Entscheidungsdatum
09.04.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W105 2179720-1/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA nach Beschwerdevorentscheidung der XXXX vom XXXX , aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der XXXX vom 04.08.2017, Zl. Islamabad-ÖB/Kons/1392/2016, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der
bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 31.03.2016 persönlich bei der XXXX (im Folgenden: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, sei in Österreich aufhältig und sei ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden.
Dem Antrag lagen folgende Unterlagen bei:
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Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2015
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Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin
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Kopie einer Identitätskarte, ausgestellt durch die Islamische Republik Afghanistan, Ministry of Interior Affairs, ausgestellt am 24.07.2011
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Heiratsbestätigung, ausgestellt durch die Islamische Republik Afghanistan am XXXX
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Ausweis des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Bezugsperson, ausgestellt am 15.06.2017
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Bescheid betreffend die Bezugsperson, ausgestellt durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.05.2015
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Meldebestätigung betreffend die Bezugsperson, ausgestellt am 19.01.2016
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Kopien von Fotos, die die Eheschließung bezeugen sollen
Mit Schreiben vom 24.04.2017 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber der XXXX gemäß §35 Abs. 4 AsylG mit, dass nach Prüfung der Sachlage die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei; dies unter Hinweis auf die Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2017, worin nach Darlegung der Rechtslage ausgeführt wird, dass die Angaben zu einer gültigen Eheschließung nicht glaubwürdig seien. So habe die Bezugsperson im Verfahren angegeben, im Jänner 2012 konvertiert und im März 2012 getauft worden zu sein und im Dezember 2012 die Antragstellerin, eine Muslimin, geheiratet zu haben. Die Antragstellerin habe wiederum in deren Interview vor der Botschaft angegeben, am XXXX geheiratet zu haben. Ein Heiratszertifikat, datiert mit XXXX , sei mit dem Datum der Heirat am XXXX der Botschaft vorgelegt worden. Laut dem Interview am 02.06.2016 bei der Botschaft hätten die Antragstellerin und die Bezugsperson wiederum fünfeinhalb Jahre zuvor geheiratet. Das wäre somit Jänner 2011 gewesen. Laut einer weiteren Angabe in diesem Interview habe die Antragstellerin mit 17 Jahren geheiratet. Dies wäre wiederum nach vorgelegtem Reisepass (geboren am XXXX ) frühestens nach Dezember 2012 gewesen. Diese Diskrepanz sei bereits bei der ÖB Islamabad auffällig geworden. Auf der angeführten Heiratsurkunde fehle weiters die Unterschrift/Fingerabdruck des Bräutigams. Aufgrund dieser unterschiedlichen Angaben könne bereits eine Ehe nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der vorliegenden Heiratsregistrierung sei hier bereits grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass in Afghanistan eine Vielzahl von Dokumenten, Bestätigungen und Fälschungen gegen Bezahlung und Freundschaftsdienste erhältlich seien. Dies sei durch zahlreiche diesbezügliche Angaben in Anfragebeantwortungen gedeckt. Somit könne die Heiratsurkunde vom Amt nicht als unbedenkliches Beweismittel im Sinne eines Vollbeweises herangezogen werden.
Im Weiteren wurde zum Nichtbestehen der Ehe ausgeführt:
Im vorliegenden Fall sei die Bezugsperson lt. deren Angaben ca. im Jänner 2012 zum Christentum konvertiert, im März 2012 in Afghanistan getauft worden und sei sie drei Monate nach der Heirat im Oktober/Dezember 2012 geflüchtet. Hiezu wurde ausgeführt: Im Falle des Abfalls vom Islam (Apostasie) bzw. der Konversion vom Islam zum Christentum durch den Ehemann sei nach islamischen Recht nicht mehr vom Bestehen einer aufrechten Ehe auszugehen. Nach der Hanafi-Schule gelte das eheliche Band durch Abkehr und Konversion weg vom islamischen Glauben damit zugleich als aufgelöst. Verwiesen werde auf die entsprechenden Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 20.08.2014 und 13.02.2012 zur Rechtslage hinsichtlich männlichen konvertierten Ehegatten. Dies entspreche auch der Tatsache, dass von der afghanischen Regierung, dem dafür zuständigen Familiengericht, welches jedenfalls eine muslimische Zeremonie verlangt, eine Ehe zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann nicht registriert werden könne.
