TE Bvwg Beschluss 2019/7/30 W205 2122777-1

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Veröffentlicht am 30.07.2019
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Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W205 2122780-1/5E

W205 2122777-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Karin SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 16.02.2016, Zl. Islamabad-OB/KONS/2353/2016, aufgrund des Vorlageantrags von 1) XXXX , geb. XXXX 1979, und 2) XXXX , geb. XXXX .1998, beide StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Lennart Binder, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 21.01.2016, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide und die Beschwerdevorentscheidung behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines jeweils neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Islamabad zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 04.12.2014 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad/Pakistan (im Folgenden: "ÖB Islamabad") unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führten sie aus, ihr Ehemann bzw. Vater, XXXX , geb. XXXX .1966, StA. Afghanistan, habe in Österreich subsidiären Schutz erhalten. Dieser sei mit Bescheid vom 01.10.2014 bis zum 27.09.2016 verlängert worden.

Die Erstbeschwerdeführerin legte eine Heiratsurkunde, ausgestellt durch die Botschaft Afghanistans in Islamabad am 09.04.2013, vor. Aus dieser geht hervor, dass zwei namentlich genannte Zeugen vor der Botschaft die Eheschließung der Beschwerdeführerin und des XXXX , welche am 15.12.1986 stattgefunden habe, bezeugen. Weiters ist vermerkt, dass die Erstbeschwerdeführerin und die Bezugsperson am 09.04.2013 vor der Botschaft erschienen seien und die Richtigkeit dieser Angaben bezeugt hätten.

Die Zweitbeschwerdeführerin legte eine Geburtsurkunde vor, auf welcher unter "Geburtsdatum und Alter" folgendes vermerkt ist: "Das Alter der Inhaberin wurde aufgrund ihres Aussehens im Jahr 2010 12 Jahre alt (=1998) bestimmt."

2. Bei der Befragung bei der ÖB Islamabad am 04.12.2014 gab die Erstbeschwerdeführerin an, zum Zeitpunkt der Eheschließung vor 28 Jahren etwa 15 Jahre alt gewesen zu sein. Seit 2010 wohne sie mit ihren vier Kindern in Pakistan.

3. Mit Schreiben vom 11.11.2015 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

In einem Aktenvermerk hierzu wurde iW festgehalten, dass dies der vierte Einreiseantrag zweier Mitglieder der Familie XXXX sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe zugegeben, bei der Altersangabe eines ihrer Söhne die Unwahrheit gesagt zu haben, bzw. seien verfälschte besonders geschützte Urkunden (Reisepass) vorgelegt worden. Auch habe die Bezugsperson bei der Einvernahme durch das BFA die Unwahrheit gesagt.

Auch im nunmehrigen Verfahren liege die Problematik bei zwei wesentlichen Sachverhaltskreisen. Einerseits sei die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 15 Jahre alt (Kinderehe). Jedoch sei nach der afghanischen Gesetzgebung die Heirat erst mit 16 Jahren erlaubt. Es liege somit keine rechtsgültige Ehe vor. Der zweite Sachverhaltskreis betreffe die Minderjährigkeit der Kinder. Da die Parteien trotz Kenntnis und damaliger Zustimmung sich einer Altersfeststellung zu unterziehen, diese jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht erbracht hätten, stehe die Minderjährigkeit wegen begründeter Zweifel nicht fest und es müsse neuerlich eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose abgegeben werden.

Schon bei den Erstanträgen zur Einreise im Jahr 2010 seien Zweifel an den Altersangaben der Familie aktenkundig gemacht worden. Die den Anträgen beigegebenen Fotos hätten nicht mit den angegebenen Geburtsdaten in Einklang gebracht werden können. Auch hätten Manipulationen am Reisepass der Mutter vorgelegen. Es sei ein Altersgutachten vorgelegt worden, das jedoch mit seinen drei Zeilen nicht den notwendigen Qualitätskriterien für ein verwertbares Gutachten entsprochen habe.

Beim zweiten Einreiseantrag habe die Botschaft vermerkt, dass die Zweitbeschwerdeführerin "wesentlich älter wirkt als das angegebene Geburtsdatum". Auch habe der im Antrag angegebene Familienname der Erstbeschwerdeführerin nicht mit dem in ihrem Reisepass übereingestimmt. Im Reisepass seien beim Erstantrag die vollständigen Geburtsdaten der Kinder angeführt gewesen, während beim Zweitantrag nur das Geburtsjahr aufgeschienen sei.

