Entscheidungsdatum
23.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W168 2216328-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch RA Dr. Farid RIFAAT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2019, Zl. 477313504/181036083, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und befindet sich seit 2009 im Bundesgebiet. Dem BF wurde vom Magistrat der Stadt Wien gemäß § 63 Abs. 1 Niederlassungs-und Aufenthaltsbewilligungsgesetz (im Folgenden: NAG) ein Aufenthaltstitel "Schüler" erteilt. Der letzte erteilte Aufenthaltstitel war bis zum 13.02.2012 gültig, über einen eingebrachten Verlängerungsantrag wurde jedoch abschlägig entschieden und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgewiesen. Nach dieser Zeit verblieb der Beschwerdeführer dennoch weiter unberechtigt im Bundesgebiet.
Am 31.10.2018 stellte der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen schriftlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen". Dem Antrag wurden ein Reisepass sowie ein Visum (gültig für Österreich vom 20.02.20009-19.06.2009) in Kopie angeschlossen.
Mit Verbesserungsaufträgen vom 31.10.2018 wurde der BF seitens des BFA aufgefordert, binnen vier Wochen ihre Anträge in deutscher Sprache ausführlich schriftlich zu begründen und eine Geburtsurkunde oder ein gleichzuhaltendes Dokument, ein Nachweis der ortüblichen Unterkunft (z.B: Mietvertrag), ein Nachweis der Krankenversicherung sowie Nachweise über einen Rechtsanspruch auf Unterhalt (z.B: Lohnzettel) vorzulegen.
Mit Eingabe des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 28.11.2018 wurde beantragt, die eingeräumte Frist des Verbesserungsauftrages um weitere zehn Wochen zu erstrecken.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2019 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass der BF nachweislich mehr als fünf Jahre im Bundesgebiet legal aufhältig gewesen sei. Sein Aufenthaltstitel "Schüler" sei zuletzt mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 28.10.2015 abgewiesen worden, woraufhin er sich ohne Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet aufgehalten habe. Durch diesen Umstand sei er um den 30.10.2015 in eine massive psychische Stresskomponente versetzt worden, welche durchgehend durch Angststörung charakterisiert sei. In Abklärung der Beschwerden habe vom Facharzt die Ursache der respiratorischen Probleme auf einen Zwerchfellbruch mit chronischer Gastritis zurückgeführt werden können. In einer darauf gerichteten Therapie seien die sich äußernden Beschwerden gut beherrscht worden, wobei durch fachärztliche erreicht werden habe können, dass dem BF1 die Angst vor einem weiteren illegalen Aufenthaltsstatus genommen werden habe können, was dazu geführt habe, dass der BF1 am 31.10.2018 den gegenständlichen Antrag gestellt habe. Der BF habe eine chinesische Staatsangehörige bereits 2009 kennengelernt, weshalb faktisch seit nahezu zehn Jahren ein durchgehend bestehendes Familienleben bestehe. Der BF habe seit 2009 die deutsche Sprache erlernt, A2 Niveau am 13.11.2018 legalisiert, sich dem sozialen Leben und der Kultur in Österreich angepasst und sei erlaubten schulischen Ausbildungen nachgegangen. Der BF sei im Falle der Verteilung der angestrebten Aufenthaltsberechtigung durchaus selbsterhaltungsfähig, denn er könne eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht werde. In seinem Heimatland habe der BF lediglich seine Eltern, welche sich in den erlaubten Zeiträumen beim BF oder bei Verwandten aufhalten würden, ansonsten habe er keine Bindungen zum Herkunftsstaat. Es würden bis auf den durch krankheitsbedingten illegalen Aufenthalt seit dem 30.10.2015 keine Handlungen vorliegen, die dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreisenden Aufenthalt des BF regelnden Bestimmungen zuwiderlaufen würden und den geordneten Vollzug des Fremdenwesens gefährden würden. Im Anlassfall liege ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnde Niederlassungsbehörde vor, welches als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat -und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen wäre. Tatsache sei, dass seit Begründung des illegalen Aufenthaltes am 30.10.2015 von der Behörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gesetzt worden seien und die Behörde demnach seit drei Jahren untätig gewesen sei, weshalb dieses Verhalten zu Lasten der Behörde ausgelegt werden müsse.
