stimme eines bestimmten XXXX erkennen konnte (vgl. Seite 9 der Niederschrift: "Es war die Stimme meines XXXX "), während er vor der belangten Behörde noch angab, dass er nicht wisse, wer auf ihn geschossen habe (vgl. die Seite 10 des angefochtenen Bescheides).

Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht hat, dass sein XXXX , mit dem der Beschwerdeführer gemeinsam die Erbansprüche geltend gemacht habe, getötet worden sei, ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer auf der einen Seite so sicher sagen konnte, dass einer der XXXX getötet habe, auf der anderen Seite aber nicht darlegen konnte, welcher dies gewesen sei (vgl. zu den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde die Seite 10 des angefochtenen Bescheides: "Ja das ist klar, das war einer XXXX . [...] Nein, wer genau das war, das kann ich nicht sagen."). Bei alledem war auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - angesichts des vorgebrachten Einflusses und der Macht der XXXX - keinerlei Unterlagen zur Untermauerung seines Vorbringens (zB Zeitungsartikel) im Verfahren vorgelegt hat.

Alle diese Elemente machen das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer vermochte mit seinem Vorbringen kein schlüssiges und nachvollziehbares, ihn konkret betreffendes, aktuelles Bedrohungsszenario in seinem Heimatland darzutun, wobei das Bundesverwaltungsgericht auch auf die Länderfeststellungen Bedacht genommen hat (vgl. II.1.2.3.), wonach erwachsene Männer das häufigste Ziel von Blutfehden seien. Normalerweise werde Rache gegen die Brüder oder andere unmittelbare männliche Verwandte des Täters ausgeübt. Für Männer, die direkt an einer Blutfehde beteiligt seien, wäre im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Angst vor Verfolgung begründet sei. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers zuträfe, der Bruder des - wie behauptet - getöteten XXXX das Hauptziel von Blutrache wäre, zumal der Beschwerdeführer in der Verhandlung angeführt hat, dass er persönlich sich "aus dieser Angelegenheit ganz entfernt" habe (vgl. Seite 12 der Niederschrift).

2.1.2.4. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Befürchtungen hinsichtlich Bedrohungen in seinem Heimatland geltend gemacht (vgl. Seite 16 der Niederschrift: "[...] das ist der einzige Grund, warum ich nicht zurückkehren kann"). Für das Bundesverwaltungsgericht sind solche im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

Dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund konkreter individueller Bedrohungen verlassen hat, konnte vor diesem Hintergrund nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer derartige Bedrohungen in seinem Heimatland zu erwarten hat.

2.1.3. Zu seinem Leben in Österreich:

Dass der Beschwerdeführer am 29.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, ist dem entsprechenden Polizeibericht im Verwaltungsakt der belangten Behörde zu entnehmen. Im Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer sich seit der Antragstellung nicht durchgehend in Österreich aufgehalten hätte. Die Feststellungen zu seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit beruhen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen des Strafregisters.

Dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, hat er in der Verhandlung glaubwürdig angegeben (vgl. Seite 20 der Niederschrift). Ebenso beruhen die Feststellungen zu seiner ehrenamtlichen Arbeit, dem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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