Die Erstbeschwerdeführerin habe bei ihrem Zweitantrag einen anderen Familiennamen, nämlich XXXX , als bei den Erst- und Drittanträgen angegeben. Auch habe sie ausgesagt, vier Kinder zu haben. Die Bezugsperson habe den Namen seiner Ehefrau allerdings mit XXXX angegeben und fünf Kinder ( XXXX ) namentlich genannt.

Weiters wurden Details zu den Altersangaben drei weiterer Kinder der Erstbeschwerdeführerin ( XXXX , welche bei früheren Anträgen festgehalten worden waren, angeführt.

Zur Zweitbeschwerdeführerin ist - unter Bezugnahme auf die Vorverfahren - Folgendes ausgeführt: "Unter der (näher angeführten) IFA Zahl wurde das im Einreiseantrag originale beigegebene Foto von M (der Zweitbeschwerdeführerin) eingescannt und abgespeichert. Aufgrund der Divergenz zwischen dem originalen Foto und dem angegebenen Alter ist das angegebene Alter in begründeter Weise in Zweifel zu ziehen gewesen und wird dies aufrechterhalten. Im Reisepass der Mutter wurde M (die Zweitbeschwerdeführerin) angeführt. Auch in der englischen Übersetzung wird M als Studentin angeführt. Dieser Übersetzung lag die Taskira (Zl angeführt) zugrunde."

Resümierend führt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, für den gegenständlichen Fall bedeute dies: "Die Familieneigenschaft der Ehefrau liegt wegen der fehlenden rechtsgültigen Ehe nicht vor. Die Frau war zum Zeitpunkt der Heirat 15 Jahre alt. Weiters ist wie bisher ein Familienleben am Wohnort der Mutter/Ehefrau mit der in Österreich lebenden Bezugsperson möglich. Deshalb war die Einreisegenehmigung nach dem AsylG für die Mutter und die Tochter nicht zu erteilen."

4. Mit Schreiben vom 04.12.2015 wurde den Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson nicht schon bereits im Herkunftsstaat bestanden habe (Kinderehe), weshalb die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei. Weiters sei eine Fortsetzung des bestehenden Familienlebens auch in Pakistan möglich.

5. Am 11.12.2015 brachten die Beschwerdeführerinnen durch ihren bevollmächtigten Vertreter eine Stellungnahme ein. Die Bezeichnung "Kinderehe" sei nicht nachvollziehbar, die Ehe sei entsprechend der afghanischen Vorschriften gültig und ein Alter der Frau von 15 Jahren bei der Hochzeit auch im Vergleich mit anderen Rechtsordnungen nicht ungewöhnlich.

Am 15.12.2015 wurde eine Kopie des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 23.11.2015, Zl. E 1510-1511/2015, übermittelt und ausgeführt, aus diesem gehe hervor, dass das Argument, die Ehe habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, nicht für die Zweitbeschwerdeführerin gelten könne, weiters sei eine Abweisung des Antrages der Erstbeschwerdeführerin auch unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK unzulässig.

6. Nach der von den Beschwerdeführerinnen abgegebenen Stellungnahmen erstattete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.12.2015 eine neuerliche Stellungnahme, wonach die Entscheidung aufrecht bleibe. In einem Aktenvermerk wurde zur Zweitbeschwerdeführerin erneut festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin in einem früheren Verfahren zugegeben habe, falsche Altersangaben zu zumindest einem ihrer Kinder gemacht zu haben, um eine Einreise dieser erwachsenen Person zu erreichen. Darüber hinaus sei die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens in Pakistan ohne weiteres möglich.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.01.2016 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG iVm §35 AsylG mit der Begründung, dass die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe (Kinderehe), weshalb die Erstbeschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinn des 4. Hauptstücks des Asylgesetzes 2005 sei (§ 35 Abs. 5 AsylG 2005). Darüber hinaus sei eine Fortsetzung des bestehenden Familienlebens auch in Pakistan möglich.

8. Gegen den Bescheid richtet sich die am 21.01.2016 eingelangte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass es sich bei der Ehe zwischen Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson nicht um eine Kinderehe handle. Darüber hinaus wäre diese schon längst saniert. Auch das Argument der Fortsetzung des Familienlebens in Pakistan sei unzutreffend. Im Übrigen sei verabsäumt worden zu berücksichtigen, dass jedenfalls der minderjährigen Tochter die Einreise zu gewähren sei.