1.2. Mit Schreiben vom 10.04.2017 wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei; dies mit Hinweis auf obgenannte Stellungnahme vom 05.04.2017, sowie auf die ergangene Mitteilung.
1.3 Mit Schreiben vom 02.05.2017 wurde Stellungnahme erstattet und mitgeteilt, dass der Bezugsperson (namhaft gemacht) in Österreich Asyl gewährt wurde. Die Bezugsperson sei im Heimatland im Frühjahr 2012 zum Christentum konvertiert. Aufgrund der gesellschaftlichen Struktur Afghanistans habe sie ihre Religion geheim gehalten. Nicht einmal ihre Familie (die der Bezugsperson) habe gewusst, dass sie zum Christentum konvertiert gewesen sei. Am 20.10.2012 habe die Bezugsperson die Antragstellerin geheiratet. Ihr habe er anvertraut, dass er heimlicher Christ sei. Da dies außer seiner Ehefrau jedoch niemand gewusst habe, ließen sich die Antragstellerin und die Bezugsperson am XXXX nach islamischem Ritus vor einem Mullah und mehreren Trauzeugen im Kreis der Familie trauen. Am 31.03.2016 habe die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Einreise bei der ÖB Islamabad gestellt. Die Erstbehörde habe deren Entscheidung auf die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegründet, wonach die Gewährung derselben Status nicht wahrscheinlich sei und sei in der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2017 festgehalten worden, dass die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG angeblich den Angaben der Bezugsperson im Asylverfahren widersprechen würden, eine gültige Ehe sei nach den Grundsätzen des Herkunftslandes nicht geschlossen worden, da die Bezugsperson schon vor der Eheschließung zum Christentum konvertiert sei und habe ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK im Herkunftsland nicht bestanden.
Die Bezugsperson habe im Rahmen des Asylverfahrens angegeben, im Dezember 2012 geheiratet zu haben und werde in der vorgelegten Heiratsurkunde jedoch - so die Erstbehörde - mit 02.10.2017 genannt. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Bezugsperson am 09.02.2015 im Wortlaut aussagte: "Ich bin verheiratet mit XXXX , ca. XXXX Jahre, seit über 2 Jahren, ca. im Dezember 2012". Es habe sich bei der Angabe der Bezugsperson somit offensichtlich um eine ungefähre Zeitangabe gehandelt, die von dem in der Urkunde genannten Datum nur unwesentlich abweiche. Gemäß der Botschaft sei weiter angemerkt worden, dass auch die Antragstellerin weder exakt habe angeben können, wie viele Jahre ihre Hochzeit zurückliege noch wie alt sie damals genau gewesen sei. Hiezu sei auszuführen, dass Daten und Altersangaben in Afghanistan nur eine untergeordnete Rolle spielen würden. Aus einem Artikel der New York Times vom Dezember 2014 gehe etwa hervor, dass die meisten Menschen in Afghanistan ihr Geburtsdatum nicht wüssten. Vor dem speziellen kulturellen Hintergrund der Antragstellerin und der Bezugsperson sei das Unvermögen, präzise Zeitangaben zur Eheschließung zu geben und diese in Verbindung mit eigenem Alter zu setzen also kaum verwunderlich.