Im Rahmen der Urkundenvorlage wurden vom BF ein ärztliches Attest eines Facharztes für innere Medizin sowie Kardiologie vom 04.12.2018, ein Meldezettel, ein Mietvertrag vom 29.10.2018 über eine Wohnung im 10. Bezirk, notarielle Urkunde der Geburt des BF vom 06.11.2018, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vom 13.11.2018, eine Unfallversicherung der Wiener Städtischen vom 23.01.2019 (Beginn 01.02.2019, Ablauf: 01.02.2028), eine Versicherungsbestätigung der Wiener Städtischen vom 28.01.2019, eine Absichtserklärung des Arbeitgebers vom 30.01.2019 über eine zukünftige Tätigkeit in einem Chinarestaurant bei Erfüllung von Auflagen sowie eine Inskriptionsbestätigung vom 31.08.2018 als ordentlicher Studierender am Richard Wagner Konservatorium im Schuljahr 2018/19 in Vorlage gebracht.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 31.01.2019 wurde vom BF ausgeführt, dass er seit dem 03.03.2009 in Österreich aufhältig sei und bisher mit einem Aufenthaltstitel "Schüler" im Bundesgebiet wohnhaft gewesen sei. Befragt, wieso er nach negativer Entscheidung der Magistratsabteilung vom 14.01.2012 nicht ausgereist sei, entgegnete der BF, dass er unter einer psychischen Beeinträchtigung leide und die Entscheidung zudem erst am 28.10.2015 rechtskräftig geworden sei. Die Frage, ob er Familienangehörige in Österreich habe, wurde vom BF verneint. Er wohne mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Mietwohnung und sei krankenversichert, seine Eltern würden in China leben. Zur Frage, wie er sich derzeit sein Leben finanziere, erwiderte der BF, dass er von seinen Eltern mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 1.500,- €
unterstützt werde. Zukünftig wolle er entweder als Zusteller oder als Koch tätig sein und könne bereits eine Arbeitszusage vorlegen. Befragt, weshalb er einen weiteren Aufenthalt in Österreich anstrebe, erklärte der BF, dass er zahlreiche soziale Kontakte im Bundesgebiet habe und ihm sein alltägliches Leben in Österreich gefalle. Zudem habe er sich für ein Studium am Musikkonservatorium inskribiert und wolle nunmehr sein Studium fortsetzen.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.)
Begründend wurde ausgeführt, dass vom BF ein intensives Familienleben mit seiner Lebensgefährtin angegeben worden sei. Seine Lebensgefährtin sei ebenfalls chinesische Staatsbürgerin und diese sei ebenfalls ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich aufhältig, weshalb die Behörde nicht von einem schweren Eingriff in das Privatleben ausgehe, da der BF mit seiner Lebensgefährtin auch im Heimatland zusammenleben könne. Seinem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG habe der BF lediglich angegeben, in Österreich bleiben zu wollen, da er sich bereits lange in Österreich aufhalte. Er sei zum Zeitpunkt des Ablaufes seines Aufenthaltstitels bereits fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen, jedoch habe er sich als "Studierender" im Bundesgebiet aufgehalten. Er befinde sich nunmehr zumindest seit 2015 unrechtmäßig im Bundesgebiet. Er gebe lediglich an, dass es zu China keine Beziehungen mehr gebe und in Österreich weiterhin Musik studieren wolle. Weitere Ausführungen zu einem schützenswerten Privatleben seien nicht gemacht worden. Der BF habe nach Abweisung seines letzten Verlängerungsantrages auf Aufenthaltstitel mit dem Zweck "Studierender" unterlassen, das Bundesgebiet zu verlassen und sei somit einer bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er befinde sich daher seit Abweisung des Aufenthaltstitels nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet. Von seinem rechtsfreundlichen Vertreter sei angeführt worden, dass sein unrechtmäßiges Verbleiben im österreichischen Bundesgebiet durch die Schuld der Behörden entstanden sei, da die Behörden nach Ablauf des Aufenthaltstitels keinerlei fremdenrechtliche Verfahren eingeleitet hätten. Dazu sei anzumerken, dass der BF nach Ablauf des Aufenthaltstitels dazu angehalten gewesen wäre, der Ausreiseverpflichtung aus eigenem Antrieb nachzukommen. Laut Aktenlage habe der BF keine entscheidungsrelevanten sozialen Bindungen in Österreich, da seine Lebensgefährtin, ebenfalls eine chinesische Staatsbürgerin, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Der BF sei nicht erwerbstätig und lebe von Zuwendungen seiner Eltern. Es sei nicht erkennbar, dass dies einen schweren Eingriff in Privat-und Familienleben darstelle, dass eine Rückkehr in sein Heimatland eine schwerwiegende Verletzung des Art. 8 EMRK bedeuten könnte. Auch eine Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sei nicht in Betracht gekommen.