9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.02.2016 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

Begründend wird iW ausgeführt, auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerinnen einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von den Beschwerdeführerinnen gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerinnen auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Weiters wurde auf das Erkenntnis des BVwG W211 2118334-1 verwiesen, worin die Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft als nicht rechtswidrig erkannt worden sei, wenn zum Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung weder nach afghanischen Zivilrecht noch nach österreichischen Eherecht eine Ehefähigkeit gegeben und auch eine nachträgliche Sanierung verneint worden sei.

Soweit ein Anspruch der minderjährigen Tochter und eine Berücksichtigung des Art. 8 EMRK behauptet werde, werde - so die Begründung weiter - auf die ausführliche Begründung des BFA in der neuerlichen Stellungnahme verwiesen.

10. Am 18.02.2016 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 07.03.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

12. Am 10.06.2016 wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Verbesserungsauftrag erteilt, das den vorgelegten Dokumenten keine Übersetzung in die deutsche Sprache beigefügt war.

13. Dieser Auftrag wurde am 05.07.2016 erfüllt. In einem Begleitschreiben zur Urkundenvorlage gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin an, dass sich ein Sohn der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson, XXXX , seit November 2015 in Österreich befinde und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Es handle sich um den Zwillingsbruder von XXXX . Letztere habe ebenfalls einen Antrag auf Einreisetitel gestellt, ihr Identitätsnachweis werde hiermit vorgelegt. Es werde ersucht, die Anträge der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin und von XXXX gemeinsam zu behandeln. Der Antrag sei "damals" auch für sie gestellt worden, da die Kinder noch minderjährig gewesen seien habe die Erstbeschwerdeführerin für alle ihre Kinder Anträge gestellt. Es werde ersucht dies zu berücksichtigen.

Dem Schreiben beigelegt war ein als "Antrag" bezeichnetes Schriftstück vom 05.08.2013, verfasst von einem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerinnen, in dem die Erteilung von Einreisetiteln für die Beschwerdeführerinnen, XXXX und XXXX beantragt wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien stellten am 04.12.2014 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX 1966, StA. Afghanistan, genannt, welcher als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und als Vater der Zweitbeschwerdeführerin bezeichnet wurde.

Der Antrag der Bezugsperson auf internationalen Schutz vom 04.05.2009 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2009, Zl. 09 05.230-BAG, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), diesem bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stattgegeben (Spruchpunkt II.) und der Bezugsperson gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.09.2010 erteilt (Spruchpunkt III.). Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.11.2009, C10 409458-1/2009/4E, als unbegründet abgewiesen.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson wurde jeweils mit Bescheid des BFA, zuletzt bis 27.09.2020, verlängert. Es ist hinsichtlich der Bezugsperson kein Aberkennungsverfahren anhängig.

Das Alter der Zweitbeschwerdeführerin steht nicht fest, ebensowenig liegen Ermittlungsergebnisse für die Beurteilung von Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der Ehe zwischen Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson vor.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerinnen in Zusammenhalt mit den von ihnen vorgelegten Urkunden, dem Akt der österreichischen Botschaft Islamabad sowie einer aktuellen Abfrage im IZR.

Davon, dass das Alter der Zweitbeschwerdeführerin nicht feststeht, geht das BFA in seiner Prognose selbst aus, zur Frage der Gültigkeit der Ehe von Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson finden sich weder in der Prognoseentscheidung des BFA noch in den Entscheidungen der belangten Behörde verwertbare Sachverhaltsfeststellungen (zum Erfordernis entsprechender Ermittlungen zum relevanten ausländischen Recht samt (Quellen-)Angaben aus jüngerer Zeit: VfGH 10.10.2018, E1805/2018 ua, VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0094; 04.10.2018, Ra 2018/18/0149).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zunächst ist zu den maßgeblichen Bestimmungen für die Entscheidung über den gegenständlichen Einreiseantrag festzuhalten, dass gemäß § 75 Abs. 24 (dritter bis fünfter Satz) AsylG 2005 die §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden sind. Auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde.

Im gegenständlichen Fall stellten die Beschwerdeführerinnen ihren Einreiseantrag nach § 35 AsylG 2005 am 04.12.2014. Das Verfahren über diesen Antrag war somit bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig, sodass im Beschwerdefall § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden ist.