Das Bundesamt spreche weiterhin der vorgelegten Heiratsurkunde deshalb den Beweiswert ab, weil nach der dort herrschenden Erkenntnis in Afghanistan eine Vielzahl von Dokumenten, Bestätigungen und Fälschungen gegen Bezahlung und Freundschaftsdienste erhältlich seien. Die Heiratsurkunde könne deshalb vom Amt nicht als unbedenkliches Beweismittel im Sinne des Vollbeweises herangezogen werden. Dazu sei grundsätzlich angeführt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beim Einreiseverfahren gemäß § 35 AsylG um ein dem Asylverfahren vorgelagertes Verfahren handle, um relevante Fälle herauszufiltern und ihnen den Zugang zum ordentlichen Verfahren im Inland zu ermöglichen. Sollte hier eine Gewährung desselben Schutzes bloß wahrscheinlich erscheinen, sei die Einreise zu gewähren. Die Gewissheit über die Gewährung dieses Schutzes sei nicht erforderlich. Nur wenn die Gewährung desselben Schutzes ausgeschlossen werden könne, dürfe der Einreiseantrag abgelehnt werden. Es sei demnach dem Bundesamt nicht beizupflichten, wenn es der Meinung ist, dass der volle Beweis für das Bestehen des Familienangehörigenverhältnisses zu erbringen sei. Im konkreten Fall sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Bundesamt an der Echtheit der eingereichten Urkunde zweifle. Allgemeine Zweifel seien nach höchstgerichtlicher Judikatur jedoch nicht ausreichend. Weiters merke das Bundesamt lediglich an, dass auf der Heiratsregistrierung die Unterschrift des Bräutigams fehle, was jedoch kaum verwunderlich sei, da sich dieser zum Zeitpunkt der Registrierung in Österreich befunden habe. Wie bereits erklärt, sei die Ehe am XXXX in Anwesenheit des Brautpaares im Kreise der Großfamilie vor einem Mullah und Trauzeugen geschlossen worden. Es sei in Afghanistan weder üblich noch notwendig, Eheschließungen gerichtlich registrieren zu lassen und werde dies in einem Handbuch zu afghanischem Familienrecht vom Juli 2012 durch das Max-Planck-Institut bestätigt. Eine Nichtregistrierung habe keine Auswirkung auf deren Gültigkeit. Im Weiteren schreibe die namhaft gemachte Geschäftsführerin von Women for Afghan Women (WAW) in einer in Kabul und New York ansässigen Frauenorganisation, dass Eheschließungen, bei denen Zeugen anwesend seien und die vor einem Mullah geschlossen worden seien, Rechtsgültigkeit besitzen würden. Das Bundesamt habe die getroffene negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Weiteren damit begründet, dass eine gültige Ehe nach den Rechtsgrundsätzen des Herkunftslandes nicht geschlossen worden sei, da die Bezugsperson schon vor der Eheschließung zum Christentum konvertiert gewesen sei. Wie bereits erwähnt, habe die Bezugsperson ihren christlichen Glauben in Afghanistan geheim halten müssen und sei die Antragstellerin die Einzige gewesen, die über die religiöse Überzeugung der Bezugsperson Bescheid gewusst habe. Beiden Ehepartnern sei klar gewesen, dass sie nur heiraten könnten, wenn sie sowohl ihre Verwandten und Bekannten, als auch die afghanischen Behörden in dem Glauben ließen, die Bezugsperson sei Moslem. Dem Bundesamt sei weiters zuzustimmen, dass die Eheschließung zwischen muslimischen Frauen und nichtmuslimischen Männern in Afghanistan verboten sei. Wäre die Konversion der Bezugsperson dort bekannt geworden, wäre weder die religiöse Eheschließung noch die nachträgliche gerichtliche Registrierung möglich gewesen. Nach den Rechtsgrundsätzen des Herkunftslandes wäre die Ehe somit nichtig. Gemäß § 27 IPRG sei die Gültigkeit der Ehe nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie begründet werde; inklusive der gemäß § 6 IPRG normierten Vorbehaltsklausel.
Unter den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung sind jedenfalls Verfassungsgrundsätze wie persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, Verbot rassischer oder religiöser Diskriminierung und die Freiheit der Eheschließung zu verstehen und dürfe diese nicht durch die Anwendung ausländischen und damit auch ausländisch-islamischen Ehe-und Familienrechts in Österreich nicht verletzt werden. Der Antrag hätte dementsprechend nicht abgelehnt werden dürfen, weil Eheschließungen zwischen muslimischen Frauen und nicht-muslimischen Männern in Afghanistan verboten seien. Eine derartige Entscheidung würde gegen den ordre public-Grundsatz verstoßen.
1.4. Mit Schreiben vom 24.07.2017 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine zweite Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 worin ursprünglich übermittelte Mitteilung und Stellungnahme vom 05.04.2017 vollinhaltlich aufrechterhalten werde.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.08.2017 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG 2005 iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei.
