Entscheidungsdatum
19.06.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W174 2189019-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA XXXX , wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 12.03.2018 und Anhaltung vom 12.03.2018 bis 14.03.2018, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z. 3, 22a Abs. 1 Z 1 und 2, 34 Abs. 3 Z 3 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattgegeben und festgestellt, dass die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme rechtswidrig waren.
II. Dem Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGVG nicht stattgegeben; der Bund hat gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGVG in Verbindung mit VwG-Aufwandersatzverordnung hat dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Georgiens, brachte am 28.11.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein.
1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 10.01.2018, Zahl:
780757204/171328982/BMI-BFA, wurde dieser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
1.3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 04.02.2018 Beschwerde.
1.4. Am 08.03.2018 wurde gegen die Beschwerdeführerin ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung erlassen. Begründet wurde dieser damit, dass das Asylverfahren gemäß § 5 AsylG 2005 durchführbar und die Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden gewesen sei.
Am selben Tag wurden ein Durchsuchungsauftrag gemäß § 35 BFA-VG für die Meldeadresse der Beschwerdeführerin sowie ein Abschiebeauftrag im Luftweg für den 15.03.2018 um 2:15 Uhr per Charter nach Georgien erlassen.
1.5. Am 12.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin um 7:45 Uhr festgenommen und in weiterer Folge in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert.
1.6. Am selben Tag langte beim Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung in Abschiebehaft samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin aus Georgien stamme und ihre Familie zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Sie habe einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 55 AsylG 2005 gestellt, die aufschiebende Wirkung der gegen den diesbezüglich abweisenden Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde sei nicht aberkannt worden. Die seitens der belangten Behörde als Reaktion auf den Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 erlassene Ausweisung sei nicht rechtskräftig, weil der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme. Tatsächlich müsse sich die Beschwerdeführerin dem laufenden Verfahren zur Verfügung halten und könne nicht ausreisen. Es gebe daher keinen Anlass, die Beschwerdeführerin festzuhalten und zur Abschiebung vorzubereiten.
Beantragt wurde, nach einer mündlichen Verhandlung die Festnahme und Anhaltung "in Abschiebehaft" für rechtswidrig zu erklären sowie der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten in der Höhe von € 737,60, für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung von zusätzlich € 922, zu ersetzen.
1.7. In der Beschwerdevorlage vom 13.03.2018 gab das Bundesamt im Wesentlichen folgende Stellungnahme ab:
Die Beschwerdeführerin habe am 28.11.2017 einen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 eingebracht, an diesem Tag sei gemäß § 39 BFA-VG ihr Reisepass sichergestellt worden. Der Antrag sei mit Bescheid abgewiesen und gleichzeitig eine mit 16.02.2018 rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden. Die Beschwerdeführerin habe eine Frist von 14 Tagen gehabt, um freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen. Da sie dem nicht nachgekommen sei, sei sie am 07.03.2018 für den Charter nach Georgien am 15.03.2018 nominiert und anschließend der Landespolizeidirektion am 08.03.2018 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG zur Vollziehung der Charterabschiebung am 15.03.2018 übermittelt worden. Dieser Festnahmeauftrag sei am 12.03.2018 vollzogen und die Beschwerdeführerin anschließend in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert worden. Sie befinde sich nicht in Schubhaft. Weiters wurde angemerkt, dass die Beschwerdeführerin nicht bereit gewesen sei, die freiwillige Rückkehr zu beantragen. Weil sie sich nicht in Schubhaft oder im geringeren Mittel befinde, sondern im Stande der Festnahme aufgrund eines vollzogenen Festnahmeauftrags, könne auf eine Unverhältnismäßigkeit der Haft auch nicht näher eingegangen werden.
Das Bundesamt beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. unzulässig zurückweisen und die Beschwerdeführerin zum Ersatz von insgesamt € 426,20 (Vorlage- und Schriftsatzaufwand der belangten Behörde) verpflichten.
1.8. In Folge eines mit der erkennenden Richterin geführten Telefonates teilte die rechtliche Vertretung der Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht per E-Mail am 14.03.2018 mit, dass der in der Maßnahmenbeschwerde gestellte Antrag auf aufschiebende Wirkung als Antrag auf Abschiebeschutz zu verstehen sei. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Beschwerde gegen den Bescheid (Abweisung des Antrags auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 samt Rückkehrentscheidung) rechtzeitig einbracht worden sei. Dieser komme die aufschiebende Wirkung zu, zumal diese im Bescheid nicht aberkannt worden sei. Dazu wurden als Scan die ersten beiden Seiten des Bescheids sowie die Beschwerde samt Faxbestätigung übermittelt.
