TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W257 2187019-2

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Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W257 2187019-2/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 18.06.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH" als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, etabliert in Wattgasse 38, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zahl:

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte als Minderjähriger am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte bei der Erstbefragung durch die Polizei am folgenden Tag vor, dass er seit dem 4. Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan gewohnt hätte, weil seine Familie damals in den Iran verzogen sei. Er sei am XXXX in Ghazni, Afghanistan, geboren. Er hätte noch einen Vater, eine Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern, welche in Teheran leben würden, deren wirtschaftliche Situation jedoch schlecht sei. Sie wären auch Müllsammler bzw Gelegenheitsarbeiter. Er hätte die Grundschule 5 Jahre lang besucht und sei ledig. Er gehöre der Volksgruppe der Hazaras an, sei Moslem mit Schiitischer Glaubensausrichtung. Er hätte als Hilfsarbeiter gearbeitet und vor ca. 1,5 Monaten den Iran verlassen.

1.2. Als Fluchtgrund brachte er vor: "Die Afghanen bekommen keine Anerkennung in Persien. Ich durfte nicht in die Schule gehen oder Arbeiten. Wir hatten ständig Angst vor den Behörden, wir hatten Angst, abgeschoben zu werden. Aus diesen Gründen beschloss ich das Land zu verlassen."

1.3. Am 14.11.2017 wurde er von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz: "BFA" genannt) zu den Fluchtgründen einvernommen. Dabei brachte er

1.3.1. zu seinen sozialen Verhältnissen ergänzend zu der Ersteinvernahme vor, dass er in Afghanistan geboren worden sei. Sein Vater wäre Zivilpolizist gewesen und hätte sich das Vertrauen eines Paschtunen erworben. Nach ca. eineinhalb Jahren, als er sein Vertrauen besessen hätte, hätte sein Vater 15 oder 16 Leute verhaften lassen, weil diese Taliban gewesen wären. Danach wäre er einem Freund seines Vaters übergeben worden, welcher mit ihm in den Iran verzogen sei. Der Freund wäre dann sein Stiefvater geworden. Dies hätte er auch erst vor einer Woche von diesem erfahren.

Seine Mutter sei nie in den Iran nachgekommen und er wäre dann bei der Familie des Freundes des Vaters im Iran aufgewachsen.

1.3.2. Er wäre 5 Jahre im Iran zur Schule gegangen, hätte als Müllsammler gearbeitet und weil sein vermeintlicher Vater Angst gehabt hätte, dass er nach Afghanistan abgeschoben werden könne, oder - sein älter Bruder - in den Syrienkrieg geschickt werden könne, hätte er die Flucht nach Europa organisiert und auch bezahlt.

1.3.3. Er hätte mit seiner Familie im Iran ca einmal im Monat Kontakt. Auf die Frage, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, bracht er folgendes vor: "Die privaten Gründe sind, weil ich Afghanistan nie gesehen habe. Die anderen Kinder im Heim haben gesagt, dass es viele Pädophile und verbrecherische Übergriffe sowie Drogensüchtige gibt, und ich habe Angst davor. Darum möchte ich dort gar nicht erst hin. Afghanistan hat mir auch niemals geholfen und ich möchte auch keine Hilfe von Afghanistan angewiesen sein. Ich verzichte auf so etwas."

1.3.4. Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

1.3.4.1.1. ÖSD Zertifikat A1 vom 28.04.2017,

1.3.4.1.2. eine Teilnahmebestätigung zum Deutschkurs A2,

1.3.4.1.3. eine Bestätigung der Vorbereitung zum Pflichtschulabschlusskurs und

1.3.4.1.4. eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF vom 13.06.2017.

1.4. Mit Schreiben vom 15.11.2017 ist eine Stellungnahme der Rechtsvertretung als gesetzlicher Vertreter bei der Behörde eingebracht worden.

1.5. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom XXXX , Zahl XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab ab. Mit Spruchpunkt II. gewährte sie im subsidiären Schutz und mit Spruchpunkt III. erteilte sie ihm demgemäß eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.01.2019. Das BFA begründete die Ablehnung des Asylantrages damit, dass aus ihrer Sicht das Vorbringen zu Unglaubhaft gewesen sei. Bei der Erstbefragung wären alleine die wirtschaftlichen Verhältnisse im Iran ausschlaggebend gewesen, während hingegen bei der Einvernahme vor der Behörde plötzlich der Bruder, welcher sich im Syrienkrieg befunden hätte und der als Zivilipolizist arbeitender Vater in Afghanistan, herangezogen worden wäre. Auch sei die Rechtsvertretung selbst von dem Vorbringen erstaunt gewesen, weswegen eine weitere Frist zur Stellungnahme gewährt worden sei. Weiters wären die schwierigen Lebensumstände im Iran kein Grund für die Zuerkennung von internationalen Schutz (sh Seite 126 ff des Bescheides).