1.6. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die Bezugsperson der Antragstellerin im Frühjahr 2012 zum Christentum konvertiert sei und habe sie aufgrund der gesellschaftlichen Struktur Afghanistans die Religion geheim halten müssen, um Verfolgungshandlungen abzuwenden. Der Beschwerdeführerin habe die Bezugsperson anvertraut, dass er heimlicher Christ sei und habe die Eheschließung am XXXX in der Heimatregion stattgefunden. Die Ehe sei nach islamischem Ritus vor einem Mullah und mehreren Trauzeugen im Kreis der Familie geschlossen worden. Zum Beweis hiefür seien auch Hochzeitsfotos und eine Heiratsurkunde vorgelegt worden. Die vorliegenden geringfügigen Abweichungen der zeitlichen Angaben zur Eheschließung seien kulturell bedingt und seien die Zweifel an der Echtheit der Heiratsurkunde nicht nachvollziehbar, da diese auf Mutmaßungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beruhen würden. Die Ehe sei im Jahr 2012 geschlossen worden und später registriert. Entgegen der Annahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl habe bereits vor der Ausreise ein Familienleben bestanden. So sei die Bezugsperson, die studiert habe, zwischen dem Wohnort in Kabul und dem Wohnort der Beschwerdeführerin gependelt und habe auch ein reger aktueller Kontakt bestanden und habe die Bezugsperson die Beschwerdeführerin weiters finanziell unterstützt.
Im Weiteren wurden im Einzelnen die bereits in der obig dargestellten Stellungnahme niedergelegten Argumente für das Vorliegen einer rechtswirksam geschlossenen Ehe ins Treffen geführt. Im Zuge der Stellungnahme vom 02.05.2017 habe die Beschwerdeführerin überdies beantragt, die Bezugsperson als Zeugen für das bestehende und bereits im Herkunftsstaat begründete Familienleben einzuvernehmen. Diesem Antrag sei die belangte Behörde jedoch nicht nachgekommen. Insbesondere durch die aktenkundig aufliegenden Hochzeitsfotos sei deutlich erkennbar, dass die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin die Ehe geschlossen haben.
Der Beschwerde beigeschlossen wurden eine Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin sowie die deutsche Übersetzung des Eheschließungszeugnisses, ausgestellt durch die Islamische Republik Afghanistan "Supergericht" vom XXXX sowie ein Personalauszug der Statistikabteilung des afghanischen Innenministeriums zum Zwecke des Nachweises der Identität der Antragstellerin.
1.7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom XXXX wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Im Wesentlichen wurde die Entscheidung wie folgt begründet:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.
Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.
Unabhängig von der Bindungswirkung sei die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht zu beanstanden. Die belangte Behörde teile die bereits dargelegte Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass die Beschwerdeführerin aus genannten Gründen keine Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 sei.
1.8. Mit Schreiben vom 14.11.2017 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
1.9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.12.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
1.10. Mit Erkenntnis vom 05.02.2018, Zl. W105 2179720-1/2E, wurde die Beschwerde gemäß Art. 35 Abs. 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
Dieser Entscheidung wurden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
"Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 31.03.2016 bei der XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde XXXX , StA. Afghanistan genannt, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei.
Die Bezugsperson hat ihren Herkunftsstaat Afghanistan verlassen und beantragte am 18.07.2013 die Gewährung internationalen Schutzes.
Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2015, Zl. 831038506-1692474, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Nach Antragstellung wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei, da keine Familienangehörigeneigenschaft vorliege.
Die Heiratsurkunde, ausgestellt durch die Islamische Republik Afghanistan am XXXX , weist die Registrierung der Eheschließung mit XXXX aus.
Der Beweis des Vorliegens einer Ehe bzw. eines rechtlich relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht erbracht werden."
1.11. Dagegen erhob die BF außerordentliche Revision an den VwGH, der diese als zulässig und begründet qualifizierte und das angefochtene Erkenntnis des BVwG mit Erkenntnis vom 04.10.2018, Zl. Ra 2018/18/0149-9, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob. Begründend führte der VwGH zur Frage der rückwirkenden Gültigkeit von traditionellen Eheschließungen durch ihre nachfolgende staatliche Registrierung Folgendes aus (Fettdruck im Original nicht enthalten):
"Diese Rechtsauffassung steht, wie die Revision im Ergebnis zutreffend geltend macht, im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. So wurde in einem ähnlich gelagerten (das syrische Eherecht betreffenden) Fall erst jüngst erkannt, dass eine die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung erfüllende Ehe grundsätzlich gültig ist. Der bloße Umstand der rückwirkenden Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung im ausländischen Recht verstößt allerdings - entgegen der Annahme des BVwG - nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung.
Inhaltliche Vorbehalte gegen die Eheschließung, die eine Verletzung des ordre public begründen könnten (wie etwa eine Verletzung des Verbotes der Kinderehe oder des Ehezwangs) wurden vom BVwG nicht festgestellt (vgl. zum Ganzen VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094, mwN"
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.1. § 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres
und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
...
