Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin 1. F***** GmbH, *****, 2. M***** und 3. C*****, alle vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die Antragsgegnerin Mag. E*****, vertreten durch Dr. Eva Schneider, Rechtsanwältin in Bludenz, wegen Benützungsregelung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Dezember 2019, GZ 1 R 250/19a-86, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 26. September 2019, GZ 30 Nc 1/18f-80, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft; sie liegt aber nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Dieser Revisionsrekursgrund kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsrekursverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (vgl RIS-Justiz RS0117019; zuletzt zum Außerstreitgesetz 1 Ob 13/19x und 1 Ob 70/19d).
2.1. Die gerichtliche Benützungsregelung ist das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls. Es handelt sich dabei um eine von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (vgl 2 Ob 198/17g und 3 Ob 65/18g je mwN).
Die „steigende Anzahl von Fahrzeugen“ und „Bodenknappheit“ „in der heutigen Zeit“ kann angesichts der Abhängigkeit einer solchen Ermessensentscheidung von den individuellen Bedürfnissen der Miteigentümer und den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten (so etwa der Lage, Größe und Widmungsart der betroffenen Liegenschaften [hier der im Alleineigentum der Parteien stehenden Liegenschaften und dem realrechtlich damit verbundenen Weggrundstück]) die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Ermessensentscheidungen kommt nämlich grundsätzlich – außer die Vorinstanzen hätten den ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0042405 [T14, T15]; RS0007104 [T2, T5]).
2.2. Eine Überschreitung dieses Beurteilungsspielraums kann die Antragsgegnerin in ihrem Rechtsmittel nicht aufzeigen.
Die von ihr angeführte Entscheidung 1 Ob 145/12y betraf ein Verfahren über die Einräumung eines Notwegs, der dem Antragsteller deswegen verweigert wurde, weil er Miteigentümer anderer Weggrundstücke gewesen war und der Oberste Gerichtshof die Erwirkung einer richterlichen Benützungsregelung zur Zufahrt (auch) auf das notleidende Grundstück als „realistisch“ ansah. Die Behauptung, der erste Senat habe damals ausgeführt, dass „nur“ die Errichtung eines Einfamilienhauses und dessen Verkauf „nicht zur übermäßigen Belastung der anderen Miteigentümer führen dürfte“ (im Sinne einer Obergrenze) ist unrichtig. Ein Widerspruch zur „Judikatur des OGH“ liegt damit nicht vor.
Eine gerichtlich angeordnete Benützungsregelung ist denknotwendig mit einer Änderung der bisherigen Nutzung verbunden, bedürfte es doch ansonsten gar keiner Entscheidung durch das Gericht. Die Beurteilung durch beide Vorinstanzen, es komme durch die (geplante) Errichtung von drei Wohnhäusern nicht zu einem übermäßigen Gebrauch/Belastung des im gemeinsamen Eigentums stehenden Weggrundstücks oder der in Alleineigentum stehenden Liegenschaft (samt Wohnhaus) der Antragsgegnerin, die den gemeinsamen Weg bisher als „ihren“ Parkplatz benutzt hat (und ihn auch weiterhin so nutzen möchte), ist unbedenklich. Die gegenteilige Annahme führte im Ergebnis zum Ausschluss der Erstantragstellerin vom Gebrauch der widmungsgemäßen Nutzung ihrer Grundstücke, die über die gemeinsame Weganlage zu erreichen sind und zu denen – wie vom Erstgericht, wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, festgestellt wurde – schon im Zeitpunkt der Begründung des Miteigentums am Weg auch eine Bauparzelle gehörte.
Daran vermag auch der Umstand nicht zu ändern, dass die Antragsgegnerin Hälfteeigentümerin des Wegs ist, während die Erstantragstellerin aber nur zu 3/10 Anteilen Eigentümerin des Wegs ist. Wie bereits dargestellt, hängt das Ergebnis der Interessenabwägung (nicht bloß von der Größe der Anteile sondern) auch von den individuellen Bedürfnissen der jeweiligen Miteigentümer ab.
3. Ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation eines Verhaltens als redlich oder unredlich fordern, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0010184 [T13]). Es mag zutreffen, dass aus der „Unmöglichkeit, einen Titel nachzuweisen“, „nicht zwingend auf die Schlechtgläubigkeit geschlossen werden“ kann. Vom bloßen Einverständnis (der Rechtsvorgänger der Antragsteller zur Errichtung eines Schuppens teilweise auf dem Weggrundstück) auf den guten Glauben der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin (zur Ersitzung des Alleineigentums an einer Teilfläche des Wegs) zu schließen, wäre im vorliegenden Fall – schon angesichts des Umstands, dass diese gerade zwischen jenen Personen (unter anderem zwei Brüdern) erfolgte, die durch Teilungsvertrag das gemeinsame Eigentum am Weg festgelegt hatten, und der (im Zusammenhang mit der Absprache über die Errichtung des Schuppens, dessen Lage im Übrigen vor dem Ablauf von 30 Jahren verändert wurde) getroffenen Feststellung, dass diesen der „jeweilige Grenzverlauf“ bekannt war – nicht nachvollziehbar. Die Ansicht der Vorinstanzen, die die Redlichkeit im vorliegenden Fall verneinten, bedarf folglich keiner Korrektur im Einzelfall.
5. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist demnach zurückzuweisen, was keiner weitergehenden Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E127843European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00021.20Z.0226.000Im RIS seit
29.04.2020Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020