1.6. Der subsidiäre Schutz wurde ihm aus folgendem Grund zugestanden: "Die sichere Erreichbarkeit von Kabul ist durch den Flughaften Hamid Karzai gegeben. Dieser steht unter der stetigen Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte. Jedoch, aufgrund ihres jungen Lebensalters und in Zusammenschau mit dem von Ihnen im Zuge der Einvernahme gewonnenen unmittelbaren Eindrucks, gelangte das Bundesamt zu der Ansicht, dass Sie, insbesondere aufgrund der fehlenden Unterstützungsmöglichkeiten durch Ihre Familie, nicht in der Lage wären sich in der IFA-Region zu behaupten und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine aussichtslose Lage geraten würden. Somit besteht - zumindest derzeit - ein Rückkehrhindernis gemäß Art. 3 EMRK. Hervorzuheben ist hier allerdings noch einmal ausdrücklich, dass Ihnen ausschließlich auf Grund des Umstandes, dass ein familiärer Anschluss im Herkunftsstaat nicht auszumitteln war und aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und unter Berücksichtigung der EMRK subsidiärer Schutz in Österreich und somit ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für die Dauer eines Jahres zu gewähren war." (Seite 128 des Bescheides, entnommen aus dem Verfahren XXXX )

1.7. Am 29.11.2018 stellte der BF über seine gesetzliche Vertretung einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels. Er vermeinte, dass er nach wie vor mangels sozialer Anknüpfungspunkte in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation gelangen würde. Er führte in dem Antrag aus, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan weiter verschlechtert hätte. Zudem wird auf das aktuelle Gutachten von Friederiche Stahlmann zu Afghanistan vom 28.03.2018 verwiesen. Darin führt diese an, dass "für Zivilpersonen im gesamten Staatsgebiet ein solches Gewaltniveau besteht, dass bereits aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan die Gefahr besteht einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden".

1.7.1. Dass der Antragsteller am 01.01.2019 volljährig wird, stellt gem der Judikatur des BVwG (Erkenntnis zu Zl. XXXX vom 08.05.2018) keine Änderung der Sach- und Rechtslage dar.

1.7.2. Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

1.7.2.1.1. Aidshilfe Salzburg: Teilnahmebestätigung vom 31.01.2018

1.7.2.1.2. Firma XXXX : Arbeitsvertrag vom 21.08.2018. Das Arbeitsverhältnis beginnt mit 13.08.2018

1.8. Am 01.01.2019 wurde der BF ex lege volljährig.

1.9. Am 02.01.2019 leitete das BFA ein Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ein. Am 04.02.2019 wurde er von der Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei bracht er zusammengefasst die bereits bis dorthin bekannten Gesichtspunkte ein. Im Kern der Aussage sei er noch nie in Afghanistan gewesen, hätte dort keine Verwandte mehr und würde hier einer Arbeit nachgehen.

1.9.1. Folgende neuen Unterlagen wurden vorgelegt:

1.9.1.1.1. Schulnachricht vom 05.02.2016 und eine Schulbesuchsbestätigung vom 08.07.2016 als außerordentlicher Schüler wobei er in den einzelnen Fächern nicht beurteilt wurde. Er hatte im Wintersemester 2015/2016 57 versäumte Unterrichtsstunden, davon unentschuldigte Fehlstunden im Ausmaß von 45 Stunden, weiters

1.9.1.1.2. ein Empfehlungsschreiben von Frau Doris Stellenberger. Darin wird beschrieben, dass dem BF sehr daran gearbeitet hätte eine eigene Arbeit zu finden, dies ihm auch gelungen sei.

1.9.1.1.3. Weiters ein Empfehlungsschreiben seines Arbeitsgebers, namentlich nicht bekannt, ausgestellt unter dem Namen der juristischen Person " XXXX in XXXX . Darin wird der BF ua als äußerst gewissenhafter und verlässlicher Mitarbeiter beschrieben. Er sei seit dem 13.08.2018 bei dieser Firma beschäftigt.

1.9.1.1.4. Drei Kopien einer Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung (Monate August bis November 2018), mit einem Durchschnittsverdienst von ca 1.100.- Euro netto.

1.9.1.1.5. Einen Mietvertrag mit einem Mietzins in der Höhe von 390.- Euro, eine Kopie eines Meldezettels an der Adresse XXXX

1.10. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten "gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt" (Spruchpunkt I.)

und ihm die "mit Bescheid vom XXXX ... erteilte befristete

Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ... gemäß §

9 Absatz 4 AsylG entzogen" (Spruchpunkt II.). Die Behörde sprach aus, dass der Antrag vom 09.07.2018 abgewiesen wird (Spruchpunkt III). Ferner sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn "gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF "eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen" (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde festgelegt, dass "gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" beträgt (Spruchpunkt VI.).