§ 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Zunächst ist auszuführen, dass durch die oben zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zwar klargestellt ist, dass afghanische, traditionell-muslimisch geschlossene Ehen, die nachfolgend staatlich registriert werden, grundsätzlich rückwirkend mit dem Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit als rechtsgültig anzusehen sind, sofern keine sonstigen dem ordre publik widersprechenden Umstände (wie etwa Kinderehe oder Ehezwang) gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen.
Diese Rechtsansicht kann jedoch sinnvollerweise nur Gültigkeit haben, wenn das der Registrierung vorangehende Grundgeschäft nicht bereits selbst einen Mangel aufweist. Im vorliegenden Fall ist der vom BFA eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu entnehmen, dass im Falle der Konversion vom Islam zum Christentum durch den Ehemann nach islamischen Recht nicht mehr vom Bestehen einer aufrechten Ehe auszugehen ist. Auch stellt es laut der Anfragebeantwortung eine Tatsache dar, dass von der afghanischen Regierung bzw. dem zuständigen Familiengericht, eine Ehe zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann nicht registriert werden kann. Dem vorliegenden Fall liegt nun aber die Konstellation zu Grunde, dass eine Ehe nach muslimischem Ritus zwischen einem zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits zum Christentum konvertierten Mann und einer muslimischen Frau geschlossen wurde, wobei die Konversion seitens der Ehepartner sowohl im Rahmen der muslimischen Zeremonie als auch der folgenden staatlichen Registrierung gegenüber den anwesenden Personen bzw. staatlichen Behörden nicht bekannt gegeben bzw. bewusst verschwiegen wurde.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nun aber zunächst die Frage, ob angesichts der Tatsache, dass wesentliche Umstände und Voraussetzungen für das gültige Zustandekommen einer Ehe nach muslimischen Ritus und die nachfolgende staatliche Registrierung seitens der Ehepartner gegenüber den maßgeblichen Stellen und Behörden bewusst vorenthalten wurden, nicht eventuell sogar eine absolut nichtige Ehe vorliegt. Bejahendenfalls folgt daraus die weitere Frage, ob ein zunächst gegebenenfalls absolut nichtiges Rechtsgeschäft - daher die nach muslimischen Ritus erfolgte Eheschließung zwischen einem Christen und einer muslimischen Frau wie in casu - durch eine nachfolgende staatliche Registrierung dennoch rückwirkend Gültigkeit erlangen und dadurch gegebenenfalls quasi "geheilt" werden kann.
Die abschließende Beantwortung dieser Fragen erweist sich ausgehend davon, dass sich im Falle der Bejahung des Vorliegens einer gültigen Ehe trotz bzw. unter der gegebenen Konstellation für die Erteilung des Aufenthaltstitels weitere Fragestellungen ergeben, als unumgänglich. Kommt man nämlich zum Ergebnis, dass eine rechtsgültige Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson besteht, bedingt dies die Prüfung des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG im Sinne des § 60 Abs. 2 AsylG. Im Akt fehlen aber jegliche Ermittlungen dazu, ob die Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft hat (§ 60 Abs. 2 Z. 1 AsylG), diese über einen Krankenversicherungsschutz verfügt (§ 60 Abs. 2 Z. 2 AsylG), ihr Aufenthalt nicht zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (§ 60 Abs. 2 Z. 3 AsylG) und durch die Erteilung des Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik zu einem anderen Staat nicht wesentlich beeinträchtigt werden könnten (§ 60 Abs. 2 Z. 4 AsylG). Nur durch die abschließende Prüfung des Vorliegens dieser Erteilungsvoraussetzungen kann folglich geklärt werden, ob der Beschwerdeführerin der beantragte Einreisetitel gewährt werden kann oder nicht.
Nachdem das BFA hinreichende Ermittlungen dahingehend getätigt haben wird, ob in Anbetracht der vorliegenden Konstellation vom Vorliegen einer rechtsgültigen Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson auszugehen ist, wird es in einem weiteren Schritt möglich sein, sich damit auseinanderzusetzen, ob die in § 60 Abs. 2 AsylG geforderten Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen oder nicht.
Es war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung eines neuen Bescheides aufzutragen. Gemäß § 11 Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Ehe, Einreisetitel, Ermittlungspflicht, Gültigkeit, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W105.2179720.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020