Dagegen erhob der BF innerhalb offener Frist am 18.03.2019 Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der BF im Bundesgebiet bereits seit 2009 ein legalisiertes Privat-und Familienleben mit einer chinesischen Staatsbürgerin führe. Darüber hinaus gebe es intensive Beziehungen des BF zu mehreren engen Verwandten aus der gemeinsamen Lebensbeziehung im Bundesgebiet. Diese seien teilweise österreichische Staatsbürger bzw. aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige. Der BF habe zudem in dem im Bundesgebiet aufhältigen Zeitraum die deutsche Sprache erlernt, A2 Niveau am 13.11.2018 legalisiert, sich dem sozialen Leben und der Kultur angepasst und nehme daran teil. Ebenso sei der BF erlaubten schulischen Ausbildungen im musikalischen Bereich nachgegangen, insbesondere in der Zeit von 02.02.2009 bis Ende des Schuljahres 2014/2015. Seit dem Beginn des Schuljahres 2018/19 habe sich der BF zur Fortsetzung der künstlerischen Ausbildung entschlossen und sich wieder in eine Privatschule eingeschrieben. Darüber hinaus sei der BF im Falle der Erteilung der angestrebten Aufenthaltsberechtigung durchaus selbsterhaltungsfähig. Er habe ein monatliches Einkommen in Höhe von 1500€, welches durch seine Eltern erzielt werde. Der BF könne eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausüben, aus deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten werde. Durch den hohen Grad der Integration und seinem Privatleben im Bundesgebiet habe der BF keine Bindungen zu seinem Heimatstaat, da sich auch seine Eltern in den erlaubten Zeiträumen entweder beim BF oder bei Verwandten aufhalten würden. Aus dieser Sachverhaltsdarstellung gehe hervor, dass der BF durch all diese erwähnten Umstände im Bundesgebiet einen sehr hohen Grad der Integration erreicht habe, vor allem an einer Integration am Arbeitsmarkt, woraus ein schutzwürdiges Interesse anhand der höchstgerichtlichen Judikatur und der darin gegebenen Kriterien gegeben sei. Aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides sei offenkundig zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde im Ermittlungsverfahren Willkür bedient habe und die vom BF erfüllten Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung nicht in ihrer Prüfung berücksichtigt habe. Die Behörde habe unterlassen, im Ermittlungsverfahren eine verfassungsmäßige konforme Prüfung aller bekannter Tatsachen durchzuführen, obwohl dies für die umfassende inhaltliche Bewertung, ob ein Aufenthaltstitel aus besonderem berücksichtigungswürdigen Falle vorliege, jedenfalls erforderlich gewesen. Insgesamt habe sich der BF somit nachweislich seit mehr als fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufgehalten, davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre seines festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen seien. Darüber hinaus erbringe der BF den Nachweis, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z1-3 AsylG erfüllt seien. Er habe jedenfalls eine ortsübliche Unterkunft, verfüge über ausreichende Unterhaltsmittel und sei über eine Krankenversicherung, die in Österreich leistungspflichtig sei, verfügungsberechtigt. Ferner sei der BF unbescholten. Aus der Gesamtschau der vorerwähnten Umstände gehe somit hervor, dass für die Erteilung eines Aufenthaltstitels sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien, welche die belangte Behörde bei der inhaltlichen Bewertung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels außer Acht gelassen habe. Die belangte Behörde habe jedenfalls dadurch, dass sie den Grad der Integration, die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache als auch die vom BF in Anspruch genommene Aus-und Weiterbildungen während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie vor allem seine kommende Integration am Arbeitsmarkt als auch seine Unbescholtenheit nicht berücksichtigt habe, einer willkürlichen Prüfung unterzogen. Der Beschwerde wurden mehrere Kontoauszüge des BF angeschlossen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte zu denen ein relevantes Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht. Der Beschwerdeführer befindet sich mit einer chinesischen Staatsangehörigen, der wie der BF ebenfalls gegenwärtig über keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet verfügt seit mehreren Jahren in einer Lebensgemeinschaft.