1.11. Die Behörde begründete die Abweisung auszugsweise folgendermaßen: "Eine Rückkehr in Ihre Herkunftsprovinz Ghazni ist ... unzumutbar (Seite 183). Sie sind jung (volljährig), arbeitsfähig, des Lesens und Schreibens mächtig und nicht schwerwiegend erkrankt. Sie sind bereits im Kindesalter mit Ihrer Familie in den Iran gezogen und haben Ihr restliches Leben dort verbracht...Es ist nicht zweifelsfrei feststellbar, ob Ihre leiblichen Eltern tatsächlich tot und Sie ein Einzelkind sind. Es kann Ihnen zugemutet werden, sich in einer größeren Stadt in Afghanistan neu anzusiedeln und dort die notwendige Existenzgrundlage aufzubauen. ...Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat ist Ihnen daher zumutbar...."

1.12. Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht eine Beschwerde, vertreten durch die Diakonie als Mitglied der ARGE Rechtsberatung. Die Beschwerde bemängelte die unrichtige Tatsachenfeststellung und die daraus falschen abgeleiteten rechtlichen Schlussfolgerungen. Die Behörde hätte den subsidiären Schutz des BF lediglich aberkannt, weil dieser nun volljährig geworden sei, er eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sahrif oder Herat vorfinden könne und ihm eine solche auch zumutbar wäre. Dabei hätte sich aber die Versorgungs- und Sicherheitslage verschlechtert. Abermals wurde das Gutachten von Frau Stahlmann zitiert, welches bereits im Verlängerungsantrag erwähnt wurde (sh Punkt 0). Es sei keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten, weswegen die Behörde den Bescheid nicht abändern könne.

1.13. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 12.03.2019 vom BFA vorgelegt. Entsprechend der Geschäftsverteilung wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen.

1.14. Am 17.05.2019 wurden die Verfahrensparteien zur einer Verhandlung eingeladen. Ihnen wurden folgen Länderberichte zur Stellungnahme unter Wahrung des Parteiengehörs mit der Einladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt:

1.14.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019

1.14.2. UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018

1.15. Stellungnahmen zu den Länderinformationen langten nicht ein.

1.16. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 18.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung in seiner Sprache einvernommen wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung ebenso teil.

1.16.1. Im Grunde wiederholte er zum einen sein bisheriges Leben, indem er im Iran aufgewachsen sei, nie in Afghanistan gelebt habe, dort keine Verwandten mehr hätte und hier in Österreich einer geregelten Arbeit nachgehe und so nicht mehr in der Grundversorgung sei. Auf die Frage, was er befürchten würde, wenn er morgen in Kabul landen müsste, brachte er vor, dass ihm die Feinde seines Vaters sofort suchen würden und er von diesen verfolgt werde. Soweit er gehört hätte, gebe es dort viel Kindesmissbrauch. "Wenn sie dort merken, dass jemand vom Ausland aus Europa kommt, werden sie ihn nicht in Ruhe lassen. Das machen die Afghanen allgemein" (Seite 8 der Niederschrift).

1.16.2. Auf die Frage, warum er von den Feinden seines Vaters verfolgt werde, bracht er vor: "Ein Beispiel davon ist mein Stiefvater. Wieso kehrt er nicht nach Afghanistan zurück? Es ist deswegen, weil er auch Probleme hat. Ich wollte es nur vergleichen. Ich glaube die werden mich schnell ausfindig machen, was ist wenn sie mich ausfinden machen? Afghanistan ist ein fremdes Land für mich. Wenn ich nach Wien komme, verliere ich sofort die Orientierung. Wenn ich nach Kabul zurückfliege, werde ich sofort meine Orientierung verlieren, noch mehr als in Wien. Das Land ist völlig fremd für mich. Dort gibt es viele Paschtunen, viele Kindesschänder. Auch religiös gesehen, habe ich Probleme mit den Afghanen."

Weiters:

1.16.3. "R: Was meinen Sie damit, dass Sie verfolgt werden aus religiösen Gründen, falls Sie zurückkehren sollten?

BF: Ich faste nicht, ich bete nicht, ich mag die Moslems nicht. Das sind meine Probleme. Ich trinke einmal in der Woche Alkohol.

R: Sie wissen schon, dass das kein Asylgrund ist, dass man hier Alkohol trinken kann?

BF: Ja, aber in Afghanistan darf ich es nicht. Seit ich hier bin habe ich viel gelernt. Mein Gedanken und mein Hirn sind komplett offen. Ich habe mitbekommen, dass, Leute die nicht viel bzw. gar nicht mit der Religion zu tun haben sind glücklicher, als die anderen." (Seite 9 der gerichtlichen Niederschrift).