Mit dem FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) entfiel vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU - "StatusRL" (vgl. EBzRV 1523 der Beilagen XXV. GP) mit Inkrafttretensdatum 01.11.2017 ohne Übergangsbestimmung (vgl. § 73 Abs. 18 AsylG 2005) unter anderem in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 jeweils die Z. 2, in § 35 Abs. 5 leg.cit. wurden die Wendungen "im Herkunftsstaat" jeweils durch die Wortfolge "vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten" ersetzt, mit dem FrÄG 2018 (BGBl. I Nr. 56/2018) erfolgte ua mit Inkrafttretensdatum 01.09.2018 ohne Übergangsbestimmungen (vgl. § 73 Abs. 20 AsylG 2005) eine Neufassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und Adaptierung in § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Bei verständiger Interpretation der genannten Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen sind im Beschwerdefall vom Bundesverwaltungsgericht daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 in der durch das FrÄG 2018 modifizierten Fassung, die übrigen Bestimmungen in der nach dem FrÄG 2018 geltenden Fassung anzuwenden.

2. Der mit "Begriffsbestimmungen" übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

-[....]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;"

Der mit "Familienverfahren im Inland" übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

-3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-

-1. dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

----------

-1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

-3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

§ 35 AsylG 2005 idaF lautet:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

(§ 34 Abs. 3 lautete in seiner, von der belangten Behörde noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 145/2017 - FrÄG 2017 wie folgt:

"(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

1.-dieser nicht straffällig geworden ist;

2.-die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3.-gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4.-dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.)"

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

[...]

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

[...]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[....]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Allerdings steht es dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems nunmehr offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Die Überprüfung der Richtigkeit der Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ist nach dem bisherigen Ermittlungsstand jedoch (noch) nicht möglich, da notwendige Ermittlungen fehlen:

3.1. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin vertritt das BFA ohne dies nachvollziehbar zu begründen, im Ergebnis die Meinung, dass die von ihr vorgelegten Urkunden nicht geeignet seien, die behauptete Minderjährigkeit zu bestätigen. Für einen solchen Fall ordnet § 13 Abs. 3 BFA-VG für das vom BFA zu führende Verfahren allerdings folgende Vorgangsweise an:

"(3) Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen."

Dementsprechend ist in einem Fall wie dem vorliegenden eine geeignete Untersuchung in Form einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose vorzunehmen, was im Beschwerdefall allerdings unterlassen wurde. Sollten sich nach Durchführung einer nachzuholenden adäquaten Untersuchung nach wie vor begründete Zweifel an der Minderjährigkeit der betroffenen Beschwerdeführerin zum Antragszeitpunkt ergeben, wäre zu ihren Gunsten von ihrer Minderjährigkeit auszugehen.

Gegebene Minderjährigkeit der Zweitbeschwerdeführerin zum Antragszeitpunkt wäre aber unmittelbar entscheidungsrelevant für den gegenständlichen Einreiseantrag der Zweitbeschwerdeführerin: Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. in seiner Entscheidung vom 28.01.2016, Zl. Ra 2015/21/0230 bis 0231, unter anderem ausgeführt, dass bei der Definition der Eigenschaft als "Familienangehöriger" bei minderjährigen Kindern ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei und insofern durch die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG eine Perpetuierung angeordnet werde, sodass dem Eintritt der Volljährigkeit bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Bedeutung mehr zukommen könne. Daher käme Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Minderjährigkeit zum Antragszeitpunkt Familienangehörigeneigenschaft iS dieser Bestimmung zu und es wäre der beantragte Einreisetitel zu zuzuerkennen.

3.2. Bezüglich der Erstbeschwerdeführerin ging das BFA - trotz ausdrücklicher Bestreitung im Verfahren - im Ergebnis davon aus, dass eine gültige Eheschließung mit der Bezugsperson bereits im Herkunftsstaat nicht gegeben sei, es liege eine - der Sanierung nicht zugängliche - Kinderehe vor, da die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Eheschließung am 16.12.1986 erst 15 Jahre alt gewesen sei. Für diese Beurteilung bedarf es allerdings - auf Sachverhaltsebene - einer fundierten Auseinandersetzung mit dem afghanischen Familienrecht, mit den konkreten Umständen des vorliegenden Falles :

Gemäß § 4 Abs. 1 IPRG ist das fremde Recht nämlich von Amts wegen zu ermitteln. Zulässige Hilfsmittel hiefür sind etwa die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten (mwN Verschraegen, in: Rummel [Hrsg.], ABGB, 2. Bd/II3, 2002, § 4 IPRG Rz 1 f.); zur Ermittlung des fremden Rechts kann auch die Staatendokumentation (§ 5 Abs. 3 BFA-G) in Anspruch genommen werden (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2016/18/0277). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz "iura novit curia" nicht, sodass dieses in einem grundsätzlich amtswegigen Ermittlungsverfahren festzustellen ist (vgl. mwN VwGH 27.6.2017, Ra 2016/18/0277).