1.9. Diese Mitteilung samt Anhängen wurde dem Bundesamt am selben Tag mit dringender Aufforderung zur Stellungnahme weitergeleitet.
1.10. Die Beschwerdeführerin wurde am 14.03.2018 um ca. 13:00 Uhr aus der Haft entlassen.
1.11. Am 14.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Bundesamtes ein. Darin wurde im Wesentlichen angeführt, die Kanzlei der Regionaldirektion Wien habe festgestellt, dass die Beschwerde am 04.02.2018 per Fax eingetroffen, jedoch mit einer anderen Person verbunden und somit in Verstoß geraten sei. Aus diesem Grunde hätte sie nicht bearbeitet werden können. Da im Akt nichts vorgelegen und der Bescheid somit in Rechtskraft erwachsen sei, sei gegenständlicher Festnameauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG erlassen und am 12.03.2018 vollzogen worden. Am heutigen Tage sei die Situation geklärt und die Beschwerdeführerin sofort aus der Haft entlassen, sowie die Charterabschiebung für den 15.03.2018 storniert worden. Nochmals wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. unzulässig zurückweisen und die Beschwerdeführerin zum Ersatz von insgesamt € 426,20 verpflichten.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Getroffene Feststellungen:
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.01.2018, Zahl:
780757204/171328982/BMI-BFA, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.11.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.
Am 08.03.2018 wurde gegen die Beschwerdeführerin ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung erlassen.
Am 12.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin um 7:45 Uhr festgenommen und in weiterer Folge in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert. Am 14.03.2018 um ca. 13:00 Uhr wurde die Beschwerdeführerin aus der Haft entlassen.
2.2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes sowie der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts und der Einsichtnahme in das Grundversorgungs-informationssystem, das Zentrale Melderegister sowie die Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung.
Weitere Beweise waren wegen der bereits im Zuge des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens erlangten Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
2.3.1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen, insbeosndere Zuständigkeit:
2.3.1.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrens-gesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungs-gerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.
2.3.1.2. Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden 1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; 2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit; 3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde und 4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß Artikel 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über 1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes, 2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG, 4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und 5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungs-gerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Gemäß §22a Abs. 2 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn 1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist, 2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder 3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht ist sohin für die Entscheidung in der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
2.3.2. Zu Spruchpunkt A) I.:
2.3.2.1. Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung:
Gemäß dem mit Festnahmeauftrag betitelten § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll. Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht der Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrags darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
Gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung für das Bundesamt festzunehmen, wenn gegen ihn ein Festnahmeauftrag nach § 34 BFA-VG besteht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.01.2018, Zahl:
780757204/171328982/BMI-BFA, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.11.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde vom Bundesamt nicht aberkannt.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, die beim Bundesamt in Verstoß geriet.
Am 08.03.2018 wurde gegen die Beschwerdeführerin ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung erlassen.
Am 12.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin um 7:45 Uhr festgenommen und in weiterer Folge in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert. Am 14.03.2018 um ca. 13:00 Uhr wurde die Beschwerdeführerin aus der Haft entlassen, nachdem die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10.01.2008 von der Behörde aufgefunden worden war.
Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung. Diese kann die Behörde gemäß Abs. 2 mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist (Z 1), der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist (Z 2) oder Fluchtgefahr besteht (Z 3).
Im gegenständlichen Fall wurde der - rechtzeitig eingebrachten - Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vom 10.01.2018 die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, sodass diese zum Zeitpunkt der Festnahme und Anhaltung nicht durchsetzbar und somit die Festnahme und Anhaltung zum Zwecke der Abschiebung rechtswidrig waren.
2.3.3. Zu Spruchpunkt A) II. Kostenbegehren:
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 leg. cit. den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß Abs. 7 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.
Beide Parteien beantragten Aufwandsersatz gemäß § 35 VwGVG. Als obsiegender Partei war dieser der Beschwerdeführerin zuzusprechen, dem Antrag des Bundesamtes als unterlegene Partei war dementsprechend nicht statt zu geben.
2.3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
2.3.5 Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Anhaltung, aufschiebende Wirkung, Festnahme, Kostenersatz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W174.2189019.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.04.2020