Entgegen seiner vorherigen Aussage (5 Jahre) meinte er, dass er 4 bis 8 Jahre mit Unterbrechungen die Schule besucht habe.

Entgegen seiner vorherigen Aussagen (4 Jahre) ist er bereits im Alter von 2 Jahren aus Afghanistan weggezogen.

Er wisse nicht, ob seine Mutter noch leben würde, hätte sich auch nicht besonders daran interessiert. Er wisse auch nicht, ob er leibliche Geschwister habe. Er könne auch nicht sage, ob er sich vorstellen könne in Afghanistan leben zu können (Seite 7 der gerichtlichen Niederschrift).

1.16.4. Folgende Unterlagen wurden vorgelegt: Ein weiteres Mal ein Empfehlungsschreiben seines Arbeitsgebers. Hier wird ist allerdings der Arbeitsbeginn vor dem Vertrag, nämlich am 13.09.2019 beschrieben. Eine Lohn/Gehaltsabrechnung vom Mai 2019 in der Höhe vom XXXX Euro netto.

1.16.5. Die RV weiderholte in Ihrer Stellungnahme das bisher Gesagte und führte aus, dass eine Änderung der Sache nach nicht eingetreten sei und der Bescheid daher aufzuheben sei.

1.17. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 18.06.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision nicht zugelassen. Begründend wurde ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Länderberichte und der persönlichen Situation des BF, auch weil er volljährig geworden ist, nicht erkannt wird, dass eine Rückführung in den Städten Herat oder Mazar-e Sahrif als innerstaatliche Fluchtalternativen zu der Herkunftsregion Ghazni ihn in eine ausweglose Situation bringen könne.

1.18. Mit Schreiben vom 18.06.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung seitens des BF verlangt. Dem wird mit dem gegenständlichen schriftlichen Erkenntnis nachgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf Verlängerung des subsidiären Schutzes und der Einvernahme des BF durch das BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, seinem Verfahren bezüglich der Zuerkennung des internationalen Schutzes ( XXXX ), der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zum Beschwerdeführer individuell:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Afghanistan, in dem Distrikt Ghazni, geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist nach wie vor schiitischer Moslem.

2.1.2. Im Alter von 4 Jahren verzog bzw flüchtete er mit seinen Stiefeltern in den Iran. Sie siedelten sich in Teheran an und zogen ihn groß. Er besuchte ca 8 Jahre die Schule und arbeite als Müllsammler. Seine Eltern, bestehend aus seinen Stiefeltern, seinen beiden Brüdern und seinen beiden Schwestern, leben noch immer im Iran. Sie könnten ihn im Falle einer Rückführung nach Afghanistan finanziell unterstützten. Er sendet seiner Stieffamilie regelmäßigen Geld in der Höhe von ca 100.- bis 200.- Euro. Er hat mit Ihnen einmal im Monat telefonischen Kontakt. Er spricht die Sprachen Farsi und Deutsch. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

2.1.3. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

2.1.4. Zu Beginn seines Aufenthalts war der BF nicht selbsterhaltungsfähig und lebte von der Grundversorgung. Derzeit ist er von dieser Versorgung nicht abhängig. Er ist bei einer Tankstelle als ungelernter Arbeiter angestellt und verdient im Durschnitt ca 1.100.- Euro. Er wohnt in der Stadt Salzburg und betreibt in seiner Freizeit Sport. Er hat keine Verwandten in Österreich und keine tieferen sozialen Bindungen.

2.1.5. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthalts in Österreich Deutschkurse besucht und hat im April 2017 den A1 Kurs abgeschlossen.

2.1.6. Beim BF sind in seiner Person zwei maßgebende Änderungen eingetreten. Zum einen erreichte er am 01.01.2019 die Volljährigkeit, zum anderen zeigt er durch seine selbständige berufliche Tätigkeit, dass es ihm möglich ist, sich in schwierigen Lebensumständen (hier ein fremdes Land wie Österreich) fähig ist, sehr rasch selbständig seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die letztgenannte Tatsache war dem BFA bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht deutlich bekannt.

Der BF ist im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom XXXX erfahrener, hat Berufserfahrungen gemacht, ergänzende Bildungsschritte unternommen und Kontakte geknüpft.

2.1.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat eine systematische Verfolgung droht oder dass er im Falle einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sahrif in eine aussichtslose Lage gerät.

2.2. Zur potentiellen Gefährdungslage im Rückkehrfall

Folgend wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019. Diese Information wurde zum Parteigengehör gehoben (sh dazu Punkt 0).

2.2.1.1.1. Kurzinformationen und allgemeine Sicherheitslage

"KI vom 26.3.2019

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat -Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Talibangetöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten

betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und

94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen", welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße

gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

KI vom 22.1.2019

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, NationalDirectorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters

30.12.2018).

KI vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte

dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 19.10.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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