Der Beschwerdeführer ist als Schüler/Student in das Bundesgebiet im Jahr 2009 eingereist. Der BF hält sich seit dem 03.03.2009 im Bundesgebiet auf und ist jedoch seit 2015 ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich wohnhaft. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes und ist in Österreich unfall - und krankenversichert. Er hat in Österreich Deutschkurse besucht und ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert. Er ist Student, ist in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und ist nicht aufgrund selbständiger Arbeit selbsterhaltungsfähig, sondern wird von seinen Eltern finanziell unterstützt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF zur Aufrechterhaltung des in Österreich mit der angegebenen Lebensgefährtin begründete Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel für Österreich erteilt werden muss, bzw. das gemeinsame Privatleben mit dieser angegebenen Partnerin, einer ebenfalls chinesischen Staatsbürgerin, nicht auch in China fortgesetzt werden könnte. Eine Ausweisung des BF aus Österreich stellt dahingehend keinen unzulässigen Eingriff in durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar.
Das Vorliegen von sonstigen besonderen Bindungen zum Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer durch sämtliche Ausführungen insgesamt begründet nicht dargelegt.
Das Vorliegen von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen die zu einer Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gem. §56 AsylG führen könnten, wurde im gegenständlichen Verfahren begründet nicht aufgezeigt, bzw. hat der BF konkret nicht aufgezeigt, dass er über die Voraussetzungen zur Erfüllung des §55 AsylG verfügt.
Bei dem BF handelt es sich um einen jungen, auch unter Berücksichtigung der angeführten gesundheitlichen Beschwerden, insgesamt gesunden arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter.
Der Beschwerdeführer ist in China aufgewachsen, hat dort die Schule besucht, spricht eine der Landessprachen als Muttersprachen und in China leben insbesondere die Eltern des BF, die diesen auch in Österreich finanziell unterstützen. Eine maßgebliche soziologische oder sonstige Entwurzelung des Beschwerdeführers von ihrer Heimat konnte insgesamt begründet und glaubhaft nicht dargelegt werden.
Zur Situation im Herkunftsland wird von den zutreffenden, aktuellen Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid ausgegangen, wonach sich ohne Hinzutreten individueller Gründe keine Anhaltspunkte ergeben, dass die BF allein aufgrund der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland bei einer Rückkehr dorthin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung oder ausweglosen Situation ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert, sodass ein neuerlicher Vorhalt im Beschwerdeverfahren unterbleiben konnte.
Dem Beschwerdeführer ist aufgrund der sich aus den Länderinformationen erschließlichen allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Situation in China, insbesondere bis zu einer möglichen Wiedereinreise und der Legalisierung ihres Aufenthaltes, die Rückkehr in ihren Heimatstaat und eine dortige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumutbar. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach China stellt insgesamt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.
Das BFA hat in casu insgesamt zu Recht erkannt, dass die Vornahme einer Rückkehrentscheidung gem. §9 BFA - VG, sowie die Abschiebung gem. §46 FPG nach China zulässig ist.
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt konnte vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt entnommen werden. Das Gericht konnte sich hinsichtlich sämtlicher Würdigungen vollständig auf die Ausführungen des BFA stützen und hat die wesentlichen Feststellungen und Begründungen der Behörde übernommen. Der Beschwerde selbst sind keine substantiell begründeten Ausführungen zu entnehmen, die eine andere Entscheidung aufzeigen würden, bzw. wurde insgesamt begründet nicht aufgezeigt, warum eine mündliche Verhandlung im gegenständlichen Verfahren erforderlich wäre, allfällig weiteres relevantes Vorbringen nicht bereits in der Beschwerdeschrift substantiell begründet dargelegt worden ist oder dieses nur in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern wäre. Die gegenständliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren konnte somit ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgenommen werden.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.
Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).
Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).
International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).
Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).
Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).
Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).
Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).
