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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; mangelhafte Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien sowie einem Bericht des EASO zur Verfolgungsgefahr wegen ZwangsrekrutierungRechtssatz
Es ist für den VfGH nicht erkennbar, warum sich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem - von ihm selbst als gesicherten Sachverhalt festgestellten - Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der versuchten Zwangsrekrutierung nicht näher auseinandergesetzt, sondern bloß festgehalten hat, dass der Beschwerdeführer eine aktuelle Verfolgungsgefahr in Afghanistan durch die Taliban auf Grund der früheren Tätigkeit seines Bruders für die afghanische Regierung nicht glaubhaft habe machen können. Gemäß stRspr des VwGH ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entscheidend, mit welchen Reaktionen der Taliban der Beschwerdeführer auf Grund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen muss, und ob in seinem Verhalten eine - wenn auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (VfGH 25.02.2019, E4032/2018).
Nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 sind "Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, [...] Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden". Auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen weist in seinem aktuellen Bericht darauf hin, dass jungen Männern in Afghanistan im Fall eines Widerstands gegen eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban Gewalt drohen und dies als Verfolgung auf Grund der politischen Überzeugung qualifiziert werden könne. Sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban ihm und seinem Bruder mit dem Tod gedroht hätten, woraufhin sie unmittelbar geflohen seien. Dieses Vorbringen hat das BVwG rechtlich nicht gewürdigt, sondern nur festgestellt, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung auf Grund der früheren Tätigkeit seines Bruders für die afghanische Regierung drohe. Das BVwG hätte sich aber vor dem Hintergrund der angeführten Länderinformationen im Zuge seiner rechtlichen Beurteilung mit dem als glaubwürdig festgestellten Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die versuchte Zwangsrekrutierung durch die Taliban näher auseinandersetzen müssen.
Das angefochtene Erkenntnis entbehrt daher mangels Auseinandersetzung mit den Gefahren, die dem Beschwerdeführer auf Grund der als glaubwürdig festgestellten versuchten Zwangsrekrutierung drohen, einer schlüssigen Begründung, warum keine asylrelevante Verfolgung vorliegt. Ebenso fehlt es im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an einer nachvollziehbaren Begründung für die Aussage, dass dem Beschwerdeführer keine Gefahr durch die Taliban in Mazar-e Sharif drohe und eine Rückkehr dorthin sicher und zumutbar sei, gehen doch die UNHCR-Richtlinien grundsätzlich davon aus, dass für Personen, die von den Taliban verfolgt werden, in Afghanistan gerade keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E4682.2019Zuletzt aktualisiert am
29.04.2020