Bestimmungen fremden Rechts, die die Mehr-Ehe, die Kinderehe oder eine einseitige Verstoßung der Frau durch den Mann vorsehen, widersprechen österreichischen Grundwertungen im Sinne der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG (vgl mwN zur Rechtsprechung einschließlich des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes Verschraegen, in: Rummel [Hrsg.], ABGB, 2. Bd/II3, 2002, §6 IPRG Rz 2 ff.).

Dabei kommt es für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG allerdings darauf an, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist (siehe zB OGH 28.2.2011, 9 Ob 34/10 f mwN). Der bloße Widerspruch mit Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung allein führt nicht zur ordre public-Widrigkeit, sondern es muss die "Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses im Einzelfall" vorliegen (Verschraegen, in: Rummel [Hrsg.], ABGB, 2. Bd/II3, 2002, §6 IPRG Rz 4). Daher ist auch immer nur die konkrete Bestimmung, aber nicht das gesamte (restliche) fremde Recht im Falle einer ordre public-Widrigkeit nicht anzuwenden (vgl Verschraegen, Internationales Privatrecht, 2012, Rz 1318).

Im Beschwerdefall bedeutet dies, dass in Ansehung der behaupteten Eheschließung von Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson (Gültigkeit bzw. allenfalls Heilung eines seinerzeitigen Mangels nach jahrzehntelanger Ehedauer sowie Geburt mehrerer Kinder) zunächst das ausländische Recht zu ermitteln und der Partei in geeigneter Weise vorzuhalten ist und in der Folge die nach der oben dargestellten Judikatur erforderliche Beurteilung vorzunehmen ist, ob das das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts im Beschwerdefall anstößig ist.

3.3. Sollten die nachzuholenden Ermittlungen des BFA zum Alter der Zweitbeschwerdeführerin deren Minderjährigkeit bei der Antragstellung und somit deren Familienangehörigeneigenschaft ergeben, so wäre - auch für den Fall, dass die wirksame Eheschließung zwischen Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson (nach aktueller Rechtslage vor dessen Einreise) nicht festgestellt werden sollte - vom BFA noch zu prüfen, ob Art. 8 EMRK im Fall der Visaerteilung an die Zweitbeschwerdeführerin es gebieten würde, allenfalls auch der Erstbeschwerdeführerin das beantragte Visum zu erteilen (s. hierzu die bisher nicht näher differenzierte Judikatur der Höchstgerichte, z.B. VfGH 06.06.2014, B 369/2013; 23.11.2015, E 1510- 1511/2015; VwGH 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

4. Soweit im angefochtenen Bescheid (auch) argumentiert wird, im Beschwerdefall wäre die Fortsetzung des Familienlebens zwischen den Antragstellern und der Bezugsperson auch im Aufenthaltsstaat der Beschwerdeführerinnen (Pakistan) möglich, so wird darauf hingewiesen, dass sich in dieser Hinsicht in der Zwischenzeit seit Bescheiderlassung die Rechtslage geändert hat: Wie aus den oben wiedergegebenen Bestimmungen hervorgeht, besteht nämlich die nach der alten Rechtslage (kumulativ) geforderte Voraussetzung, dass die "Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, in einem anderen Staat nicht möglich ist", inzwischen nicht mehr, die Ziffer 2 des § 34 Abs. 3 (und Abs. 2) AsylG 2005, sind durch das FrÄG 2017 in der Zwischenzeit weggefallen. Davon abgesehen entsteht nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]). Im Beschwerdefall war die Bezugsperson jedoch aufgrund der fluchtauslösenden Ereignisse gezwungen, die Familie in Afghanistan zurückzulassen, sodass keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass jede Verbindung gelöst wurde (EGMR, Fall Boughanemi, Z 35).

5. Es waren daher die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung eines jeweils neuen Bescheides aufzutragen. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

6. Bezüglich des Ersuchens im Schriftsatz der Parteien vom 05.07.2016, den Einreiseantrag von XXXX im vorliegenden Verfahren mitzubehandeln, ist festzuhalten, dass diesbezüglich aktuell kein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Eine gemeinsame Verfahrensführung war daher nicht möglich.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Altersfeststellung, Ehe, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W205.2122777.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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