Quellen:
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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018
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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018
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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018
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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,
http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018
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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018
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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018
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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018
1. Politische Lage
Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).
China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).
Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).
An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).
Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).
Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017
-
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,
http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017
-
CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook
-
China,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017
-
FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017
2. Sicherheitslage
Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017
2.1. Tibet
China regiert Tibet über die Administration der "Autonomen Region Tibet" (TAR) und 12 autonome Präfekturen bzw. Landkreise in den angrenzenden Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 1.2017b).
Spannungen in tibetischen Gebieten dauerten zwischen ethnischen und religiösen Gruppierungen - insbesondere zwischen Han-Chinesen und Tibetern - ebenso weiter an, wie Auseinandersetzungen zwischen Tibetern und Hui-Muslimen (USDOS 15.8.2017). Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 15.12.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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FH - Freedom House (1.2017b): Freedom in the World 2017 - Tibet, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/tibet, Zugriff 4.8.2017
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USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - China, http://www.ecoi.net/local_link/345283/489076_de.html, Zugriff 28.8.2017
2.2. Xinjiang
Widerstand gegen die Zentralregierung und die lokale Regierungspolitik wurde 2016 in friedlichen Protesten, aber auch durch Einsatz von Sprengsätzen und andere gewalttätigen Angriffe ausgedrückt. Die chinesische Regierung behauptet, in der Region terroristischen Kräften gegenüber zu stehen und führt Counterterror-Operationen durch (HRW 12.1.2017). Im Namen der Terrorismusbekämpfung kam es zu Belästigungen durch Beamte, zu willkürlichen Festnahmen und zu beschleunigten Gerichtsverfahren gegenüber Personengruppen, welche friedlich ihrem Recht auf Meinungsäußerung nachkamen (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Details über Proteste, Gewalt und Terrorismus sind jedoch aufgrund der wenigen unabhängigen Informationsquellen rar. Dies gilt auch für Informationen über die Terrorismusbekämpfung (HRW 12.1.2017).
In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. Eindämmung von Unruhepotential (AA 15.12.2016). 2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewaltspirale wird dabei zunehmend auch in andere Regionen Chinas getragen. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten (AA 15.10.2014). Die Gewalt in Xinjiang hat sich auch 2015 auf beunruhigend hohem Niveau fortgesetzt. Der letzte (bekannt gewordene) blutige Anschlag großen Ausmaßes ereignete sich im September 2015, als im Bezirk Aksu über 50 Han-chinesische Minenarbeiter nachts in ihrem Schlafsaal ermordet wurden. Darauf antworteten die chinesischen Sicherheitskräfte einige Wochen später mit der Erschießung von 18 uigurischen Tatverdächtigen, darunter auch Frauen und Kinder. Diese harte Reaktion der Sicherheitsbehörden ist Teil der im Mai 2014 gestarteten "strike hard" Kampagne in Xinjiang, über die Schnellverfahren und Massenurteile institutionalisiert wurden. 2015 hat sich nach chinesischen Angaben die Zahl der Verurteilungen wegen Terrorismus und Separatismus auf über 1.400 verdoppelt. Der allergrößte Teil dieser Urteile steht aller Voraussicht nach in Zusammenhang mit Xinjiang, wo im August 2016 das erste provinzeigene Antiterrorgesetz verabschiedet wurde. Seit Beginn des Jahres scheint diese Härte Wirkung zu zeigen. Die Regierung stuft die Lage mittlerweile als "relativ stabil" ein, woraufhin Berichten zufolge auch einige Bewegungsbeschränkungen gelockert worden sein sollen (AA 15.12.2016).
Ethnische Diskriminierung, religiöse Repressionen und Erhöhung der kulturellen Unterdrückung durch die Regierung im Namen des "Kampfes gegen Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus" führen weiterhin zu steigenden Spannungen in Xinjiang (HRW 12.1.2017).
China macht seit Jahren im Exil lebende uigurische Separatisten für eine Reihe von Angriffen in Xinjiang verantwortlich (Aljazeera 1.3.2017).
Quellen:
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Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed',
http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 14.9.2017
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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 7.8.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 24.8.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 7.8.2017
3. Rechtsschutz/Justizwesen
Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).
Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).
Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).
Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).
Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).
Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).
Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).
Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).
Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).
2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).
Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch